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WEG-Verfahren – Nachfrageobliegenheit bzgl. Klagezustellung

AG München, Az.: 485 C 30059/14 WEG, Urteil vom 25.11.2015

1. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 27.11.2014 zu TOP 1:

„Die Gemeinschaft beschließt die Jahresgesamtabrechnung 2013 vom 07.11.2014 mit einem Fehlbetrag i.H.v. € – 49.353,98 und die Jahreseinzelabrechnungen 2013 vom 07.11.2014 mit einem Fehlbetrag i.H.v. € – 39.718,64, wie vorgelegt, zu genehmigen. Die Verrechnung der Salden der Jahreseinzelabrechnungen erfolgt zum 01.12.2014“ wird für ungültig erklärt.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 16.498,20 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien bilden die WEG … .

In der Wohnungseigentümerversammlung vom 27.11.2014 wurde zu TOP 1 folgender Beschluss gefasst, gegen den sich der Kläger mit der vorliegenden Anfechtungsklage wendet:

„Die Gemeinschaft beschließt die Jahresgesamtabrechnung 2013 vom 07.11.2014 mit einem Fehlbetrag i.H.v. € -49.353,98 und die Jahreseinzelabrechnungen 2013 vom 07.11.2013 mit einem Fehlbetrag i.H.v. € -39.718,64 wie vorgelegt zu genehmigen. Die Verrechnung der Salden der Jahreseinzelabrechnungen erfolgt zum 01.12.2014″.

Der Kläger trägt vor, dass die Jahresgesamt- und die Einzelabrechnungen 2013 (Anl. K 2 zur Klageschrift vom 22.12.2014) nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen würden.

Insoweit trägt er zunächst vor, dass die Darstellung der Instandhaltungsrückstellung unverständlich sei. Als Differenz zwischen Soll-Rücklage zum 31.12.2013 (€ 474.665,43) und Ist-Rücklage zum 31.12.2013 (€ 447.041,45) werde ein Betrag von € 27.623,98 ausgewiesen. Die Erläuterungen dieser Differenz seien unverständlich und unbehilflich. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass in der Abrechnung auf S. 6 mitgeteilt werde, dass die Vorauszahlungen auf die Soll-Rücklage 2013 vollständig geleistet worden seien, in den Erläuterungen der Differenz zwischen Soll- und Ist-Rücklage dann aber ein „Fehlbetrag Jahresabrechnung 2013″ i.H.v. € 32.779,85 ausgewiesen werde. Die in der Erläuterung weiter genannten Positionen seien ebenfalls nicht nachzuvollziehen. Die Position „durchlaufende Posten“ (- € 156,67) erschließe sich nicht. Es sei nicht plausibel, wieso eine „Differenz Restkorrekturen verschiedene Jahre“ (+ € 1.556,67) sich auf die Differenz zwischen Soll- und Ist-Rücklage auswirke. Zusätzlich verwirrend sei, dass dieser Betrag in der Vermögensübersicht dann als „Rechnungsabgrenzung“ dargestellt werde. Wie sich „offene Jahresabrechnungen 2004 – 2014 kumuliert“ (+ € 3.754,87) auf die Differenz zwischen Soll- und Ist-Rücklage auswirken sollten, sei unklar. Die Jahresabrechnung 2014 sei noch nicht erstellt worden (Druckdatum der Jahresabrechnung 2013: 07.11.2014), die Jahresabrechnung 2013 noch nicht genehmigt.

Zudem sei die Ist-Rücklage zum 31.12.2013 nur insgesamt angegeben ohne deutlich zu machen, welche Beträge welcher Instandhaltungsrücklage zuzuordnen seien.

Unverständlich sei weiter, dass für die Rücklage Gewerbe/Fensteranstrich im Wirtschaftsjahr 2013 keine Zinsen angefallen sein sollten.

Die Darstellung der Entwicklung des Bankkontos Girokonto Hausbank M. 157… sei nicht zutreffend. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Auflösung alter Abgrenzungen i.H.v. € 7.154,78 sowie durchlaufende Posten (ausgl. 2014) Auswirkungen auf den Endbestand zum 31.12.2013 haben könnten. Den Abrechnungen der Wirtschaftsjahre 2011 und 2012 lasse sich die Bildung entsprechender Abgrenzungen nicht entnehmen. Auch stelle die Auflösung alter Abgrenzungen keinen Geldfluss dar.

Es sei unverständlich, dass bei dem Girokonto ein Abgang wegen Zuführung Sparkonto i.H.v. € 50.000 dargestellt werde, obwohl der Zugang I. Wohnungen mit € 100.000 und der Zugang I. TG mit € 20.253,16 angegeben werde. Auch auf dem Sparkonto Nr. 140… sei nur ein Zugang von € 50.000 angegeben.

Was unter dem Sparbuch Waschmaschine 200… zu verstehen sei, sei nicht nachvollziehbar.

Die Vermögensübersicht auf Seite 8 der Jahresgesamtabrechnung gebe als Jahresfehlbetrag einen Betrag von € 32,779,85 an, als Ergebnis der Jahresabrechnung auf Seite 4 werde demgegenüber ein Betrag von € 49.353,98 angegeben, ohne dass der Unterschiedsbetrag erläutert werde. Die in der Vermögensübersicht ausgewiesene Rechnungsabgrenzung von € 1.556,57 sei unschlüssig und unverständlich, u.a. auch in Hinblick darauf, dass in der Entwicklung des Girokontos Hausbank 157… alte Abgrenzungen i.H.v. € 7.154,78 erwähnt würden. Was mit „Rückstände/Überzahlungen Jahresabrechnung“ i.H.v. € 3.754,87 gemeint sei, sei unklar, auch vor dem Hintergrund, dass in der Abrechnung 2012 noch ein Rückstand von € 41.277,54 ausgewiesen worden sei, die vorliegende Abrechnung aber nur Eingänge „Nachzahlungen Vorjahre divers“ i.H.v. € 9.685,79 ausweise (Bl. 3 der Abrechnung).

Bei den Heizkosten sei in der Jahresabrechnung als Gesamtbetrag für das Bauteil, in dem sich die Wohnung des Klägers befindet (F.str. 9 – 15) € 29.120,12 „gem. Te.“ angegeben. Dieser Betrag stimme bereits nicht mit den in der Abrechnung der Te. GmbH selbst angegebenen Betrag von € 28.965,16 überein.

Außerdem würden in der Jahreseinzelabrechnung die Rechnungspositionen „Fernwärmerechnung Vorjahr“ und „Schlussrechnung Heizkosten Vorjahr“ auch betreffend die Anwesen … der Klagepartei belastet bzw. gutgeschrieben. Es sei aber nicht ersichtlich, wie sich diese Positionen auf die Einzelabrechnung des Klägers auswirken könnten, dessen Wohnung im Anwesen … belegen sei. Auch sei nicht nachzuvollziehen, wie sich Fernwärmerechnungen des Vorjahres und Schlussrechnungen der Heizkostenfirmen für das Vorjahr im laufenden Wirtschaftsjahr auswirken könnten. Diese Zahlungen hätten nur in der Gesamtabrechnung 2013, nicht aber auch in den Einzelabrechnungen 2013 berücksichtigt werden dürfen.

Der Kläger bemängelt weiter die Anwendung von Verteilungsschlüsseln. Es sei unverständlich, warum die Müllgebühren nicht auch auf die Fa. … umgelegt würden, obwohl deren Mitarbeiter die allgemeinen Müllbehältnisse nützen könnten. Ebenso sei nicht nachzuvollziehen, warum die Kosten der Straßenreinigung nicht auch der Tiefgarage belastet werden sollten. Die Verteilung der Kosten für Wasser/Kanal sei nicht verständlich. Nur die Läden seien mit Zählern ausgestattet, nicht aber die Wohnungen, sodass offensichtlich eine Differenzabrechnung gebildet würde. Wenn aber nach Verbrauch abgerechnet werden solle, müssten alle Einheiten verbrauchsmäßig erfasst werden. Es entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, die Tiefgarage nicht auch an den Kosten der Versicherungen, der Hausreinigung, der Gartenpflege, sonstiger Wartungen/Prüfungen, Kleinmaterial und Kleinmaterial Außenanlagen zu beteiligen. Es widerspreche weiter ordnungsgemäßer Verwaltung, die Keller an der laufenden Instandhaltung der Wohnungen zu beteiligen. Auch die Instandhaltung und Instandsetzung der Heizung sei als gemeinschaftliche Aufgabe von allen zu tragen. Dass die Gewerbe von der Belastung der Kosten für Versicherungsschäden ausgenommen würden, sei nicht nachvollziehbar, insbesondere, da die Gewerbe an den Kosten der Versicherungen beteiligt würden. Was mit Kontoführung Waschmaschine gemeint sei, erschließe sich nicht, ebensowenig, weshalb die Kosten insoweit auf Wohnungen, Keller und Tiefgarage verteilt würden, die Einnahmen aber nur auf Wohnungen samt Keller. Unklar sei, wo die Nachzahlung 2012 seitens des mitversorgten Sozialhauses verbucht worden sei.

Die Klageschrift vom 22.12.2014 ging am 22.12.2014 bei Gericht ein. Mit Beschluss vom 07.01.2015 wurde der Streitwert vorläufig auf € 16.498,20 festgesetzt und mit Verfügung vom 08.01.2015 der Gerichtskostenvorschuss angefordert. Am 14.01.2015 wurde der Gerichtskostenvorschuss in voller Höhe eingezahlt. Eine Zahlungsanzeige seitens der Landesjustizkasse erfolgte zunächst nicht. Am 27.01.2015 ging die Klagebegründung bei Gericht ein. Mit Schriftsatz vom 23.06.2015, bei Gericht eingegangen am 25.06.2015, wandte sich der Klägervertreter an das Gericht, teilte mit, dass er seit dem 08.01.2015 keine weitere Nachricht seitens des Gerichts erhalten habe und bat um Weiterbetreibung des Verfahrens. Mit Verfügung vom 29.06.2015 wurde das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Die Anfechtungsklage wurde der Beklagtenpartei am 13.07.2015 zugestellt.

Die Klagepartei trägt insoweit vor, dass die Anfechtungsklage dennoch nicht verfristet sei. Die Klagezustellung sei demnächst i.S.v. § 167 ZPO erfolgt. Eine absolute zeitliche Obergrenze gebe es insoweit nicht. Der Begriff sei vielmehr im Wege einer wertenden Betrachtung auszulegen. Der Kläger habe alles ihm Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan, ein Versäumnis sei ihm nicht zur Last zu legen. Verzögerungen im gerichtlichen Geschäftsbetrieb müsse er sich nicht zurechnen lassen.

Die Klagepartei beantragt zuletzt, wie zuerkannt.

Die Beklagtenpartei beantragt, Klageabweisung.

Sie trägt vor, dass die Klage bereits verfristet sei. Sie vertritt die Auffassung, dass der Kläger, obwohl die Verzögerung vorliegend auf einem Fehler des Gerichts beruhe, nach Ablauf einer großzügig zu bemessenden Frist bei Gericht hätte nachfassen müssen, warum noch keine prozessleitenden Verfügungen und keine Zustellung erfolgt seien und noch keine Schriftsätze des Beklagten vorlägen. Hier habe der Kläger erst fünfeinhalb Monate nach der Vorschusszahlung bei Gericht nachgefragt. Die Verzögerung aus der Sphäre des Gerichts hätte dem Kläger nach Meinung der Beklagtenpartei angesichts des langen Zeitraums weit vorher auffallen müssen, dies umso mehr, als er durch einen Rechtsanwalt vertreten werde, der als Wohnungseigentumsrechtler um die Problematik wisse. Die längste nach dem Gesetz bestehende Frist, in der eine Untätigkeit des Gerichts einer Prozesspartei nicht zugerechnet werde, betrage fünf Monate (§ 310 Abs. 1, Abs. 3 ZPO), sodass der Kläger jedenfalls binnen fünf Monaten nach Vorschussanforderung und – zahlung gehalten gewesen wäre, beim Gericht nachzufragen. Ihn treffe aus dem Treueverhältnis zwischen den Wohnungseigentümern sowie aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine entsprechende Obliegenheit. Die Klagezustellung sei daher nicht mehr „demnächst“ i.S.v. § 167 ZPO erfolgt.

Beweis wurde nicht erhoben. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2015 (Bl. 34 – 35 d.A.).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

Die Klage ist nicht wegen Versäumung der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1, S. 2 WEG unbegründet.

Die Anfechtungsklage muss gem. § 46 Abs. 1, S. 2 WEG binnen eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben, d.h. den Beklagten zugestellt worden sein, § 253 ZPO. Dies ist vorliegend zwar nicht der Fall. Der streitgegenständliche Beschluss wurde auf der Eigentümerversammlung vom 27.11.2014 gefasst, die Zustellung an die Beklagten erfolgte erst am 13.07.2015 und damit weit nach Ablauf der Anfechtungsfrist. Diese Zustellung wirkt aber gem. § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung zurück, da sie „demnächst“ i.S.v. § 167 ZPO erfolgte. Bei der Prüfung, ob eine Zustellung „demnächst“ i.S.v. § 167 ZPO erfolgt ist, darf nicht nur auf eine zeitliche Betrachtungsweise abgestellt werden (BGH, Urteil vom 11.07.2003, V ZR 414/02, NJW 2003, 2830). Die Parteien sollen, da die Zustellung von Amts wegen geschieht, vor Nachteilen durch Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebes bewahrt werden, weil diese Verzögerungen nicht von ihnen beeinflusst werden können. Es gibt deswegen keine absolute zeitliche Grenze, nach deren Überschreitung eine Zustellung nicht mehr als „demnächst“ anzusehen ist. Dies gilt grundsätzlich selbst bei mehrmonatigen Verzögerungen, weil Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung seitens des Gerichts verursacht sind, dem Kläger grundsätzlich nicht zugerechnet werden dürfen (Bärmann/Klein, § 46 WEG Rz. 89 m.w.N.).

Zwar geht der BGH in ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH, NJW 2003, aaO m.w.N.) davon aus, dass einer Partei nicht nur geringfügige Verzögerungen dann zuzurechnen sind, wenn sie oder ihr Prozessbevollmächtigter die Verzögerungen bei sachgerechter Prozessführung hätten vermeiden können. Das ist nicht nur in Fällen angenommen worden, in denen Mängel der Klageschrift, etwa die Angabe einer falschen Anschrift der beklagten Partei, das Zustellungsverfahren verzögert haben, sondern auch dann, wenn nach Einreichung der Klage trotz vollständiger und ordnungsgemäßer Angabe aller maßgeblichen Verfahrensdaten die Anforderung des Gerichtskostenvorschusses ausbleibt. In diesen Fällen hat der BGH angenommen, dass der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter nach angemessener Frist wegen der ausstehenden Vorschussanforderung nachfragen müsste. Zwar seien beide nicht gehalten, von sich aus den Vorschuss zu berechnen und mit der Klage einzuzahlen, doch dürften sie nicht unbegrenzt lange untätig bleiben, sondern müssten bei ausbleibender Vorschussanforderung beim Gericht nachfragen und so auf eine größtmögliche Beschleunigung der Zustellung hinwirken (BGH, NJW 2006, 3206 m.w.N.).

Der vorliegende Fall unterscheidet sich von diesen Konstellationen aber dadurch, dass der Kläger alles Erforderliche vorgetragen und veranlasst hat, um eine alsbaldige Zustellung der Klage zu gewährleisten. Insbesondere hat der Kläger auch fristgerecht den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt. Die Verzögerung der Zustellung beruhte allein auf einem Fehler des Gerichts. Während im Fall der fehlenden Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses der Kläger wegen der Vorschrift des § 12 GKG nicht davon ausgehen kann, dass die Klageschrift ohne vorherige Einzahlung der Gerichtskosten zugestellt wird, darf er nach Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses gem. § 166 ZPO darauf vertrauen, dass das Gericht die Zustellung veranlasst und ihn, falls erforderlich, zur Mitwirkung auffordern wird. Das Gericht geht zwar davon aus, dass auch der Kläger, der alles Erforderliche getan hat, um die Zustellung der Klage zu veranlassen, nicht ohne jede zeitliche Obergrenze zuwarten darf, ob das Verfahren weiter betrieben und die Klage zugestellt, wird, sondern dass ihn nach einem gewissen Zeitraum die Obliegenheit trifft, durch entsprechende Nachfragen oder Erinnerungen bei Gericht auf das Weiterbetreiben des Verfahrens hinzuwirken. Das Ausbleiben der Nachricht von der Klagezustellung, für das es aus seiner Sicht keinen erkennbaren Grund gibt, darf der Kläger also nicht unbegrenzt hinnehmen (OLG Düsseldorf Beck Rs 2008, 03401, m.w.N.). Das Gericht ist aber auch der Meinung, dass, anders als bei der verspäteten Einzahlung des Prozesskostenvorschusses, die allein der Entscheidungshoheit und dem Verantwortungsbereich des Klägers unterfällt und ihm anzulasten ist, die Frist bei Fehlern des Gerichts, auf die der Kläger keinerlei Einfluss und in die er keinen Einblick hat, großzügig zu bemessen ist.

Insoweit lässt zunächst nach Auffassung des Gerichts entgegen der Meinung der Beklagtenpartei dem Gesetz kein allgemeiner Rechtsgedanke des Inhalts entnehmen, dass die Untätigkeit des Gerichts einer Prozesspartei nur bis zu einem Zeitraum von maximal fünf Monaten nicht zugerechnet wird. Zwar beginnt gem. § 517 ZPO bei fehlender oder unwirksamer Zustellung eines Urteils die Berufungsfrist fünf Monate nach der Urteilsverkündung zu laufen, wodurch den Parteien die Informationslast auferlegt wird, sich über den Fortgang des Verfahrens zu unterrichten.

Die „Untätigkeit“ des Gerichts führt aber auch im Rahmen von § 517 ZPO nicht zu einer Zurechnung i.S. eines Verlustes des Rechtsschutzes dann, wenn die Prozesspartei sich nicht binnen 5 Monaten nach dem Fortgang des Verfahrens erkundigt. Die Vorschrift sieht vielmehr vor, dass nach 5 Monaten spätestens die Berufungsfrist von einem Monat zu laufen beginnt; erst nach dem Ablauf der sich so ergebenden 6-Monatsfrist wirkt sich die Untätigkeit des Gerichts, verbunden mit der Verletzung der Informationsobliegenheit der Prozesspartei, zu Lasten der Prozesspartei aus.

Die genaue Festlegung des Zeitpunkts, ab dem zu der zunächst allein bestehenden Verantwortlichkeit des Gerichts für die Prozessverzögerung eine Mitverantwortlichkeit des Klägers tritt, erscheint vorliegend nicht erforderlich. Das Gericht geht davon aus, dass die Grenze des „entschuldbaren Zuwartens“ bei einem Zeitraum von unter 6 Monaten – wie hier – jedenfalls nicht überschritten wird (vgl. BGH, NJW 2009, 984: Zeitraum von einem halben Jahr, in dem nichts passiert ist, ist für entschuldbares Zuwarten zu lang).

Der angefochtene Beschluss aus der Eigentümerversammlung vom 27.11.2014 zu TOP 1 über die Jahresabrechnung 2013 widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Eine Jahresabrechnung entspricht nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn sie übersichtlich und aus sich heraus nachvollziehbar ist. Sie muss eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben in dem betreffenden Kalender- bzw. Wirtschaftsjahr geben. Sie ist keine Gewinn- und Verlustrechnung und keine Bilanz, sondern eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung, welche die tatsächlichen Beträge einander gegenüberzustellen hat (vgl. etwa BayObLG, NJW-RR 1989, 840 mwN). Zur Erstellung einer Abrechnung der Einnahmen und Ausgaben hat die Verwaltung eine geordnete und übersichtliche Einnahmen- und Ausgabenrechnung vorzulegen, die etwa auch Angaben über die Höhe der gebildeten Rücklagen enthält. Die Abrechnung muss für einen Wohnungseigentümer auch ohne Hinzuziehung fachlicher Unterstützung verständlich sein und die Wohnungseigentümer in die Lage versetzen, die Vermögenslage der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erfassen und auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Sie müssen nachvollziehen können, was mit den eingezahlten Mitteln geschehen ist, insbesondere ob sie entsprechend den Vorgaben des Wirtschaftsplans eingesetzt worden sind. Die Jahresabrechnung ist nicht zuletzt die Grundlage für die Festlegung der endgültigen Höhe der Beiträge (BGH, aaO).

Diesen Anforderungen wird die streitgegenständliche Jahresgesamtabrechnung 2013 nicht gerecht.

Die Darstellung der Instandhaltungsrücklage ist aus sich heraus nicht nachvollziehbar und erreicht nicht ihren Zweck, eindeutige Klarheit über die finanziellen Verhältnisse zu schaffen. Es wird nicht verständlich, warum einerseits mitgeteilt wird, dass die Vorauszahlungen zum Ansparen der Instandhaltungsrücklage „Soll“ (€ 474.665,43) in 2013 in voller Höhe geleistet wurden, andererseits aber die Instandhaltungsrücklage „Ist“ zum 31.12.2013 mit € 447.041,45 um € 27.623,98 von der Instandhaltungsrücklage „Soll“ abweicht. Auch die zur Erklärung dieser Differenz in der Abrechnung enthaltenen Ausführungen auf S. 7 schaffen nicht die erforderliche Klarheit, sondern stiften zusätzliche Verwirrung. Die Erläuterung „Fehlbetrag Jahresabrechnung 2013: – 32.779,85″ ist unverständlich, da andererseits auf S. 6 der Abrechnung angegeben wird, dass die Vorauszahlungen zum Ansparen der I. in voller Höhe geleistet worden sind. Die weiter zur Erklärung der Differenz angegebenen „durchlaufende Posten: – € 155,67″ werden nicht weiter erklärt, ebensowenig die Angabe „Differenz Korrekturen verschiedene Jahre: € 1.556,67″, wobei der Betrag noch dazu in der Vermögensübersicht als „Rechnungsabgrenzung“ aufgeführt wird. Unverständlich bleibt auch die Position „Offene Jahresabrechnungen 2004-2014: + € 3.754,87″, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Jahresabrechnung 2013 zum Zeitpunkt der Berechnung noch nicht genehmigt und die Jahresabrechnung 2014 unstreitig noch nicht erstellt war. Die Abrechnung erreicht insoweit nicht ihren Zweck, nämlich eindeutige Klarheit über die finanziellen Verhältnisse zu schaffen.

Die vollständige Jahresabrechnung hat neben der Gesamt- und Einzelabrechnung auch den Stand und die Entwicklung der gemeinschaftlichen Konten auszuweisen. Auch bzgl. dieser Darstellung ist die streitgegenständliche Jahresabrechnung 2013 nicht nachvollziehbar. Es ist unklar, wie die – nicht näher erläuterten – „Auflösung alter Abgrenzungen“ (- € 7.154,78) sowie „durchlaufende Posten (Ausgl. 2014)“ (- € 155,67) sich auf den Endbestand zum 31.12.2013 auswirken sollen. Die Bildung der genannten Abgrenzungen lässt sich unstreitig den Abrechnungen 2011 und 2012 nicht entnehmen. Falls eine Rechnungsabgrenzung vorgenommen wird, was grundsätzlich bereits nicht zulässig ist, da es sich bei der Jahresabrechnung um eine reine Einnahmen – Ausgabenrechnung handelt, muss die Darstellung der Rechnungsabgrenzungsposten so offen und übersichtlich erfolgen, dass sie für den Wohnungseigentümer nachvollziehbar und ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen verständlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Unterbleibt aber eine entsprechend nachvollziehbare Darstellung, ist ein Abgleich der Bankkonten mit der Einnahmen-/Ausgabenrechnung nicht möglich und kann die rechnerische Schlüssigkeit nicht nachvollzogen werden (Spielbauer, aaO, Rz. 46).

Zu weiterer Verwirrung trägt bei, dass bei dem Girokonto ein Abgang i.H.v. € 50.000 wegen Zuführung zum Sparkonto und auf dem Sparkonto bei der Kontodarstellung ebenfalls ein Zugang von € 50.000 angegeben ist, der Zugang zur I. Wohnungen in 2013 aber € 100.000 und der zur I. Tiefgarage € 20.253,16 betragen haben soll.

Unklar ist weiter, wieso in der Vermögensübersicht auf S. 8 der Abrechnung ein Jahresfehlbetrag i.H.v. 32.779,85 angegeben ist, auf BI. 4 der Jahresgesamtabrechnung aber ein Ergebnis von € 49.353,98 aufgeführt wird. Der Unterschiedsbetrag wird nicht erklärt. Zwar ist die Vermögensübersicht kein notwendiger Bestandteil der Jahresabrechnung, sie kann aber der Plausibilität dienen bzw. – wie hier – für weitere Unklarheit sorgen.

Insgesamt enthält die Jahresgesamtabrechnung bereits damit so viele Mängel und Lücken, dass die ordnungsgemäßen Teile für sich alleine keine hinreichende Aussagekraft haben und die Abrechnung insgesamt für ungültig zu erklären ist (Spielbauer in Spielbauer/Then, § 28 WEG Rz. 23).

Ebenfalls insgesamt für ungültig zu erklären sind die aus der Gesamtabrechnung entwickelten Einzelabrechnungen. Wird die Gesamtabrechnung aufgehoben, hat dies stets Auswirkungen auf die Einzelabrechnungen. Diese werden aus der Gesamtabrechnung entwickelt, so dass die Einzelabrechnungen nicht bestandskräftig werden können, wenn die Gesamtabrechnung fehlerhaft ist (Jennißen, NZM 2007, 510 f.; LG Hamburg‚ Urteil vom 03.11.2010, BeckRS 2010, 29828). Die Ungültigkeit der Einzelabrechnungen ergibt sich vorliegend jedenfalls aber auch aus folgenden Gründen:

Bezgl. der Heizkosten werden in den Erläuterungen im Rahmen der Einzelabrechnungen angegeben, dass für die Heizzentrale F.str. 9 – 15, die für die Wohnung der Klagepartei maßgeblich ist, Gesamtkosten „gem. Te.“ i.H.v. € 29.120,12 angefallen seien. In der Te.-Abrechnung der Klagepartei (Anlage K 3) werden hingegen die Gesamtkosten mit € 28.965,16 angegeben. Die Differenz wird nicht erläutert.

Weiter ist unverständlich, wie sich die Positionen „Schlussrechnung Heizkosten Vorjahr“ und „Fernwärmerechnung Vorjahr“ auf die Einzelabrechnung auswirken können, noch dazu bezgl. der Heizzentralen … .

Auch die Anwendung der einzelnen Verteilerschlüssel ist teilweise nicht verständlich. Es erschließt sich nicht, warum die Firma „…“ im Gegensatz zu den Wohnungen, Kellern und übrigen Gewerben nicht an den Müllgebühren beteiligt wird, weswegen die Kosten der Straßenreinigung, der Versicherungen, der Hausreinigung, der Gartenpflege und bzgl. sonstiger Wartungen/Prüfungen, Kleinmaterial Außenanlagen nicht der Tiefgarage belastet werden, wieso mit den Kosten für Kleinmaterial nur Wohnungen und Keller belastet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 709, 711 ZPO.

Den Streitwert hat das Gericht gem. § 49 a GKG festgesetzt.

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