AG Berlin-Mitte – Az.: 26 C 5003/19 WEG – Urteil vom 16.03.2020
In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Mitte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.03.2020 für Recht erkannt:
1. Der in der Eigentümerversammlung vom 20.08.2019 zu dem Tagesordnungspunkt 11 (Beschlussfassung über eine Umzugskostenpauschale bei Ein-/Auszug) gefasste Beschluss wird für ungültig zu erklärt.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Gültigkeit eines Eigentümerversammlungsbeschlusses (hier: Beschluss über eine Umzugskostenpauschale).
In der Eigentümerversammlung beschlossen die Wohnungseigentümer zu dem TOP 11 folgende Regelung zur Umzugskostenpauschale:
„Die Wohnungseigentümerversammlung beschließt, dass jeder Wohnungseigentümer im Fall eines Bewohnerwechsels für mögliche Beeinträchtigungen und eine besondere Abnutzung des Gemeinschaftseigentums eine Kostenpauschale i.H.v. 100,00 EUR an die Eigentümergemeinschaft zu zahlen hat. Unter dem Begriff Bewohner fallen insbesondere selbstnutzende Wohnungseigentümer und Mieter des Wohnungseigentums sowie deren Untermieter. Auf die Dauer des Mietverhältnisses kommt es dabei nicht an. Die Regelung findet auf Besucher der jeweiligen Bewohner, auch wenn sie das Sondereigentum über mehrere Tage bewohnen, keine Anwendung. Betrifft der Bewohnerwechsel mehrere Personen, fällt die Kostenpauschale nur einmal an. Folgt auf einem Auszug ein direkter Einzug, so ist die Kostenpauschale ebenfalls nur einmal zu zahlen. Sollte zwischen Aus- und Einzug ein Zeitraum von mehr als 2 Monaten liegen, so ist die Kostenpauschale jeweils für den Aus- und Einzug zu entrichten. Als Ein- /Auszug wird in diesem Beschluss definiert, wer zum Zwecke des Wohnungswechsels neben kleinen und mobilen Gegenständen auch sämtliche Arten von Möbeln durch das Treppenhaus bewegen muss. Die eingezahlten Beträge sind der Instandhaltungsrücklage des jeweiligen Hauses zuzuführen. Zum Zwecke des Vollzugs der Regelung verpflichten sich die Wohnungseigentümer, jeden Bewohnerwechsel im Sinne des Beschlusses dem Verwalter anzuzeigen. Dieser Beschluss gilt auch für die Vermietung möblierter Wohnungen.“
Die Klägerin meint, der Beschluss sei für ungültig zu erklären, weil der Beschluss zu unbestimmt und die Höhe der Pauschale unangemessen sei.
Die Klägerin beantragt, den in der Eigentümerversammlung vom 20.08.2018 zu TOP 11 (Beschlussfassung über eine Umzugskostenpauschale bei Ein-/Auszug) gefassten Beschluss für ungültig zu erklären.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie halten den Beschluss für wirksam.
Die Klage ist bei Gericht am 20.09.2019 eingegangen und wurde mit bei Gericht am 18.10.2019 eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Gerichtskosten wurden mit Schreiben vom 18.10.2019 angefordert und am 28.10.2019 gutgeschrieben. Die Klage wurde den Beklagten über die Verwalterin am 10.12.2019 zugestellt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
1. Die Klägerin hat die Anfechtungsfristen des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG gewahrt. Zwar ist die innerhalb der Monatsfrist eingegangene Klage erst nach Fristablauf zugestellt worden. Dies ist jedoch nach § 167 ZPO unschädlich, weil die Klage „demnächst“ zugestellt worden ist. Denn die Klage ist innerhalb der Monatsfrist am 20.09.2019 bei Gericht eingegangen und die spätere Zustellung am 10.12.2019 erfolgte „demnächst“ gemäß § 167 ZPO, so dass die Wirkung des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG mit Eingang der Klage erfolgte. Bei der Anwendung des § 167 ZPO ist zu berücksichtigen, dass es keine absolute zeitliche Grenze gibt, nach deren Überschreitung eine Zustellung nicht mehr als demnächst anzusehen ist und Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die durch das Gerichts verursacht worden sind, sich die klagende Partei grundsätzlich nicht zurechnen lassen muss (vgl. jüngst: BGH, Urteil vom 12. September 2019 – IX ZR 262/18). Zudem ist der klagenden Partei neben dem regelmäßigen Zeitraum von 14 Tagen eine weitere Erledigungsfrist zuzubilligen (BGH, Urteil vom 17. Mai 2019 – V ZR 34/18) und es für den Fristbeginn entscheidend darauf ankommt, dass die Partei erst tätig werden muss, wenn die Gerichtskostenvorschussrechnung bei ihr eingeht (BGH, Urteil vom 29. September 2017 – V ZR 103/16 -). Hieran gemessen war es ausreichend, dass die Klägerin die Anforderung des Kostenvorschusses vom 18.101.2019 abwartete und diesen am 28.10.2019 einzahlte.
2. Der angefochtene Beschluss der Wohnungseigentümer, war für ungültig zu erklären. Denn die Höhe der Umzugskostenpauschale ist nicht angemessen und der Beschluss verstößt wegen der damit einhergehenden Ermessensüberschreitung nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.
Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer ergibt sich bzgl. der Umzugskostenpauschale aus § 21 Abs. 7 WEG. Die Beschlussfassung zu einer Umzugskostenpauschale entspricht – gerade in einer großen Anlage wie hier – regelmäßig den wohlverstandenen Interessen der Wohnungseigentümer. Denn Umzüge führen in der Regel zu einer gesteigerten Inanspruchnahme von Treppenhäusern und Aufzügen, lassen sich selbst bei sorgfältig arbeitenden Umzugskräften in der Regel nicht vermeiden und der Aufwand an Zeit und Kosten für die Beseitigung von Abnutzungen und Schäden lässt sich nur schwer quantifizieren (vgl. BGH, Urteil vom 01. Oktober 2010 – V ZR 220/09 -). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechen pauschalierende und typisierende Regelungen aber nur dann einer ordnungsgemäßen Verwaltung, wenn die Pauschale maßvoll bemessen ist und nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der Wohnungseigentümer führt (vgl. BGH, a.a.O.), wobei eine Pauschale von 50 EUR gerade noch als angemessen angesehen wurde. Das Gericht teilt vorliegend die Auffassung des Landgerichts Frankfurt/Main, dass eine Pauschale von 100,00 EUR eine deutliche Überschreitung darstellt und nicht mehr als maßvoll bezeichnet werden kann (vgl. LG Frankfurt, Urteil vom 01. November 2017 – 2-13 S 69/16 -, Rn. 5). Auf die Frage, ob der Beschluss im Übrigen hinreichend bestimmt ist, auch für jeden Besucherwechsel bei der Vermietung möblierter Wohnungen gilt und hierin eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung liegt, was bei einer dahingehenden Auslegung des Beschlusses wohl anzunehmen wäre, kommt es nicht entscheidend an.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2 ZPO. Bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit war zu berücksichtigen, dass aufgrund des Gestaltungscharakters lediglich eine Vollstreckung der Kosten aus dem Urteil möglich ist.