LG Köln – Az.: 29 S 70/14 – Urteil vom 06.06.2019
Die Berufung des Klägers gegen das am 21.02.2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Köln, 215 C 16/13 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien sind Mitglieder der aus insgesamt vier Parteien bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft K-Straße in Köln. Die Wohnung des Klägers liegt im 2. Obergeschoss, die Wohnung der Beklagten darunter im 1. Obergeschoss.
Im Oktober/November 2010 ließen die Beklagten in ihrer Wohnung einen Wanddurchbruch von ca. 2,30 m herstellen lassen. Diese Maßnahme wurde nachträglich durch Baugenehmigung der Stadt Köln vom 20.06.2012 genehmigt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Lichtbilder (Bl. 271 f GA) und die vorgelegten Unterlagen (Bl. 167 ff GA) verwiesen. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von den Beklagten den Verschluss des Wanddurchbruchs.
Für die weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das amtsgerichtliche Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Mit Urteil vom 21.02.2014 hat das Amtsgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, nach den Feststellungen des beauftragten Sachverständigen seien keine wesentlichen Beeinträchtigungen durch den Wanddurchbruch zu erkennen. Eine Beeinträchtigung anderer Miteigentümer sei ausgeschlossen, wenn kein vernünftiger Zweifel daran bestehe, dass ein wesentlicher Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums unterblieben sei, insbesondere zum Nachteil der übrigen Eigentümer keine Gefahr für die konstruktive Stabilität des Gebäudes und dessen Brandsicherung geschaffen worden sei. Hiervon sei auszugehen. Die Beklagten hätten mittlerweile eine Baugenehmigung vorgelegt. Aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen stehe ebenfalls fest, dass den Anforderungen des Brandschutzes genüge getan worden und die Statik nicht beeinträchtigt worden sei. Dass der Sachverständige keine Bauteilöffnung vorgenommen habe, führe nicht zur Unverwertbarkeit des Gutachtens. Die im Ortstermin getroffenen Feststellungen sowie die zur Auswertung vorgelegten Unterlagen seien ausreichend gewesen. Der Kläger habe zu dem übersandten Gutachten innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme abgegeben, auch in einem später eingegangenen Schriftsatz seien keine Ergänzungsfragen oder Anträge gestellt worden, der erst mit Schriftsatz vom 06.02.2014 gestellte Beweisantrag sei verspätet. Darüber hinaus habe der Sachverständige auch keinerlei Beeinträchtigungen für die Nutzungsmöglichkeit der klägerischen Wohnung festgestellt. Dem Kläger sei es weiterhin möglich, eine Trennwand in Leichtbauweise oder als Gipskartonwand zu errichten. Ein hierdurch bedingter reduzierter Schallschutz sei nicht gegeben. Es sei allgemein bekannt, dass ausreichender Schallschutz au ch bei Gipskartonwänden und erst Recht bei Wänden in Leichtbauweise erreicht werden könne.
Gegen dieses Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend verwiesen wird, wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerechten Berufung.
Er meint, das Amtsgericht habe verkannt, dass schon nach dem unstreitigen Sachverhalt und den Feststellungen des Sachverständigen ein störender Eingriff in das gemeinschaftliche Eigentum vorliege, der oberhalb der Beeinträchtigungsschwelle des § 14 Nr. 1 WEG liege. Diese Schwelle sei eher niedrig anzusetzen und vorliegend dadurch überschritten, dass der Kläger nach den Feststellungen des Sachverständigen in seiner Dispositionsfreiheit bezüglich künftiger Umbauarbeiten eingeschränkt sei, weil er in seiner über dem Mauerdurchbruch liegenden Wohnung künftig nur noch eine Trennweise in Leichtbauweise errichten könne. Dies müsse er nicht hinnehmen. Hierdurch sei auch der Verkehrswert der Wohnung beeinträchtigt. Unabhängig davon sei der Rückbauanspruch begründet, weil es – insoweit unstreitig – an einer genehmigenden Beschlussfassung fehle. Zudem hätte das Amtsgericht der Frage der Beeinträchtigung weiter nachgehen müssen. Klägerseits sei beanstandet worden, dass der Gutachter sich allein auf die Beurteilung der Planungsunterlagen beschränkt habe, jedoch keine eigenen Feststellungen zur Bausubstanz getroffen habe und insbesondere nicht dazu, ob die Umbaumaßnahme tatsächlich in Übereinstimmung mit den Bauplänen erfolgt sei. Die unterbliebene weitere Sachaufklärung werde auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Köln vom21.02.2014, 215 C 16/13, werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, den in der tragenden Wand ihrer Wohnung K-Straße, 50996 Köln, 1. Obergeschoss, zwischen den beiden rheinseitigen Zimmern über eine Länge von 2,30 m und 3,00 m vorgenommenen Wanddurchbruch sach- und fachgerecht zu verschließen, so dass hinsichtlich der Statik und des Brandschutzes sowie der Nutzbarkeit der darüberliegenden Wohnung im 2. Obergeschoss zumindest ein solcher Zustand wieder hergestellt wird, wie er vor der Durchführung des Wanddurchbruchs bestanden hat (durchgehend tragende Wand, 40 cm dick, Mauerwerksvollziegel, mindestens Festigkeitsklasse 6).
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil und legen Lichtbilder vor (Bl. 568 ff GA). Sie behaupten, diese seien während der streitgegenständlichen Baumaßnahme angefertigt worden
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und Einholung von Sachverständigengutachten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Zeugenaussagen (Anlagenordner) und die Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. L vom 26.09.2017 (Bl. 683 ff GA) und vom 30.05.2018 (Bl. 720 ff GA) Bezug genommen. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht einen Rückbauanspruch des Klägers gemäß § 1004 BGB i. V. m. §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG verneint.
Insbesondere kann allein in dem Umstand, dass der Kläger oder nachfolgende Eigentümer seiner Wohnung über dem streitgegenständlichen Wanddurchbruch keine dicke Steinmauer mehr aufbauen kann, sondern eine etwaig später einmal gewünschte Trennwand an dieser Stelle nur in Leichtbauweise oder als Gipskartonwand errichtet werden kann, keinen über das in §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG genannte Maß hinausgehenden Nachteil begründen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Schwelle, ab der eine erhebliche Beeinträchtigung anzunehmen ist, nach der schon vom Kläger herangezogenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts als eher niedrig anzusetzen ist (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.2014, V ZR 48/13, und BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 22.12.2004, 1 BvR 1806/04; zitiert nach Juris). Gleichwohl kann nicht jeder noch so geringe oder nur hypothetische Nachteil als ausreichend angesehen werden. Ein Nachteil ist vielmehr nur dann nicht hinzunehmen, wenn er eine nicht ganz unerhebliche, konkrete und objektive Beeinträchtigung darstellt. Entscheidend ist, ob sich ein Wohnungseigentümer nach der Verkehrsanschauung verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2000, V ZB 45/00; zitiert nach Juris). Im Fall eines Wanddurchbruchs ist ein Nachteil für die anderen Wohnungseigentümer, der das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß übersteigt, erst dann ausgeschlossen, wenn kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass ein wesentlicher Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums unterblieben ist, insbesondere zum Nachteil der übrigen Eigentümer keine Gefahr für die konstruktive Stabilität des Gebäudes und dessen Brandsicherheit geschaffen wurde (BGH, a.a.O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die entfallene Möglichkeit der Abtrennung oberhalb des streitgegenständlichen Wanddurchbruchs durch Mauersteine und der Verweis auf die Leichtbauweise als nicht erheblich angesehen werden. In Bezug auf den vom Kläger angeführten Schallschutz teilt die Kammer die Einschätzung des Amtsgerichts, nach der ein solcher heutzutage in ausreichender Weise auch in der vom Sachverständigen angeführten Leichtbauweise erzielt werden kann. Ebenso wenig kann für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung als ausreichend angesehen werden, dass der Sachverständige einen vorhandenen oder in Zukunft entstehenden noch so geringen Nachteil durch die streitgegenständliche Baumaßnahme nicht hat ausschließen können.
In Bezug auf die Statik hat der Sachverständige Dipl.-Ing. L anhand der vorgelegten Bauunterlagen nachvollziehbar festgestellt, dass eine Gefahr für die Stabilität des Gebäudes nicht besteht. Weiter hat der Sachverständige in seinem ersten Gutachten vom 26.06.2013 überzeugend ausgeführt, dass der erforderliche Brandschutz ebenfalls erfüllt worden ist. Hiergegen hat der Kläger lediglich eingewandt, dass von dem Sachverständigen nicht überprüft worden sei, ob die tatsächliche Bauausführung den Planunterlagen entspricht und damit die grundsätzlichen Berechnungen des Sachverständigen anhand der vorgelegten Unterlagen anerkannt. Den Einwänden des Klägers in Bezug auf die Bauausführung hat die Kammer jedoch nicht weiter nachgehen können, weil der Kläger den für die weitere Beweisaufnahme durch Öffnungsarbeiten von ihm angeforderten Auslagenvorschuss nicht eingezahlt hat. Dies muss vorliegend zu seinen Lasten gehen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass in der Regel derjenige, der die bauliche Veränderung ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer durchgeführt hat, die Beweislast dafür trägt, dass hierdurch für die anderen Wohnungseigentümer kein unerheblicher Nachteil vorliegt. Dies sind vorliegend die Beklagten. Allerdings haben die Beklagten die Arbeiten hier unstreitig durch ein Planungsbüro begleiten und durch ein Fachunternehmen ausführen lassen. Die Beklagten haben zudem entsprechende Lichtbilder vorgelegt, von denen nach der durchführten Zeugenvernehmung davon ausgegangen werden muss, dass sie während der streitgegenständlichen Bauarbeiten angefertigt worden sind. Dies haben sämtliche Zeugen, die hierzu etwas sagen konnten, im Rahmen ihrer schriftlichen Aussage bestätigt. Zudem liegt eine (nachträgliche) Baugenehmigung der Stadt Köln vor, so dass davon ausgegangen werden muss, dass die streitgegenständliche Baumaßnahme auch von der Baubehörde auf hinreichende Standsicherheit und Brandschutz überprüft worden ist. Weiter haben die Beklagten im Rahmen des Genehmigungsverfahrens einen Brandschutznachweis eines Architekten und Erklärungen der ausführenden Firmen vorgelegt, in denen bestätigt worden ist, dass die Ausführungen fachgerecht vorgenommen und die Bestimmungen der DIN 4102 eingehalten worden sind. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben wahrheitswidrig oder fehlerhaft zustande gekommen sind, hat der Kläger nicht vorgetragen. Unter diesen Umständen war es deshalb gerechtfertigt, ausnahmsweise dem Kläger die Einzahlung des weitergehenden Auslagenvorschusses, der zur Öffnung der Bauteile erforderlich ist, aufzugeben. Hinzu kommt, dass der Kläger selbst mit Schriftsatz vom 14.11.2016 seine Bereitschaft erklärt hat, die für eine Öffnung erforderlichen Handwerksarbeiten vorzufinanzieren. Gründe dafür, warum er nunmehr von dieser Bereitschaft abgerückt ist, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Auch die weiteren Einwände des Klägers gegen die bisherigen Feststellungen des Sachverständigen Dipl. – Ing. L in Bezug auf die Nutzungsmöglichkeiten seiner Wohnung haben nicht weiter aufgeklärt werden können, weil der Kläger den angeforderten Auslagenvorschuss nicht eingezahlt hat. Aus den bisherigen Stellungnahmen des Sachverständigen ergibt sich nicht, dass der Kläger über dem Durchbruch keinen Flügel oder ähnlich schwere Gegenstände abstellen kann. Von solchen Nutzungseinschränkungen kann demnach nicht ausgegangen werden.
Ebenso wenig kann der Rückbauanspruch bereits deshalb als gerechtfertigt angesehen werden, weil die Beklagten den Wanddurchbruch – unstreitig – ohne vorherige Beschlussfassung der Wohnungseigentümer haben durchführen lassen. Es kommt auch nicht darauf an, ob formelle Voraussetzung einer Maßnahme nach § 22 Abs. 1 WEG ein entsprechender Beschluss ist. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Beseitigungsverlangen rechtsmissbräuchlich, wenn es auf eine Leistung zielt, die alsbald zurück zu gewähren wäre, weil der Wohnungseigentümer einen Anspruch auf einen Gestattungsbeschluss nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG zur Vornahme der Maßnahme hat. Ein solcher Anspruch besteht, wenn die von der Maßnahme nachteilig betroffenen Eigentümer zugestimmt haben, oder es an einer Beeinträchtigung fehlt, die über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgeht (vgl. für alles vorstehende BGH, Urteil vom 21.10.2011, V ZR 265/10, WuM 2012, 48 f; zitiert nach Juris). Letzteres ist hier der Fall.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache als Einzelfallentscheidung weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherheit einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Insbesondere setzt sich die Kammer mit dem vorliegenden Urteil nicht in Widerspruch zu anderen höchstrichterlichen Entscheidungen, auch nicht in Bezug auf die allgemein anerkannten Beweislastregeln im Zusammenhang mit baulichen Veränderungen nach § 22 Abs. 1 WEG und des Vorliegens einer erheblichen Beeinträchtigung. Dass vorliegend ausnahmsweise der Auslagenvorschuss für die weitere Beweisaufnahme von dem Kläger zu zahlen war und die Nichtzahlung zu seinen Lasten geht, ist den oben angeführten, besonderen Umständen des Einzelfalls geschuldet und kann die Vorlage an den Bundesgerichtshof nicht rechtfertigen.
Berufungsstreitwert: 6.000,00 EUR (nach der nichtangegriffenen Festsetzung durch das Amtsgericht).