LG Berlin – Az.: 55 S 84/17 WEG – Urteil vom 11.12.2018
1. Die Berufungen der Beklagten gegen das am 08.05.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Neukölln – 22 C 3/17 WEG – werden zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10% abzuwenden, sofern nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10% leisten.
Gründe
I.
Die Kläger wenden sich im Rahmen einer Beschlussanfechtungsklage gegen die am 23.12.2016 zu TOP 7 a) bis 7 d) gefassten Beschlüsse.
Der zu Top 7a) gefasste Beschluss sieht vor, dass die Eigentümergemeinschaft von der Beklagten zu 2) zwei Sondernutzungsrechte (Stellplätze) gegen Zahlung von insgesamt 56.000,– EUR erwirbt. Die zu TOP 7 b) bis 7 d) gefassten Beschlüsse enthalten Vorgaben für die weitere Abwicklung des in Aussicht genommenen Erwerbsgeschäfts.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Amtsgericht hat mit dem am 08.05.2017 verkündetem Urteil die angefochtenen Beschlüsse für ungültig erklärt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beschlussfassung stelle einen Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung dar, weil eine Wohnungseigentümergemeinschaft selbst kein Sondernutzungsrecht erwerben könne. Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) am 17.05.2017 und den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2) am 18.05.2017 zugestellte Urteil haben die Beklagten zu 1) mit am 12.06.2017 und der Beklagte zu 2) mit am 17.06.2017 eingegangenen Schriftsätzen Berufung eingelegt und entsprechend der Fristverlängerung mit am 17.08.2017 eingegangenen Schriftsätzen begründet.
Mit ihrer Berufung verfolgen die Beklagten die Klageabweisung weiter. Sie meinen, dass der Beschluss zu TOP 7 a) so auszulegen sei, dass Inhalt des Beschlusses nicht die Veräußerung des Sondernutzungsrechts, sondern der Verzicht des Beklagten zu 2) auf das Sondernutzungsrecht sei. Das Amtsgericht habe verkannt, dass zugunsten des Beklagten zu 2) Sondernutzungsrechte an den Kfz-Stellplätzen begründet worden seien.
Die Beklagten beantragen, das am 08.05.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Neukölln – 22 C 3/17 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufungen der Beklagten sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). Sie bleiben in der Sache jedoch ohne Erfolg.
1. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht die in der Eigentümerversammlung vom 23.12.2016 zu TOP 7 a) bis 7 d) gefassten Beschlüsse für ungültig erklärt. Dabei kann es indes dahingestellt bleiben, ob die gefassten Beschlüsse auf einen Verzicht der Beklagten zu 2) auf die Sondernutzungsrechte oder – wie vom Amtsgericht angenommen – auf einen rechtlich unzulässigen Erwerb der Stellplätze durch die Gemeinschaft abzielen. Auch kann es dahingestellt bleiben, ob zugunsten des Beklagten zu 2) überhaupt wirksam Sondernutzungsrechte an den jeweiligen Kfz-Stellplätzen begründet worden sind oder ob die Begründung bereits deshalb fehlgeschlagen ist, weil sich der Teilungserklärung vom 15.12.1994 nicht hinreichend klar und eindeutig entnehmen lässt, auf welche Teilfläche des gemeinschaftlichen Eigentums sich das Sondernutzungsrecht konkret beziehen soll (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2017 – V ZR 193/16, – juris).
2. Der zu TOP 7 a) gefasste Beschluss ist jedenfalls deshalb für ungültig zu erklären, weil er nicht mit der nach § 21 Abs. 3 WEG erforderlichen Mehrheit gefasst worden ist. Der Beklagte zu 2), dessen Stimmenmehrheit diesen Beschluss trägt, war bei der Abstimmung über den Beschluss zu TOP 7 a) gem. § 25 Abs. 5 WEG nicht stimmberechtigt.
a) Nach § 25 Abs. 5 WEG ist ein Wohnungseigentümer nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bezüglichen Rechtsgeschäfts mit ihm betrifft. Diese Voraussetzungen sind gegeben.
Der Beschluss zu TOP 7 a) zielt seinem Wortlaut nach auf den Erwerb der Sondernutzungsrechte an zwei Stellplätzen vom Beklagten zu 2) durch die Eigentümergemeinschaft ab. Dies stellt ein auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bezogenes Rechtsgeschäft mit dem Beklagten zu 2) dar. Dies gilt unabhängig davon, ob der Erwerb der Sondernutzungsrechte durch die Gemeinschaft oder eine entgeltliche Aufhebung der Sondernutzungsrechte durch den Beklagten zu 2) beabsichtigt war. Der Begriff des Rechtsgeschäfts umfasst dabei mindestens eine Willenserklärung, die auf die Herbeiführung eines bestimmten rechtlichen Erfolgs gerichtet ist. Insoweit ist ein Wohnungseigentümer dann nicht stimmberechtigt, wenn mit ihm ein Vertrag geschlossen oder ihm Sonderrechte eingeräumt werden sollen (Merle in: Bärmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 25 Rn. 131). Sowohl der Beschluss über den Erwerb der Sondernutzungsrechte als auch die entgeltliche Aufhebung zielen auf ein solches Rechtsgeschäft i. S. d. § 25 Abs. 5 WEG ab mit der Folge, dass der Beklagte zu 2) aufgrund eines Interessenkonflikts insgesamt nicht stimmberechtigt war.
Dem steht auch nicht entgegen, dass dem Beklagten zu 2) Sondernutzungsrechte lediglich in Bezug auf die Wohnungseinheit Nr. 12 eingeräumt waren und der Beklagte zu 2) in Höhe der Miteigentumsanteile für die Wohneinheit Nr. 12 nicht abgestimmt hat. Denn schon nach dem Gesetzeswortlaut ist der Eigentümer bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 WEG nicht stimmberechtigt. Das Gesetzt differenziert gerade nicht danach, welche Wohneinheiten betroffen sind, sondern stellt schlicht auf die Person des Eigentümers ab (Merle in: Bärmann, WEG, 14. Aufl. 2018; § 25 Rn. 150). Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung: § 25 Abs. 5 WEG bezweckt die Willensbildung in der Wohnungseigentumsgemeinschaft von privaten Sonderinteressen freizuhalten, um so die Interessen der Gemeinschaft zu wahren (BGH, Urteil vom 14.10.2011 − V ZR 56/11, ZWE 2012, 32; Merle in: Bärmann, WEG; 14. Aufl. 2018; § 25 Rn. 130). Dieser Schutz ist dann nicht gewährleistet, wenn ein Wohnungseigentümer bei einem Stimmrecht nach Anteilsprinzip nur in Höhe des vom Rechtsgeschäft betroffenen Wohnungseigentumsanteils vom Stimmrecht ausgeschlossen ist. Auch in einem solchen Fall kann ein Interessenkonflikt, welcher gerade in der Person des Beklagten zu 2) angelegt ist, nicht ausgeschlossen werden.
b) Die Berücksichtigung der Stimmen des Beklagten zu 2) in Höhe von 5.050,93 /10.000 MEA war für die Annahme des Beschlusses kausal, da ohne die Berücksichtigung dieser Stimmen der Beschluss mit einem Ergebnis von nur 838,33/10.000 Ja-Stimmen und 2.539,93/10.000 Nein-Stimmen abgelehnt worden wäre.
c) Die Kläger haben den Verstoß gegen § 25 Abs. 5 WEG auch rechtzeitig innerhalb der Anfechtungsfristen gerügt (Seite 8 der Klagebegründung vom 22.2.2017). Die Klageschrift ist am 23.01.2017, die Klagebegründung am 23.02.2017 und damit innerhalb der in § 46 Abs. 1 WEG bestimmten Fristen beim Amtsgericht Neukölln eingegangen. Die Zustellung der Klage erfolgte am 09.02.2017 und damit „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO.
2. Die Beschlüsse zu TOP 7 b) – 7 d) sind ebenfalls für ungültig zu erklären. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 139 BGB; diese Vorschrift ist auf die Beschlussfassung der Gemeinschaft, die auf die Begründung, Änderung und Aufhebung rechtlicher Befugnisse oder Pflichten gerichtet ist, entsprechend anwendbar (BGH v. 10.09.1998 – V ZB 11/98, NJW 1998, 3713-, juris). Danach hat die Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts im Zweifel die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts zur Folge.
Die objektive Auslegung der Beschlüsse ergibt nach Ansicht der Kammer einen untrennbaren Zusammenhang der Beschlüsse TOP 7 b) – 7 d) zu dem für ungültig erklärten Beschluss zu TOP 7 a). Dies folgt bereits daraus, dass mit den Beschlüssen zu TOP 7 b) – 7 d) der Erwerb bzw. die entgeltliche Aufhebung der Sondernutzungsrechte vollzogen und die Ansprüche der Parteien bis zum Vollzug des Kaufvertrages gesichert werden sollten. Auch der Aufbau des Beschlussprotokolls, das für die gebotene objektive Beschlussauslegung zum Schutze etwaiger Rechtsnachfolger grundsätzlich allein maßgeblich ist (BGH, Urteil vom 15.01.2010 – V ZR 72/09-, juris m. w. N.), zeigt, dass die Eigentümer erst nach dem Beschluss zu TOP 7 a) über die Nachverhandlung des Kaufpreises und Ausarbeitung des Kaufvertrages (TOP 7 b)), den Verzicht auf die Einrede der Verjährung (TOP 7 c)) sowie die Vorlage des neu erarbeiteten Beschlusstextes über die Veräußerung der Sondernutzungsrechte (TOP 7 d)) beschließen wollten.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.