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WEG – Treppenhausanstrich als bauliche Veränderung

AG Schöneberg – Az.: 771 C 91/17 – Urteil vom 04.05.2018

1. Der Beschluss der Eigentümerversammlung der WEG S. Straße, … B., vom 05.10.2017 zum Tagesordnungspunkt Nr. 1 (Entlackung der Haustür und der Hoftüren – jeweils beidseitig – sowie des Handlaufs des Treppengeländers und der Ampel) wird für ungültig erklärt.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Tatbestand

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft S. Straße in … B. . Bei der Anlage handelt es sich um einen um das Jahr 1900 errichteten Altbau mit den original erhaltenen profilierten Holztüren, hölzernen Treppengeländer mit Handlauf und Ampel. Diese Holzelemente waren seit ihrer Herstellung und zum Zeitpunkt der Begründung von Wohnungseigentum im Jahr 1984 mit einem Farbanstrich versehen, der bereits mehrfach erneuert wurde. Derzeit sind die beiden Hauseingangstüren außen in einem dunklen Rotton und innen hellgrau lackiert. Auch die Holzelemente des Treppenhauses sind hellgrau gehalten. Wegen der Einzelheiten des derzeitigen Erscheinungsbildes der Hauseingangstüren und des Treppenhauses wird auf die Fotos Bl. 115 und 116 d. A., Bezug genommen.

Bereits im Jahr 1998 fassten die Wohnungseigentümer einen Beschluss, wonach ein Abbeizen und Lasieren der Haustüren versucht werden und „nur wenn das Holz insgesamt nicht ansehnlich ist, passend zur Fassade, jedoch in dunklerem Ton, gestrichen werden“ sollte. Die Außentüren wurden in der Folgezeit wieder farbig lackiert.

In der Eigentümerversammlung vom 29.05.2017 beschlossen die Wohnungseigentümer zu TOP 5 im Zuge der Basisrenovierung des Treppenhauses, unter anderem die Türen, Treppen, Podeste, Geländer und Handlauf zu streichen. Im Anschluss an die Beschlussfassung sollten Angebote eingeholt werden, über die dann in einer weiteren Versammlung beschlossen werden sollte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Auszug aus dem Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung vom 29.05.2017, Bl. 63 d. A., Bezug genommen.

In der Folgezeit holte ein Gremium von Wohnungseigentümer Angebote ein und erarbeitete Vorschläge für die Farbgestaltung des Treppenhauses. In der Eigentümerversammlung vom 05.10.2017 wurde darüber diskutiert, die Türen und Holzelemente im Treppenhaus entlacken zu lassen, so dass diese im Naturholzton erscheinen. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass durch das Entlacken insbesondere an Tür und Toren Tischlerarbeiten notwendig werden könnten, um z. B. nachträglich eingesetzte Holzteile zu erneuern und ein homogenes Erscheinungsbild zu gewährleisten. Für diese Arbeiten lag ein Angebot der Firma S. über 5.887,20 € vor.

Die Wohnungseigentümer beschlossen zu TOP 1 mehrheitlich, die Haustür, die Hoftüren (jeweils beidseitig), den Handlauf des Treppengeländers und die Ampel entlacken zu lassen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung vom 05.10.2017, Bl. 52 – 54 d. A., und das Leistungsverzeichnis, Bl. 113 – 114  d. A., Bezug genommen.

WEG – Treppenhausanstrich als bauliche Veränderung
(Symbolfoto: Von ungvar/Shutterstock.com)

Die Kläger wende sich mit ihrer am 02.11.2017 bei Gericht eingegangenen Klage, die den Beklagten nach Einzahlung 24.11.2017 des unter dem 14.11.2017 angeforderten Gerichtskostenvorschusses am 13.12.2017 zugestellt und die mit am 06.11.2017 eingegangenem Schriftsatz begründet worden ist, gegen diesen Beschluss.

Sie sind der Ansicht, bei dem Entlacken der Türen handele es sich um eine bauliche Veränderung, die wegen Beeinträchtigung aller Wohnungseigentümer nur einstimmig ergehen konnte. Die Beeinträchtigung liege in der konkret zu befürchtenden Verschlechterung und Verunstaltung des Gebäudeeindrucks. Es sei zu erwarten, dass nach der Entfernung des Farbanstrichs Astlöcher, gespachtelte Risse und Farbabweichungen im Naturholz zutage treten und sich Passstücke oder Spachtelstellen ablösen, so dass ein uneinheitliches Bild entstehe. Ferner seien die Kosten und Folgekosten der Entlackung höher als bei einem Farbanstrich, und der im Beschluss vom 29.05.2017 aufgestellte Kostenrahmen werde überschritten. Der Beschluss sei im Übrigen nicht hinreichend bestimmt, da das in Bezug genommene Angebot der Firma S. nicht bezeichnet und unklar sei, ob dieses sich auf das Abbeizen oder auf die möglicherweise nachträglich erforderlichen Tischlerarbeiten bezieht.

Die Kläger beantragen, den Beschluss der Eigentümerversammlung der WEG S. Straße, … B., vom 05.10.2017 zum Tagesordnungspunkt Nr. 1 (Entlackung der Haustür und der Hoftüren – jeweils beidseitig – sowie des Handlaufs des Treppengeländers und der Ampel) für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie sind der Ansicht, das Entlacken der Holzteile stelle mangels wesentlicher Änderung des Erscheinungsbildes keine bauliche Veränderung dar. Jedenfalls werde kein Wohnungseigentümer benachteiligt, da die Neugestaltung keine störende Veränderung des architektonisch-ästhetischen Gesamteindrucks bewirke, sondern vielmehr eine Aufwertung des Hauses. Des Weiteren sei das Entlacken vor einer Neulackierung ohnehin erforderlich, und ob Holzteile mit zusätzlichen Kosten ersetzt werden müssen, sei noch nicht absehbar.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige, insbesondere vor dem gemäß § 43 Nr. 4 WEG zuständigen Gericht erhobene Klage ist begründet.

1. Die materiell-rechtlichen Ausschlussfristen gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 WEG sind gewahrt. Die innerhalb der Monatsfrist eingegangene Klageschrift ist den Beklagten nach rechtzeitiger Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO zugestellt und fristgerecht begründet worden.

2. Der Beschluss ist nicht wegen der vorangegangenen Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung vom 29.05.2017 zu TOP 5 anfechtbar. Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer umfasst auch die Befugnis, über eine Angelegenheit, die bereits durch Beschluss entschieden worden ist, erneut eine Entscheidung herbeizuführen und den Erstbeschluss inhaltlich abzuändern (Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, § 21 Rn. 31 m. w. N.).

3. Auch ist der Beschluss nicht wegen Unbestimmtheit anfechtbar. Das in dem Beschluss in Bezug genommene Angebot der Firma S. ist durch die Angabe der Gesamtsumme individualisierbar. Aus dem Leistungsverzeichnis ergibt sich, dass die im Beschluss genannte Gesamtsumme noch nicht die Kosten für eventuell notwendige weitere Tischlerarbeiten enthält.

4. Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 05.10.2017 zu TOP 1 konnte aber nicht mehrheitlich gefasst werden.

a) Bei dem Entlacken der Haus- und Hoftüren, des Treppengeländers, des Handlaufs und der Ampel handelt es sich um eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG. Bauliche Veränderung ist die gegenständliche Umgestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums durch Eingriff in die Substanz oder die Veränderung des Erscheinungsbildes des gemeinschaftlichen Eigentums ohne Substanzeingriff. Ob das Abbeizen wegen der möglicherweise damit verbundenen Ablösung von Holzteilen und Spachtelmasse mit einem Substanzeingriff einhergeht, kann offen bleiben. Jedenfalls wird durch die Entfernung des Farbanstrichs das optische Erscheinungsbild der Holztüren und -elemente im Treppenhaus erheblich verändert. Der Naturholzton weicht erheblich von der derzeitigen Farbgebung der außen dunkelroten Hauseingangstür und der in hellgrau gehaltenen Holzelemente im Treppenhaus ab.

b) Nach § 22 Abs. 1 S. 2 WEG bedarf eine Maßnahme nach § 22 Abs. 1 der Zustimmung der Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die Maßnahme über das bei einem geordneten Zusammenleben hinzunehmende Maß (§ 14 Nr. 1 WEG) hinaus beeinträchtigt werden. Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in einer entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGH, NJW 2013, 1439).

Wegen der durch das Abbeizen der Holzelemente für alle Wohnungseigentümer verbundenen Beeinträchtigungen bedurfte es der positiven Stimmabgabe sämtlicher Wohnungseigentümer.

aa) Eine Beeinträchtigung im Sinne von §§ 22 Abs. 1 S. 1, 14 Nr. 1 WEG liegt in der erheblichen Veränderung des optischen Gesamteindrucks. Eine erhebliche Veränderung des architektonischen Gesamteindrucks kann einen Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG darstellen (Vandenhouten aaO., § 22 Rn. 102 m. w. N.). Ob die Veränderung im Einzelfall architektonisch oder ästhetisch geglückt ist, ist unerheblich. Denn eine erhebliche Veränderung des optischen Gesamteindrucks ist regelmäßig als Nachteil einzustufen. Ob eine erhebliche optische Veränderung des Gebäudes ein Vorteil oder ein Nachteil ist, können im Regelfall auch verständige Wohnungseigentümer unterschiedlich bewerten, selbst wenn die Maßnahme dem gängigen Zeitgeschmack entspricht. Die Minderheit muss sich dem Geschmack der Mehrheit nicht fügen (Vandenhouten aaO., § 22 Rn. 104 m. w. N.).

Wie bereits unter I. 2. a) festgestellt, wird durch das Entlacken der Holzelemente das optische Erscheinungsbild erheblich verändert. Dies mag von den Beklagten, die für den Beschluss gestimmt haben, als Aufwertung empfunden werden, zwingend ist dies aber nicht. Eine Beeinträchtigung liegt somit selbst in dem günstigsten Fall vor, dass sich nach dem Abbeizen die Holzelemente als frei von Astlöchern und Farbabweichungen herausstellen.

bb) Erst Recht ist eine Beeinträchtigung zu bejahen, da das Risiko besteht, dass durch das Entlacken insbesondere an Tür und Toren Astlöcher, Farbabweichungen im Naturholz und gespachtelte Risse sowie Spachtelstellen unterschiedlicher Farbe zu Tage treten und ein homogenes Erscheinungsbild nicht erreicht werden kann. Hierfür bestehen bei den Haustüren auch konkrete Anhaltspunkte. Nach der Beschlussfassung im Jahr 1998 sollte ein Abbeizen der Haustüren versucht werden und „nur, wenn das Holz insgesamt nicht ansehnlich ist, (…)“ ein Farbanstrich erfolgen. Offenbar war dies der Fall, denn die Außentüren wurden seinerzeit wieder farbig lackiert.

cc) Die mit der Maßnahme verbundenen höheren Kosten begründen hingegen keine Beeinträchtigung, da ein nicht zustimmender Wohnungseigentümer an den Kosten nach § 16 Abs. 6 S. 1 Hs. 2 WEG nicht zu beteiligen ist (BGH NJW 2013, 1439).

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 ZPO.

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