BGH – Az.: III ZR 134/19 – Urteil vom 19.11.2020
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. Juli 2019 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz eines im Keller ihres Hauses eingetretenen Wasserschadens in Anspruch.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines in den 1960er Jahren errichteten Flachdachbungalows, dessen Entwässerung über ein Mischsystem erfolgt. Dabei wird das von außen – etwa vom Dach ablaufende – Oberflächenwasser durch innen liegende Regenfallrohre geführt und gemeinsam mit den häuslichen Abwässern aus den – auch im Kellergeschoss befindlichen – Sanitäranlagen über die unterhalb der Kellersohle liegende Grundleitung in die Kanalisation eingeleitet. Der Boden des Kellergeschosses befindet sich zwei Meter unterhalb der Rückstauebene. Über eine Rückstausicherung verfügt das Objekt nicht, obgleich sowohl die bei Bau des Bungalows gültige als auch derzeit geltende Satzung der Gemeinde dies vorsehen.
Ab dem Jahr 2014 beauftragte der Beklagte zu 2, der zuständige Wasserwirtschaftsverband, die Beklagte zu 1, ein Tiefbauunternehmen, anlässlich der Renaturierung des sogenannten Telgeigrabens mit der Errichtung eines unterirdischen Kanals für die Schmutzwasserableitung. Im Zuge der – sich bis ins Jahr 2016 hinziehenden – Bauarbeiten verjüngten Mitarbeiter der Beklagten zu 1 provisorisch im Bereich eines vor dem Anwesen der Klägerin belegenen Schachtes den unterirdischen Mischwasserkanal (für Schmutz- und Regenwasser) von 50 cm auf 20 cm. In der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 2016 kam es zu starken Regenfällen.
Die Klägerin hat behauptet, als Folge der Regenfälle sei das Kellergeschoss ihres Hauses überflutet worden. Der Wassereintritt sei auf einen durch die – pflichtwidrige – Verjüngung des Mischwasserkanals entstandenen Rückstau in der Abwasserleitung zurückzuführen. Zuvor sei das Kanalsystem ausreichend dimensioniert gewesen. Ein Haftungsausschluss wegen der fehlenden Rückstausicherung, deren Installation bei der Errichtung des Hauses nicht möglich gewesen sei, komme den Beklagten nicht zugute. Ein Rückstausystem hätte den Wasserschaden zudem nicht verhindert. Der nachträgliche Einbau eines weitergehenden Sicherungssystems sei zum einen nicht möglich und ihr zum anderen wegen der damit verbundenen erheblichen Kosten auch nicht zumutbar gewesen. Jedenfalls hätten die Beklagten – so die Auffassung der Klägerin – sie auf die Gefahr möglicher Überflutungen wegen der Arbeiten an dem Kanalsystem hinweisen müssen.
Die Beklagten sind dem entgegengetreten.
Das – sachverständig beratene – Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet.
I.
Das Oberlandesgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – ausgeführt, die Feststellungsklage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Allein in Betracht kommende deliktische Ansprüche gegen die Beklagten schieden schon deswegen aus, weil der von der Klägerin geltend gemachte Schaden vom Schutzzweck der Pflicht zur Vorhaltung einer funktionierenden und ausreichend dimensionierten Kanalisation nicht erfasst sei. Insoweit könne offenbleiben, ob die Beklagte zu 1 Pflichten verletzt habe, die zu einer eigenständigen Haftung gemäß § 823 Abs. 1, § 831 BGB führen könnten. Eine Verletzung von Pflichten im Zusammenhang mit der Planung und Ausführung der Kanalbauarbeiten und deren Kausalität für die von der Klägerin geltend gemachten Schäden könne unterstellt werden. Bei Rückstauschäden infolge einer planerischen Unterdimensionierung des Kanalsystems sei nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats der Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden grundsätzlich zu verneinen. Jeder Grundstückseigentümer sei regelmäßig selbst verpflichtet, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um sein Anwesen gegen Rückstauungen bis zur Rückstauebene zu sichern. Diese Verpflichtung habe auch im vorliegenden Fall bestanden. Die Mehrzahl der Obergerichte differenziere bei der Anwendung der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht nach der Ursache des Schadenseintritts. Allerdings habe das Oberlandesgericht Saarbrücken in dem Fall abweichend entschieden, dass der Amtsträger eine besondere Gefahrenlage geschaffen habe, die ihn zur zumutbaren Gefahrenabwehr verpflichte. Dem sei jedoch nicht zu folgen. Auf die Art der Pflichtverletzung komme es nicht an, sondern auf die Art des Schadens. Beruhe dieser – wie vom Sachverständigen angenommen – auf einer fehlenden Rückstausicherung, hafte weder der Hoheitsträger noch der von ihm beauftragte Bauunternehmer unabhängig davon, ob Letzterer als Verwaltungshelfer tätig geworden sei oder nicht. Der Einbau einer Rückstausicherung am Haus der Klägerin sei – so der Sachverständige – technisch möglich gewesen. Der Haftungsausschluss scheitere auch nicht aus Zumutbarkeitsgesichtspunkten, insbesondere den für die nachträgliche Installation zu erwartenden Kosten. Anderenfalls hinge die Haftung des Kanalbetreibers für Rückstauschäden von Umständen ab, die seinem Einfluss entzogen seien. Die Frage der Zumutbarkeit könne jedenfalls in den Fällen keine Rolle spielen, in denen der Bauherr – wie hier – bei Errichtung des Objekts aufgrund der Konstruktion der Entwässerung sehenden Auges das Risiko des Rückstaus eingegangen sei. Im Übrigen überschreite der von dem Sachverständigen mit rund 11.000 € brutto ermittelte Kostenaufwand zur nachträglichen Herrichtung einer Rückstausicherung nicht die Zumutbarkeitsgrenze. Eine gesonderte Hinweispflicht habe nicht bestanden. Die Beklagten hätten darauf vertrauen dürfen, dass die von der Rückstaugefahr betroffenen Grundstückseigentümer ihre Pflichten gekannt und – soweit erforderlich – Schutzmaßnahmen ergriffen hätten.
II.
Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
Zu Recht und mit zutreffenden Gründen hat das Berufungsgericht einen festzustellenden Schadensersatzanspruch der Klägerin abgelehnt.
1. Bedenken gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrags, die das Berufungsgericht von den Beklagten unangegriffen bejaht hat, bestehen nicht.
2. Einen Anspruch aus der verschuldensunabhängigen Wirkungshaftung aus § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG hat das Oberlandesgericht zutreffend und von der Revision unbeanstandet verneint, weil ein solcher sich nicht auf Schäden erstreckt, die an einem an die Kanalisation angeschlossenen Haus infolge eines Rückstaus entstehen (Senat, Beschluss vom 30. Juli 1998 – III ZR 263/96, NVwZ 1998, 1218, 1219; Urteil vom 7. Juli 1983 – III ZR 119/82, BGHZ 88, 85, 90).
3. Deliktische Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 gemäß § 823 Abs. 1, § 31 BGB oder § 831 BGB beziehungsweise den Beklagten zu 2 gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG scheitern – unabhängig von der Frage, ob den Beklagten wegen der umbaubedingten Verjüngung der Abwasserleitung überhaupt eine objektive Pflichtverletzung vorzuwerfen ist oder eine Haftung der Beklagten zu 1 von vornherein deshalb ausscheidet, weil sie als Beamtin im haftungsrechtlichen Sinne handelte – an der mangelnden Zurechenbarkeit des geltend gemachten Wasserschadens. Der – festzustellende – Schaden liegt außerhalb des Schutzbereichs der im Zusammenhang mit der Durchführung der Bauarbeiten möglicherweise verletzten Pflichten. Die Klägerin durfte nicht in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen, vor Rückstauschäden bewahrt zu bleiben, die durch die üblichen Sicherungsvorrichtungen hätten verhindert werden können.
a) Der Schutzzweck einer verletzten Amtspflicht dient der inhaltlichen Bestimmung und sachlichen Begrenzung der Amtshaftung (zB Senat, Urteil vom 22. Januar 2009 – III ZR 197/08, NJW 2009, 1207, Rn. 11 und Beschluss vom 30. Juli 1998 aaO, jew. mwN). Die Feststellung einer Pflichtverletzung ist daher allein noch nicht geeignet, einen Ersatzanspruch zu begründen. Hinzukommen muss vielmehr, dass gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt sein soll (zB Senat, Urteile vom 22. Januar 2009 aaO und vom 16. Januar 1992 – III ZR 18/90, BGHZ 117, 83, 90; Beschluss vom 30. Juli 1998 aaO; jew. mwN).
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats besteht zur Vermeidung von Rückstauschäden – auch dann, wenn das Kanalnetz im Schadenszeitpunkt unterdimensioniert war – die Besonderheit, dass – zumindest im Grundsatz – der Grundstückseigentümer selbst verpflichtet ist, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um sein Anwesen gegen einen Rückstau bis zur Rückstauebene, das heißt bis zur Straßenoberkante, zu sichern (Senat, Beschluss vom 30. Juli 1998 aaO). Für eine taugliche Rückstausicherung zu sorgen, liegt daher im eigenen Interesse des Anschlussnehmers und hängt nicht von der konkreten Ursache des Rückstaus ab. Selbst bei einem ordnungsgemäß geplanten und ausgeführten Kanalsystem kann es immer wieder – etwa aufgrund selten auftretender ungewöhnlich heftiger Regenfälle – zu einem Rückstau kommen (vgl. schon Senat, Urteil vom 30. September 1982 – III ZR 110/81, WM 1983, 510, 511). Ein Anschlussnehmer muss daher damit rechnen, dass von Zeit zu Zeit auf seine Leitungen mindestens ein Druck einwirken kann, der bis zur Oberkante der Straße reicht (vgl. schon Senat, Beschluss vom 30. Juli 1998 aaO). Ein Anlieger darf nicht darauf vertrauen, vor Rückstauschäden bewahrt zu werden, die bei normalen, durch die üblichen Sicherungsvorkehrungen auszugleichenden Druckverhältnissen entstehen würden (Senat, Urteil vom 24. August 2017 – III ZR 574/16, NVwZ-RR 2018, 8 Rn. 23 sowie Beschluss vom 30. Juli 1998 aaO).
Es stellt dabei keinen entscheidenden Unterschied dar, ob der Rückstau in der Leitung durch eine unzureichend geplante und insoweit (dauerhaft) unterdimensionierte Kanalisation (wie in dem dem Senatsbeschluss vom 30. Juli 1998 – aaO – zugrunde liegenden Fall) oder durch zeitlich begrenzte Arbeiten am Kanalsystem – hier die durch die Renaturierung des Telgeigrabens veranlassten, möglicherweise wegen einer zu starken Verjüngung bei der provisorischen Wasserableitung ungenügend abgesicherten, Bauarbeiten – verursacht worden ist (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 21. Januar 2015 – I-16 U 99/14, juris Rn. 33 ff; dass., VersR 2002, 610 f; OLG Karlsruhe, BauR 2001, 663, 664; OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 2000, 48). Es wäre ein Wertungswiderspruch, für die sich dauerhaft auswirkende Falschplanung eines Kanals anzunehmen, Rückstauschäden seien bei Fehlen einer anschlussseitigen Sicherung vom Schutzzweck der Pflicht zur ausreichenden Dimensionierung der Anlage ausgenommen, dies aber bei vorübergehenden Maßnahmen zu verneinen. Von vornherein fehlgeplante (Unter-)Dimensionierungen wirken sich dauerhaft gefährdend aus, während Fehler bei Bauarbeiten nur eine vorübergehend gesteigerte Gefahrenlage schaffen.
Jedenfalls dann, wenn die einschlägige Satzung eine Verpflichtung zum Einbau einer Rückstausicherung vorsieht, darf der Träger des Kanalnetzes – ebenso wie ein von ihm beauftragter Tiefbauunternehmer – demgegenüber darauf vertrauen, dass sich die Anlieger vor einem in verschiedenen Konstellationen möglichen Rückstau im Leitungsnetz schützen. Die hier maßgebliche im Schadenszeitpunkt gültige Entwässerungssatzung der Stadt D. vom 30. April 2008 (D. Bekanntmachungen 2008, 317) sieht in § 13 Abs. 3 die Verpflichtung des Grundstückseigentümers vor, das Gebäude gegen Rückstau von Abwasser aus dem öffentlichen Abwasserkanal zu schützen, indem er Ablaufstellen unterhalb der Rückstauebene (Straßenoberfläche) durch eine funktionstüchtige Rückstausicherung gemäß den allgemein anerkannten Regeln der Technik einzubauen hat. Entsprechendes war auch bereits in der bei Bau des Hauses der Klägerin geltenden Entwässerungssatzung vom 17. Dezember 1962 in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1963 geregelt. Auf die Rückstaugefahr wurde zudem in der im Zusammenhang mit der Errichtung des Bungalows erteilten Entwässerungsauskunft hingewiesen und die Genehmigung für Einläufe unterhalb der Straßenoberfläche unter Bezugnahme auf § 5 Nr. 2 der vorstehend genannten Satzung deshalb auch nur auf Gefahr der Eigentümer erteilt. Die jeweilige Satzungsnorm, die dem Anschlussnehmer den Einbau einer Rückstausicherung zur Pflicht macht, will ihn vor allen Schädigungen durch Rückstau bewahren, nicht nur vor einem Rückstau aus bestimmter Ursache, wobei Kenntnis und Beachtung der (jeweils) einschlägigen Satzungsbestimmungen von jedem Anschlussinhaber zu verlangen sind (Senat, Urteil vom 30. September 1982 aaO S. 511).
Beide Beklagte durften sich daher ungeachtet einer eigenen Pflichtverletzung darauf verlassen, dass die notwendigen Rückstausicherungen eingebaut waren und funktionierten (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2002, 1673; OLG Düsseldorf aaO).
bb) Dem stehen die Erwägungen in dem Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 21. Juni 2005 (OLGR Saarbrücken 2005, 708), die das Berufungsgericht zur Zulassung der Revision veranlasst haben, nicht entgegen. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken ging es um eine Konstellation, in der bei Reparaturarbeiten an einem Schachtbauwerk zulaufendes Schmutzwasser durch einen Schieber (vollständig) vom Hauptkanal zurückgehalten und über einen Notüberlauf entsorgt, der Zulauf zu diesem Kanal jedoch trotz einsetzenden starken Regens (zunächst) nicht wieder geöffnet wurde, sondern die Arbeiten über einen gewissen Zeitraum aktiv fortgesetzt wurden. Dies führte wegen des gesperrten Hauptkanals zu einem Rückstau, und Wasser drang in ein angeschlossenes (ebenfalls nicht rückstaugesichertes) Anwesen ein. Ob in einem solchen Fall einer völlig ungewöhnlichen Häufung von Risiken aus der Sphäre des Anlagenbetreibers der unter Schutzzweckgesichtspunkten gebotene völlige Ausschluss der Haftung für Rückstauschäden ausnahmsweise zurücktreten kann, muss nicht entschieden werden. Die vorliegende Fallgestaltung ist hiermit nicht vergleichbar.
b) Dass eine Rückstausicherung am Haus der Klägerin technisch möglich ist (und auch schon in den 1960er Jahren war), hat das Berufungsgericht – sachverständig beraten – festgestellt. Ebenso steht danach fest, dass der Schaden vermieden worden wäre, wenn eine funktionsfähige Rückstausicherung vorhanden gewesen wäre.
c) Der Einbau einer funktionsfähigen Rückstausicherung, die sich vorliegend nicht auf eine (kostengünstige) Rückstauklappe beschränkte, sondern weitere – kostspieligere – Maßnahmen wie die Installation eines Pumpensystems erforderte, war der Klägerin auch nicht unzumutbar.
aa) Die Erfüllung der – wie hier durch Satzung geregelten – Pflicht des Eigentümers, sein Anwesen selbst durch eine funktionsfähige Rückstausicherung vor – stets möglichen – Rückstauschäden zu schützen, die mit der berechtigten Erwartung des Kanalbetreibers oder des von ihm beauftragten Unternehmens korrespondiert, dass Druckunterschiede in den Leitungen im Rahmen des hierdurch technisch Möglichen ausgeglichen werden, wird nicht durch die damit verbundenen Kosten begrenzt. Es fällt vornehmlich in die Risikosphäre des Grundstückseigentümers, welche konkrete Entwässerungssituation er vorfindet und wie sie sich auf die Auswahl der – insoweit mehr oder weniger aufwendigen und/oder kostenintensiven – Rückstausicherung auswirkt. Demgegenüber ist der Kanalbetreiber oder der von ihm beauftragte Unternehmer mit den Grundstücksverhältnissen und den ergriffenen Maßnahmen der einzelnen Anlieger regelmäßig nicht vertraut. Er wird daher in den seltensten Fällen wissen, wo – etwa im Fall von Bauarbeiten – weitere Schutzmaßnahmen erforderlich werden und wo nicht.
Den Schutzzweck der Amtspflicht nach dem jeweiligen Kostenrisiko zu begrenzen, wäre mithin nicht nur der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit abträglich, sondern auch faktisch kaum umsetzbar. Abgesehen davon, dass es keinen eindeutigen Maßstab dafür geben kann, welche Kosten objektiv zumutbar sind, hinge – worauf das Berufungsgericht mit Recht hinweist – die Haftung des Kanalbetreibers insoweit von Umständen ab, die seinem Einflussbereich entzogen wären. Um eine etwaige Haftung zu vermeiden, wäre er gegebenenfalls sogar gezwungen zu ermitteln, welcher Anlieger über eine Rückstausicherung verfügt und – wenn nicht – mit welchem Aufwand sie zu installieren (gewesen) wäre. Dies liegt außerhalb dessen, was ein Verwaltungsträger oder ein von ihm eingesetztes Unternehmen mit zumutbarem Aufwand zu leisten imstande ist. Der Kanalbetreiber und von ihm eingesetzte Dritte müssen sich vielmehr darauf verlassen können, dass die einer gemeindlichen Satzung unterworfenen Anschlussnehmer den ihnen im eigenen Interesse obliegenden Pflichten nachgekommen sind, ohne zwischen einzelnen Haushalten und deren Entwässerungsvoraussetzungen unterscheiden zu müssen. Aus diesem Grund spielt es auch keine Rolle, welche Art der Entwässerung – hier über ein Mischsystem – dem bei Errichtung des jeweiligen Gebäudes üblichen Standard entsprach. Anderes würde zu dem nicht hinzunehmenden Ergebnis führen, dass der Betreiber des Kanalsystems bei vergleichbaren Ausgangsvoraussetzungen einem Teil der Anlieger für (vermeidbare) Rückstauschäden haften müsste und einem anderen Teil nicht.
bb) Gegenteiliges kann (entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Saarbrücken, aaO; ähnlich zB Zimmerling in jurisPK, § 839 BGB Rn. 534) auch nicht dem Senatsurteil vom 30. September 1982 (aaO S. 511) entnommen werden. Soweit dort in Bezug auf ein ordnungsgemäß geplantes und ausgeführtes Kanalsystem, in dem es unter ungünstigen Bedingungen gleichwohl zu einem Rückstau kommen kann, davon die Rede ist, wirtschaftliche Gründe zwängen jede Gemeinde dazu, das Fassungsvermögen einer Kanalisation nicht so groß zu bemessen, dass es auch bei jedem selten auftretenden, außergewöhnlich heftigen Regen ausreiche, kann daraus – unbeschadet einer in der gemeindlichen Satzung geregelten, nicht näher eingegrenzten Pflicht zum Einbau einer Rückstausicherung – nicht der Umkehrschluss gezogen werden, der Schutzbereich der verletzten Amtspflicht könne sich nach Maßgabe von wirtschaftlichen Erwägungen im konkreten Fall erweitern. Mit den seinerzeitigen Erwägungen des Senats sollte lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass ein Anlieger nicht damit rechnen darf, vor vermeidbaren Rückstauschäden bewahrt zu werden. Daraus kann indessen nicht abgeleitet werden, für die Frage der Haftung seien Kosten für eine hinreichende Dimensionierung des gesamten Kanalnetzes oder eines nur provisorischen Teilstücks zu den Kosten der jeweiligen Rückstausicherung ins Verhältnis zu setzen.
d) Eines besonderen Hinweises auf die mit den Bauarbeiten gegebenenfalls verbundene größere Rückstaugefahr bedurfte es in Anbetracht der vorstehend erörterten Umstände nicht. Mit Bauarbeiten im Bereich der Kanalisation und damit eventuell verursachten Störungen des Abflusses muss ein Anlieger grundsätzlich rechnen. Auch davor soll eine Rückstausicherung ihn schützen.