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Teilurteils über Räumungsklage bei noch nicht entscheidungsreifer Widerklage über Mietzahlung

LG Berlin – Az.: 63 S 567/10 – Urteil vom 01.07.2011

Auf die Berufung der Beklagten  wird das am 24.08.2010 verkündete Teilurteil des Amtsgerichts Mitte – 2 C 263/10 – aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigungen der Klägerin vom 17.03., 23.03. und 13.04., 20.04. und 11.06.2010 sowie Rückbauansprüche gegenüber den Beklagten zu 1. und 2. bezüglich Trennwände und Türen.

Widerklagend begehren die Beklagten die Erstattung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 694,37 EUR sowie die Rückzahlung vermeintlich überzahlten Mietzinses im Umfang von 454,08 EUR.

Das Amtsgericht hat der Räumungsklage durch das angefochtene Teilurteil stattgegeben und die Widerklage für nicht entscheidungsreif erachtet.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagten zu 1. und 2. seien mangels Genehmigung zum Rückbau der von ihnen vorgenommenen Einbauten verpflichtet.

Insbesondere die Kündigung vom 13.04.2010 sei gemäß § 543 Abs. 1 BGB begründet, weil zwar die dort aufgeführten einzelnen Beanstandungen jede für sich nicht ausreichten, um die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar erscheinen zu lassen, jedoch führe das Verhalten der Beklagten insgesamt  zu einer Zerrüttung des Dauerschuldverhältnisses. Vor allem die z. T. unter Vorbehalt geleisteten Mietzahlungen und die unerlaubten Umbauten seien hierfür maßgeblich.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung und beantragen sinngemäß,

1. das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen

sowie

2. hilfsweise unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen und

3. hilfsweise ihnen eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, das Mietverhältnis sei aufgrund verhaltensbedingter Pflichtverletzungen der Beklagten durch Kündigung beendet.

Im Übrigen wird anstelle des Tatbestands auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist gemäß § 511 ff. ZPO zulässig; sie ist insbesondere rechtzeitig eingelegt worden. Denn es ist von der Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am   16.10.2010              auszugehen. Hat der Prozessbevollmächtigte die Urteilszustellung im Empfangsbekenntnis nicht bescheinigt, gibt er aber in der von ihm unterzeichneten Berufungsschrift den Tag der Zustellung ausdrücklich an, kann dadurch die Zustellung mit Wirkung auf diesen Tag vollzogen werden (BGH v. 11.03.1987 – VIII ZR 160/86, NJW 1987, 2679). Es bedurfte für eine wirksame Zustellung nicht des anwaltlichen Empfangsbekenntnisses unter Verwendung des üblichen Vordrucks (vgl. BGH v. 29. Oktober 1980 – IVb ZR 599/80, NJW 1981, 462, 463); der Empfänger kann vielmehr auf beliebige Weise Empfang und Annahmewillen schriftlich bestätigen. Ein derartiges Empfangsbekenntnis enthält die Berufungsschrift vom 15.10.2010. Damit sind die auf Seiten des Rechtsanwalts unabdingbaren Voraussetzungen für die Vollendung einer Zustellung erfüllt, nämlich die – hier nicht zweifelhafte – Kenntnis von der Zustellungsabsicht der Geschäftsstelle und der Wille, das in seinen Gewahrsam gelangte Schriftstück als zugestellt anzunehmen, sowie die Ausstellung eines mit Datum und Unterschrift versehenen Empfangsbekenntnisses (BGH v. 11.03.1987 a.a.O.). Die am 19.10.2010 per Fax eingegangene Berufungsschrift war damit gemäß § 517 ZPO rechtzeitig.

In der Sache ist ein gemäß § 301 Abs. 1 S. 1 ZPO unzulässiges Teilurteil ergangen, so dass das Urteil gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen war.

Hierbei kann dahin stehen, ob – wie das angefochtene Urteil meint – eine Summierung kleinerer verhaltensbedingter Verstöße des Mieters, die jeder für sich eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen könnten, in ihrer schlichten Summierung  zu einer „Zerrüttung“ des Mietverhältnisses als Kündigungsgrund i.S.v. § 543 Abs. 1 BGB führen können, was zweifelhaft ist  (Blank in Blank/Börstinghaus 3. Aufl. 2008 § 543 Rn 5; a.A. wohl Bieber in MüKo, 5. Aufl. 2008 § 543 Rn 12). Denn jedenfalls stützt die angegriffene Entscheidung diese Auffassung, wonach die Summierung vorliegend zu einer solchen „Zerrüttung“ der Vertrauensgrundlage führe, insbesondere auf die unerlaubten Umbaumaßnahmen und das Zahlungsverhalten der Beklagten, die z.T. Nachzahlungen unter Vorbehalt leisteten und Minderungen geltend machten, weist aber zu Recht auf die jeweils für sich genommen nicht ausreichende Schwere etwaiger Verstöße, die im Urteil nicht genau benannt werden, hin.

Unter diesen Umständen ist es nicht ausgeschlossen, dass die im Rahmen der Widerklage geltend gemachte Rückforderung, die auf einer  – unter Vorbehalt geleisteten –  Zahlung  der Beklagten von 605,64 EUR beruht, von den Beklagten nicht geschuldet war; wenn sonach die verbleibenden Gründe, auf die sich diese Kündigung stützt, nämlich der behauptete Annahmeverzug mit der Mängelbeseitigung und die Umbauten als einzige Gründe verbleiben, aber in ihrer Summe nicht ausreichen, um die materielle Berechtigung zur Kündigung zu begründen, verwirklichte sich die Gefahr widersprechender Entscheidungen, weil erst die Entscheidung über die Widerklage Gewissheit über die Zahlungsverpflichtung der Beklagten zu erbringen vermag, zumal auch das Amtsgericht selbst davon ausgeht, dass einer der  Tatbestände des § 543 Abs. 2 BGB nicht erfüllt war.

So darf nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung auch bei subjektiver oder objektiver Klagehäufung oder grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstandes ein Teilurteil (§ 301 ZPO) nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen – auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ausgeschlossen ist. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden (st. Rspr.; BGH vom 26.04.1989 – IVb ZR 48/88, BGHZ 107. 236, 242; v. 4.02. 1997 – VI ZR 69/96, VersR 1997, 601, 602 und vom 25.11.2003 – VI ZR 8/03, VersR 2004, 645,646).

Eine solche Gefahr besteht bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (BGH vom 28.11.2003 – V ZR 123/03. BGHZ 157, 133, 142 f.; v. 7.11.2006 – X ZR 149/04, NJW 2007; v. 29.03.2011 – VI ZR 117/10, NJW 2011, 1815).

So liegt es hier, wo Bestehen und Umfang eines möglichen Zahlungsverzugs eines von mehreren Elementen darstellen, die erst gemeinsam mit anderen Vertragsverstößen zur Annahme eines Kündigungsgrundes aus § 543 Abs. 1 BGB führten. Die Folge einer solchen Verzahnung ist zwingend die einheitliche Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand, die nun vom Amtsgericht  vorzunehmen sein wird.

Die Kostenentscheidung bleibt dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten.

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