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WEG – Nachteil – § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG

AG Hamburg-St.Georg – Az.: 980a C 5/21 WEG – Urteil vom 25.06.2021

1. Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr errichtete Markise nebst Markisenkasten auf dem Dach des Wintergartens ihrer im Erdgeschoss belegenen Wohnung auf dem Grundstück A-straße in H. zu beseitigen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 330,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.02.2021 zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger aus Ziffer 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 Euro und aus Ziffer 2) und 3) in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Pflicht der Beklagten zur Beseitigung einer Markise nebst Kasten.

Die Kläger und die Beklagte sind Mitglieder der WEG ……… Hamburg. Zwischen ihnen gilt die notarielle Teilungserklärung vom 05.11.1981 gemäß Anlage K1. Die Beklagte ist Eigentümerin einer im Erdgeschoss belegenen Wohnung, die Kläger sind Eigentümer der darüber belegenen Wohnung im 1. OG. Zur rückwärtigen Gebäudeseite hin wurde vor Jahrzehnten – bevor die Beklagte in die Gemeinschaft eintrat – ein Wintergarten im Erdgeschoss errichtet, der von der Wohnung der Beklagten aus zugänglich ist. Im Jahr 2017 ließ die Beklagte den alten Wintergarten abreißen und einen neuen Bau errichten. Ferner ließ sie außen auf dem neu errichteten Wintergarten eine Markise nebst Markisenkasten mit einer Breite von 5,05 m und einer Tiefe (Ausfall) von 4,00 m anbringen, die bzw. der über die gesamte Breite des Wintergartens ragt (Anlagen B4 und B5). Eine (vorherige) Beschlussfassung der Eigentümerversammlung erwirkte die Beklagte dazu nicht. Mit Bescheid vom 19.02.2019 (Anlage B2) wurde ihr die „Errichtung eines Wintergartens an der Ostfassade (ohne Markise)“ durch das Bezirksamt Hamburg-Nord genehmigt. Wegen der Örtlichkeiten, insbesondere den Einzelheiten der Markise, wird Bezug genommen auf die Lichtbilder gemäß Anlage K1 sowie S. 4 f. des Schriftsatzes der Beklagten vom 16.03.2021.

Die Kläger machen mit ihrer am 10.02.2021 zugestellten Klage vom 21.12.2020 geltend, dass von der Markise nebst Kasten als baulicher Veränderung erhebliche Beeinträchtigungen ausgehen würden. Der Blick durch die Fenster auf den Alsterlauf sei erheblich beeinträchtigt, da die Markise auf gesamter Breite in ihre Fensterhöhe hineinrage und dadurch ein Großteil des zuvor noch freuen Blicks stark reduziert sei. Auch gehe von der elektrischen Ein- und Ausfahrautomatik eine erhebliche Geräuschbelastung aus. Die Markise sei großflächig stark verschmutzt, weil sie nicht gereinigt werde. Der Wert ihrer Wohnung habe sich durch die Markise erheblich verringert.

Die bauliche Veränderung sei – gemessen an § 20 Abs. 4 WEG n.F. – rechtswidrig. Es fehle an der Zustimmung derjenigen Eigentümer, die durch sie im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 WEG n.F. unbillig benachteiligt werden. Eine solche Zustimmung müsse förmlich erfolgen.

Daneben habe die Beklagte auch noch ihre vorgerichtlichen Anwaltskosten zu tragen (330,28 Euro).

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte zu verurteilen, die von ihr errichtete Markise nebst Markisenkasten auf dem Dach des Wintergartens ihrer im Erdgeschoss belegenen Wohnung auf dem Grundstück ……… Hamburg zu beseitigen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 330,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.02.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, dass die Kläger dem Vorhaben im Zuge der Erneuerung des Wintergartens ausweislich der Anlage B3 zugestimmt hätten. Die Markise – deren Kasten nicht größer sei als jeder andere übliche Kasten auch – ersetze den vorherigen innenliegenden Sonnenschutz. Nur ein außenliegender Sonnenschutz erfülle zudem die energetischen Anforderungen der aktuellen Förderbedingungen der KfW. Die Oberseite des Markisenkastens ende etwa 5-10 cm unterhalb der Unterkante des Fensters der Kläger, weswegen keine optische Beeinträchtigung gegeben sei.

Die Kläger seien nicht aktivlegitimiert, soweit es um eine behauptete Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums gehe (§ 9a Abs. 2 WEG n.F.). Ihr Sondereigentum sei nicht erheblich beeinträchtigt, weder durch optische oder akustische Nachteile, die ihnen entstünden. Ein Beschluss der Eigentümerversammlung sei nicht notwendig. Das Anbringen der Markise stelle sich als Maßnahme der Instandsetzung dar, weil es um den Austausch des Sonnenschutzes gehe. Jedenfalls habe sie, die Beklagte, einen Anspruch auf Zustimmung gegenüber der Gemeinschaft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat die Örtlichkeiten in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Verhandlung vom 27.05.2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Beseitigung der streitbehafteten Markise nebst dem Markisenkasten, montiert auf dem Dach des Wintergartens der im Erdgeschoss belegenen Wohnung der Beklagten, aus den §§ 1004 Abs. 1 S. 1 BGB, 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG.

Die Kläger sind prozessführungsbefugt. Das Recht, von der Beklagten Beseitigung zu verlangen, steht den Klägern individuell zu; sie machen kein Recht der Gemeinschaft i.S.v. § 9a Abs. 2 WEG n.F. geltend. Sie berufen sich lediglich auf eine Beeinträchtigung ihres Sondereigentums durch die Installation der Markise nebst Kasten durch die Beklagte (s. etwa Hügel, in: BeckOK-BGB, 58. Ed. [1.5.2021], § 20 WEG, Rn. 31; Elzer, in: BeckOK-WEG, 44. Ed. [2.4.2021], § 20, Rn. 161).

Die Beklagte ist auch zur Beseitigung verpflichtet. Ein (förmlicher) Beschluss der Eigentümerversammlung, der die in Rede stehende bauliche Veränderung legalisiert, besteht unstreitig nicht. Offenbleiben kann, ob die Kläger von der Beklagten allein schon aus diesem Grund Beseitigung verlangen können. Die Beklagte behauptet schon nicht, dass die Kläger – und alle übrigen Miteigentümer – ihre Zustimmung zu dem konkreten Vorhaben erklärt haben, weswegen es auf die Frage, ob diese Zustimmung nur im Rahmen einer förmlichen Beschlussfassung hätte erfolgen können (so etwa LG Hamburg, ZMR 2013, 373; offen gelassen in BGH, ZMR 2014, 554; dafür spricht nach neuem Recht § 20 Abs. 1 WEG n.F., wonach bauliche Veränderungen „durch Beschluss gestattet werden“ können), nicht ankommt. Soweit die Beklagte auf eine Zustimmungserklärung des Klägers vom 17.01.2017 gemäß Anlage B3 abhebt, hatte diese allenfalls das Einverständnis mit der Zusammenlegung der früheren Wohneinheiten 2 und 3 zum Gegenstand, nicht aber die Installation einer Markise nebst Kasten in ausgeführter Form auf dem Wintergarten.

Die Beklagte als Handlungs- und Zustandsstörerin beeinträchtigt das Sondereigentum der Kläger aber in einer Weise, wie diese es im Rahmen des § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 WEG n.F. nicht hinzunehmen haben. Den Klägern erwächst daraus ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil. Demgemäß steht der Beklagten auch kein Anspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf (nachträgliche) Gestattung der Maßnahmen nach § 20 Abs. 3 WEG n.F. zu (s. dazu Elzer, a.a.O., Rn. 118), den sie dem Beseitigungsanspruch der Kläger nach § 242 BGB entgegenhalten könnte (so BGH, ZMR 2019, 47).

Ein „Nachteil“ im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG n.F. ist – im Einklang mit der Reichweite des § 14 Ziff. 1 WEG a.F. (vgl. BT-Drs. 19/18791, S. 52) – bei jeder nicht ganz unerheblichen Beeinträchtigung, die konkret und objektiv sein muss, gegeben; entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (vgl. nur BGH, NZM 2014, 245, 246, Rn. 11 = ZMR 2014, 554; BVerfG, ZWE 2009, 438, 439 = ZMR 2010, 206). Die Schwelle für die Annahme einer Beeinträchtigung ist niedrig anzusetzen (BVerfG, NZM 2005, 182, 183 f. = ZMR 2005, 634); nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen bleiben daher außer Betracht (s. BGH, NZM 2014, 201, Rn. 8 = ZMR 2014, 252).

Gemessen an diesen Anforderungen haben die Kläger bewiesen, dass mit der streitbehafteten Markise nebst dem Markisenkasten eine konkrete und objektive Beeinträchtigung verbunden ist. Diese ergibt sich einerseits daraus, dass die Installation der Markise direkt vor dem Fenster des Wohnzimmers der Wohnung der Kläger zur Überzeugung des Gerichts, wie sie sich nach der durchgeführten Beweisaufnahme darstellt, dazu geführt hat, dass die Kläger nicht mehr lediglich auf das gläserne Dach des Wintergartens schauen, sondern auf eine ungefähr 20 m² große, geschlossene und dunkle Fläche, die sich bei ausgefahrener Markise ergibt. Während ohne die Markise die Umgebung auf dem Glasdach gespiegelt wird, wirkt die Markise aus der Sicht eines vernünftigen Wohnungseigentümers in der Lage der Kläger wie ein störender Fremdkörper. Ähnlich wie bei der Anbringung einer Balkonplatte oberhalb einer Wohnung (vgl. dazu LG Hamburg, ZWE 2012, 287 = ZMR 2012, 574) wird dadurch der freie Blick in den hinteren Bereich des Grundstücks beeinträchtigt. Dieser Effekt wird noch dadurch verstärkt, dass im oberen Bereich des Daches des Wintergartens – also in unmittelbarer Nähe des Wohnzimmerfensters, welches in etwa die gleiche Breite wie die Markise aufweist – der Markisenkasten angebracht worden ist, der das freie Sichtfeld aus dem Zimmer heraus beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass das Öffnen und Schließen der Markise bzw. deren Aus- und Einfahren zu nicht unerheblichen Motorgeräuschen führt, die in dem Wohnzimmer bei geschlossenem und (stärker) bei geöffnetem Fenster zu hören sind.

Es trifft zwar zu, dass auch die grundrechtlich über Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Positionen der Beklagten in die Beurteilung des „Nachteils“ mit einzustellen sind (vgl. BVerfG, NZM 2005, 182, 183 = ZMR 2005, 634). Allerdings überlagern diese die Rechte der Kläger nicht. Auf die Frage, ob nur eine außerhalb angebrachte Markise den Förderbedingungen der KfW entspricht oder nicht, kommt es nicht an. Ebensowenig wie sich die Beklagte mit durchgreifendem Erfolg darauf berufen kann, dass – wie in der mündlichen Verhandlung intensiv erörtert worden ist – die Anbringung eines innenliegenden Sonnenschutzes aus technischer Sicht nicht möglich sei, kann sie gegenüber den Klägern diese öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkte ins Feld führen. Sofern eine zumutbare Nutzung ihres Wintergartens (und damit auch ein Teil ihrer gesamten Wohnung) nur möglich ist, sofern für eine ausreichende Senkung der Innentemperatur gesorgt wird, verbleiben der Beklagten – im Verhältnis zu den Klägern – mildere Mittel zur Zielerreichung, etwa der Betrieb eines Klimagerätes und/oder die Anbringung einzelner licht- und hitzeabweisender Innenelemente.

Soweit die Beklagte geltend macht, dass die Anbringung der Markise und des Kastens als Maßnahme der „Instandhaltung“ zu qualifizieren sei, weswegen sich diese als rechtmäßig darstelle, verhilft ihr dies ebenfalls nicht zum Erfolg. Es handelt sich bei der Anbringung der Markise schon nicht um eine Erhaltungsmaßnahme des „Sondereigentums“ der Beklagten i.S.v. § 13 Abs. 2 WEG n.F. Schon das Dach des Wintergartens ist Bestandteil des Gesamtgebäudes und gehört als konstruktives Element zwingend zum gemeinschaftlichen Eigentum (vgl. Armbrüster, in: Bärmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 5, Rn. 131 mit Verweis auf OLG Düsseldorf, OLG-Report 2005, 148). Auch die Markise (nebst Kasten) steht im gemeinschaftlichen Eigentum; sie ist für die äußere Gestaltung der Gebäudefassade (auch) maßgeblich (vgl. OLG Frankfurt/Main, NZM 2007, 523). Insoweit greift daher der Verweis auf § 2 b) der Teilungserklärung, wonach die „Balkone der Wohnungen“ zum Sondereigentum gehören sollen, nicht. Der Wortlaut erfasst schon keine Markisen. Ferner wäre die Vereinbarung im anderslautenden Fall als nichtig anzusehen, § 5 Abs. 2 WEG.

Als Nebenforderung können die Kläger Ersatz ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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