Skip to content
Menü

Vermieterkündigung der Mietwohnung muss allen Mietern zugehen

LG München I, Az.: 14 S 6395/16, Urteil vom 12.10.2016

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 10.03.2016, Az. 422 C 17523/15, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.155,60 € festgesetzt.

Gründe

I.

Zur Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Zusammenfassend und ergänzend ist Folgendes anzufügen:

Kündigung durch Vermieter muss allen Mietern zugehen
Foto: fizkes / Bigstock

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz um Räumung und Herausgabe einer von den Beklagten im Jahr 1975 angemieteten Wohnung im Anwesen G, München. Der Kläger hat diese Wohnung erworben und wurde am 11.01.2013 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Die von den Beklagten zu zahlende Miete betrug jedenfalls 496,92 € zzgl. einer Pauschale in Höhe von 44,03 €.

Mit Schreiben vom 29.12.2012 sprach der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 1) eine Mieterhöhungsbegehren auf 596,30 € aus, was einer Gesamtmiete zzgl. Pauschale von 640,33 € entsprach. Dieser Mieterhöhung stimmte allein der Beklagte zu 1) zu und zahlte im Folgenden jedenfalls einmal die Differenz zwischen der unstreitig bestehenden Miete und der begehrten Miete.

Am 02.07.2015 sprach der Kläger die außerordentliche bzw. hilfsweise ordentliche Kündigung aus, welche damit begründet wurde, dass die Mieten für Mai und Juni 2015 nicht gezahlt worden seien. Entsprechend befänden sich die Beklagten mit einer Zahlung von 1.280,60 € in Rückstand.

Die Beklagten traten dieser Kündigung entgegen und führten aus, dass die Kündigungserklärung bereits unwirksam sei, da die Beklagte zu 3), was dem Kläger auch bekannt gewesen war, nicht mehr in der Wohnung wohnte. Die in § 13 des Mietvertrags enthaltene Vollmacht sei ebenfalls unwirksam. Darüber hinaus sei auch das Mieterhöhungsbegehren unwirksam, da es von Seiten des Klägers zu einem Zeitpunkt ausgesprochen worden war, als er noch nicht Vermieter der streitgegenständlichen Wohnung gewesen ist. Zudem wurde die Mieterhöhung nur gegenüber dem Beklagten zu 1) erklärt. Ein Zahlungsrückstand bestünde ebenfalls nicht. Unstreitig bestand eine Vorschusszahlung von Seiten des Beklagten zu 1) in Höhe von 1.228,58 €.

Nachdem der Mietzinsrückstand ausgeglichen worden war, wurde die außerordentliche Kündigung übereinstimmend für erledigt erklärt.

Hinsichtlich der noch offenen ordentlichen Kündigung wies das Amtsgericht München die Klage ab, eine Besorgnis der Nichterfüllung im Sinne des § 259 ZPO bestünde nicht, die Klage sei daher unzulässig.

Gegen dieses Endurteil wendet sich die Berufung des Klägers, der ausführte, dass die Klage zulässig gewesen war. Von Seiten der Beklagten wurde der Kündigungsgrund ernsthaft bestritten, es bestand somit eine Besorgnis der Nichterfüllung im Sinne des § 259 ZPO. Der Kündigungsgrund, wie er in erster Instanz geltend gemacht worden war, bestand.

Der Kläger beantragt daher in der Berufungsinstanz,

1. unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des AG München (Az.: 422 C 17523/15) vom 10.03.2016 den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG München zurückzuverweisen;

2. im Falle einer eigenen Sachentscheidung des Berufungsgerichts das Urteil abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, die Wohnung im Anwesen G (EG, rechts) in 80799 München, bestehend aus 4 Zimmern, 1 Küche, 1 Kammer, 1 WC, 1 Flur und 1 Kellerabteil mit Wirkung zum 31.07.2016 zu räumen und an den Kläger herauszugeben;

3. gegen den anwaltlich nicht vertretenen Beklagten zu 1) durch Versäumnisurteil zu entscheiden,

4. hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte zu 3) beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte zu 1) war in der Berufungsverhandlung vom heutigen Tag anwaltlich nicht vertreten.

Im Übrigen wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung.

II.

Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet, das Amtsgericht München hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Die Kammer kann vorliegend selber entscheiden. Die beantragte Zurückverweisung an das Amtsgericht München war nicht vorzunehmen, da es keiner weiteren Beweisaufnahme bedarf.

Dazu im Einzelnen:

1. Der Berufung ist insoweit Recht zu geben, dass die Entscheidung des Amtsgerichts München dergestalt, dass die Klage unzulässig ist, keinen Bestand haben kann. Allein der Umstand, dass von Seiten der Beklagten der Kündigungsgrund ernsthaft bestritten wird und ausgeführt wird, dass das Mietverhältnis nicht beendet wurde, begründet eine Besorgnis der Nichterfüllung im Sinne des § 259 ZPO. Eine Unzulässigkeit im Sinne der amtsgerichtlichen Entscheidung war somit nicht mehr gegeben. Jedenfalls war darüber hinaus im Zeitpunkt der Entscheidung durch die Berufungskammer die Kündigungsfrist der ordentlichen Kündigung abgelaufen, somit bezieht sich der Räumungsantrag des Klägers nicht mehr auf eine zukünftige Räumung. Auf die Vorschrift des § 259 ZPO kommt es somit nicht mehr an.

2. Zur Überzeugung der Kammer ist bereits die Kündigungserklärung vom 02.07.2015 den Beklagten nicht ordnungsgemäß zugegangen. Bei Abschluss des Mietvertrages im Jahre 1975 sind sowohl der Beklagte zu 1), als auch die verstorbene Beklagte zu 2) sowie die Beklagte zu 3) Parteien des Mietvertrages geworden. Zwar war die Beklagte zu 3) im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses 17 Jahre, jedoch geht die Kammer davon aus, dass diese durch die verstorbene Beklagte zu 2) ordnungsgemäß vertreten wurde. Ein Ausscheiden der Beklagten zu 3) aus dem Mietverhältnis wird von Seiten des Klägers nicht dargelegt, insbesondere wird der insoweit erforderliche vierseitige Vertrag zwischen dem Kläger bzw. dessen Rechtsvorgänger sowie den Beklagten nicht geschildert. Allein ein Auszug der Beklagten zu 3) aus der streitgegenständlichen Wohnung begründet noch keine Veränderung der vertraglichen Vereinbarung. Damit war jedoch die Kündigungserklärung gegenüber allen drei Beklagten als Mieter abzugeben und musste diesen auch zugehen (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, § 542 Rn. 27). Die vorliegende Kündigungserklärung (Anlage K 5) wurde ausweislich des Adressfeldes zwar gegenüber allen Beklagten erklärt, jedoch ging sie der Beklagten zu 3) nicht zu. Dem Kläger war bei Ausspruch der Kündigung bekannt, dass die Beklagte zu 3) nicht mehr in der streitgegenständlichen Wohnung wohnt. In einem derartigen Fall kann der Vermieter die Kündigung nicht an die streitgegenständliche Adresse übersenden, vielmehr muss er dafür Sorge tragen, dass die Kündigungserklärung der ausgezogenen Mieterin tatsächlich zugeht. Allein der Umstand, wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung erläuterte, dass ihm eine Adresse nicht bekannt gewesen war, führt nicht dazu, dass sich die Beklagte zu 3) auf den fehlenden Zugang nicht berufen kann. In diesen Fällen ist der Vermieter angehalten, entsprechend bei den weiteren Mietern nachzufragen, unter welcher Adresse die Beklagte zu 3) zu erreichen ist.

Der Kläger ist darüber hinaus auch gehindert, sich auf die Regelung des § 13 Abs. 2 des Mietvertrages zu beziehen. Dies folgt zum einen daraus, dass die Kammer der Ansicht ist, dass diese Regelung einer AGB-Kontrolle bereits nicht standhält. Bei dem Mietvertrag handelt es sich um ein vorformuliertes Exemplar, welches von den Parteien nur ausgehändigt wurde, es unterliegt somit der Kontrolle der §§ 307 ff. BGB. Zu beachten ist nämlich, dass diese Klausel nicht nur eine Empfangsvollmacht der anderen Mieter enthält, sondern darüber hinaus eine Vereinbarung besonderer Art, dass die rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Vermieters keine Einzel- sondern Gesamtwirkung haben sollen (vgl. dazu KG WuM 1985, 12). Entsprechend muss bei der vorzunehmenden kundenfeindlichsten Auslegung, § 305b Abs. 2 BGB, diese Klausel so verstanden werden, dass insoweit eine Erklärungsfiktion geschaffen wird, die es dem Vermieter erlaubt, eine Willenserklärung nur gegenüber einer Person abzugeben, auch wenn diese Willenserklärung, wie im hier vorliegenden Fall, gegenüber mehreren Personen abzugeben wäre. Eine derartige Erklärungsfiktion benachteiligt die weiteren Mieter unangemessen, da diese u. U. von einer entsprechenden Erklärung keine Kenntnis erlangen. Eine solche Klausel weicht somit vom Regelungsgehalt der mietrechtlichen Bestimmungen, welche die Abgabe einer Erklärung gegenüber allen Mietern erfordern ab. Auch der Umstand, dass sich in Satz 2 des § 13 Abs. 2 des Mietvertrages die Empfangsvollmacht des Vermieters findet, ändert nichts daran, dass diese keine Wirkung entfaltet, da die Unwirksamkeitsfolge, die sich aus S. 1 dieser Vorschrift ergibt, auf S. 2 dieser Vereinbarung durchschlägt. Eine Trennbarkeit im AGB-rechtlichen Sinne beider Sätze liegt nicht vor, die Unwirksamkeit des Satzes 1 erstreckt sich damit auch auf die Regelung in Satz 2.

Zum anderen folgt aus dem Auszug der Beklagten zu 3), selbst wenn man eine AGB- rechtliche Unwirksamkeit dieser Klausel nicht annehmen möchte, welche dem Kläger bekannt war, dass diese damit zumindest konkludent die Empfangsvollmacht in § 13 Abs. 2 des Mietvertrages widerruft. Ein derartiger konkludenter Widerruf ist interessengerecht, da die Mietvertragspartei, die aus der bisher bestehenden Wohnung auszieht in der Lage sein muss, sich über Erklärungen des Vermieters zu informieren, dieses kann sie mit der ausreichenden Sicherheit jedoch nur dann, wenn ihr die Erklärungen selbst zugehen. Im Wege einer Empfangsvollmacht ist ein derartiger Zugang von Willenserklärungen des Vermieters jedoch nicht mehr gesichert. Entsprechend ist somit ein konkludenter Widerruf der Empfangsvollmacht zu bejahen.

3. Darüber hinaus ist auch ein Kündigungsrecht im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht gegeben, ein Mietzinsrückstand im Sinne der klägerischen Behauptung, welche die Höhe einer Monatsmiete übersteigt, liegt nicht vor.

a) Von Seiten der Beklagten ist eine Miete von insgesamt 540,95 € zu bezahlen und entgegen der klägerischen Behauptung nicht die erhöhte Miete von 640,33 €.

Das von Seiten des Klägers ausgesprochene Mieterhöhungsbegehren vom 29.12.2012 ist unwirksam.

Diese Unwirksamkeit folgt zunächst daraus, dass das Mieterhöhungsbegehren des § 558 BGB durch den Vermieter abgegeben werden muss (Schmidt- Futterer/Börstinghaus, § 558a Rn. 8). Maßgeblicher Zeitpunkt im Falle des Erwerbes des Mietobjektes ist somit die Eintragung in das Grundbuch (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Vor § 558 Rn. 39 ff.). Im hier vorliegenden Fall hat der Kläger das Mietanwesen im Wege des rechtsgeschäftlichen Erwerbes erworben, in diesen Fällen ist allein die Eintragung einer Auflassung noch nicht ausreichend, um eine Vermieterstellung des Erwerbers zu begründen und diesen somit zur Erklärung einer Mieterhöhung zu befähigen. Die Eintragung des Klägers ins Grundbuch erfolgte jedoch erst am 11.01.2013 und somit nach Abgabe der Willenserklärung, welche auf die Erhöhung des Mietzinses gerichtet war. Auch kann eine wirksame Erklärung nicht aus einer Vertretung bzw. einer Ermächtigung geschlossen werden, da die Erklärung durch die Hausverwaltung, wie sich aus Anlage K 3 ergibt, ausdrücklich im Namen des Klägers ausgesprochen wurde und nicht etwa nur im Rahmen des Rechtsvorgängers. Darüber hinaus folgt die Unwirksamkeit der Mieterhöhungserklärung auch daraus, dass sie allein an den Beklagten zu 1) gerichtet war und nicht an die weiteren Mieter. Auch bei einem Mieterhöhungsbegehren ist es jedoch erforderlich, vergleichbar der Kündigung, dass diese gegenüber allen Mietern erklärt wurde. Dies ist hier ebenfalls nicht der Fall. Eine andere Bewertung kann sich auch nicht daraus ergeben, dass, wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung ausführte, der Beklagte zu 1) derjenige im Mietverhältnis war, der sämtliche Angelegenheiten regelte. Diese Ausführungen können alleine auf eine etwaige Stellvertretung bezogen werden, nicht jedoch auf den Umstand, wer Adressat der Mieterhöhungserklärung sein muss. Dies sind in jedem Fall sämtliche Mieter der streitgegenständlichen Wohnung, was vorliegend gerade nicht der Fall war.

Auch eine konkludente Zustimmung zu der Mieterhöhungserklärung durch die Zahlung bzw. die Zustimmungserklärung des Beklagten zu 1) liegt nicht vor.

In der Zustimmungserklärung des Beklagten zu 1) kann eine ausdrückliche Zustimmung zur Mieterhöhung nicht gesehen werden, da diese wiederum nur von dem Beklagten zu 1) abgegeben wurde und nicht von den Beklagten zu 2) bzw. der Beklagten zu 3). Selbst wenn man der Argumentation des Klägervertreters folgen möchte, dass sich die Beklagte zu 3) durch ihren Auszug nicht mehr darauf berufen kann, dass sie nicht Adressatin der Mieterhöhungserklärung gewesen war, so entbindet dies jedoch nicht die Klagepartei davon, die Erklärung gegenüber der Beklagten zu 2) abzugeben, welche bei Zugang der Mieterhöhung noch Partei des Mietvertrages war. Darüber hinaus kommt ein Änderungsvertrag durch die Erklärung des Beklagten zu 1) auch nicht dadurch zustande, weil der Kläger im Zeitpunkt der Abgabe der Mieterhöhungserklärung noch nicht Vermieter war. Auch eine vertragliche Änderung der Miethöhe im Sinne des § 557 BGB setzt jedoch voraus, dass diese zwischen den Parteien des Mietvertrages abgeschlossen wird. Das in diesem Fall als Angebot auf eine einvernehmliche Änderung auszulegende Schreiben vom 29.12.2012 wurde jedoch durch den Kläger zu einem Zeitpunkt abgegeben, als dieser noch nicht Vermieter war, er somit nicht berechtigt war, den Inhalt des Mietverhältnisses einvernehmlich mit dem Beklagten zu 1) zu regeln.

Auch kann eine konkludente Änderung des Mietzinses nicht durch die Zahlung des erhöhten Mietzinses durch den Beklagten zu 1) gesehen werden. Dem Klägervertreter ist zwar insoweit Recht zu geben, dass diese Zahlung nach dem objektiven Empfängerhorizont heraus auszulegen ist. Bei der konkludenten Änderung des Mietzinses durch Zahlung ist dabei stets erforderlich, dass der Mieter mit Erklärungsbewusstsein handelt, dass er sich also darüber bewusst war, dass seiner Zahlung rechtsgeschäftlicher Charakter im Sinne einer Willenserklärung zukommt. Dies kann allein bei der Zahlung eines erhöhten Betrages bereits zweifelhaft sein, weil der durchschnittliche Mieter davon ausgehen wird, dass er aufgrund des Mieterhöhungsbegehrens, dessen Unwirksamkeit er nicht erkennt, dazu verpflichtet ist, den erhöhten Mietzins zu zahlen. Damit liegt in der Zahlung jedoch keine Willenserklärung, sondern eine rein tatsächliche Handlung vor. Diese Auslegung wird im hier vorliegenden Fall dadurch bestätigt, dass der Beklagte zu 1) allein der Mieterhöhung zuvor zugestimmt hatte, er somit der Ansicht war, zu dieser Zahlung verpflichtet zu sein. Eine nochmalige Willenserklärung kann somit allein in der Zahlung nicht gesehen werden, es handelt sich vielmehr um eine tatsächliche Handlung zur Erfüllung einer vermeintlich bestehenden Verpflichtung. Eine Auslegung dieser Zahlung dahingehend, dass es sich um ein erneutes Angebot auf Erhöhung des Mietzinses handelt, welches der Kläger, so die Argumentation des Klägervertreters, dadurch angenommen hat, dass er die Miete nicht zurück überwies, scheitert ebenfalls. Die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont ergibt jedoch vorliegend gerade, dass der Beklagte zu 1) durch die Überweisung gerade aufgrund des vorangegangenen Mieterhöhungsbegehrens bzw. seiner Zustimmung handelt. Eine erneute Abgabe einer Erklärung durch die Überweisung war von dem Beklagten zu 1) gerade nicht bezweckt. Es fehlt somit bei der Überweisung durch den Beklagten zu 1) am Erklärungsbewusstsein, eine Willenserklärung sollte nicht abgegeben werden. Auch eine Annahmeerklärung des Klägers zeigt sich nicht. Allein der Umstand, dass dieser die Zahlung nicht zurücküberweist, stellt keine Willenserklärung dar, da ja auch der Kläger von einer Wirksamkeit seines Mieterhöhungsverlangens ausgeht und er somit der Überweisung keinen Erklärungscharakter zumisst.

Die weiteren Zahlungen der Sozialbehörden können ebenfalls nicht als eine entsprechende Erklärung gewertet werden. Wie von Seiten des Bundesgerichtshofs wiederholt festgestellt wurde, handeln Sozialbehörden nicht als Erfüllungsgehilfe des Mieters, sondern aufgrund eigener sozialrechtlicher Verpflichtungen. Entsprechend sind die Sozialbehörden jedoch auch nicht Vertreter des Mieters dergestalt, dass dieser einer Mieterhöhung, dessen Wirksamkeit bzw. Begründetheit sie oftmals nicht beurteilen können, tätig. Die Überweisung durch die Sozialbehörden hat somit keinen rechtsgeschäftlichen Charakter, vielmehr wollen die Sozialbehörden eine eigene Verpflichtung gegenüber dem Sozialhilfeberechtigten erfüllen.

Damit liegt eine wirksame Mieterhöhung nicht vor, die geleisteten Zahlungen durch den Beklagten zu 1) bzw. die Sozialbehörden erfolgten vielmehr rechtgrundlos. Damit liegt der von dem Beklagten zu 1) zu zahlende Mietzins bei dem ursprünglich vereinbarten Betrag von 496,92 € zzgl. einer Pauschale von 44,03 €.

b) Hinsichtlich der Mieten für Mai und Juni 2015 lag ein Zahlungsrückstand nicht vor. Wie sich aus dem unstreitigen Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils ergibt, leistete der Beklagte einen Vorschuss in Höhe von 1.228,58 € zu seinen Gunsten. Dieser Vorschuss liegt überhalb der zwei nicht bezahlten Mieten für Mai und Juni 2015. Soweit von Seiten des Klägers argumentiert wird, dass eine Verrechnungsabrede nicht vorliegt, kann das Vorliegen einer solchen Verrechnungsabrede für die Kammer sogar offenbleiben. Dies ergibt sich daraus, dass der Kläger zunächst die Differenz zwischen der von ihm behaupteten Mieterhöhung und der tatsächlich geleisteten Miete aus diesem Vorschuss entnahm und erst bei Aufzehren dieses Vorschusses die Kündigung aussprach. Wenn sich aber somit der Kläger zu seinen Gunsten auf eine Verrechnungsabrede bezüglich der behaupteten Differenz beruft, ist es ihm nach dem Prinzip des venire contra factum proprium als Ausprägung des § 242 BGB verwehrt, diese Verrechnungsabrede zu seinen Lasten nunmehr zu nivellieren.

Darüber hinaus würde selbst, wenn man eine derartige Verrechnungsabrede bzw. das Berufen auf das nicht Bestehen einer solchen ablehnt, durch die Aufrechnung, welche der Beklagtenvertreter zu 1) am 18.09.2015 erklärte, die ausstehende Forderung des Klägers erlöschen. Die bestehende Gegenforderung aus der Vorschussleistung übersteigt die Rückstände. Die Aufrechnung brachte somit diese vollständig zum Erlöschen. Eine dem § 543 Abs. 2 S. 3 BGB entsprechende Vorschrift fehlt für das Recht der ordentlichen Kündigung. Die Kammer schließt sich entgegen der vereinzelt in der Literatur geäußerten Ansicht (Schmidt-Futterer/Blank,§ 573 Rn. 36) nicht an. Die Kammer hat bereits Bedenken, ob eine Vergleichbarkeit der Interessenlagen vorliegend gegeben ist, da es im Recht der außerordentlichen Kündigung gerade darum geht, dass der Vermieter sehr schnell Rechtssicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit seiner Kündigung erhält. Im Fall der ordentlichen Kündigung besteht dieses Eilbedürfnis gerade nicht, da regelmäßig der Ablauf der Kündigungsfrist abgewartet werden muss. Zudem folgt daraus, dass der Gesetzgeber gerade im Rahmen der außerordentlichen Kündigung eine vergleichbare Regelung geregelt hat in einem Umkehrschluss, dass nach der gesetzgeberischen Wertung diese Regelung nicht auf dem Fall der ordentlichen Kündigung Anwendung finden soll. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber in das Recht der ordentlichen Kündigung eine vergleichbare Regelung aufgenommen. Damit war der ehemals bestehende Rückstand jedenfalls durch die Aufrechnung erloschen, ein die Kündigung rechtfertigender Zahlungsrückstand war somit bei Ausspruch der Kündigung nicht gegeben.

c) Selbst wenn man jedoch den Zahlungsrückstand als gegeben ansieht und somit grundsätzlich ein Recht des Klägers zum Ausspruch der ordentlichen Kündigung für gegeben ansieht, weil der Zahlungsrückstand mehr als eine Monatsmiete und länger als einen Monatszeitraum umfasst (BGH NJW 2013, 159) ist die Kündigung im vorliegenden Fall jedenfalls treuwidrig. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung seit dem Jahr 2013 zur Begründetheit der ordentlichen Kündigung bei Zahlungsverzug die Anwendung des Nachholrechts des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB abgelehnt, zugleich jedoch ausgeführt, dass bei der ordentlichen Kündigung stets zu prüfen ist, ob der Ausspruch der ordentlichen Kündigung im vorliegenden Fall nicht gegebenenfalls treuwidrig ist. Eine solche Treuwidrigkeit kann insbesondere dann angenommen werden, wenn das Mietverhältnis von langer Dauer ist, bisher störungsfrei verlief oder der Mietzinsrückstand gering und sehr schnell ausgeglichen wurde. Im hier vorliegenden Fall war dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass das Mietverhältnis seit 1975 besteht. Zudem wurde am 22.09.2015 der behauptete Rückstand von Seiten des Beklagten zu 1) ausgeglichen. Letztendlich rechtfertigt die Treuwidrigkeit jedenfalls, dass unabhängig von der rechtlichen Möglichkeit einer Verrechnung bzw. einer Aufrechnung ein Vorschuss zu Gunsten der Beklagten bestand, welcher den Mietzinsrückstand übertraf. Es lag somit alleine in der Hand des Klägers, den behaupteten Rückstand durch Entnahme des Vorschusses auszugleichen. Der Vermieter, der jedoch durch einen in seiner Hand befindlichen Vorschuss ausreichend hinsichtlich des ausstehenden Mietzinses abgesichert ist, die Möglichkeit der von ihm zu erklärenden Aufrechnung nicht wahrnimmt und sodann die Kündigung des Mietverhältnis erklärt, handelt treuwidrig. Eine ordentliche Kündigung in diesen Fällen ist ausgeschlossen.

Unter nochmaliger Würdigung hat es somit bei dem Ergebnis des Amtsgerichts München, welche die Klage abgewiesen hat, zu verbleiben. Ein Recht zur Kündigung des Mietverhältnis bestand in der Person des Klägers aus einer Vielzahl von oben dargelegten Gründen nicht.

III.

Dem Antrag des Klägervertreters auf Entscheidung durch Versäumnisurteil hinsichtlich des Beklagten zu 1) war daher nicht zu entsprechen, da die von Seiten des Klägers erhobene Klage nicht schlüssig war. Insoweit war hinsichtlich des Beklagten zu 1) durch unechtes Versäumnisurteil, also Endurteil, zu entscheiden.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Der Streitwert wurde entsprechend §§ 47, 41 GKG festgesetzt. Dem Antrag des Klägers auf Zulassung der Revision war nicht zu entsprechen, da der von dem Klägervertreter ausgeführte Punkt der konkludenten Zustimmung zu einer Mieterhöhung letztendlich nicht streitentscheidend war.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!