Rechtlicher Sieg für Mieter: Mietminderung bei signifikanter Wohnflächenabweichung
In der deutschen Rechtsprechung rund um das Mietrecht gibt es immer wieder Streitigkeiten bezüglich der tatsächlichen Wohnfläche und den Angaben im Mietvertrag. Ein zentrales juristisches Thema, das in diesem Kontext oft aufkommt, ist die Frage, ob und in welchem Umfang eine Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von der im Mietvertrag angegebenen Fläche zu einer Mietminderung führen kann. Das LG Berlin hat sich in einem Urteil mit dieser Frage auseinandergesetzt und dabei insbesondere die Relevanz einer Flächendifferenz von mehr als 10% betont. Dabei spielen Begriffe wie „Rückzahlungsanspruch“, „Kosten“ und „Berufung“ eine zentrale Rolle, und sowohl Kläger als auch Beklagte suchen nach Klarheit in Bezug auf ihre Rechte und Pflichten. Das Thema berührt nicht nur die technischen Aspekte der Wohnflächenberechnung, sondern auch die Interpretation von Mietvertragsklauseln und die Anwendung relevanter gesetzlicher Bestimmungen.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Das Landgericht Berlin hat entschieden, dass Mieter bei einer Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von mehr als 10% gegenüber der im Mietvertrag angegebenen Fläche Anspruch auf Mietminderung und Rückzahlung überzahlter Miete haben.
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- LG Berlin hat zugunsten des Klägers entschieden, dass eine Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von mehr als 10% gegenüber der im Mietvertrag angegebenen Fläche einen Mangel darstellt.
- Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 8.850,63 Euro, bestehend aus 8.641,56 Euro überzahlter Miete und 209,07 Euro überzahlter Kaution.
- Die Mietsache wies aufgrund der Abweichung der tatsächlichen von der vertraglich vorausgesetzten Wohnfläche einen Mangel auf.
- Die Flächenabweichung von über 10% gegenüber der im Mietvertrag angegebenen Fläche stellt einen Mangel dar, der zur Mietminderung berechtigt.
- Die Vereinbarung im Mietvertrag deutet darauf hin, dass eine Abweichung der Wohnfläche von über 10% einen zur Minderung berechtigenden Mangel darstellt.
- Selbst wenn es keine klare Vereinbarung gibt, folgt die Berechtigung zur Minderung aus der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB oder auch aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
- Die Wohnflächenberechnung der Sachverständigen ist korrekt und nicht zu beanstanden.
- Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung für Mietverhältnisse und legt klare Maßstäbe für die Bestimmung der Wohnfläche und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten von Mietern und Vermietern fest.
Übersicht
Im Zentrum des rechtlichen Disputs stand eine Auseinandersetzung zwischen einem Kläger und einer Beklagten über die tatsächliche Wohnfläche einer vermieteten Immobilie. Der Kläger hatte geltend gemacht, dass die tatsächliche Wohnfläche von der im Mietvertrag angegebenen Fläche abweicht, was zu einer überhöhten Miete führte.
Gesetzliche Bestimmungen und ihre Interpretation
Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lag in der Interpretation und Anwendung von verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere im Hinblick auf die Wohnflächenverordnung und die Bestimmungen des BGB. Es ging darum, ob eine Abweichung der tatsächlichen von der vertraglich vorausgesetzten Wohnfläche einen Mangel darstellt, der zu einer Mietminderung berechtigt.
Das Amtsgericht Mitte hatte in erster Instanz ein Urteil gefällt, gegen das der Kläger Berufung eingelegt hatte. Das LG Berlin, als Berufungsinstanz, hat nun entschieden, dass der Kläger einen minderungsbedingten Rückzahlungsanspruch in Höhe von 8.850,63 Euro hat. Dies setzt sich zusammen aus 8.641,56 Euro überzahlter Miete und 209,07 Euro überzahlter Kaution.
Das Urteil des Landgerichts Berlin
Das Gericht stützte seine Entscheidung auf die Feststellung, dass die Mietsache aufgrund der Abweichung der tatsächlichen von der vertraglich vorausgesetzten Wohnfläche einen Mangel aufwies. Dieser Mangel führte kraft Gesetzes zu einer Herabsetzung der Miete. Das Gericht stellte fest, dass eine Flächenabweichung von über 10% gegenüber der im Mietvertrag angegebenen Fläche einen Mangel darstellt, der zur Mietminderung berechtigt.
Die Entscheidung des Gerichts beruhte auch auf der Interpretation des Mietvertrags und der Anwendung von Bestimmungen des BGB, insbesondere § 305c Abs. 2 BGB und § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Diese Bestimmungen betreffen die Auslegung von Vertragsklauseln und die Unklarheitenregelung.
Potenzielle Auswirkungen des Urteils
Die Auswirkungen dieses Urteils könnten weitreichend sein, insbesondere für Vermieter und Mieter, die sich in ähnlichen Situationen befinden. Es unterstreicht die Bedeutung genauer Wohnflächenangaben im Mietvertrag und die potenziellen rechtlichen Konsequenzen, wenn diese Angaben nicht korrekt sind.
Schlussfolgerung und Bedeutung für Mieter und Vermieter
Das Fazit des Urteils ist, dass Mieter berechtigt sein können, eine Mietminderung und Rückzahlung zu verlangen, wenn die tatsächliche Wohnfläche von der im Mietvertrag angegebenen Fläche erheblich abweicht. Es betont auch die Bedeutung klarer und eindeutiger Vertragsklauseln und die Anwendung der relevanten gesetzlichen Bestimmungen bei der Auslegung solcher Klauseln.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was bedeutet eine Wohnflächenabweichung im Mietrecht?
Die Wohnflächenabweichung bezieht sich auf die Differenz zwischen der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche und der tatsächlichen Wohnfläche der gemieteten Wohnung. Eine solche Abweichung kann verschiedene Gründe haben, beispielsweise Messfehler, unterschiedliche Berechnungsmethoden oder eine nachträgliche Veränderung der Wohnfläche. Wenn die tatsächliche Wohnfläche mehr als 10% unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt, wird dies allgemein als erhebliche Abweichung betrachtet. Eine solche erhebliche Abweichung kann einen Mangel der Mietsache darstellen, der zum einen zur Mietminderung führen kann und zum anderen dem Mieter unter Umständen ein Recht zur fristlosen Kündigung gibt (vgl. § 536 BGB). Es ist wichtig zu beachten, dass die 10%-Regelung in der Rechtsprechung entwickelt wurde und nicht explizit im Gesetz steht. Sie dient als Orientierungshilfe, aber im Einzelfall können auch geringere Abweichungen als erheblich angesehen werden, wenn sie für den Mieter besonders nachteilig sind.
Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil vom 23.10.2007 (Az: 30 U 14/07) festgestellt, dass eine Wohnflächenabweichung von mehr als 10% eine erhebliche Beeinträchtigung darstellt, die zur Mietminderung berechtigt.
Die Wohnflächenabweichung ist eine Differenz zwischen der im Mietvertrag angegebenen und der tatsächlichen Wohnfläche. Eine Abweichung von mehr als 10% kann als erheblich angesehen werden und dem Mieter das Recht zur Mietminderung und unter Umständen zur fristlosen Kündigung geben.
Sollbeschaffenheit der Mietsache
Dieser Begriff bezieht sich auf die vertraglich vereinbarten Eigenschaften und Merkmale der gemieteten Wohnung. Diese können unterschiedlich sein und umfassen zum Beispiel die Größe der Wohnung, die Ausstattung, den allgemeinen Zustand, die Energieeffizienz und vieles mehr.
Die Sollbeschaffenheit der Mietsache wird durch den Mietvertrag bestimmt, d.h., sie umfasst die Beschaffenheiten, die bei Vertragsschluss ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart wurden (vgl. § 536 BGB). Wenn die Istbeschaffenheit der Wohnung von der Sollbeschaffenheit abweicht, kann dies einen Mangel darstellen, der dem Mieter bestimmte Rechte gibt, wie zum Beispiel das Recht zur Mietminderung oder zur fristlosen Kündigung.
In dem von Ihnen geschilderten Kontext bedeutet das: Wenn die tatsächliche Wohnfläche mehr als 10% unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt, kann dies als erhebliche Abweichung von der Sollbeschaffenheit angesehen werden, die einen Mangel darstellt. Dies hat Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten von Mietern und Vermietern in Bezug auf die Wohnfläche.
Zusammenfassend bezeichnet die Sollbeschaffenheit der Mietsache die vertraglich vereinbarten Eigenschaften und Merkmale der gemieteten Wohnung. Eine erhebliche Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von der im Mietvertrag angegebenen kann einen Mangel darstellen, der dem Mieter das Recht zur Mietminderung gibt.
§ Relevante Rechtsbereiche für dieses Urteil:
- Mietrecht: Dieser Bereich umfasst alle relevanten Gesetze und Vorschriften, die die Beziehung zwischen Mieter und Vermieter regeln. Im vorliegenden Text wird insbesondere auf § 536 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB Bezug genommen, der die Mietminderung regelt.
- Allgemeines Vertragsrecht: Hier geht es um die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Bezug auf Verträge und Vertragsinterpretation. Insbesondere werden die §§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, 305c Abs. 2 BGB und 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genannt, die bei der Auslegung von Vertragsklauseln und der Klärung von Unklarheiten relevant sind.
- Wohnflächenverordnung (WoFlV): Dies ist eine spezielle Verordnung, die die Berechnung der Wohnfläche von Mietwohnungen regelt. Im Text wird auf die WoFlV Bezug genommen, um die Berechnung der Wohnfläche und die Toleranzgrenze von 10 % zu erläutern.
- Prozessrecht: Dieser Bereich betrifft die Regeln und Verfahren für die Durchführung von Gerichtsverfahren. Es wird auf § 214 BGB Bezug genommen, der die Verjährung von Ansprüchen regelt, sowie auf die Regelungen zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
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Das vorliegende Urteil
LG Berlin – Az.: 67 S 147/22 – Urteil vom 29.11.2022
Auf die Berufung des Klägers wird das am 2. Juni 2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 117 C 215/17 – im Tenor zu 1) teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 8.850,63 Euro zu zahlen.
Von den Kosten des ersten Rechtszugs haben der Kläger 20/100 und die Beklagte 80/100 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass die Berufungsbegründung keinen förmlichen Sachantrag enthält. Den für die Berufungsbegründung geltenden Anforderungen nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist genügt, wenn die Berufungsbegründung wie vorliegend die Erklärung beinhaltet, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt wird (vgl. Wulf, in: BeckOK ZPO, 46. Ed. 1.9.2022, § 520 Rz. 15 m.w.N.).
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten der mit der Berufung geltend gemachte minderungsbedingte Rückzahlungsanspruch in Höhe von 8.850,63 Euro – 8.641,56 Euro überzahlte Miete sowie 209,07 Euro überzahlte Kaution – aus § 812 Abs. 1 Satz 1, Alt. 1 BGB zu.
Die Mietsache wies wegen des für den Kläger nachteiligen Abweichens der tatsächlichen von der vertraglich vorausgesetzten Wohnfläche einen Mangel auf, der kraft Gesetzes zu einer Herabsetzung der Miete führte (§ 536 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB).
Die vorliegend ausgehend von den Angaben der Sachverständigen Pech anzunehmende Flächenabweichung von über 10 % gegenüber der in dem Mietvertrag angegebenen Fläche von 98 m² stellt abweichend von dem Amtsgericht nicht nur einen die Minderung gemäß § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB ausschließenden unerheblichen Mangel dar.
Die Vereinbarung der Parteien in § 1 Ziff. 1 Satz 2 – 4 des auch nach dem Verständnis des Amtsgerichts vorliegenden – von der Berufung nicht gesondert angegriffen – Formularmietvertrages (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB), ist dahingehend zu verstehen, dass sich die Sollbeschaffenheit der Mietsache nicht ausschließlich nach der Angabe der vermieteten Räume richtet, sondern jedenfalls eine Abweichung der Wohnfläche von über 10 % gemessen an der angegebenen Quadratmeterzahl einen zur Minderung berechtigenden Mangel der Mietsache darstellen soll. Nur bei einem Verständnis einer in diesem Umfang vereinbarten Sollbeschaffenheit der Mietsache von jedenfalls über 10 % der angegebenen Fläche ergibt der ausdrückliche Verweis auf die berechtigte Minderung einen Sinn.
Selbst wenn abweichend davon nicht von einer eindeutigen Vereinbarung in dem dargelegten Verständnis ausgegangen würde, folgt die Berechtigung zur Minderung jedenfalls aus der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB oder auch aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB ist anwendbar, wenn nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel ein nicht behebbarer Auslegungszweifel verbleibt, da mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar sind (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 27. Mai 2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352-388, Tz. 119; Urt. v. 14. Juni 2017 – IV ZR 161/16, NJW-RR 2017, 992, Tz. 12).
Gemessen daran hat die hier zu bewertende Klausel des Mietvertrages keinen eindeutigen Inhalt. Die Regelung lässt ausgehend von den maßgeblichen Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel neben dem von der Beklagten vertretenen ebenso die hier geteilte Auslegung des Klägers im Sinne nicht nur eines Ausschlusses der Minderung bei einer Flächenunterschreitung bis zu 10 % der angegebenen Quadratmeterzahl, sondern im Umkehrschluss auch der Vereinbarung der Berechtigung zur Minderung bei einer über der 10%-Grenze liegenden Flächenabweichung zu. Der Kläger durfte die Regelung zu der Minderung nach dem Gesamtzusammenhang der Regelung dahingehend verstehen, dass der Ausschluss einer Minderung im Fall der Flächenunterschreitung bis zu der ausdrücklich bestimmten Abweichung von 10 % gelten und ihm im Fall einer die starr und klar festgelegte Grenze von 10 % überschreitenden Abweichung aufgrund der damit erheblichen Flächenabweichung Gewährleistungsansprüche zustehen. Zwar kann im Fall eines wie vorliegend in den vorausgehenden Bestimmungen vereinbarten Zusatzes im Anschluss an die Angabe der Wohnfläche mit einer „ca. 98 m²“ und dem nachfolgenden Verweis „Diese Angabe dient wegen möglicher Messfehler nicht zur Festlegung des Mietgegenstandes. Der räumliche Umfang der gemieteten Sache ergibt sich vielmehr aus der Angabe der vermieteten Räume“ angenommen werden, dass sich die Sollbeschaffenheit der Mietsache insoweit ausschließlich nach der Raum-, nicht jedoch nach der Quadratmeteranzahl richtet (vgl. BGH, Urt. v. 10. November 2010 – VIII ZR 306/09, NJW 2011, 220, Tz. 14ff.; Kammer, Beschl. v. 21. Juni 2022 – 67 S 96/22, ZMR 2022, 800, Tz. 3). Jedoch folgt vorliegend aus § 307 Abs. 1 Satz 2 oder jedenfalls der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB etwas anderes, da die Vereinbarung aufgrund der unmittelbar nachfolgenden Regelung, wonach eine Flächenabweichung von bis zu 10 % den Mieter nicht zur Geltendmachung einer Mietminderung berechtigt, nicht eindeutig ist (vgl. BGH, Urt. v. 10. Februar 2010 – VIII ZR 343/08, NZM 2010, 356, Tz. 27 f.) und eine abweichende Auslegung im Sinne einer damit vorgesehenen Bindung an die Flächenangabe bei einem Überschreiten der Abweichung von 10 % vertretbar ist. Das Verständnis als Vereinbarung einer in diesem Umfang zu gewährleistenden Mindestfläche liegt auch nahe, da bei Fehlen einer Sollvereinbarung über die von dem Vermieter zu gewährleistenden Mindestfläche Gewährleistungsrechte von vornherein generell ausscheiden würden, mithin der Hinweis auf die nicht berechtigte Minderung im Fall einer Flächenabweichung von bis zu 10 % überflüssig und damit widersprüchlich wäre. Nicht sinnentleert ist hingegen ein Verständnis im Sinne eines Einstehens des Vermieters für die sich daraus in diesem Umfang als vereinbart ergebene vertragliche Beschaffenheit der Wohnung mit einer Fläche von mindestens 98 m² bei Überschreiten der zugunsten des Vermieters auf 10 % begrenzten Toleranzgrenze.
Nach dieser Maßgabe ist vorliegend ein zur Minderung der Miete führender erheblicher Mangel der Wohnung infolge der Flächenabweichung von über 10 % zu bejahen, wofür es nach diesem jedenfalls vertretbaren Auslegungsergebnis aufgrund der klar festgelegten Grenze einer jedenfalls nicht zu einer Minderung berechtigenden Abweichung von bis zu 10 % im Falle einer Überschreitung dieses festgelegten Grenzwertes keiner gesonderten Darlegung einer erheblichen Beeinträchtigung bedarf.
Ausgehend von dieser (kundenfreundlichen) Auslegung besteht abweichend von dem Amtsgericht kein Raum für die Zubilligung einer zusätzlichen Toleranzschwelle aufgrund möglicher Messfehler. Diesen wird im Mietvertrag gerade durch die klare Festlegung der 10 % Grenze für die maßgebliche Flächendifferenz Rechnung getragen, was ein Durchschnittsmieter nach dem Sinn und Zweck der gesamten Regelung so verstehen konnte, dass im Rahmen der ohne Spielraum festgeschriebene Bestimmung der Unerheblichkeit bei einer Abweichung von bis 10 % etwaigen Messungenauigkeiten – seien sie auch noch so gering – abschließend Rechnung getragen werden und eine Minderung in jedem Fall einer diese zugestandene Toleranzgrenze übersteigenden Abweichung gerechtfertigt sein soll, ohne dass es – wie von dem Amtsgericht angenommen – darüber hinaus der zusätzlichen Darlegung einer Minderung der Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch infolge der Flächendifferenz bedarf (vgl. auch BGH, Urt. v. 24. März 2004 – VIII ZR 295/03, WuM 2004, 336, Tz. 39ff., für die ab einer 10 %-igen Wohnflächenabweichung anzunehmenden erheblichen Minderung im Fall der Vereinbarung der vereinbarten Fläche als Teil der vertraglichen Sollbeschaffenheit der Mietsache).
Die Höhe der Mietminderung bemisst sich – anders als die Beklagte meint – im Anschluss an die hier geteilte Rechtsprechung des BGH nach dem gesamten Prozentsatz der Flächenabweichung (vgl. BGH, Urt. v. 20. Juli 2005 – VIII ZR 347/04, WuM 2005, 573, Tz. 9-11; Urt. v. 24. März 2004, a.a.O., Tz. 17), mithin vorliegend ausgehend von der geltend gemachten Minderung der monatlichen Miete nach § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB und einem Anspruch auf Rückzahlung der deshalb zuviel gezahlten Nettokaltmiete, da die nach dem Sachverständigengutachten anzusetzende tatsächliche Wohnungsgröße von 88,07 m² jedenfalls 10,1 % von der im Mietvertrag mit ca. 98 m² angegebenen Fläche abweicht, woraus sich für den streitgegenständlichen Zeitraum von 124 Monaten – September 2010 bis einschließlich Dezember 2020 – unter Zugrundelegung von der daraus errechneten monatlichen Minderung in Höhe von 69,69 Euro der mit der Klageforderung geltend gemachte Rückzahlungsanspruch für überzahlte Mieten in Höhe von 8.641,56 Euro ergibt.
Die Wohnflächenberechnung der Sachverständigen in dem Gutachten sowie der nachvollziehbaren, das Messergebnis bestätigenden ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme ist nicht zu beanstanden. Die Berechnung erfolgte ausweislich der aufgrund der Nachfragen der Beklagten aufgegebenen Erläuterungen nach der vorliegend heranzuziehenden WoFlV unter ausdrücklichem Ausschluss von Messfehlern in der entscheidungsrelevanten Größenordnung von 0,1 bis 0,2 %. Die Beklagte trägt nach wie vor keine erheblichen sachlichen Einwendungen gegen die Tauglichkeit der Messung der Sachverständigen, die das von ihr beantragte Einholen eines weiteren Gutachtens gebieten würden, vor. Der allgemeine Verweis auf die Häufigkeit von Messungenauigkeiten der von Fachleuten vorgenommenen Messungen ist unzureichend.
Darüber hinaus trägt die Beklagte – wie ausführlich in der mündlichen Verhandlung erörtert – keine konkreten sachlichen Einwendungen gegen das Messergebnis sowie die Erzielung desselben vor – etwa durch Bezugnahme auf ein Privatgutachten mit einem zu ihren Gunsten abweichenden Messergebnis – auch nicht gegen das Verständnis der Sachverständigen von den zutreffend zugrundegelegten Berechnungsvorgaben der Wohnflächenverordnung, dies weder im ersten Rechtszug im Rahmen der ihr ausdrücklich gewährten – jedoch nicht erfolgten – Stellungnahme zu den insbesondere ihren Vorhalt etwaiger Messfehlertoleranzen betreffenden ergänzenden Feststellungen der Sachverständigen sowie zu der Verfahrensweise des Amtsgerichts, noch – was zudem einen nicht entschuldigten verspäteten Vortrag darstellen dürfte – im zweiten Rechtszug.
Der von der Beklagten im ersten Rechtszug geltend gemachte Flächenabzug von 0,09 % nach der nach ihrem Vorbringen aufgrund nachträglich von dem Kläger eingebauter Dusche verringerten Quadratmeter mit dem Ergebnis einer ausgehend davon geringfügig niedrigeren Minderung von 10,04 % verfängt nicht.
Abgesehen davon, dass mangels ausdrücklicher Geltendmachung dieses Gesichtspunkts im zweiten Rechtszug Zweifel an dem Aufrechterhalten dieses Einwandes bestehen, fehlt diesbezüglich jedenfalls ein konkreter unter Beweis gestellter Vortrag der Beklagten unter Auseinandersetzung mit dem erheblichen Bestreiten des Klägers, wonach die Dusche bei Bezug der Wohnung bereits vorhanden gewesen sein soll, wie auch in dem zur Akte gereichten Wohnungsübergabeprotokoll vom 31. August 2010 angegeben.
Nach Maßgabe dieses Ergebnisses ist auch die zulässige Höhe der Kaution nach der geminderten Miete zu bestimmen, woraus sich der geltend gemachte überzahlte Anteil in Höhe von 209,07 Euro ergibt.
Zwar lässt eine Minderung die bereits geleistete Kaution grundsätzlich unberührt. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Mangel, auf dem die Minderung beruht, bereits im Zeitpunkt der Kautionsvereinbarung vorlag und nicht behoben werden kann. In diesem Fall besteht nur in Höhe der geminderten Nettokaltmiete ein anerkennenswertes Sicherungsinteresse des Vermieters an der Mietkaution in Höhe des Dreifachen dieser Miete (vgl. BGH, Urt. v. 20. Juli 2005, a.a.O., Tz. 18).
Die Tatsache, dass der Kläger erst nach sieben Jahren die Vermessung der Wohnung vorgenommen hat, führt weder zum Ausschluss der Minderung gemäß § 536b BGB noch greift aus diesem Grund die Einrede der Verjährung (§ 214 BGB).
Dem Kläger ist der Mangel der Mietsache insbesondere nicht infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben. Er war bereits im Ausgangspunkt nicht zur Vermessung und konkreten Ermittlung der Wohnfläche verpflichtet. Dies gilt umso mehr, als – wie das vorliegende Verfahren zeigt – eine akkurate Ermittlung der Wohnfläche nur mit vertieften Rechtskenntnissen und somit für den Mieter nicht ohne weiteres möglich ist (vgl. LG Krefeld, Urt. v. 7. November 2012 – 2 S 23/13, Tz. 15 m.w.N.). Gleichermaßen ist für den Beginn der vorliegend einschlägigen regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB) auf die von dem Kläger erst im Jahr 2017 erlangte Kenntnis von der Flächenabweichung abzustellen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) sowie – wie dargelegt – erst Recht kein Anhalt für eine grob fahrlässige Unkenntnis ersichtlich.
Die Kostenentscheidung für den ersten Rechtszug findet ihre Grundlage in § 92 Abs. 1 ZPO, die des zweiten Rechtszugs in § 91 Abs. 1 ZPO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, bestanden nicht, da der Rechtssache derzeit weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.