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WEG – Kein Ofen ohne Schornsteinzug

AG Kassel – Az.: 800 C 1048/21 – Urteil vom 28.07.2022

1. Die Beklagte wird verurteilt, für den Betrieb des Kaminofens in der Wohnung der Klägerin im Hause A in B einen ordnungsgemäßen, behördlich zugelassenen Kaminabzug auf Kosten der Beklagten herzustellen, wobei die Beklagte überdies verpflichtet wird, behördlich erforderliche Genehmigungen in Abstimmung mit den weiteren Eigentümern der Wohnungseigentümergemeinschaft einzuholen und gegebenenfalls hierfür notwendigen Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft in Abstimmung mit der Klägerin und dem weiteren Miteigentümer C herbeizuführen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 828,75 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.02.2021 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 15.000 Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verfolgt mit der Klage die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes eines von der Beklagten abgebaut zum Schornsteinzuges nebst Kostenerstattung für die Kosten der Renovierung ihrer Wohnung.

Die Parteien bilden zusammen mit Herrn C die Wohnungseigentümergemeinschaft A in B. Die Beklagte beabsichtigte, in ihre Wohnung Baumaßnahmen durchzuführen, unter anderem Abbau eines undichten Schornsteinzuges. Hierfür ersuchte sie im Juli 2020 um die Einverständniserklärung der Klägerin und des Herrn C, die mit Schreiben vom 20.07.2020 erfolgte. Darin erklärte die Beklagte u.a., „dass die aktuelle im Gebrauch befindlichen Schornsteinzüge erhalten bleiben“ (im Übrigen wird auf Bl. 7 d.A. Bezug genommen). Die Beklagte zog außerdem den Bezirksschornsteinfegermeister hinzu, der die Abtragung des Schornsteinzuges für unbedenklich hielt. Nachdem die Baumaßnahme abgeschlossen war, setzte die Klägerin den in ihrer Wohnung befindlichen und bereits zuvor betriebenen Kaminofen wieder in Betrieb, stellte sie fest, dass der Schornsteinabzug durch die Maßnahme der Beklagten entfernt worden war und der Rauch in die Wohnung eindrang mit der Folge, dass danach die Wanddekoration renoviert werden musste. Hierzu holte sie einen Kostenvoranschlag des Malermeisters D ein, der auf einen Betrag von 1.657,50 Euro netto lautet. Mit der Klage verfolgt sie der Erstattung dieses Betrages sowie im Ergebnis die Wiederherstellung des Schornsteinzuges.

WEG - Kein Ofen ohne Schornsteinzug
(Symbolfoto: Ingrid Maasik/Shutterstock.com)

Die Klägerin ist der Ansicht, durch die Einverständniserklärung vom 20.07.2020 sei die Entfernung des für den Betrieb ihres Kaminofens erforderlichen Schornsteinzuges nicht erlaubt worden, die Beklagte habe deswegen wiederherzustellen bzw. alle erforderlichen Maßnahmen in die Wege zu leiten, die hierfür notwendig sind und die dafür erforderlichen Kosten aufzubringen.

Die Klägerin hat ursprünglich zu Nr. 1 beantragt, die Beklagten zu verurteilen, für den Betrieb des Kaminofens in der Wohnung der Klägerin einen ordnungsgemäßen, behördlich zugelassenen Kaminabzug auf ihre Kosten herzustellen. Nunmehr beantragt sie zu Nr. 1 wie erkannt sowie darüber hinaus, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.657,50 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.02.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie rügt die Klagebefugnis der Klägerin. Nach § 9a Abs. 2 WEG könnten nur noch die Eigentümergemeinschaft einen Wiederherstellungsanspruch verfolgen, da es sich bei dem von der Beklagten abgebauten Schornsteinzug um Gemeinschaftseigentum handele. Darüber hinaus treffe die Beklagte kein Verschulden. Sie habe den Bezirksschornsteinfeger hinzugezogen, der sich allerdings trotz Ortsbegehung geirrt habe und aufgrund dieses Irrtums die Abtragung des für den Kaminofen der Klägerin notwendigen Schornsteinzuges für unbedenklich gehalten habe. Selbst wenn die Beklagte die Wiederherstellung zu verpflichten sei, könne sie dies deswegen nicht durchführen, weil dafür die Mitwirkung der gesamten Eigentümergemeinschaft erforderlich ist, da es sich um Gemeinschaftseigentum handele, insbesondere was den außen liegenden Teil des Schornsteinzuges betreffe. Darüber hinaus bedürfe die Wiedererrichtung der Schornsteinzuges auch öffentlich-rechtlicher Genehmigungen, die sie alleine nicht beibringen könne. Schließlich würde eine Wiederherstellung dazu führen, dass eine Verbesserung des Zustandes erreicht werde, da der Schornsteinzug vor der von ihr ergriffenen Baumaßnahme insuffizient gewesen sei. Auch hinsichtlich der Renovierung der Wanddekoration ihrer Wohnung müsse sich die Klägerin ein Abzug „neu für alt“ gefallen lassen, da diese auch ohne das streitgegenständliche Ereignis bereits verbraucht gewesen sei.

Mit Schriftsatz vom 14.05.2021 hat die Beklagte angekündigt, widerklagend zu beantragen, die Beklagte zur Zahlung von 1.054,10 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen, diesen Anträge jedoch nie in einer mündlichen Verhandlung gestellt und mit Schriftsatz vom 25.05.2022 erklärt, diesen nicht mehr zu stellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat überwiegend Erfolg.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie kann ihr Begehren jedenfalls in Gestalt der zuletzt geltend gemachten Antragstellung verfolgen und ist nicht darauf zu verweisen, dass nur die Eigentümergemeinschaft als gesamtes die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes herbeiführen könne. Dabei kann es das Gericht dahingestellt sein lassen, ob der Schornsteinzug ausschließlich dem Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft A zuzurechnen ist oder dem Gemeinschaftseigentum. Denn eine eigenständige Kompetenz eines Sondereigentümers zu Geltendmachung von Beeinträchtigungen seines Sondereigentums ist durch die am 01.12.2020 in Kraft getretene Reform des WEG nicht beseitigt worden. Nach wie vor kann gemäß § 1004 BGB der betroffene einzelne Wohnungseigentümer gegen die Störung vorgehen, wenn sein im Grundbuch eingetragenes Recht durch diese beeinträchtigt ist (BGH, Urteil vom 01.10.2021 – V ZR 48/21). Nichts Anderes kann für das Sondereigentumsrecht gelten. Mithin besteht eine Klagebefugnis auch bei Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums dann, wenn dadurch das Sondereigentum unmittelbar betroffen ist (Hogenschurz in BeckOK WEG, § 9a, Rdnr. 107 ff. auch unter Hinweis auf BGH BeckRS 2021, 19575; Dötsch/Schultzy/Zschieschack WEG-Recht 2021 Rdnr. 33). So liegt es hier. Die Klägerin macht geltend, dass die Benutzbarkeit ihres Sondereigentums durch das Entfernen des Schornsteinzuges durch die Beklagte eingeschränkt ist, weil der Kaminofen nicht mehr benutzt werden kann. Selbst dann, wenn man den Schornsteinzug als Gemeinschaftseigentum betrachten würde, ist – jedenfalls nach dem insoweit unstreitigen Klagevorbringen – ausschließlich das Sondereigentumsrecht der Klägerin davon betroffen.

Die Klägerin kann auch gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG, 1004 BGB von der Beklagten die Wiederherstellung des früheren Zustandes im Ergebnis begehren. Insbesondere ist durch die Erklärung vom 20.07.2020 keine Befugnis der Beklagten entstanden, den Schornsteinzug entfernen zu dürfen. Denn gemeint war darin offensichtlich ein anderer Schornsteinzug als derjenige, dessen heutiges Fehlen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Dabei kann sich die Beklagten nicht darauf berufen, sie habe schuldlos den falschen Schornsteinzug abgebaut. Selbst wenn ihr Vorbringen zuträfe, dass aufgrund eines Irrtums des Bezirksschornsteinfegers der unrichtige Schornsteinzug abgebaut wurde, so ist doch die Beklagte alleinig im Innenverhältnis zwischen den Wohnungseigentümern dafür verantwortlich. Denn eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen dem Bezirksschornsteinfeger und den anderen Eigentümern (und damit auch gegenüber der Klägerin) ist nicht entstanden. Denn im Ergebnis hat sich die Beklagte den Irrtum des Bezirksschornsteinfegers zur eigen gemacht und muss für dessen etwaiges fahrlässiges Verschulden gemäß § 278 BGB einstehen. Gegebenenfalls ist sie gehalten, aus ihrer Rechtsbeziehung zu Letztgenanntem sich schadlos zu halten. Darüber hinaus ist die in § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG statuierte Pflicht verschuldensunabhängig zu erfüllen.

Aber auch aus der Erklärung vom 20.07.2020 unmittelbar heraus kann die Klägerin die Wiederherstellung des früheren Zustandes verlangen. Denn die Beklagte hatte darin ausdrücklich erklärt, sie stelle sicher, dass die aktuell im Gebrauch befindlichen Schornsteinzüge erhalten bleiben. Dies betrifft gerade den von der Klägerin genutzten Zug zum Betrieb ihres Kaminofens.

Zwar ist der Beklagten insoweit zuzustimmen, dass sie möglicherweise nicht alle Schritte zu Wiederherstellung des früheren Zustandes in alleiniger Zuständigkeit bewerkstelligen kann. Dem hat jedoch die jüngste Antragstellung der Klägerin Rechnung getragen, weil nicht mehr die Wiederherstellung des früheren Zustandes unmittelbar gefordert wird, sondern die dafür notwendigen Maßnahmen auf Kosten der Beklagten. Dadurch ist sichergestellt, dass von der Beklagten keine rechtlich unmögliche Handlung verlangt wird, sondern eben nur rechtlich mögliche wie die Herbeiführung von Beschlussfassung in der Wohnungseigentümergemeinschaft oder die Erlangung etwaig erforderlicher öffentlich-rechtlich Genehmigungen.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit dem Argument dagegen wehren, dass nach der Wiederherstellung möglicherweise ein technisch besserer Zustand erreicht worden ist, als er vor der Entfernung des Schornsteinzuges bestanden hatte. Denn dies liegt dann in der Natur der Sache. Die Wiederherstellung mit der Konsequenz einer (teilweisen) neue Errichtung lässt sich technisch möglicherweise nicht anders herbeiführen als in Gestalt einer Verbesserung. Gleiches gilt in Ansehung des Umstandes, dass die schadhaften Stellen des früheren Zustandes als solche nicht wiederhergestellt werden können. Ob dies zu irgendeinem anderen Ausgleichsmechanismus führen muss oder nicht, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung.

Daneben kann die Klägerin auch Schadensersatz für die Beeinträchtigung der Dekoration ihrer Wohnung durch die Inbetriebnahme ihres Kaminofens nach Entfernung des Schornsteinzuges gemäß § 823 Abs. 1 BGB verlangen. Auch insoweit besteht eine Klagebefugnis, da sich das Verhalten der Beklagten ausschließlich an ihrem Sondereigentum ausgewirkt hat. Auch insoweit muss sich die Beklagte ein etwaiges Verschulden ihrer Hilfspersonen wie beispielsweise des Bezirksschornsteinfegermeisters gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.

Der Höhe nach ist jedoch der geltend gemachte Schadensersatzbetrag wegen eines gebotenen Abzuges „neu für alt“ herabzusetzen, da schadensrechtlich die Klägerin durch das Schadensereignis nicht bessergestellt werden darf, als sie vorher stand. Unstreitig weist die Dekoration in der Wohnung der Klägerin ein Alter von ca. sechs Jahren auf. Dies führt automatisch dazu, dass Abnutzungserscheinungen auch bei schonender regulärer Benutzung der Wohnung vorhanden sind, etwa Farbveränderungen über Heizkörpern, um den Kaminofen herum oder um Lichtschalter herum. Deswegen ist zwingend von einer nur noch reduzierten Restnutzungsdauer auszugehen ungeachtet des Umstandes, dass eine Renovierung der Dekoration unabhängig vom Abnutzungszustand prognostisch den selben Kostenaufwand erfordert. Maßgeblich ist jedoch auch der Gebrauchswert was dazu führt, dass bei einer unterstellten Nutzungsdauer einer Dekoration von 12 Jahren bei schonendem gewöhnlichen Gebrauch der Wohnung der geltend gemachte Betrag ausweislich des vorgelegten Kostenvoranschlages gemäß § 287 ZPO zu halbieren ist.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 280, 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Die Erklärung der Beklagten im Schriftsatz vom 25.05.2022 ist dabei als Rücknahme der Widerklage zu werden.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 12.711,60 Euro festgesetzt, wovon auf die Widerklage 1.054,10 Euro entfallen.

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