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WEG – Betrieb einer Kinderkrippe im Sondereigentum

LG München I – Az.: 36 S 7269/16 WEG – Beschluss vom 28.10.2016

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Amtsgerichts vom 07.04.2016, Gz. 484 C 31343/15 WEG, wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Dieser Beschluss und das Endurteil des Amtsgerichts vom 07.04.2016, Gz. 484 C 31343/15 WEG, sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Der Streitwert wird auf € 40.000 festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist die WEG S. 20, 20 a, 8… München als Verband. Die Beklagte ist Mitglied der WEG. Sie erwarb am 18.09.2007 das Sondereigentum an der Wohneinheit Nr. 6. Im Dezember 2007 eröffnete die Beklagte dort eine Kindertagesstätte für Kinder im Alter von 1 bis 3 Jahren.

Die Teilungserklärung der WEG (Anlage A 1) sieht in § 1 c) GO vor, dass eine gewerbliche und/oder freiberufliche Nutzung jederzeit zulässig ist, soweit dadurch keinem der anderen Eigentümer über das bei geordnetem Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben durch diese Regelung unberührt.

§ 3 Abs. 5 GO beinhaltet folgende Regelung:

„Für mehrere Miteigentümer in jeweils einem Baukörper gilt untereinander folgendes:

Jeder Wohnungs- und/oder Teileigentümer ist verpflichtet, die seinem Sondereigentum unterliegenden sowie ihm zur ausschließlichen Nutzung zugewiesenen Gebäudeteile einschließlich deren Bestandteile sowie das Zubehör ordnungsgemäß instandzuhalten und instandzusetzen. Er hat Schäden auf seine Kosten zu beseitigen. Die Verpflichtungen gelten auch für die zur Sondernutzung zugewiesenen Grundstücksflächen.“

Die Parteien führten bereits mehrere Prozesse, die die Zulässigkeit der Nutzung der Wohneinheit als Kindertagesstätte zum Gegenstand hatten.

WEG - Betrieb einer Kinderkrippe im Sondereigentum
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Mit Endurteil vom 11.07.2008 im Verfahren 484 C 180/08 WEG AG München wurde festgestellt, dass die Klägerin zur Nutzung ihres Sondereigentums im Aufteilungsplan mit Nr. 6 bezeichnet als Kindertagesstätte für max. 10 Kinder im Alter von 1-4 Jahren keiner Zustimmung der Eigentümergemeinschaft bedarf. Ein Negativbeschluss der Gemeinschaft, mit dem eine von der Klägerin beantragte Nutzungsänderung der Räume für die Großtagespflege von 10 Kleinkindern abgelehnt wurde,, wurde aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Endurteil des Amtsgerichts München wurde vom Landgerichts München I im Verfahren 36 14423/08 mit Berufungsurteil vom 16.04.2009 zurückgewiesen.

Mit Endurteil des Amtsgerichts München vom 18.02.2014 wurde im Verfahren 484 C 17980/11 WEG eine Klage der WEG S. 20, 20 a, 8…München, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im Rahmen ihrer Gewerbeausübung durch den Betrieb der Kindertagesstätte die Einhaltung der gesetzlich erforderlichen Schallschutz-Anforderungen im gewerblich genutzten Bereich der Wohneinheit zu missachten, abgewiesen.

Vorher wurde Im Verfahren 484 C 17980/11 WEG AG München mit Teilurteil vom 13.03.2012 unter anderem ein Klagenantrag der klagenden WEG S. 20, 20 a, 8… München, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihre Wohnungseigentumseinheit Nr. 6 zu mehr als 50 % zu gewerblichen Zwecken zu nutzen, ferner Gegenstände wie Kinderwagen und Schuhe im und vor dem Treppenhaus sowie Fahrzeuge auf der Feuerwehrzufahrt auch durch Dritte abzustellen und keine Pkw-Stellplätze bzw. Kinderwagenabstellplätze zur Verfügung zu stellen, mangels Prozessführungsbefugnis abgewiesen. Das Landgericht bejahte im Berufungsurteil vom 14.01.2013, Az.: 1 S 8072/12 WEG die Prozessführungsbefugnis der Klägerin, wies die Klage aber bis auf den Antrag, dafür zu sorgen, die Feuerwehrzufahrt freizuhalten, ab. Mit Endurteil vom 27.7.2015 wies das Landgericht die Berufung gegen das Schlussurteil des Amtsgerichts München hinsichtlich des verbliebenen Antrags zum Schallschutz ab.

Auf Antrag der Beklagten erteilte die Stadt München dieser am 28.08.2012 eine Baugenehmigung (Baugenehmigung 602-1.2-2012-3304-23, Anlage A 4).

Die WEG fasste in der Eigentümerversammlung vom 26.11.2013 zu TOP 6.1 (Anlage A 5) und in der Eigentümerversammlung vom 30.07.2014 zu TOP 6.2 (Anlage A 6) Beschlüsse, die erhobenen Ansprüche auf Schadensersatz und ungerechtfertigte Bereicherung aus prozessökonomischen Gründen an sich zu ziehen.

Das Amtsgericht München hat mit Endurteil vom 07.04.2016, Az. 484 C 31343/15 WEG die im hiesigen Verfahren auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Umwandlung der Wohneinheit Nr. 6 in eine Gewerbeeinheit entstanden ist und auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung, die die Beklagte aus fremden gewerblichen Nutzungsrechten ziehe, gerichtete Klage abgewiesen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des Endurteils des Amtsgerichts München, 07.04.2016, Gz. 484 C 31343/15 WEG, wird Bezug genommen.

Die Klagepartei hat gegen das dem Klägervertreter am 15.04.2016 zugestellte Endurteil des Amtsgerichts München mit Schriftsatz vom 28.04.2016, bei Gericht eingegangen am 29.04.2016, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 15.06.2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, begründet. Auf die Berufungsbegründung wird insoweit Bezug genommen.

Die Klage- und Berufungsklagepartei beantragt:

1. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 07.04.2016, Az.: 484 C 31343/15 WEG, wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist:

2.1. Der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Umwandlung der Wohneinheit Nr. 6 der Beklagten in der S. 20, 20 a München in eine Gewerbeeinheit entstanden ist und

2.2 die ungerechtfertigte Bereicherung, die die Beklagte aus fremden gewerblichen Nutzungsrechten zieht, an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das Landgericht München I hat am 28.07.2016 einen Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erlassen, zu dem der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 19.09.2016 Stellung genommen hat.

Der Klägervertreter vertritt darin die Auffassung, die Umwandlung einer Wohneinheit in eine Gewerbeeinheit stelle eine unzulässige bauliche Veränderung dar, die als sachenrechtliche Umwandlung einer Wohnung in eine Gewerbeeinheit zu bewerten sei. Die Anlage sei als reine Wohnanlage anzusehen. Die Klägerin beanstande im hiesigen Verfahren die Verletzung des Eigentums der Klägerin und nicht das Nutzungsrecht der Beklagten. Die gesetzlich begründeten Nutzungsrechte, die im Volleigentum der Klägerin stehen, würden missbräuchlich verwendet. Der zu Schadensersatz und Herausgabe ungerechtfertigter Bereicherung führende Eingriff sei durch die Tathandlung des Einholens der Baugenehmigung (Anlage A 4) und deren Umsetzung unter Missachtung und Verletzung des Eigentums der Klägerin herbeigeführt worden.

Die schuldrechtlich begründeten Nutzungsrechte ergäben sich aus der Teilungserklärung, regelten nur das Verhältnis der Eigentümer untereinander und hätten keinen Einfluss auf die gesetzlichen Regelungen. Das WEG-Anwesen sei baurechtlich als reine Wohnanlage genehmigt und errichtet worden. Bodenrechtlich werde die Nutzung der Grundstücke durch das BauGB verbindlich geregelt. Nach dem Gesetz und der ständigen Rechtsprechung gewähre die Wohnnutzung das gesetzlich begründete Nutzungsrecht, die Wohnfläche auf dem Grundstück bis zur Hälfte gewerblich zu nutzen. Insoweit seit für jede Wohnung eine Wohnnutzung zu 100 % und eine gewerbliche Nutzung zu 50 % gestattet. Die Nutzung der Wohnung der Klägerin als 100 % ige Gewerbeeinheit entziehe der Klägerin Rechte, die zum Inhalt des von ihr erworbenen Eigentums gehören.

Durch Beantragung und Umsetzung einer 100 %igen Gewerbenutzung der Wohnung liege eine eigene Tathandlung vor. Diese gehe über die gewerbliche Nutzung der Wohnung hinaus und sei unabhängig davon.

Die Baugenehmigung weise gesetzlich definierte Nutzungsrechte zu, die zum Inhalt des Raumeigentums gehören. Die Verpflichtung zur Instandhaltung des Eigentums nach § 3 Abs. 5 GO beinhalte die Verpflichtung, auch den Bestandteil baulich zulässige Nutzung nicht zu verändern.

Die Änderung der zulässige Nutzung durch die Baugenehmigung sei von der tatsächlichen Nutzung unabhängig, insbesondere führe weder die Ausübung noch die Nichtausübung der Baugenehmigung zu deren Erlöschen.

Auf den Hinweisbeschluss des Landgerichts und die Schriftsätze der Parteien wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 07.04.2016, Gz. 484 C 31343/15 WEG, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Kammer einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Soweit der Klägervertreter die Zulassung der Revision beantragt hat, sieht die Kammer keinen Zulassungsgrund. Ein solcher wird auch nicht näher begründet. Allein der Umstand, dass der Bundesgerichtshof zu einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage noch nicht Stellung genommen hat, rechtfertigt die Zulassung der Revision für sich genommen nicht. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten. Das Amtsgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen; es sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die nicht mit dem Berufungsführer im schriftlichen Verfahren angemessen erörtert werden konnten (vgl. Zöller/Heßler, 31. Auflage, § 522, Rdnr. 40).

1. Die Berufung ist zulässig aber unbegründet. Der Klägerin steht weder ein Anspruch auf Schadensersatz noch auf Herausgabe ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Beklagte wegen Beantragung einer dann auch genehmigten Baugenehmigung für den Betrieb einer Kinderkrippe in der Wohneinheit Nummer 6 der WEG zu. Auf den Hinweisbeschluss vom 28.7.2016 (Bl. 75/80 d.A.) wird Bezug genommen; daran wird auch noch nach nochmaliger Überprüfung unter Berücksichtigung der klägerseitigen Stellungnahme festgehalten. Im Einzelnen:

1.1 Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz zu. § 823 Abs. 1 BGB setzt eine widerrechtliche Eigentumsverletzung voraus, ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB eine Pflichtverletzung. Die Beklagte handelte jedoch weder widerrechtlich noch pflichtwidrig, als sie die Baugenehmigung, die beklagtenseits als allein relevante Tathandlung gewertet wird (vgl. Schriftsatz vom 19.9.2016 Ziffer B II 1.2), beantragte.

Die Baugenehmigung für den Betrieb einer Kindertagesstätte in der Wohneinheit Nummer 6 greift weder rechtswidrig in das Eigentum der WEG selbst noch rechtswidrig in das Eigentum der übrigen Wohnungseigentümer der WEG ein.

Die WEG selbst ist nicht Eigentümerin der anderen Wohneinheiten. Eigentümer sind vielmehr die Sondereigentümer der Wohn- und Teileigentumseinheiten, aus denen die WEG sich zusammensetzt. Da die WEG nicht selbst Eigentümerin der übrigen Wohneinheiten ist, wurden durch die Wohnungseigentümerversammlung entsprechend § 10 Abs. 6 S. 3 WEG Vergemeinschaftungsbeschlüsse betreffend der streitgegenständlichen Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche gefasst. Auch das Eigentum der übrigen Eigentümer der WEG wird durch die bauordnungsrechtlich genehmigte Nutzungsänderung für die im Sondereigentum der Beklagten stehende Wohneinheit Nummer 6 nicht widerrechtlich beeinträchtigt.

Die vom Klägervertreter beanstandete Baugenehmigung ändert die zulässige Nutzung der Wohneinheit Nummer 6. Der Zweck, welchem ein Gebäude dient, wird als „Nutzung“ bezeichnet. Die Nutzung eines Gebäudes ist im Baurecht grundsätzlich genehmigungspflichtig. Das streitgegenständliche Anwesen wurde als Wohnanlage genehmigt. Die Nutzungsänderung der baulichen Anlage bedarf entsprechend Art. 55 Abs. 1 BayBO der Baugenehmigung.

Die beantragte Baugenehmigung auf Nutzungsänderung wurde der Beklagten antragsgemäß am 28.8.2012 (Anlage A 4) erteilt. Durch die der Beklagten erteilte Baugenehmigung wird das Eigentum der übrigen Eigentümer der WEG nicht rechtswidrig beeinträchtigt.

Die Erteilung der Baugenehmigung ist nicht zu beanstanden. Die übrigen Wohnungseigentümer und die WEG als Verband waren am Baugenehmigungsverfahren nicht zu beteiligen. Die bauordnungsrechtlichen Vorschriften entfalten keinen Drittschutz gegenüber den Wohnungs- und Teileigentümern einer WEG untereinander. Der Drittschutz bauordnungsrechtlicher Vorschriften bewirkt, dass die Dritten am Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen sind und ihnen gegebenenfalls eine Klagebefugnis zusteht, vgl. §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, soweit ein Bescheid ihre drittgeschützten Interessen verletzt. Drittgeschützt sind im Baugenehmigungsverfahren die Eigentümer der Nachbargrundstücke in ihren Interessen. Nachbarn sind bauordnungsrechtlich betrachtet die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke, nicht hingegen die Eigentümer des Grundstücks, auf das sich der Bauantrag selbst bezieht. Auch materiell bestehen gegen den Bescheid keine Bedenken. Kindertagesstätten sind nach §§ 3 ff. BauNVO in Wohngebieten zulässig.

Die übrigen Wohnungseigentümer haben gegenüber der Klägerin entgegen der Auffassung des Klägervertreters keinen Anspruch darauf, dass diese nicht die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen dafür schafft, eine wohnungseigentumsrechtlich zulässige Nutzung auszuüben. Die Gemeinschaftsordnung der Klägerin gestattet in § 1 c GO eine gewerbliche Nutzung. Die Beantragung der insoweit öffentlich-rechtlich erforderlichen Baugenehmigung stellt insoweit gerade keinen Pflichtenverstoß dar.

Die Eigentumsarten Teil- und Wohnungseigentum unterschieden sich nicht in der rechtlichen Behandlung, vgl. § 1 Abs. 6 WEG. § 1 Abs. 2, 3 WEG definieren die Zweckbestimmung, die für Teil- und Wohneigentum gilt, soweit die Eigentümer in der Teilungserklärung nichts anderes bestimmen. Vorliegend sieht die Teilungserklärung gerade vor, dass die Bestimmung Wohnnutzung gerade auch eine gewerbliche Nutzung in den in § 1 c GO vorgesehenen Grenzen erlaubt. Dass diese nicht überschritten werden, wurde bereits in den vorangegangenen Prozessen rechtskräftig entschieden.

Ein rechtswidriges oder pflichtwidriges Verhalten der Beklagten liegt in der Beantragung der Baugenehmigung mithin nicht. Auch ein anderes rechtswidriges oder pflichtwidriges Verhalten der Klägerin, dass diese zu Schadensersatz verpflichten würde, vermag die Kammer nicht zu erkennen.

1.2 Auch die Voraussetzungen einer Eingriffskondiktion, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB („Eingriff in sonstiger Weise“), sind nicht gegeben. Die Eingriffskondiktion setzt den Eingriff eines fremden in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts voraus, dessen wirtschaftliche Verwertung dem Gläubiger vorbehalten ist, also auf den Eingriff in eine vermögensrechtlich nutzbare Rechtsposition mit ausschließlichem Zuweisungsgehalt (Sprau in Palandt, BGB, 75. Auflage, § 812 BGB, Rdnr. 38). Der Zuweisungsgehalt bestimmt sich insoweit nach der Rechtsmacht des Inhabers, eine bestimmte Nutzung des Rechtsguts zu untersagen und dieses auch selbst zu nutzen (Sprau, a.a.O., § 812 BGB, Rdnr. 40).

Eine vermögensrechtlich nutzbare Rechtsposition mit ausschließlichem Zuweisungsgehalt wird durch die Baugenehmigung, die eine bestimmte Anlagennutzung gestattet, begründet. Die Baugenehmigung wird durch einen Verwaltungsakt erteilt. Verwaltungsakte wirken, soweit die in ihnen festgestellten Rechte und Pflichten nicht höchstpersönlicher Natur sind, entsprechend § 121 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog auch für und gegen Rechtsnachfolger des ursprünglich aus dem Verwaltungsakt Berechtigten oder Verpflichteten. Bei sachbezogenen Verwaltungsakten, zu denen auch die Baugenehmigung zählt, sind Rechtsnachfolger insoweit die Erwerber des Grundstücks (Kopp, VwVfG, § 43 VwVfg, Rdnr. 19 m.w.N.). Inwieweit bauliche Nutzungen zulässig sind, richtet sich nach der Baugenehmigung. Welche Nutzungen im Baugenehmigungsverfahren materiell als zulässig anzusehen sind, bestimmt der Bebauungsplan in Verbindung mit der BauNVO.

Vorliegend gestattete die der Komfortwohnbau D & S GmbH bei Errichtung des Anwesens S. 20, 20 a erteilte Baugenehmigung nach Angaben des Klägers und Berufungsführers eine Nutzung zu Wohnzwecken. In ausschließlich zur Wohnnutzung errichteten Wohnhäusern ist zunächst einmal die mit der Baugenehmigung bewilligte Wohnnutzung zulässig. Die Genehmigung der Wohnnutzung schließt nicht die Genehmigung einer freiberuflichen oder gewerblichen Nutzung mit ein, auch nicht bis zu 50 % der Wohnfläche und 50 % der Wohnungen. Die Änderung der baurechtlich zulässigen Nutzung bedarf vielmehr einer Genehmigung, Art. 55 Abs. 1 BayBO. Ob die Voraussetzungen für diese Genehmigung vorliegen bestimmt sich nach dem Bebauungsplan und der BauNVO Insoweit ist auch gegebenenfalls die vom Klägervertreter zitierte verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, in welchen Umfang in welchem Wohngebiet eine gewerbliche oder freiberufliche Nutzung zulässig ist, einschlägig.

Die Genehmigungsvoraussetzungen einer Nutzungsänderung nach BauNVO begründen keine Zuweisung von Rechten im Sinne des § 96 BGB an einem Grundstück, für das eine derartige Nutzung gerade noch nicht genehmigt wurde. § 96 BGB bezieht sich auf Rechte die im Sinne eines subjektiven dinglichen Rechts mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden sind (Ellenberger in Palandt, a.a.O., § 96 BGB, Rdnr. 2), nicht hingegen auf die Möglichkeit öffentlich-rechtlich eine Änderung eines bestehenden Rechts zu bewirken. Die bloße Möglichkeit der übrigen Wohnungseigentümer, einen Antrag auf Änderung der baulichen Nutzung auch ihrer Wohneinheiten zu stellen, stellt keine diesen zugewiesene vermögensrechtlich nutzbare Rechtsposition dar. Die übrigen Wohnungseigentümer waren – wie bereits ausgeführt – am Baugenehmigungsverfahren der Beklagten auf Änderung der bauordnungsrechtlich zulässigen Nutzung mangels Drittschutz noch nicht einmal zu beteiligen.

Die den anderen Wohnungseigentümern durch die ursprüngliche Baugenehmigung erteilte Erlaubnis, die Wohnanlage zu Wohnzwecken zu nutzen, wird durch die der Beklagten für ihr Sondereigentum erteilte Baugenehmigung für den Betrieb der Kindertagesstätte nicht berührt. Die öffentlich-rechtliche Genehmigung einer Nutzung durch den Verwaltungsakt der Baugenehmigung erfolgt für den Sondereigentümer der Wohnung, für die die Genehmigung erteilt wird und weist auch nur diesem eine Rechtsposition zu.

Die Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB sind somit nicht gegeben.

1.3 Mangels rechtswidriger Beeinträchtigung des Eigentums der WEG oder der anderen Wohnungseigentümer kommt auch ein Ersatzanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog nicht in Betracht.

1.4 Soweit der Klägervertreter Rechtsprechung zitiert, in denen wegen Zulässigkeit einer gewerblichen Nutzung dem Erwerber von Wohneigentum Schadensersatz zugebilligt wurde, lassen sich diese Entscheidungen für das hiesige Verfahren nicht fruchtbar machen. In den zitierten Fällen ging es darum, dass kaufvertraglich Wohneinheiten in Wohnungseigentumswohnanlagen erworben wurden, wobei vereinbart war, dass die Anlage nur zu Wohnzwecken dient. Rechtlich war aber auch eine gewerbliche Nutzung zulässig. Hierin liegt eine Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der vereinbarten Sollbeschaffenheit, die gegenüber dem Verkäufer der Einheit Gewährleistungsansprüche begründet.

Die Berufung war damit zurückzuweisen. Soweit klägerseits mit Schriftsatz vom 20.10.2016 Frist zur Stellungnahme auf den Schriftsatz der Gegenseite vom 11.10.2016 beantragt wurde, war keine Schriftsatzfrist zu gewähren. Die Kammer hat auf den Schriftsatz vom 11.10.2016 nichts gestützt; die dort aufgeworfene Frage, ob die Nutzungsänderungsgenehmigung bereits im Jahr 2007 erteilt worden sei, ist vorliegend unbeachtlich. Es war damit auch kein weiteres rechtliches Gehör zu diesem Schriftsatz zu gewähren.

2. Die Kostenfolge entspricht § 97 ZPO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Die Streitwertfestsetzung entspricht § 49 a GKG. Der Argumentation der Klägerin nach geht es vorliegend darum, dass eine gewerbliche Nutzung der Einheit der Klägerin über 50 % hinaus einen rechtswidrigen Eingriff in den Rechtsbereich der übrigen Wohnungseigentümer darstellt, der auszugleichen ist. Nach dieser Argumentation schätzt die Kammer das nach § 49 a Abs. 1 S. 2 GKG als Streitwert anzusetzende Interesse der Klägerin an der Entscheidung auf 40.000 €.

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