LG Itzehoe – Az.: 11 S 40/21 – Urteil vom 04.03.2022
In dem Rechtsstreit hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 04.02.2022 für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Ahrensburg vom 20.07.2021, Az. 37a C 1/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Ahrensburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger haben aufgrund der auf der Eigentümerversammlung vom 01.12.2020 (dem ersten Tag der Geltung des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes, WEMoG) zu TOP 2, 7, 8 und 11c gefassten Beschlüsse eine gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtete Anfechtungsklage erhoben.
Das Amtsgericht Ahrensburg hat die Klage mangels Passivlegitimation der Beklagten abgewiesen. Auf die Feststellungen und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des Urteils 1. Instanz die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 01.12.2020 zu TOP 2, TOP 7, TOP 8 und TOP 11c für ungültig zu erklären.
Die Beklagten beantragen, die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Ahrensburg vom 20.07.2021, Az. 37a C 1/21 zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Für die Klage gilt das neue Wohnungseigentumsrecht in der Fassung nach Inkrafttreten des WEMoG (Gesetzes zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften – Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz -) zum 01.12.2021.
Nach §§ 48 Abs. 5 WEG, 44 Abs. 2 WEG war die Beschlussklage daher gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die vorliegend beklagten übrigen Wohnungseigentümer nicht passivlegitimiert sind und eine Rubrumsberichtigung dahingehend, dass die Klage vom 30.12.2020 sich gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft richtet, nicht in Betracht kommt (1.). Auch ein Parteiwechsel ist nicht anzunehmen (2.).
1. Die an eine Auslegung der Parteibezeichnung zu stellenden Anforderungen für den Fall, dass entgegen der ab 01.12.2020 geltenden Rechtslage die Anfechtungsklage gegen die übrigen Wohnungseigentümer statt gegen die nunmehr gem. § 44 Abs. 2 WEG passivlegitimierte WEG gerichtet wird, werden unterschiedlich beurteilt.
Nach einer Ansicht wäre hierfür Voraussetzung, dass sich dem übrigen Inhalt der Klageschrift unzweifelhaft entnehmen lässt, dass die genannte beklagte Partei nur eine versehentliche Falschbezeichnung war (vgl. BGH, Urteil vom 06. November 2009 – V ZR 73/09 -, zur umgekehrten Situation, dass trotz der Reform zum 01.07.2007 eine Anfechtungsklage noch gegen den Verband statt gegen die übrigen Wohnungseigentümer erhoben wurde). Nur dann gilt, dass der mit der Klage bezweckte Erfolg nicht an einer fehlerhaften Bezeichnung scheitern darf, da unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls keine vernünftigen Zweifel an der wirklich in Anspruch genommenen Partei bestehen (vgl. Reichel-Scherer in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, 9. Aufl., § 44 WEG Rn. 38).
Abzustellen ist auf die gewählten Bezeichnungen, Singular/Plural, eine Mitglieder-/Eigentümerliste oder die Ankündigung ihrer Vorlage. Fehlt es dagegen an aussagekräftigen Anzeichen, sind fehlerhaft die übrigen Wohnungseigentümer verklagt (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 44 Rn. 42).
Wenn die Kläger wie hier in ihrer Klage als Beklagte „die übrigen Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft (…) gem. beigefügter Liste / mit Ausnahme der Kläger“ bezeichnet haben, so ist nach dieser Maßgabe nicht die Gemeinschaft als Verband als beklagte Partei. Unter Beibehaltung der Parteiidentität ist eine vorgezogene Parteiberichtigung nicht möglich (vgl. AG Hamburg-St. Georg, Beschluss vom 03. August 2021 – 980a C 14/21 WEG -).
Eine falsche Parteibezeichnung hat ohne weitere Prüfung der Begründetheit zur Klageabweisung zu führen (vgl. Urteilsanmerkung von Agatsy, ZMR 2021, 850-851).
Dagegen wird vertreten, dass bei der Bezeichnung der Beklagten und damit an die Berichtigung des Passivrubrums keine hohen Anforderungen gestellt werden dürften. Dem Kläger „rechtlichen Unsinn“ als gewollt zu unterstellen, werde der gerichtlichen Fürsorgepflicht nicht gerecht, so dass eine Rubrumsberichtigung gerade in der Übergangszeit in Betracht komme (vgl. Hogenschurz, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2021, WEG § 44 Rn. 49, unter Berufung auf Schuschke, NZM 2009, 417, 421). Der erkennbare Wille zu einer Verbandsklage liege insbesondere vor, wenn in der Klageschrift der Verwalter als Vertreter der Beklagten und das Grundstück angegeben werden. Aus diesen Bezeichnungen lasse sich mit hinreichender Deutlichkeit ableiten, dass der Kläger eine „Verbandsklage“ erheben wolle, denn der Verwalter habe nach dem neuen Recht keine gesetzliche Vertretungsbefugnis für die Wohnungseigentümer (vgl. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 1895).
Nach Ansicht der Kammer ist die erstgenannte Auffassung vorzugswürdig. Wie das Amtsgericht ist sie der Ansicht, dass für eine Auslegung der Parteibezeichnung im Sinne der Inanspruchnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft kein Raum ist, wenn – wie hier – keinerlei Anhaltspunkte für eine mehrdeutige oder falsche Bezeichnung vorliegen. Die Nennung des Verwalters als Vertreter der Beklagten und die Nennung des Grundstücks sind dabei nicht bereits als Anhaltspunkte in diesem Sinne zu werten, denn es handelt sich hierbei lediglich um die nach § 44 Abs. 1 WEG aF erforderlichen Angaben zur vereinfachten Bezeichnung der Wohnungseigentümer im Rubrum. Es erschiene daher konstruiert, aus diesen Angaben auf eine irrtümliche Falschbezeichnung der beklagten Partei zu schließen, wenn die Kläger die Beklagten vorliegend als „die übrigen Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft … (gemäß beigefügter Liste/mit Ausnahme der Kläger)“ eindeutig bezeichnet haben, die Angaben also exakt den Anforderungen des alten Rechts entsprechen, und sich damit der Schluss aufdrängt, dass die Kläger die mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) in Kraft getretene umfangreiche Reform schlicht nicht beachtet haben.
2. Ein Parteiwechsel wurde von den Klägern trotz des Hinweises des Amtsgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 07.05.2021 (Bl. 100 d.A.) und dem sich anschließenden schriftlichen Verfahren nicht erklärt. Ein solcher ist auch nicht im Wege der Auslegung anzunehmen, zumal er nicht zu dem gewünschten Erfolg führen würde. Gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft wäre die einmonatige Anfechtungsfrist (nunmehr § 45 WEG, der dem § 46 Abs. 1 S. 2 WEG aF entspricht) nicht eingehalten. Die Wahrung der Anfechtungsfrist im Falle des Parteiwechsels in der spiegelbildlichen Situation, dass die Klage der WEG statt den übrigen Wohnungseigentümern zugestellt wurde, ist bisher in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs damit begründet worden, dass die Klage in beiden Fällen dem Verwalter zuzustellen war und diesem und den von ihm zu unterrichtenden Eigentümern klar war, gegen welchen Beschluss sich die Anfechtungsklage richtete (vgl. BGH, Urteil vom 06. November 2009 – V ZR 73/09 -; BGH, Beschluss vom 14. Mai 2009 – V ZB 172/08 -). Da nach dem neuen Recht der Verwalter nur noch den Verband, nicht aber die Eigentümer vertritt und die fehlerhafte Zustellung einer Klage gegen die Eigentümer für ihn keinerlei Rechtspflichten auslöst, kommt eine Wahrung der Anfechtungsfrist im Sinne eines privilegierten Parteiwechsels nach Auffassung der Kammer nicht mehr in Betracht (vgl. auch Dötsch/Schultzky/Zschieschack Kapitel 14 Rn. 110).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
4. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da der vorliegende Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat. Denn die Frage, ob und ggfls. unter welchen Voraussetzungen bei einer bereits unter Geltung des WeMOG erhobenen Anfechtungsklage, die gegen die „übrigen Eigentümer“ gerichtet ist, eine Berichtigung des Rubrums bzw. ein privilegierter Parteiwechsel in Betracht kommt, betrifft voraussichtlich eine Vielzahl von Fällen und ist bislang – soweit ersichtlich – noch nicht höchstrichterlich geklärt.