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Wann müssen die Betriebskosten abgerechnet werden?

LG Berlin – Az.: 65 S 79/20 – Urteil vom 26.11.2020

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 3. März 2020 – … – teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 977,21 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin zu 60 %, der Beklagte zu 40%; die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz hat die Klägerin zu 18 % und der Beklagte zu 82 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a, 540 Abs. 2, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II.

1. Die Berufung ist nach § 511 Abs. Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist teilweise begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

Die Kammer folgt den zutreffenden Feststellungen des Amtsgerichts nach eigener rechtlicher Prüfung – mit Blick auf die Berufung und die teilweise Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung – mit nachfolgenden Ergänzungen:

a) Ohne Erfolg wendet der Beklagte sich gegen die Feststellungen des Amtsgerichts zur fehlenden Durchsetzbarkeit der Forderungen des Beklagten wegen Verschlechterungen der Mietsache aufgrund der von der Klägerin im Schriftsatz vom 4. April 2019 erhobenen Verjährungseinrede.

Zutreffend verweist der Beklagte in der Berufung zwar darauf, dass die Verjährung die Aufrechnung nicht ausschließt, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte, § 215 Alt. 1 BGB.

Es müsste dann jedoch in diesem Zeitpunkt eine (gleichartige) Forderung bestehen, mit der aufgerechnet werden kann, § 387 BGB. Unter Zugrundelegung der vom BGH entwickelten Maßstäbe (vgl. BGH, Urt. v. 24.07.2019 – VIII ZR 141/17, nach juris Rn. 23; Urt. v. 11.04.1984 – VIII ZR 315/82, nach juris Rn. 17) hatte der Beklagte selbst im Schreiben vom 11. September 2017 ausdrücklich die Aufrechnung erklärt, damit durch schlüssiges Verhalten zugleich über die Mietsicherheit abgerechnet. Genau so hat die Klägerin als Erklärungsempfängerin das Schreiben vom 11. September 2017 auch verstanden; sie selbst hat es im Rahmen der Klageschrift zu den Akten gereicht; der Beklagte ist dem in seiner Klageerwiderung insoweit nicht entgegengetreten.

In dem Schreiben vom 11. September 2017 erklärt der Beklagte, dass er seine Forderungen „für September und Oktober 2017 gesamt 1.422,94 € bezüglich BK 2017 mit der Mietsicherheit“ aufrechnet, wobei sogar der letztgenannte Terminus gewählt wird. Er stellt lediglich in Aussicht, dass Kosten für Mangelbeseitigungsarbeiten hinzukommen würden, die allerdings erst nach Vorlage von Angeboten von Fachfirmen beziffert werden könnten.

Mit Zugang der Erklärung war der Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Mietsicherheit – nach den unangegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts 1.489,29 € – in Höhe von 1.422,94 € erloschen, 388, 389, 130 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Erklärung konnte nach ihrem Zugang nicht widerrufen, auch nicht geändert werden, §§ 130 Abs. 1 Satz 2, § 388 Satz 2 (Rechtsgedanke) BGB.

Wann müssen die Betriebskosten abgerechnet werden?
(Symbolfoto: Von MR.AUKID PHUMSIRICHAT/Shutterstock.com)

Der ausdrückliche Wortlaut des Schreibens des Beklagten vom 11. September 2017 und der daraus ersichtliche Wille des Beklagten steht einer Auslegung entgegen; es fehlt am Auslegungsbedarf (vgl. BeckOGK/Möslein, 1.10.2020, BGB § 133 Rn. 21ff.).

Die Klägerin als Erklärungsempfängerin hat – wie ausgeführt – die Erklärung als Kautionsabrechnung und Aufrechnungserklärung so verstanden, wie vorstehend dargestellt, damit die Klage begründet, ohne dass der Beklagte – wie ausgeführt – diesen Gesichtspunkt inhaltlich beanstandet hätte. Auf die in dem Schreiben erklärte Aufrechnung wird im Prozess in der Folge (u.a.) im Schriftsatz vom 22. März 2018 sogar ausdrücklich Bezug genommen. Hinzu kommt, dass der Beklagte im Übrigen die Bezifferung weiterer Forderungen wegen Verschlechterungen der Mietsache lediglich ankündigte; ob mit diesen dann aufgerechnet werden würde, lässt er selbst in dem Schreiben offen.

Ebenfalls zutreffend hat das Amtsgericht die weiteren Erklärungen in den Schriftsätzen vom 22. März 2018 und vom 8. Juni 2018 gewürdigt. Im Schriftsatz vom 22. März 2018 wird ausdrücklich die im Schreiben vom 11. September 2017 bereits erklärte Aufrechnung wiederholt, zudem erweitert, zum einen auf die Bruttomieten, zum anderen auf die Miete für den Monat November 2017 erstreckt. Die Ansprüche wegen Verschlechterungen der Mietsache werden ebenso wie die aus der offenen Abrechnung über die Betriebskosten nicht beziffert; die verlangten Arbeiten werden lediglich beschrieben.

Im Zusammenhang mit der Aufstellung des Beklagten im Schriftsatz vom 8. Juni 2018 ist mit Blick auf den offenen Restbetrag der (noch nicht durch Aufrechnung erloschenen) Mietsicherheit zuzüglich Zinsen (66,35 €) der Rückschluss des Amtsgerichts nicht zu beanstanden, dass – neben den Nettokaltmieten für September und Oktober 2017 – die Aufrechnung mit der Miete für den Monat November 2017 vom Beklagten erklärt wurde. Den verbleibenden Betrag in Höhe von 645,12 € hat das Amtsgericht – auf die Widerklage des Beklagten – bereits erstinstanzlich zugesprochen.

Das Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei nicht mehr gewürdigt. Nachdem die Klägerin nach dem Beweistermin die Einrede der Verjährung erhoben hatte, waren die Ansprüche, deren Tatsachengrundlage Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen ist, dauerhaft nicht mehr durchsetzbar.

b) Zu Recht wendet der Beklagte sich gegen die Feststellungen des Amtsgerichts zur formellen Unwirksamkeit der Betriebskostenabrechnung 2017. Zutreffend verweist der Beklagte auf die Dauer des Verfahrens und den Umstand, dass die zweite Abrechnung allein darauf zurückzuführen ist, dass – anders als die Klägerin meinte – das Mietverhältnis nicht fristlos beendet war, sondern erst zum 30. November 2017. Insoweit handelt es sich bei der zweiten Abrechnung um die – tatsächlich geschuldete – Abrechnung der Betriebskosten zum Ende des Vertragsverhältnisses. Eine Abrechnung für den vertraglich vereinbarten Abrechnungszeitraum – das vollständige Kalenderjahr – war hier wegen der Beendigung des Mietverhältnisses vor Ablauf des Abrechnungszeitraums ohnehin nicht geschuldet (vgl. näher Langenberg, Betriebs- und Heizkostenrecht, 7. Aufl., G Rn. 32).

Die Beanstandungen der Klägerin greifen nur zu einem geringen Teil; Vorauszahlungen hat die Klägerin ab September nicht mehr geleistet, sie wurden vom Beklagten auch nicht mehr verlangt, der Abrechnung zugrundeliegende Belege wurden nicht eingesehen.

Zu Recht wendet sie sich gegen die Umlage von Kosten für die Erstellung der Einzelabrechnung/en (2 x 27,70 €). Für die Umlage fehlt es an einer vertraglichen und/oder gesetzlichen Grundlage (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrKV). Die Kosten für die Zwischenablesung, § 9b HeizKV, kann der Beklagte nicht zweimal umlegen. Seine Abrechnung unter Verzicht auf die Ausschöpfung der Abrechnungsfrist war nicht zwingend. Er war im Rahmen seiner Entscheidung gehalten, zusätzliche Kosten zu vermeiden (vgl. Rechtsgedanken der §§ 242, 254 BGB, Rücksichtnahmegebot).

Ohne Erfolg beruft die Klägerin sich auf ein Kürzungsrecht nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV. Die Kammer nimmt Bezug auf ihre Entscheidung vom 20.06.2018 (65 S 29/18, juris). Darin hat sie ausgeführt:

„Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV liegen nicht vor. Nach dieser Regelung hat der Nutzer das Recht, den auf ihn entfallenden Kostenanteil einer nicht verbrauchsabhängigen Abrechnung der Kosten um 15 % zu kürzen, soweit die Kosten der Versorgung mit Wärme oder Warmwasser entgegen den Vorschriften der Verordnung nicht verbrauchsabhängig abgerechnet wurden.

Zuzugeben ist den Klägern, dass die Beklagte hier entgegen § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV (nF) die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge der verbundenen Anlage nicht mit einem Wärmezähler gemessen hat, um sie – entsprechend der überarbeiteten Fassung des § 9 HeizkostenV (vgl. BR-Ds. 570/08, S. 15f.) – von denen der zentralen Heizungsanlage zu trennen. Sie hat die Wärmemenge stattdessen nach der Gleichung gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2, 3 HeizkostenV bestimmt, dies offenbar, ohne dass die – von ihr darzulegenden – Voraussetzungen der Ausnahmeregelung nach § 9 Abs. 2 Satz 2 HeizkostenV vorliegen; die Beklagte hat schon erstinstanzlich vorgetragen, dass sie die Zähler inzwischen installiert hat.

Die HeizkostenV sanktioniert jedoch nicht jeden Verstoß gegen ihre Regelungen mit dem pauschalierten Schadenersatzanspruch nach § 12 Abs. 1 Satz 1. Kumulativ erforderlich ist, dass infolge des Verstoßes verbrauchsunabhängig abgerechnet wurde. Die letztgenannte Voraussetzung ist hier nicht gegeben.

Die Beklagte hat den individuellen Verbrauch der Kläger an Wärme und Warmwasser den Regelungen der §§ 4 Abs. 1, 2, 5 Abs. 1 HeizkostenV entsprechend erfasst und auch abgerechnet. Der Umstand, dass die Beklagte die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende – vom einzelnen Nutzer ohnehin nur bedingt beeinflusste – Wärmemenge 2014 und 2015 nicht gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV gemessen hat, um ihren Anteil am Gesamtverbrauch zu ermitteln, führt hier nicht dazu, dass sie nunmehr nicht verbrauchsabhängig im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV abgerechnet hätte. Die Abrechnungen erfolgten vielmehr weiterhin auf der Grundlage des individuell gemessenen Verbrauchs der einzelnen Nutzer; die Verwendung der Gleichung nach § 9 Abs. 2 Satz 2, 3 HeizkostenV stellt sicher, dass – anders als bei Verwendung der Gleichung nach Satz 4 und im Falle eines Verstoßes gegen § 5 HeizkostenV – auch der Anteil der auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallenden Wärmemenge weiterhin verbrauchsbezogen ermittelt wird, denn sie knüpft an das gemessene Volumen des verbrauchten Warmwassers und die gemessene oder geschätzte mittlere Temperatur des Warmwassers an (vgl. überzeugend: Lammel, ZMR 2016, 6, [7]; ders., jurisPR-MietR 6/2018, Anm. 4, juris).

Die – im Urteil des Amtsgerichts und dem von diesem in Bezug genommenen Urteil der Zivilkammer 67 (Urt. v. 15. Juni 2016 – 67 S 101/17, juris) vermisste – Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. Januar 2016 (VIII ZR 2016, WuM 2016, 174, juris) führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. In dem vom BGH entschiedenen Fall wurde – entgegen § 5 Abs. 2 HeizkostenV – keine Vorerfassung vorgenommen, obwohl es zwei Gruppen von Nutzern gab, die mit unterschiedlichen Messgeräten ausgestattet waren. Für eine Nutzergruppe (Ausstattung mit Wärmemengenzählern) wurde nach dem ermittelten individuellen Verbrauch abgerechnet, der anderen Gruppe (Ausstattung mit Heizkostenverteilern) im Wege der Differenzberechnung der „Rest“ auferlegt; Messungenauigkeiten gingen damit einseitig zu Lasten der Nutzergruppe, deren individuell erfasster Verbrauch nicht die Grundlage der Abrechnung bildete (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 7, 19). Letzteres ist der maßgebliche Unterschied. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof sich in der Entscheidung vor allem ausführlich mit der Auffassung des Berufungsgerichts auseinandergesetzt, dass § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV verlange, dass für die mit Heizkostenverteilern ausgestattete Nutzergruppe eine neue Heizkostenabrechnung auf der Grundlage der Kostenverteilung nach Wohnflächen zu erstellen sei.

Die Kammer weicht damit auch – entgegen der missverständlichen Formulierung der Entscheidungsgründe – nicht vom Urteil der Zivilkammer 63 vom 16. Januar 2018 (63 S 91/17, juris) ab. Auch dieser Entscheidung lag – ausweislich des Tatbestandes – ein anderer Sachverhalt zugrunde. In dem streitgegenständlichen Objekt wurde gerade nicht verbrauchsabhängig abgerechnet, denn die dortige Vermieterin hat die Verteilung der Heiz- und Warmwasserkosten nach Flächen durchgeführt, nicht nach dem individuell erfassten Verbrauch der einzelnen Nutzer.“

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

3. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage höchstrichterlich bereits geklärter Maßstäbe.

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