LG Berlin – Az.: 55 S 21/15 WEG – Urteil vom 04.03.2016
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.12.2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg – 72 C 66/14 WEG – geändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar
Gründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 540 Absatz 2, 313 a Absatz 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch gemäß §§ 662, 670 BGB auf Ersatz der Kosten, die für die Instandsetzung des defekten Abwasserrohrs entstanden sind.
Es kann für den vorliegenden Sachverhalt dahinstehen, ob die defekte Abwasserleitung unter der Badewanne im Gemeinschaftseigentum oder im Sondereigentum steht. Wäre sie Bestandteil des Sondereigentums, müsste der Kläger für die Kosten einstehen, weil er sein Sondereigentum instand hat setzen lassen. Geht man hingegen davon aus, dass in der Teilungserklärung die Zuordnung als Teil des Sondereigentums zu Unrecht erfolgte, dann jedenfalls bezieht sich die Pflicht zur Instandsetzung und –haltung auf diese Leitung und wurde wirksam auf den Kläger übertragen. Ein Auftrag der Verwaltung an den Kläger zur Reparatur kann nicht angenommen werden.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
Der Schaden war verursacht worden durch eine altersbedingte Undichtigkeit des Abwasserrohrs unterhalb der Badewanne. Das ergibt sich aus der Rechnung der Firma … vom 07.01.2013 (Anlage K4).
Der Bundesgerichtshof hatte in der Entscheidung vom 26.10.2012 (NJW 2013, 1154) einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem die streitgegenständliche Wasserleitung eine Zuleitung war, die im Gemeinschaftseigentum (= Mauer der Dachabseite) belegen, nur der Versorgung des Dachgeschosses zu dienen bestimmt war und um deren Sanierung/-kosten die Parteien stritten. In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof offengelassen, wann wesentliche Bestandteile des Gebäudes, die sich zwar im Bereich des Gemeinschaftseigentums befinden, aber nur einer Sondereigentumseinheit dienen, im Sinne des § 5 Abs. 1 WEG zu den Räumen dieser Einheit gehören (BGH a.a.O. RN 19). Für maßgeblich hat er gehalten, dass Wasser- und Heizleitungen erst von dem Punkt an ihre Zugehörigkeit zu dem Gesamtnetz verlieren, an dem sie sich durch eine im räumlichen Bereich des Sondereigentums befindliche Absperrvorrichtung hiervon trennen lassen (BGH a.a.O. RN 21).
Der hiesige Sachverhalt mit demjenigen, den der Bundesgerichtshof entschieden hat, nicht ohne weiteres vergleichbar. Denn zum einen liegt die durch Alter beschädigte Leitung im Bereich des Sondereigentums, zum anderen handelt es sich um eine Abwasserleitung. Hier gilt, dass Leitungen, die sich im räumlichen Bereich der Wohnung befinden, von den einzelnen Abzweigungen an dem Sondereigentum zuzuordnen sind. Allerdings nur, wenn sie ohne Eingriff in das Gemeinschaftseigentum verlegt werden können (Armbrüster in Bärmann, WEG, 13.Auflage RN 98 zu § 5; so wohl auch OLG Düsseldorf ZMR 2001, 216 für eine Hebeanlage und deren Zuleitung zur Abwasserleitung für eine einzige Einheit). Da vorliegend der Estrich, der als Dichtungsschicht zwingend im Gemeinschaftseigentum steht (siehe Armbrüster a.a.O.RN 74 mwN), zerstört werden musste, tendiert das Gericht dahin, dass die Leitung nicht im Sondereigentum steht, § 5 Abs. 1 WEG.
Legt man trotz der Abweichungen im Sachverhalt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde und hat – weil es sich um Abwasser handelt – eine ventilfreie Leitung, dann gibt es keine Zugriffsmöglichkeit des Wohnungseigentümers und die gesamte Abwasserleitung steht im Gemeinschaftseigentum.
Wenn einem Wohnungseigentümer Sondereigentum nicht wirksam übertragen wurde, weil das betreffende Teil des Wohnanlage zwingend im Gemeinschaftseigentum steht, so kann diese Regelung in eine Abbedingung der Instandsetzungs- und Kostentragungspflicht nach § 16 Abs. 2, § 21 Abs.5 Nr. 2 WEG umgedeutet werden. Insbesondere für Gegenstände, die sich im räumlichen Bereich des Sondereigentums oder innerhalb der Räume des Sondereigentums befinden oder überwiegend allein dem Zugriff des jeweiligen Sondereigentums unterliegen (Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten WEG, 11. Auflage RN 6 zu § 5 WEG). Bevor eine Umdeutung in Betracht kommt, ist zu klären, ob die Teilungserklärung überhaupt eine nichtige Zuordnung zum Sondereigentum vornimmt (N/K/V WEG 11. Auflage RN 13 zu § 16).
Das setzt voraus, dass der teilende Eigentümer einen vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Kostentragungsregel gewollt hätte, wenn ihm bewusst gewesen wäre, dass die Zuweisung zum Sondereigentum nichtig ist (OLG Hamm ZMR 1997, 193 RN 37 zitiert nach juris). Abzustellen ist auf den objektiven Sinn des im Grundbuch Eingetragenen, so wie er sich für den unbefangenen Betrachte als nächstliegende Bedeutung ergibt.
Das OLG Hamm (ZMR 1997, 193) hatte einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem anstelle des fehlgeschlagenen Erwerbs von Sondereigentum an den Isolierschichten der Balkone der einzelne Wohnungseigentümer jedenfalls die Instandsetzungskosten zu übernehmen hat. Dieser Entscheidung lag eine Teilungserklärung zugrunde, in der die Instandsetzungsregelung auch die Balkone ab Oberkante der Rohdecke mit aufzählte, welche zuvor dem Sondereigentum unwirksam zugewiesen worden waren.
Das OLG Düsseldorf hat eine derartige Auslegung auch in einem Sachverhalt vorgenommen, in dem die Instandsetzungs- und Instandhaltungsregelung der Gemeinschaftsordnung keine einzelnen Objekte genannt hatte, die der Instandsetzung und Instandhaltung unterfielen, sondern lediglich die Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht bezogen auf das Sondereigentum dem Wohnungseigentümer übertragen hat (OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 515 RN 20,21 zitiert nach juris). Ein unbefangener Erwerber werde der Teilungserklärung als Grundbuchinhalt entnehmen, dass nach der Gemeinschaftsordnung Fenstergläser und -fassungen – allerdings rechtlich unwirksam – dem Sondereigentum zugeordnet werden und dass der Sondereigentümer sein Eigentum auf seine Kosten instand zu setzen und instand zu halten hat.
Für den vorliegenden Sachverhalt ergibt sich danach, dass § 8 Abs.2 der hiesigen Teilungserklärung erkennen lässt, dass der teilende Eigentümer Instandhaltungskosten betreffend das Gemeinschaftseigentum auf die einzelnen Wohnungseigentümer bereits übertragen hat. Das gilt für die Wohnungsabschlusstüren, die zwingend im Gemeinschaftseigentum stehen (BGH ZWE 2014,81 RN 8 ff), wie für die Außenfensterrahmen und Außenfensterflügel (BGH ZWE 2012, 267). Hinsichtlich diese Bestandteile hat der teilende Eigentümer ausdrücklich die Kosten dem einzelnen Eigentümer zugewiesen und so zum Ausdruck gebracht, dass er die Instandhaltungskosten möglichst umfassend dem Eigentümer zuweisen möchte, der den Nutzen aus dem von ihm unterhaltenen Teil des Gebäudes zieht (vgl. hierzu auch OLG Karlsruhe ZMR 2010, 873RN 29 zitiert nach juris).
Die Regelung des Teil III § 2 lit f) der Teilungserklärung lässt sich demnach dahin umdeuten, dass sie jedenfalls eine Kostentragungspflicht des einzelnen Wohnungseigentümers so lange zur Folge hat, bis die Abwasserleitung in die Hauptleitung führt.
Wenn die Beklagte demgegenüber meint, die Begründung des Sondereigentums sei wirksam, kann eben das dahingestellt bleiben.
c) Dass die Verwaltung in der Mail vom 6.12.12 einen Auftrag iSd § 662 BGB erteilt hat, mit der Folge, dass der Kläger gemäß § 670 BGB einen Aufwendungsersatz fordern könnte, kann nicht angenommen werden. Zum einen handelte es sich um eine Bitte der Verwaltung, die erkennbar wegen der drängenden Zeit bis Weihnachten ausgesprochen wurde, zum anderen hat die Verwaltung nirgends in der vorangehenden Korrespondenz zum Ausdruck gebracht, dass für den Fall, dass die Versicherung nicht zahlen würde, sie aus der Gemeinschaftskasse für die Kosten der Reparatur aufkommen würde.
d) Die einzelnen Posten der Rechnung können mithin unerörtert bleiben.
Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.