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WEG – Einzuhaltendes Schallschutzmaß in einem Altbau

AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980b C 49/17 WEG – Urteil vom 17.05.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Pflicht der Beklagten zur Unterlassung von Trittschallimmissionen.

Die Klägerin und die Beklagten sind Mitglieder der WEG … Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnung … im Obergeschoss, die Beklagte ist Eigentümerin der darüber gelegenen Dachgeschosswohnung …‚ die sie vermietet hat. Das Gebäude, in dem sich diese Wohnungen befinden, ist im Jahr 1890 errichtet worden. Zwischen den Parteien gilt die notarielle Teilungserklärung vom 22. November 1983 (Anlage K1), in der es in § 4 Abs. 1 heißt: „Die Wohnungseigentümer dürfen in den Räumlichkeiten des Hauses nichts tun oder unterlassen, was den Charakter des Gebäudes als Wohnhaus entgegensteht oder was die Bequemlichkeit oder Wohnlichkeit stört oder sonst wie geeignet ist, andere Miteigentümer zu belästigen.“

Die Beklagte ließ im Jahr 1992 den damals in ihrer Wohnung verlegten Linoleumbelag aufnehmen, unter dem sich ein – bis heute unverändert gebliebener – Dielenbelag befindet. Auf diesem Dielenbelag wurde eine 44 mm hohe Trockenestrichdämmung verlegt (sog. schwimmender Estrich aus Trockenbauplatten des Herstellers …‚ bestehend aus drei verklebten Platten, von denen die Unterseite aus 20 mm dickem Styropor besteht). Im Dezember 2014 tauschte die Mieterin der Beklagten den darauf verlegten Teppichboden durch ein neues Eichenparkett aus.

Die Klägerin macht geltend, dass der Parkettboden nicht hinreichend von der Gebäudekonstruktion abgekoppelt sei, so dass bei Begehen desselben der Trittschall ungedämmt in ihre Wohnung eindringe. Die Gehgeräusche seien als klopfend und hämmernd sehr deutlich hörbar und würden ihren Wohngebrauch erheblich beeinträchtigen. Die Mindestanforderungen an den Trittschall seien nicht gewahrt. Sie, die Klägerin, müsse das Eindringen vermeidbaren Lärms nicht hinnehmen.

Schallschutz haus
(Symbolfoto: Von urfin/Shutterstock.com)

Das zu berücksichtigende Schallschutzmaß ergebe sich schon aus § 4 der Teilungserklärung. Daher habe die Beklagte den Anforderungen der DIN 4109 mit Stand 1962 zu genügen. Im Übrigen sei die bauliche Herstellung der Wohnung der Beklagten im jetzigen Zuschnitt erst 1991/1992 vorgenommen worden, weswegen auch auf den damaligen Stand der Technik abzustellen sei. Die Bezugsfertigkeit der Dachgeschosswohnung sei erstmals im Jahr 1922 hergestellt worden. Das Aufbringen des Trockenestrichs im Jahr 1992 sei jedenfalls als „erheblicher Eingriff in die Gebäudesubstanz“ zu werten, so dass das damals geltend Schallschutzniveau einzuhalten sei. Zudem sei die Beklagte schon aus Rücksichtnahme zur Verminderung des Schalls verpflichtet.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in der Liegenschaft … in der im Dachgeschoss belegenen und im Aufteilungsplan mit der Nr. … bezeichneten Wohnung Trittschall zu verursachen oder verursachen zu lassen, der die Anforderungen aus der DIN 4109, Blatt 2- erhöhter Schallschutz -‚ hilfsweise – Mindestanforderungen -‚ jeweils in der Fassung der Ausgabe 1962 überschreitet, hilfsweise, die Mindestanforderungen an den Trittschallschutz zum Zeitpunkt der Herstellung der Bezugsfertigkeit der Dachgeschosswohnung entsprechend der DIN 4109 überschreitet, unter Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung in Höhe von bis zu 250.000,00 €‚ ersatzweise Ordnungshaft.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, dass ihre Mieterin beim Verlegen des Parketts sogar noch eine weitere (Trittschall-)Dämmung (Unterlage „XPS mit Rillen‘) eingebracht habe. Sie, die Beklagte, habe die Schallschutzanforderungen zu erfüllen, die zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes gegolten hätten; jenen würden aber auch erreicht werden. Ohnehin sei die bloße Auswechselung des Bodenbelangs keine „bauliche Veränderung“ im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG. Und die Teilungserklärung – für deren Auslegung auch die Zustände bei Errichtung derselben heranzuziehen seien – sehe kein höheres Schallschutzmaß vor; es fehle an der hinreichenden Bestimmtheit desselben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat gemäß Beschluss vom 17. April 2018 Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl-Ing. … vom 26. September 2018 sowie auf seine ergänzende Anhörung gemäß Protokoll der Sitzung vom 12. April 2019.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung von Trittschallimmissionen, die ein bestimmtes Maß überschreiten, aus ihrer Wohnung … Die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen – gleich nach welchem Begehren der Klägerin – im Streitfall nicht vor.

Ein Anspruch auf Unterlassung folgt nicht aus den §§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, 14 Ziff. 1 WEG. Rechtlicher Maßstab für die zwischen den Wohnungseigentümern hinsichtlich des Schallschutzes bestehenden Pflichten ist § 14 Nr. 1 WEG, wonach jeder Wohnungseigentümer verpflichtet ist, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Diese Bestimmung, die auch bei den Schallschutz beeinflussenden Veränderungen des Sondereigentums maßgeblich ist, ist aufgrund der in § 22 Abs. 1 WEG enthaltenen Verweisung anzuwenden (vgl. BGH, NJW 2018, 2123, Tz. 5). Selbst wenn der von der Beklagten im Jahr 1992 eingebrachte Trockenestrich und/oder das von ihrer Mieterin im Dezember 2014 eingebrachte Eichenparkett als „bauliche Veränderung“ im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG anzusehen wäre, weil damit eine gegenständliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums einhergegangen ist, kann die Klägerin von der Beklagten nicht die Einhaltung eines Schallschutzmaßes mit Stand 2014 oder 1992 verlangen; es gilt der Zeitpunkt der Gebäudeerrichtung.

Der im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zu gewährende Schallschutz richtet sich grundsätzlich nach der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden Ausgabe der DIN 4109, wenn ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt und dabei nicht in den unter dem Belag befindlichen Estrich und die Geschossdecke eingegriffen wird (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 9). Jedenfalls bei erheblichen Eingriffen in das Gemeinschaftseigentum muss auch der aktuell geforderte Schallschutz eingehalten werden (BGH, a.a.O., Tz. 12 ff.). Bei einem solchen Eingriff von erheblichen Umfang in die Gebäudesubstanz entsteht bei den übrigen Wohnungseigentümern die berechtigte Erwartung, dass bei dem Umbau des Sonder- und des Gemeinschaftseigentums insgesamt die aktuellen technischen Vorgaben und damit auch die nunmehr geltenden Schallschutzwerte beachtet werden (BGH, a.a.O., Tz. 15; so auch BGH NZM 2012, 611, Tz. 11).

Im Streitfall fehlt es indes an einem „erheblichen Eingriff“ in die Gebäudesubstanz, der – soweit für die Klägerin aus rechtlicher Sicht von Interesse – im Jahr 1992 vorgenommen worden ist. Selbst wenn, wie die Klägerin geltend macht und insoweit zu ihren Gunsten als wahr unterstellt wird, in den Jahren 1991/1992 Arbeiten in der Dachgeschosswohnung der Beklagten stattgefunden haben, die sich auch auf deren Zuschnitt ausgewirkt haben, fehlt es gleichwohl an der Finalität eines schallschutzrelevanten Eingriffs in die Gebäudesubstanz. Unstreitig ist nämlich, dass seinerzeit auf die vorhandenen Dielen der Trockenestrich verlegt worden ist und darauf ein Fußbodenbelag aus Linoleum (der zwischenzeitlich durch das im Jahr 2014 verlegte Eichenparkett ausgetauscht worden ist). Diese insoweit allein maßgeblichen „Eingriffe“ in den Fußbodenaufbau stellen sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht als einen „Eingriff im Sinne der o.g. Rechtsprechung des BGH (NJW 2018, 2123) dar. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der dort in Bezug genommene „Eingriff in die Gebäudesubstanz“ ein solcher sein muss, der sich im Hinblick auf den Trittschall auswirkt, also auf den Decken- und Fußbodenaufbau bezogen ist. Andere Arbeiten, etwa an aufgehenden Wänden oder am Dach, können insoweit nicht gemeint sein, zumal ein Wohnungseigentümer etwa bei dem erstmaligen Einbau eines Dachflächenfensters kein Vertrauen dahin bilden kann, dass der Miteigentümer betreffend den – unverändert gebliebenen – Fußbodenaufbau die aktuell geltenden technischen Standards einhalten wird. So liegt der Fall auch hier, weil die Beklagte lediglich eine Zwischen(dämm)schicht eingebracht hat, wodurch aber die Gebäudesubstanz als solche mangels „Eingriffs“ nicht verändert oder beeinträchtigt worden ist. Das gleiche gilt für das Eichenparkett, das im Jahr 2014 von der Mieterin der Beklagten lediglich auf dem bestehenden Trockenestrich – ohne diesen indes zu verändern – verlegt worden ist.

Etwas anderes folgt im Hinblick auf das von der Beklagten einzuhaltende Schallschutzmaß auch nicht aus dem Inhalt der Teilungserklärung (TE), vor allem der dortigen Regelung in § 4 Abs. 1. Zwar kann die Gemeinschaftsordnung Regelungen zum Schallschutz enthalten, die über den Mindeststandard hinausgehen; diese müssen aber hinreichend bestimmt sein (s. nur BGH, NJW 2015, 1442, 1443, Tz. 9). Daran fehlt es hier. Für die Auslegung der Bestimmungen, die dingliche Wirkung haben, kommt es maßgebend auf ihren Wortlaut und ihren Sinn an, wie sie sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutungen der Eintragung ergeben, weil sie auch Sonderrechtsnachfolger der Wohnungseigentümer binden; Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind (vgl. BGH, NJW-RR 2014, 527, 528, Tz. 11). Aus der in Rede stehenden Formulierung in § 4 Abs. 1 TE, wonach jeder Miteigentümer „nichts tun oder unterlassen [darf], was den Charakter des Gebäudes als Wohnhaus entgegensteht oder was die Bequemlichkeit oder Wohnlichkeit stört oder sonstwie geeignet ist, andere Miteigentümer zu belästigen“, lässt sich nach Ansicht des Gerichts nichts für ein – hinreichend bestimmtes – Schallschutzmaß ableiten, wie es die Klägerin versteht. In Bezug auf das einzuhaltende (Tritt-)Schallniveau lässt sich diese Regelung nach ihrem Wortlaut und dem nächstliegenden Sinn ihrer Bedeutung vielmehr nur dahin verstehen, dass jeder Miteigentümer die – ohnehin § 14 Ziff. 1 WEG verankerte – Rücksichtnahme auf die Interessen der übrigen Eigentümer walten lassen muss, also für die Einhaltung der jeweils geltenden Schallschutzanforderungen zu sorgen hat. Eine Verpflichtung, die Vorgaben der DIN 4109 in einer bestimmten Fassung einzuhalten, folgt daraus nicht.

Das für die Beklagte geltende Schallschutzniveau (Zeitpunkt der Gebäudeerrichtung) wird nicht überschritten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts nicht fest, dass der Trittschall, der aus der Wohnung der Beklagten in die Wohnung der Klägerin dringt, das einzuhaltende Maß übersteigt. Wie der Sachverständige Dipl-Ing. … an dessen Sach- und Fachkunde keine Zweifel bestehen und von den Parteien auch nicht geltend gemacht worden sind, in seinem Gutachten vom 26. September 2018 und in seiner ergänzenden Anhörung vom 12. April 2019 nachvollziehbar und plausibel ausgeführt hat, ist aus den 1890 und auch noch 1944 üblichen Bauweisen ein bewerteter Norm-Trittschallpegel für eine alte Holzbalkendecke – wie sie (auch unstreitig) hier vorzufinden ist – von 64 bis 68 dB abzuleiten. Anerkannte Schallschutzregelungen, insbesondere gültige DIN-Normen, hat es bis dato nicht gegeben. Seine Messungen hätten vorliegend einen Trittschallpegel von 63 dB ergeben, so dass der Norm-Pegel um 1 dB bis 5 dB unterschritten ist, was sachverständig als baualtersgemäß zu bewerten ist.

Darauf, dass damit der nach der DIN 4109, Stand 1989, einzuhaltende Schallpegel von 53 dB um 10 dB überschritten wäre, kann sich die Kläger aus Rechtsgründen allerdings nicht berufen (s.o.).

Mangels Verurteilung zu einem Unterlassen bedarf es auch keiner Androhung nach § 890 ZPO.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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