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WEG – Klagebefugnis eines Eigentümers in Bezug auf den Nachbarschutz

VG Neustadt (Weinstraße), Az.: 5 K 1482/18.NW, Urteil vom 26.03.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich als Nachbarn gegen ein Bauvorhaben der Beigeladenen.

Die Kläger sind Eigentümer einer Eigentumswohnung in dem Mehrfamilienhaus (6 Wohneinheiten) A-Straße 23, Flurstück Nr. …, in einem unbeplanten Wohngebiet von Neustadt/Wstr. Das südlich angrenzende Nachbargrundstück A-Straße 25, Flurstück Nr. …, war bisher mit einem Einfamilienwohnhaus und einer nach Norden grenzständigen Garage bebaut. Die beiden Grundstücke östlich der A-Straße fallen nach Osten hin ab. Zudem steigt das Gelände entlang dieser Straße vom Einmündungsbereich der südlich verlaufenden B-Straße aus zunächst leicht an und fällt etwa ab der Höhe des klägerischen Anwesens nach Norden wieder ab.

Die Beklagte erteilte der Beigeladenen am 16. Februar 2017 einen positiven Bauvorbescheid zur Neubebauung des Grundstücks A-Straße 25. Danach ist die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit 6 Wohneinheiten in dem von der Baubehörde als allgemeines Wohngebiet eingestuften Bereich in offener Bauweise bauplanungsrechtlich zulässig, und zwar mit einem Flachdach. Weiter hieß es im Vorbescheid, die geplante First- und Traufhöhe dürfe die bestehenden First- und Traufhöhen der Nachbargebäude nicht übersteigen. Im Übrigen wurden noch Ausführungen zu den Anforderungen der Landesbauordnung zu Stell- und Spielplätzen sowie zur Frage der Entwässerung gemacht.

Die Kläger, deren Wohnung keine Fenster nach Süden zum Vorhaben der Beigeladenen aufweist, legten mit Schreiben vom 6. November 2017 Widerspruch ein und machten geltend, das Vorhaben sei auf dem vergleichsweise kleinen Grundstück zu hoch und zu mächtig. Die Nordwand nehme den Bewohnern des Anwesens Haus Nr. 23 jede Aussicht sowie Licht und Sonne.

Am 29. Januar 2018 erteilte die Beklagte der Beigeladenen – im vereinfachten Genehmigungsverfahren – die Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 5 Wohneinheiten. Nach den genehmigten Plänen wurde auf dem 608 m² großen Grundstück ein Flachdachbaukörper mit insgesamt vier Geschossen zugelassen, wobei die Ebenen im rückwärtigen, östlichen Gebäudeteil aufgrund des Geländeverlaufs versetzt sind. Bei dem untersten Geschoss des straßenseitigen Gebäudeteils handelt es sich um einen Keller, der unter dem Parkdeck für 9 Stellplätze (Erdgeschossebene) liegt. Im rückwärtigen Gebäudeteil schließt sich – um ca. 1,50 m nach unten versetzt – an das Parkdeck eine Wohnung an. In der jeweils darüber liegenden Ebene (1. Obergeschoss) entstehen zwei weitere Wohnungen. Über dem rückwärtigen Teil entsteht im dortigen 2. Obergeschoss eine weitere Wohnung. Darüber befindet sich eine Penthousewohnung, die sich – mit einem umlaufenden Balkon und mit einer innerhalb der Wohnung im vorderen Teil wiederum nach unten versetzten Geschossebene – über die gesamte Gebäudefläche erstreckt (3. Obergeschoss). Die Höhe des Flachdachs beträgt laut Plan im straßenseitigen Teil 8,00 m (204,50 m üNN) und im rückwärtigen Teil 9,88 m (206,38 m üNN), wobei als Bezugsgröße das Gelände an der Grenze zur Straße mit 196,50 m üNN angegeben ist.

In der Begründung zur Baugenehmigung wurde ausgeführt, die Bautiefe von 30,45 m halte sich im Rahmen der Umgebung, denn es gebe größere Bautiefen und auch größere überbaute Grundflächen bzw. höhere Bauvolumen, wobei die Grundstücksgrößen sehr inhomogen seien, sodass ein Vergleich der Grundflächenzahl nicht zielführend sei. Auch von der Gebäudehöhe her füge sich Gebäude ein.

Gegen das Vorhaben machten mehrere Anwohner Einwände geltend.

Die Kläger erhoben gegen die Baugenehmigung mit Anwaltsschreiben vom 21. März 2018 Widerspruch und trugen vor, der Neubau, der nur 3 m Abstand zur A-Straße wahre, werde aus Sicht des Anwesens Nr. 23 einen Riegel nach Süden bilden, der praktisch das gesamte Baugrundstück bis auf den Mindestabstand überdecken werde. Hinsichtlich Lichteinfall und insbesondere Sonnenlicht habe dies unzumutbare Auswirkungen auf die Wohnsituation in ihrer Eigentumswohnung und den dazugehörigen Terrassenflächen. Eine derart verdichtete Bauweise finde in der Umgebung keine Entsprechung, sie stifte „Unruhe“ und könne wegen der Vorbildwirkung nur mit Mitteln der Bauleitplanung erfolgen.

Die Beklagte legte mit Schreiben vom 30. April 2018 nochmals ausführlich dar, warum sich das Vorhaben der Beigeladenen nach ihrer Beurteilung in die Umgebungsbebauung einfügt: Das geplante Gebäude habe eine Grundfläche von 320 m² und ein Gebäudevolumen von 2854 m². Beide Werte würden in der Nachbarschaft erreicht, so habe das Gebäude mit der Eigentumswohnung der Kläger eine Grundfläche von 418 m² und dasjenige auf dem Grundstück C-Straße 26 sogar 479 m², wobei beide Gebäude auch entsprechende Wohnungszahlen aufwiesen. Die geplante Bautiefe von 30,45 m hinter der Erschließungsstraße sei ebenfalls in der Umgebung vorhanden (A-Straße 21: 36 m und A-Straße 23: 31 m). Bei dem Vorhaben der Beigeladenen werde die Traufe durch ein zurückgesetztes Geschoss mit Flachdach dargestellt. Die mittlere Traufhöhe von 6,47 m und Firsthöhe von 9,88 m über der A-Straße als Erschließungsstraße halte sich ebenfalls im Rahmen, wie näher ausgeführt wurde.

Der Stadtrechtsausschuss der Beklagten wies die Widersprüche der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2018 zurück und stellte darauf ab, dass weder Bauvorbescheid noch Baugenehmigung die Kläger in ihren Rechten verletze. Er machte zunächst Ausführungen zur maßgeblichen näheren Umgebung und ging danach davon aus, dass sich das Vorhaben in die nähere Umgebung einfüge. Von der Kubatur her wiesen die relevanten Gebäude ganz erhebliche Unterschiede auf. Die Geschosszahl habe ohnehin keine eigenständige nachbarschützende Bedeutung. Auch greife weder der Gebietsgewährleistungsanspruch noch verstoße das Wohnbauvorhaben mit fünf Wohneinheiten gegen das Rücksichtnahmegebot, zumal unstreitig die Abstandsflächen eingehalten würden.

Die Kläger haben am 14. November 2018 Klage erhoben.

Sie machen weiter geltend, das Vorhaben füge sich nicht in die nähere Umgebung ein. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das natürliche Gelände zwischen der A-Straße und der östlich verlaufenden C-Straße ein erhebliches Gefälle habe, sodass die Gebäude der tiefer verlaufenden Parallelstraße nicht maßstabbildend sein könnten. Auch die Grundstücke westlich der A-Straße und südlich der B-Straße seien nicht gebietsprägend. Östlich der A-Straße seien die Grundstücke durch relativ große, gärtnerisch angelegte Freiflächen geprägt. Insoweit falle das die Grenzabstände nahezu voll ausnutzende Vorhaben der Beigeladenen „aus dem Rahmen“. Dies gelte im Hinblick auf das Penthouse-Geschoss im Gegensatz zu den Walmdächern der angrenzenden Grundstücke. Der geplante Baukörper wirke wie ein kompakter Riegel, der die Bautiefen und Firsthöhen in der Umgebung überschreite.

Die Kläger verweisen auch auf eine Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz vom 16. August 2017 zu einem Bauvorhaben in der Nähe des hier betreffenden Bereichs. Dort sei ausgeführt worden, dass die Überschreitung des von der Bebauung bisher eingehaltenen Rahmens in der Regel die Gefahr nach sich ziehe, dass der gegebene Zustand in negativer Hinsicht in Bewegung gerate und damit in Unordnung gebracht werden. Anderes gelte nur, wenn das Vorhaben weder selbst noch infolge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet sei, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen, wobei auf die nach außen wirkende Größe abzustellen sei. Von dieser Rechtsprechung ausgehend würden die Unterschiede des Vorhabens der Beigeladenen zu den vorhandenen Gebäuden in der Umgebung offensichtlich. Für die Frage eines Berufungsfalls könne hier nicht nur auf die Straßenansicht abstellt werden, vielmehr sei auch die seitliche und rückwärtige Ansicht zu berücksichtigen. Dabei bestehe vorliegend die Gefahr, dass auch weitere in der Umgebung vorhandene Bebauung künftig abgerissen und durch umfangreichere Neubauten ersetzt würden, was dann zu einen Eingemauert sein der Kläger führen würde. Das geplante Gebäude sei baurechtlich unzulässig, weil es sich nach dem gesamten Erscheinungsbild nicht einfüge. Dies widerspreche dem Grundprinzip des Gebietsprägungsgewährleistungsanspruchs, auf das sich die Kläger berufen könnten.

Die Kläger beantragen, den Bauvorbescheid der Beklagten vom 16. Februar 2017 sowie die Baugenehmigung der Beklagten vom 29. Januar 2018 für das Vorhaben „Neubau eines Mehrfamilienhauses mit 5 Wohnungen“ in der Gemarkung Neustadt/Wstr., Flurstück Nr. …, Grundstück A-Straße 25 in Neustadt an der Weinstraße sowie den Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses der Beklagten vom 17. Oktober 2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und verweist zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, ihr Bauvorhaben halte hinsichtlich Art und Maß der baulichen Nutzung sowie der überbaubaren Grundstücksfläche und der Bauweise den Rahmen der Umgebungsbebauung ein, wozu auch die Grundstücke und Gebäude an der C-Straße sowie westlich der A-Straße gehörten. Die beabsichtigte Wohnnutzung sei sowohl in einem reinen als auch in einem allgemeinen Wohngebiet gebietsverträglich. Auch vom Maß und von der Bautiefe her füge sich das Vorhaben ein. Dies habe die Beklagte zutreffend im Schreiben vom 30. April 2018 ausgeführt. Das Gebot der Rücksichtnahme sei hinsichtlich Belichtung, Belüftung und Besonnung nicht verletzt, denn der bauordnungsrechtliche Grenzabstand werde eingehalten.

Im Übrigen hätten die Kläger keinen Blickkontakt zum Vorhaben der Beigeladenen, weil ihre Wohnung mit Blick Richtung Norden liege. Insofern seien sie persönlich nicht nennenswert durch das Vorhaben tangiert. Der Gebietserhaltungsanspruch sei nicht verletzt, da sich das Wohnvorhaben in die nähere Umgebung einfüge. Auch ein etwaiger Anspruch auf Gewährleistung der Gebietsverträglichkeit sei nicht verletzt, denn bei typisierender Betrachtung gebe es kein typisches Störpotential der genehmigten Nutzung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen die Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die von der Beklagten vorgelegten Bau- und Widerspruchsakten; ihr Inhalt ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2019 gewesen.

Entscheidungsgründe

Die auf die Aufhebung des der beigeladenen Grundstücksnachbarin erteilten Bauvorbescheids vom 16. Februar 2017 und der darauf beruhenden Baugenehmigung vom 29. Januar 2018 sowie des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2018 gerichtete Klage ist zulässig (A.), in der Sache aber unbegründet (B.).

A. Die Klage ist zulässig.

I. Insbesondere fehlt der Klage gegen den Bauvorbescheid vom 16. Februar 2017 nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse.

Zwar ist in dem gegen die Baugenehmigung vom 29. Januar 2018 gerichteten Anfechtungsprozess der Kläger auch die im Vorbescheid vom 16. Februar 2017 bejahte bebauungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1983 – 4 C 44.80 –, NJW 1984, 1474). Mit der Erteilung der Baugenehmigung wird ein zuvor erteilter Bauvorbescheid – nach Bundesrecht – jedoch nicht automatisch gegenstandslos (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1995 – 4 C 23.94 –, NVwZ 1995, 894). Denn der – wie hier – noch nicht bestandskräftige Bauvorbescheid hat, auch wenn sein Inhalt in der Baugenehmigung erneut geregelt wird (s. BVerwG, Urteil vom 17. März 1989 – 4 C 14.85 –, NVwZ 1989, 863), gleichwohl eigene Rechtswirkungen (s. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1995 – 4 C 23.94 –, NVwZ 1995, 894). Allerdings hätte es der Landesgesetzgeber in der Hand, eine Regelung zu treffen, nach der sich ein Bauvorbescheid – dieser ist ein Rechtsinstitut des Bauordnungsrechts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2008 – 4 B 30.08 –, juris) – mit der Erteilung der Baugenehmigung erledigt. Eine solche Bestimmung trifft § 72 Landesbauordnung – LBauO – jedoch nicht (vgl. Jeromin, Kommentar zur LBauO, 4. Auflage 2016, § 72 Rn. 13).

II. Die Kläger sind ferner klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –.

1) Allerdings scheidet eine Verletzung der Kläger in eigenen Rechten aus, soweit sie Inhaber des Sondereigentums an ihrer Wohnung und der zugehörigen Terrassenflächen in dem Anwesen A-Straße 23 sind.

Ein Sondereigentümer ist berechtigt, auch mittels einer öffentlich-rechtlichen Nachbarklage solche Beeinträchtigungen abzuwehren, die ihre rechtliche Grundlage in der einem außerhalb der Eigentümergemeinschaft stehenden Dritten erteilten behördlichen Genehmigung haben, sofern der Behörde bei ihrer Entscheidung auch der Schutz der nachbarlichen Interessen des Sondereigentums aufgetragen ist (BVerwG, Beschluss vom 20. August 1992 – 4 B 92/92 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. November 2013 – 7 A 2341/11 –, BauR 2014, 252). Allerdings kann ein Wohnungseigentümer im Sinne von § 1 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz – WEG – insoweit baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht nur geltend machen‚ wenn eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums im Raum steht (vgl. Bay. VGH Beschluss vom 08. Juli 2013 – 2 CS 13.807 –, NVwZ 2013, 1622; VG Koblenz, Urteil vom 5. Februar 2019 – 1 K 870/18.KO –). Dies ist hier aufgrund der Lage der Wohnung außerhalb der Abstandsflächen sowie angesichts des Umstands, dass die zum Grundstück der Beigeladenen gelegene Außenwand der Wohnung der Kläger keine Fenster aufweist, nicht ersichtlich.

2) Die Klagebefugnis der Kläger ergibt sich nach Auffassung der Kammer jedoch aus ihrem ideellen Anteil am gemeinschaftlichen Eigentum, soweit sie Gesichtspunkte vorgebracht haben, wonach die umstrittene Bebauung die Wohnsituation auf dem Nachbargrundstück der Eigentümergemeinschaft insgesamt nachteilig verändern könnte. So machen sie einen Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts insbesondere im Hinblick auf die Wahrung der Gebietsprägung und das Rücksichtnahmegebot geltend und verweisen auf den Vorbildcharakter der zugelassenen Dimensionierung der Bebauung. Über die unmittelbaren Auswirkungen der Errichtung des Baukörpers auf dem südlichen Nachbargrundstück hinaus ist insoweit die Gefahr eines schleichenden Prozesses der Ersetzung der vorhandenen Bebauungsstruktur in dem Wohngebiet angesichts der Attraktivität der Wohnlage, der fehlenden Bebauungsplanung und des Umstands, dass ein Großteil der Bebauung in dem Bereich bereits aus den sechziger oder siebziger Jahren stammt, nicht von der Hand zu weisen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. August 2017 – 8 A 10986/17.OVG).

a) Zwar ist es nach der bisherigen oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. April 2015 – 8 B 10304/15.OVG –, Rn. 3, juris, OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. September 2017 – 10 A 73/16 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Oktober 2012 – OVG 2 N 111.10 –, ZWE 2013, 99) und der überwiegenden Ansicht in der Literatur (s. z.B. Lafontaine, in: jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 10 Rn. 192; Elzer, NVwZ 2013, 1622, 1625; Hügel/Elzer, in: Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 2. Auflage 2018, § 10 Rn. 243) dem einzelnen Wohnungseigentümer aufgrund der im Bauplanungsrecht gebotenen grundstücksbezogenen Betrachtungsweise verwehrt, sich auf die Verletzung nachbarschützender Vorschriften zu berufen, soweit es um das Gesamtgrundstück geht. Ein Verstoß gegen Rechte, die im gemeinschaftlichen Eigentum für das gesamte Grundstück wurzeln, könne stattdessen nur von der Wohnungseigentümergemeinschaft und nicht von einzelnen Sondereigentümern geltend gemacht werden.

b) Dieser Auffassung zur Beurteilung der Klagebefugnis der einzelnen Wohnungseigentümer bei der Beeinträchtigung von Gemeinschaftseigentum sind in der jüngeren Vergangenheit vermehrt Stimmen in der Literatur (vgl. Bantlin, NVwZ 2018, 1838; Timme, in: BeckOK WEG, Stand 1. Februar 2019, § 10 WEG, Rn. 516; vgl. auch Abramenko, ZMR 2018, 172) und der Rechtsprechung (s. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Juli 2017 – 5 S 2602/15 –; VG Koblenz, Urteil vom 5. Februar 2019 – 1 K 870/18.KO –, juris; vgl. auch VG Hamburg, Beschluss vom 15. Dezember 2015 – 7 E 6128/15 –, Rn. 18 – 21, juris) entgegengetreten. Danach könne ein Wohnungseigentümer die Verletzung eigener Rechte durch ein Bauvorhaben in Bezug auf den öffentlichen Nachbarschutz des gemeinschaftlichen Eigentums geltend machen, sofern ein solches Vorgehen nicht durch einen Beschluss der Eigentümerversammlung vergemeinschaftet worden sei. Hingewiesen wird dabei insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Ausübungsbefugnis bei (Individual-)Ansprüchen auf Unterlassen oder Beseitigung einer rechtswidrig und schuldhaft herbeigeführten baulichen Veränderung gemäß § 1004 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – bzw. § 15 Abs. 3 WEG nicht zu den „automatisch“ der Eigentümergemeinschaft zustehenden Rechten (geborene Ausübungsermächtigung) zähle, weil ein gemeinschaftliches Vorgehen nicht zwingend erforderlich sei (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2017 – V ZR 45/17 –, juris, Rn. 8 – 9, m.w.N.). Im Hinblick auf die Befugnis zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, die auf die Verletzung des Gemeinschaftseigentums gestützt werden, hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung ebenfalls zugunsten der einzelnen Wohnungseigentümer modifiziert. Auch insoweit sei es interessengerecht, dass einzelne Wohnungseigentümer die ihnen zustehenden Ansprüche solange durchsetzen könnten, wie eine gemeinschaftliche Rechtsverfolgung nicht mehrheitlich beschlossen worden sei (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2018 – V ZR 328/17 –, Rn. 14, juris).

c) Diese Beurteilung lässt sich nach Auffassung der Kammer, die sich der zuletzt dargestellten Meinung anschließt, auf die Interessenlage beim öffentlich-rechtlichen Nachbarschutz übertragen. Hierzu führt das VG Koblenz Folgendes überzeugend aus:

„Dabei ist zunächst hervorzuheben, dass es sich bei dem Gemeinschaftseigentum um echtes Eigentum in den Händen der Wohnungseigentümer handelt (BVerwG, Beschl. v. 17.05.2018 – 4 B 75.17 –, juris, Rn. 5). Von daher erscheinen die vorstehenden Interessenserwägungen des Bundesgerichtshofs zur Konkurrenz zivilrechtlicher Ansprüche auf Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands am Gemeinschaftseigentum auf den öffentlichen Nachbarschutz übertragbar. Es ist insbesondere nicht geboten, einen Abwehranspruch gegen rechtswidrige Bauvorhaben in der Nachbarschaft im Interesse einer geordneten Verwaltung des Gemeinschaftseigentums einheitlich geltend zu machen. Zwar kann es unter den Wohnungseigentümern über die Art und den Umfang des Vorgehens gegen ein rechtswidriges Bauvorhaben erhebliche Meinungsunterschiede geben. Bei der Frage der Verletzung subjektiv-öffentlicher Baunachbarrechte durch ein Bauvorhaben ist regelmäßig der jeweilige Baukörper und das jeweilige Baugrundstück insgesamt in den Blick zu nehmen. Bezugspunkt der Beurteilung ist nicht der beschränkte Ausblick durch Fenster einzelner Räumlichkeiten, vielmehr ist das gesamte Grundstück, welches planungs- und bauordnungsrechtlich als das Wohngrundstück anzusehen ist, in die Betrachtung einzubeziehen (BayVGH, Beschl. v. 02.10.2018 – 2 ZB 16.2168 –, juris, Rn. 3). Von daher mag eine Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums unterschiedlich empfunden werden. Etwaigen Differenzen kann jedoch dadurch begegnet werden, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die Rechtsverfolgung durch Beschluss an sich zieht; einzelne Wohnungseigentümer, die mit dem beschlossenen Vorgehen nicht einverstanden sind, können den Beschluss mit der Anfechtungsklage überprüfen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2017 – V ZR 45/17 –, juris, Rn. 9).“ (VG Koblenz, Urteil vom 05. Februar 2019 – 1 K 870/18.KO –, Rn. 24, juris).“

Eine einheitliche Rechtsverfolgung erscheint bei der Nachbaranfechtung einer Baugenehmigung durch einen Miteigentümer auch weder aus Gründen des Schutzes des Bauherrn noch im Interesse der übrigen Wohnungseigentümer zwingend erforderlich. Mit der Aufhebung der Baugenehmigung auf die Klage eines Miteigentümers hin ist nämlich der aus dem Gemeinschaftseigentum folgende Anspruch erfüllt. Eine mehrfache Inanspruchnahme der Baubehörde bzw. des Bauherrn ist nicht denkbar und auch auf die geordnete Verwaltung des Gemeinschaftseigentums wirkt sich die Geltendmachung der öffentlich-rechtlichen Nachbarrechte durch einen Miteigentümer, hier durch die Kläger, nicht aus (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Juli 2017 – 5 S 2602/15 –, Rn. 43, juris).

Da vorliegend ein isoliertes Vorgehen der Kläger gegen das Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück nicht durch einen Beschluss der Eigentümerversammlung vergemeinschaftet worden ist, sind die Kläger daher nicht gehindert, gegen den Bauvorbescheid und die Baugenehmigung vorzugehen.

B. In der Sache hat die Klage indessen keinen Erfolg, denn die Kläger werden durch den der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid vom 16. Februar 2017 und die darauf beruhende, im vereinfachten Genehmigungsverfahren gemäß § 66 Abs. 4 LBauO erteilten Baugenehmigung vom 29. Januar 2018 sowie den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2018 nicht in ihnen zustehenden Rechten verletzt (§ 113 Abs.1 Satz 1 VwGO).

Die Zulassung des Neubauvorhabens der Beigeladenen – Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit fünf Wohneinheiten auf dem Grundstück A-Straße 25 – verstößt nicht gegen baurechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Kläger als Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf den parallel angefochtenen Bauvorbescheid, der noch die planungsrechtliche Zulässigkeit (vgl. § 72 Satz 1 2. Halbsatz LBauO) eines Wohngebäudes mit sechs Wohneinheiten zum Gegenstand hat.

I. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das der Beigeladenen gestattete Neubauvorhaben zulasten der Kläger die nachbarschützenden Regelungen des Bauplanungsrechts verletzt.

Beurteilungsgrundlage für den unbeplanten Bereich östlich der A-Straße ist § 34 Abs.1 Baugesetzbuch – BauGB –. Nach dieser Vorschrift muss sich ein Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen und die Erschließung gesichert sein. Einfügen bedeutet, dass sich das Vorhaben hinsichtlich der vier genannten Merkmale innerhalb des vorhandenen bauplanungsrechtlichen Rahmens hält und sich nicht im Einzelfall als rücksichtslos gegenüber der Nachbarschaft erweist (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Mai 2009 – 8 A 11090/08.OVG –, ESOVG). Das Gebot des Einfügens vermittelt Nachbarschutz insoweit, als nach Lage der Dinge in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Lediglich hinsichtlich des Merkmals der Art der Nutzung kann sich der Nachbar in den Fällen des § 34 Abs. 2 BauGB zusätzlich auf den Gebietsgewährleistungsanspruch berufen. Danach kann auch der Nachbar im faktischen Baugebiet verlangen, dass die sich aus der Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB ergebende Gebietsart beigehalten wird. Dies bedeutet, dass gebietsfremde Nutzungen – und damit eine schleichende Umwandlung des Baugebiets hinsichtlich der Nutzungsart – unabhängig von der Frage einer konkreten Beeinträchtigung verhindert werden können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19. September 2016 – 8 B 10705/16.OVG – m.w.N.).

1. Hiervon ausgehend erweist sich das Vorhaben der Beigeladenen nicht wegen Verstoßes gegen den Gebietsgewährleistungsanspruch als unzulässig, denn der der Beigeladenen genehmigte Gebäudekomplex, der ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden soll, ist in einem Wohngebiet nach der Art der Nutzung ohne Weiteres zulässig (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19. September 2016, a.a.O., und vom 11. Juli 2013 – 8 B 10611713.OVG –; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 18. Juli 2014 – 1 LA 168/13 –, juris). Die Umgebungsbebauung der betreffenden Grundstücke entspricht dabei nach übereinstimmender Beurteilung der Beteiligten derjenigen eines allgemeinen oder reinen Wohngebiets im Sinne von § 4 bzw. § 3 Baunutzungsverordnung – BauNVO –, ohne dass es in diesem Zusammenhang einer näheren Prüfung bedarf, wie weit genau die maßgebliche nähere Umgebung reicht.

2. Die Kläger können sich auch nicht auf einen weitergehenden Anspruch auf Erhaltung einer bestimmten Gebietsprägung („Gebietsprägungserhaltungsanspruch“) berufen, der durch die Zulassung des Vorhabens der Beigeladenen verletzt sein könnte.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 13. Mai 2002 – 4 B 86/01 –, NVwZ 2002, 1384; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. Oktober 2018 – 8 B 11249/18.OVG –) vermittelt § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht nur das Gebot der Rücksichtnahme, sondern auch einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets. Nach dieser Bestimmung sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Der Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets, der in der Literatur auch besonderer Gebietserhaltungsanspruch (s. Stühler, BauR 2011, 1576 und Möller/Knickmeier, NordÖR 2010, 138) oder Gebietsprägungserhaltungsanspruch (Decker, JA 2007, 55) genannt wird, greift dann ein, wenn ein Bauvorhaben bauplanungsrechtlich in dem entsprechenden Baugebiet entweder allgemein oder ausnahmsweise zulässig, also mit der Gebietsart vereinbar wäre, es aber gleichwohl generell gebietsunverträglich ist, weil es der allgemeinen Zweckbestimmung des Baugebiets widerspricht (Bay. VGH, Beschluss vom 9. Oktober 2012 – 2 ZB 11.2653 –, juris). § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO geht daher davon aus, dass im Einzelfall – ausnahmsweise – „Quantität in Qualität umschlagen“ kann, mithin die Größe oder Lage einer baulichen Anlage die Art der baulichen Nutzung erfassen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 1995 – 4 C 3.94 –, NVwZ 1995, 899; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. Oktober 2018 – 8 B 11249/18.OVG –). Da es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, ist ein „Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets“ nur unter strengen Voraussetzungen anzunehmen. Der Widerspruch der hinzukommenden baulichen Anlage oder deren Nutzung muss sich daher bei objektiver Betrachtungsweise offensichtlich aufdrängen; dass das Neubauvorhaben oder die neue Nutzung nicht in jeder Hinsicht mit der vorhandenen Bebauung „im Einklang steht“, genügt dafür nicht (vgl. OVG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 8 A 10680/16.OVG –, juris).

b) Nach diesen Grundsätzen können die Kläger die Zulassung des Bauvorhabens der Beigeladenen nicht unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der Gebietsprägung verhindern. Ein dafür erforderlicher offensichtlicher Widerspruch zur Eigenart des vorhandenen faktischen Wohngebiets in seinem sich aus den örtlichen Verhältnissen ergebenden besonderen Gebietscharakter besteht auch im Hinblick auf seine Dimensionierung nicht.

aa) Was die maßgebliche Umgebung anbelangt, hat die Beklagte zu Recht nicht nur auf die Bebauung westlich der A-Straße und die parallel verlaufende C-Straße abgestellt, sondern auch die westliche Seite der A-Straße in den Blick genommen. Die für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien allerdings jeweils gesondert abzugrenzende nähere Umgebung reicht so weit, wie sich die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Dabei ist der Umkreis der zu beachtenden vorhandenen Bebauung bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung eines Grundstücks in aller Regel enger zu begrenzen als etwa bei der Ermittlung des Gebietscharakters. Bei einem inmitten eines Wohngebiets gelegenen Vorhaben kann als Bereich gegenseitiger Prägung grundsätzlich das Straßengeviert und die dem Baugrundstück gegenüberliegende Straßenseite angenommen werden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08. März 2017 – 8 A 10695/16 –, Rn. 30, juris, m.w.N.).

Es ist hier nicht ersichtlich, dass die Bebauung an der westlichen Seite der A-Straße und der östlich parallel verlaufende C-Straße aufgrund besonderer Umstände als nicht maßstabbildend außer Acht bleiben muss. Ein deutliches Gefälle zwischen dem Niveau der Bebauung westlich und östlich der A-Straße ist ohnehin nicht erkennbar und auch der Umstand, dass die C-Straße deutlich tiefer verläuft, der für das Einfügenskriterium der Höhe der Bebauung zu berücksichtigen sein wird, ist für die Frage der Gebietsprägung ersichtlich nicht erheblich.

bb) Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme vom 30. April 2018 im Widerspruchsverfahren im Einzelnen dargelegt, dass das Vorhaben weder von der Grundfläche noch von der Bautiefe oder der Höhenentwicklung überhaupt aus dem Rahmen der Umgebungsbebauung fällt. So hat sie darauf abgestellt, dass die von der Beigeladenen vorgesehene Bebauungstiefe von 30,45 m hinter der Erschließungsstraße (A-Straße) sowohl die Tiefe der Bebauung auf dem nördlich des Grundstücks der Kläger gelegenen Anwesen A-Straße 21 mit 36 m als auch die Tiefe des klägerischen Gebäudes mit 31 m unterschreitet. Letzteres weist im Übrigen auch eine höhere Grundfläche auf (416 m² gegenüber 320 m² beim Bauvorhaben). Auch von der Höhe her ergibt sich keine auffällige Überschreitung des Rahmens der Umgebungsbebauung, und zwar auch dann nicht, wenn man nur auf die Bebauung entlang der A-Straße zwischen der B-Straße im Süden und dem klägerischen Anwesen A-Straße 23 abstellt, denn dieses hat zwar ausweislich des im Genehmigungsverfahren vorgelegten, mit absoluten Maßangaben versehenen Übersichtsplans (Bl. 62 GA) nur eine Firsthöhe von 7,49 m, die südlich gelegenen Anwesen Haus Nrn. 27 und 29 liegen mit Firsthöhen von 9,75 m und 10,20 m jedoch nur geringfügig unter bzw. sogar über der hier zugelassenen Höhe von 9,88 m (für den rückwärtigen Gebäudeteil). Das gegenüber dem Haus Nr. 23 gelegene Gebäude A-Straße 26 erreicht sogar eine Firsthöhe von 11,54 m.

Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls keine Rede davon sein, dass sich das Gebäude der Beigeladenen augenscheinlich allein schon vom Erscheinungsbild her als Fremdkörper erweist, der städtebaulich unverträglich und unvereinbar mit der Eigenart der in der näheren Umgebung vorhandenen Bebauung ist, sodass letztlich offen bleiben kann in welchem Umfang eine verdichtete Wohnbebauung das jeweilige Gebiet überhaupt in einer das Kriterium der Art der baulichen Nutzung berührenden Weise prägen kann.

cc) Auch die Zahl der genehmigten Wohneinheiten kann sich hier schon mit Blick auf das unmittelbar benachbarte klägerische Anwesen mit ebenfalls fünf Wohneinheiten nicht als offensichtlich störend auf den Gebietscharakter auswirken.

Im Übrigen wird die Wohnungsdichte in § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO ohnehin nicht als eigenständiges Merkmal genannt. Insofern hat eine Gemeinde die Möglichkeit, die höchstzulässige Zahl von Wohnungen in einem Wohngebiet bauleitplanerisch gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB festzusetzen. Eine solche Festsetzung drückt die Art der baulichen Nutzung aus und ist in der Lage, den Charakter eines Wohngebiets zu prägen, und dies eventuell auch mit drittschützender Wirkung. Entscheidet sich die Gemeinde hingegen nicht für eine solche ausdrückliche Beschränkung der Wohnungszahl – wie hier in dem unbeplanten Gebiet –, kann eine solche zusätzliche Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des Grundstückseigentums grundsätzlich nicht aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO hergeleitet werden (s. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. Februar 2019 – 8 B 10079/19.OVG –).

3. Über die vorstehend vorgenommene Bewertung unter dem Aspekt des offensichtlichen Widerspruchs zur Eigenart des vorhandenen faktischen Wohngebiets hinaus ist im vorliegenden Verfahren nicht zu überprüfen, ob die mit dem Vorhaben der Beigeladenen zugelassene Bebauungstiefe und das Maß der Bebauung aus dem Rahmen fällt, den die Umgebungsbebauung vorgibt, denn es geht ausschließlich um die Vereinbarkeit der Neubebauung mit nachbarschützenden Vorschriften (s. z.B. Söfker in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand Februar 2018, § 34 Rn. 140 ff.; Spannowsky in: BeckOK BauGB, Spannowsky/Uechtritz, Stand Mai 2018, § 34 Rn. 42). Mangels drittschützender Wirkung kann daher im Einzelnen dahinstehen, ob sich das Vorhaben des Beigeladenen hinsichtlich Bauweise, Maß der Nutzung – etwa Grund- und Geschossfläche – und überbaubarer Grundstücksfläche in die nähere Umgebung einfügt (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 1995 – 4 B 52/95 –, NVwZ 1996, 170; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. Mai 2003 – 1 B 10724/03.OVG –). Die Kläger können sich mit ihren Einwendungen insoweit nur durchsetzen, wenn das Vorhaben hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung das im Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verletzt, also im konkreten Fall – über den objektiv-rechtlichen Verstoß hinaus – die Schwelle der Rücksichtslosigkeit überschreitet (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. Januar 2017 – 8 B 11672/17.OVG –).

4. Es ist jedoch auch nicht erkennbar, dass das Bauvorhaben sich gegenüber dem klägerischen Anwesen als rücksichtslos erweist.

a) Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gebotenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Für eine sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (grundlegend: BVerwG Urteil vom 23. Mai 1986 – 4 C 34.85 –, BRS 46 Nr. 176).

b) Nach diesen Kriterien wird mit der Neubebauung des Grundstücks A-Straße 25 für das nördlich angrenzende Nachbargebäude mit der Eigentumswohnung der Kläger insgesamt keine Wohnsituation geschaffen, die nicht mehr hingenommen werden muss. Dabei steht zunächst außer Frage, dass das Gebäude der Beigeladenen die ordnungsrechtlich erforderlichen Abstandsflächen wahrt, was bei der Beurteilung der nachbarrechtlichen Zumutbarkeit der Beeinträchtigung der Wohnsituation erhebliche indizielle Bedeutung hat (st. Rspr., vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. Februar 2012 – 8 B 10011/12 –, DÖV 2012, 406, m.w.N.).

c) Besondere Umstände, die den Nachbarn hier ungeachtet der Gewährleistung der Grenzabstände einen Anspruch darauf vermitteln könnten, von den Auswirkungen der zweifellos massiven Neubebauung verschont zu werden, sind nicht ersichtlich.

aa) Eine Bebauung verstößt trotz Einhaltung der Grenzabstände wegen ihrer optisch bedrängenden Wirkung auf Nachbargebäude nur dann ausnahmsweise gegen das Gebot der Rücksichtnahme, wenn die baulichen Dimensionen des „erdrückenden“ Gebäudes aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles derart übermächtig sind, dass sie die benachbarten Flächen vollkommen dominieren oder das Bauvorhaben das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt (s. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Oktober 2017 – 8 A 10859/17 –, ESOVG, m.w.N.). Hierfür gibt es schon angesichts der bereits aufgezeigten vergleichbaren Bebauungstiefen, Höhenlagen und der überbauten Grundflächen in der Umgebung keine Anhaltspunkte. Dabei wird nicht verkannt, dass das Erscheinungsbild des Baukörpers mit einem Staffelgeschoss und Flachdach etwa mit einem Gebäude mit Satteldach nicht zu vergleichen ist. Die architektonische Gestaltung des sich von der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Bebauung mit Walm- und Satteldächern deutlich unterscheidenden Bauvorhabens kann allerdings einen nachbarrechtlichen Abwehranspruch nicht begründen, da die Dachausführung – für sich gesehen – für die Ermittlung des planungsrechtlichen Rahmens im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB ohne Belang ist (s. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. Mai 2006 – 8 A 10442/06 –, ESOVG).

bb) Die maßgebliche Bebauung lässt jedenfalls schon wegen der unterschiedlichen Grundstückszuschnitte auch kein klares Prinzip einer „planmäßig“ erscheinenden einheitlichen Grundstücksausnutzung erkennen. Insbesondere die Grundstücke C-Straße Nrn. 40 und 42 südöstlich des Baugrundstücks weisen im rückwärtigen Bereich eine nur wenige Meter breite Freifläche auf, sodass von einer durchgängig größeren gärtnerisch angelegten Freifläche im rückwärtigen Bereich der Gebäude, die die Mitte des maßgeblichen Straßengevierts bildet, keine Rede sein kann. Unterhalb der Schwelle der Rücksichtslosigkeit besteht grundsätzlich kein Anspruch des Nachbarn auf Beibehaltung des bisherigen Verhältnisses zwischen überbaubarer und freizuhaltender Grundstücksfläche, sodass etwa die unterschiedliche Grundstücksgröße der Grundstücke der Beteiligten – das klägerische Grundstück weist 1.585 m² auf, während das Baugrundstück nur 608 m² groß ist – für sich gesehen keine Beschränkung des Bebauungspotenzials aus Gründen der Unzumutbarkeit für die Nachbarn darstellt. Die von den Klägern geltend gemachte Vorbildwirkung für weitere Neubebauungsprojekte in der Umgebung vermag damit unter nachbarrechtlichen Aspekten keinen zusätzlichen Schutzanspruch zu vermitteln. Insoweit sind die Grundstücke gerade in unbeplanten attraktiven Wohngebieten mit älterem Baubestand letztlich vorbelastet mit der Möglichkeit der verdichteten Neubebauung. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber aus Gründen des Umweltschutzes in § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB ausdrücklich eine planungsrechtliche Zielvorgabe formuliert hat, wonach mit Grund und Boden sparsam umgegangen werden soll. Nach dieser Vorschrift ist zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen u.a. einer Nachverdichtung bestehender Siedlungsstrukturen der Vorrang vor einer weiteren Inanspruchnahme bisher unbebauter Flächen einzuräumen ist. Dieser städtebauliche Belang kann auch bei der Bewertung der nachbarrechtlichen Zumutbarkeit von Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich nicht außer Acht bleiben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Kläger haben gemäß § 162 Abs. 3 VwGO auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen, denn diese hat ihrerseits dadurch, dass sie in der mündlichen Verhandlung einen Antrag zur Sache gestellt hat, ein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO übernommen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

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