AG Rheine – Az.: 10 C 234/18 – Urteil vom 16.05.2019
Unter Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 24.01.2019 im Übrigen, wird der Beklagte zu 1) verurteilt, an den Kläger Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 Euro, nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.11.2018 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages fortgesetzt werden.
Der Streitwert wird auf 12.545 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von den Beklagten die Räumung der Wohnung und von dem Beklagten zu 1) darüber hinaus die Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung sowie die Erstattung der Kosten für das anwaltliche Kündigungsschreiben.
Zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) besteht seit dem 28.04.2004 ein Mietvertrag über eine Wohnung im Erdgeschoss des Hauses F-Straße ## in Emsdetten. Mitbewohner dieser Wohnung sind die Beklagten zu 2) – 4). Die gesamte Warmmiete beläuft sich derzeit auf 770,00 Euro.
Im Jahr 2018 kam es erstmalig zu Mietrückständen. Der Beklagte zu 1) zahlte die Mieten für die Monate September und Oktober nicht. Daraufhin kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit Schreiben vom 09.10.2018 fristlos sowie hilfsweise ordentlich zum 31.07.2018. Das Kündigungsschreiben wurde dem Beklagten über einen Gerichtsvollzieher zugestellt. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 19,50 Euro. Am 16.10.2018 beglich der Beklagte zu 1) die rückständigen Mieten für die Monate September und Oktober.
Nachdem der Kläger zunächst Klage auf sofortige Räumung der Wohnung erhoben hatte, weil er versehentlich davon ausgegangen war, dass die Miete für den Monat Juni ebenfalls noch 2018 offen sei, begehrt er nunmehr die Räumung der Wohnung zum 31.07.2019 aufgrund der ordentlichen Kündigung.
Der Kläger ist der Auffassung, dass seine hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 9.10.2018 weiterhin Bestand habe, denn die Beklagten hätten mit ihrer nachträglichen Zahlung der rückständigen Mieten lediglich die fristlose Kündigung unwirksam machen können, jedoch nicht die ordentliche Kündigung.
Da die Beklagten aber durch ihr Verhalten zum Ausdruck gebracht hätten, nicht willens zu sein, die Wohnung freiwillig zum 31.07.2019 zu räumen, bestehe ein Anspruch auf zukünftige Räumungsklage.
Die ordentliche Kündigung sei auch wirksam, da sich der Beklagte zu 1) unstreitig mit zwei Monatsmieten in Zahlungsrückstand befunden habe.
Ein Minderungsrecht habe nicht bestanden. Soweit sich Schimmelbefall im Bad befinde, sei dies alleine auf ein falsches Lüftungsverhalten der Beklagten zurückzuführen. Auch die angeblich beschädigten Türschlösser und Rollläden seien mutwillig von den Beklagten beschädigt worden.
Der Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren und der Zustellungsgebühren für die Kündigung beruhe auf Verzug.
Nachdem der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung keinen Antrag gestellte hatte, erging gegen ihn ein Versäumnisurteil, mit dem seine Klage abgewiesen wurde.
Hiergegen legte er Einspruch ein und beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil vom 24.01.2019 aufzuheben und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die Wohnung im Erdgeschoss rechts des Hauses F-Straße ##, 48282 Emsdetten, bestehend aus vier Zimmern, einer Küche, einer Diele, einem Flur, einem Bad, einem WC, einem Kellerraum und einem Stellplatz zum 31.07.2019 zu räumen und an ihn herauszugeben sowie den Beklagten 1) zu verurteilen, an ihn 19,50 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz, sowie nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.11.2018 und ab März 2018 jeweils zum 03. eines jeden Monats bis zur endgültigen Räumung eine Nutzungsentschädigung in Höhe 443,00 Euro zzgl. einer Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 327,00 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04. eines jeden Monats zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten und die Klage abzuweisen.
Sie sind der Ansicht, die Umstellung der Klage von einer sofortigen Räumung auf eine Räumung zum 31.7.2019 sei eine unzulässige Klageänderung.
Zudem sei aber auch die ordentliche Kündigung unwirksam, denn der Beklagte zu 1) habe seine vertraglichen Pflichten nicht schuldhaft verletzt. Es müsse vielmehr berücksichtigt werden, dass der Beklagte zu 1) innerhalb von nur fünf Tagen nach dem Erhalt der Kündigung den Rückstand vollständig beglichen habe.
Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass der Beklagte zu 1) die Mieten für September und Oktober nicht böswillig einbehalten habe, sondern durch dein Einbehalt den Kläger lediglich dazu bringen wollte, die mehrfach gerügten Mängel, insbesondere den Schimmelbefall im Badezimmer, endlich zu beseitigen. Dieser Schimmel sei eindeutig nicht auf ein falsches Lüftungsverhalten ihrerseits zurück zu führen. Es handele sich nämlich um ein innen liegendes Bad, das lediglich über einen Lüftungsventilator verfüge, der jedoch seit zwei Jahren defekt sei. Auf diesen Defekt sei der Kläger schon vor mehr als einem Jahr hingewiesen worden, ohne etwas unternommen zu haben.
In der Vergangenheit hätten sie die Miete stets pünktlich gezahlt. Auch derzeit würden sie die Mieten stets pünktlich zahlen, so dass überhaupt kein Anlass zur Besorgnis, dass dies zukünftig nicht der Fall sein werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil ist zulässig, aber nur zu einem geringfügigen Teil bezüglich der Zahlungsklage gegen den Beklagten zu 1) begründet.
Hinsichtlich der Räumungsklage ist der Einspruch unbegründet. Denn die ordentliche Kündigung des Klägers verstößt gegen § 242 BGB und ist damit unwirksam.
Gemäß § 573 Abs. 1 BGB kann ein Vermieter nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt gem. § 573 Abs. 2 BGB insbesondere vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Dies wird grundsätzlich bei einem Zahlungsrückstand angenommen, der eine fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs.2 N3. 3 BGB rechtfertigt, also wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB Komm. 2018, § 543 Rn 23; BGH NJW 2008, 509).
Bei einer ordentlichen Kündigung muss aber im Gegensatz zur fristlosen Kündigung ein Verschulden des Mieters sowie eine nicht unerhebliche Vertragsverletzung hinzukommen (vgl. BGH Urteil vom 16.02.2005, VIII ZR6/04, Seite 4). Denn § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB begünstigt den Mieter im Gegensatz zur fristlosen Kündigung dahingehend, dass ihm die Möglichkeit eröffnet wird, seine Pflichtverletzung aufgrund besonderer Umstände als nicht erheblich ansehen zu lassen. Nach Auffassung des BGH kann in diesem Rahmen sogar eine nachträgliche Zahlung zu Gunsten des Mieters berücksichtigt werden und sein vorheriges Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen (BGH Urteil vom 16.02.2005 – VIII ZR6/04, Seite 5 mit weiteren Nachweisen).
Nach neueren Entscheidungen des BGH vom 10.10.2012 ( VIII ZR107/12) und vom 19.9.2018 ( BGH NJW 2018, 3517) ist insbesondere im Rahmen des Einzelfalls außerdem zu klären, ob sich der Vermieter treuwidrig verhält, wenn er auf einen erstmaligen, zur fristlosen Kündigung berechtigenden Zahlungsrückstand binnen weniger Tage die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung eines langfristig beanstandungsfrei geführten Mietverhältnisses erklärt, und trotz prompten Ausgleichs des Zahlungsrückstandes durch den Mieter an der ordentlichen Kündigung festhält.
Nach Auffassung des Gerichts ist hier von einem solchen treuwidrigen Verhalten des Klägers auszugehen. Denn das Mietverhältnis bestand bereits seit dem Jahre 2004, mithin seit über 14 Jahren. In dieser gesamten Zeit hatte der Beklagte zu 1) seine Miete stets pünktlich gezahlt. Lediglich in den Monaten September und Oktober 2018 kam es erstmals nicht zu einer Zahlung, woraufhin der Kläger bereits am 09.10.2018, das Mietverhältnis kündigte, also nur wenige Tage nach dem Verzug der zweiten Monatsmiete. Nach Zugang des Kündigungsschreibens am 11.10.2018 glich der Beklagte zu 1) den Rückstand jedoch am 16.10.2018 vollständig aus, mithin innerhalb von fünf Tagen. In der Folgezeit zahlte er die monatlichen Mieten wieder stets pünktlich im voraus.
Der Kläger vermochte keine Gründe vorzutragen, warum er dennoch an der Kündigung festhalten wollte. Soweit er vorträgt, er befürchte, dass der Beklagte zu 1) zukünftig nicht pünktlich oder gar nicht zahlen werde, sind hierfür keine Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr erweckt der Beklagte zu 1) den Eindruck, dass er selber an einer pünktlichen Mietzinszahlung interessiert ist, da er dieser Verpflichtung seit über 14 Jahre lang ohne Beanstandungen nachgekommen ist. Das Festhalten des Klägers an der ordentlichen Kündigung ist somit als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten.
Der Kläger hat allerdings gegen den Beklagten zu 1) einen Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren für das Kündigungsschreiben gemäß §§ 280, 286 BGB, da der Beklagte zu 1) sich mit zwei monatlichen Raten in Verzug befand und die fristlose Kündigung zunächst wirksam war.
Ein Anspruch auf Zustellungskosten in Höhe von 19,50 Euro besteht hingegen nicht, da nicht erkennbar ist, warum es erforderlich war, die Kündigung durch einen Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen. Der Zinsanspruch auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren rechtfertigt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 2 ZPO.