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Wohngemeinschaft – Anspruch auf Auswechslung einer Mietvertragspartei

AG Greifswald – Az.: 45 C 39/18 – Urteil vom 16.08.2018

1. Es wird festgestellt, dass die Wohngemeinschaft G., G bestehend aus F.H., H. W., A. F. und F. H. einen Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zur Abänderung des Mietvertrages vom 01.03.2015, in Gestalt des 1. Nachtrags und 2. Nachtrags zum Mietvertrag dahingehend hat, dass anstelle des Klägers auf Seiten der Wohngemeinschaft Herr R. K. in das Mietverhältnis eintritt.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 3.300,00 €

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage der Auswechslung eines von mehreren Mietern.

Am 01.03.2015 schloss die Beklagte mit F. H., J. S., A. F., und K. Z., einen Mietvertrag über die Wohnung in der G., 2. Geschoss, G. Die Mieterinnen gaben ihre derzeitigen Berufe mit Goldschmiedin, Ärztin und Referentin an. In § 9 des Mietvertrags ist zur Gebrauchsüberlassung an Dritte geregelt, dass diese der ausdrücklichen Erlaubnis des Vermieters bedürfe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die Vertragskopie, Anlage K1 (Bl. 7 bis 11 der Akten), verwiesen.

Am 12.5.2016 vereinbarten die Beklagten, die oben genannten Personen und der Kläger einen „1. Nachtrag zum Mietvertrag“. Danach schied Frau Z. aus und der Kläger trat in die Rechte und Pflichten des Mietvertrages ein. Die verbleibenden Mieter und der Kläger verpflichteten sich gemeinsam zur Zahlung der Gesamtmiete und internen Regelung hinsichtlich der bereits zu Mietbeginn gezahlten Kaution, die bei der Beklagten verbleiben sollte. Insoweit wird auf die Anlage K2 (Blatt 12 der Akten) Bezug genommen.

Ein späterer 2. Nachtrag erfolgte mit gleicher Form und Inhalt wie der erste, wobei die Vertragsparteien den Austritt von Frau S. und den Eintritt von F. H. zum 31.7./1.8.2016 vereinbarten. Insoweit wird auf die Anlage K3 (Blatt 13 der Akten) Bezug genommen.

Am 02.11.2017 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten die Kündigung, ersuchte um Entlassung und teilte mit, dass ein Nachmieter zum Eintritt in die Wohnung zur Verfügung stünde. Am 02.12.2017 teilte die Wohngemeinschaft der Beklagten ihr Einverständnis mit der Entlassung des Klägers mit. Der Kläger benannte als Nachmieter R. K..

Der Kläger meint, er habe einen Anspruch auf Entlassung, denn das Mietverhältnis sei offenkundig als Mietverhältnis mit einer Wohngemeinschaft geschlossen, die nicht dauerhaft zusammen bleibe und bei der die Personen austauschbar seien. Auch sei er aktivlegitimiert, da jeder einzelne auszugswillige Mieter der Wohngemeinschaft ein Feststellungsinteresse habe, weil er ansonsten bei Auszug weiter als Gesamtschuldner für Forderungen aus dem Mietverhältnis hafte.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Wohngemeinschaft G. 2. Geschoss, G. bestehend aus F. H., H. W., A. F. und F. H. einen Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zur Abänderung des Mietvertrages vom 01.03.2015, in Gestalt des 1. Nachtrags und 2. Nachtrags zum Mietvertrag dahingehend hat, dass anstelle des Klägers auf Seiten der Wohngemeinschaft Herr R. K. in das Mietverhältnis eintritt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, der Mietvertrag sehe kein Wechselrecht vor, denn ihre Zustimmung sei jeweils nur für den Einzelfall erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage ist zulässig, da insbesondere ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis und ein Feststellungsinteresse des Klägers gemäß § 256 ZPO gegeben sind.

Da sich das Begehr der Feststellung eines entsprechenden Anspruchs letztlich als Frage der Auslegung des Mietverhältnisses darstellt, ist ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO gegeben. Unerheblich ist, dass das Mietverhältnis auch gegenüber den anderen Mietern der Mietergemeinschaft besteht, da nach ständiger Rechtsprechung des BGH sogar ein ausschließliches Drittrechtsverhältnis als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis in Betracht kommt, solange dieses Rechtsverhältnis zugleich für die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander von Bedeutung ist (Greger in Zöller, Kommentar zur ZPO, 32. Aufl., § 256, Rn. 3b). Wenn aber schon ein ausschließliches Drittrechtsverhältnis als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis in Betracht kommt, gilt dies erst Recht, wenn wie vorliegend die Feststellung eines Rechtsverhältnisses begehrt wird, welches auch dem Kläger in gleicher Form gegenüber besteht. Dass dieses Rechtsverhältnis auch von Bedeutung für die Parteien des Rechtsstreits ist, folgt schon daraus, dass gerade die Möglichkeit des Austritts des Klägers festgestellt werden soll. Unerheblich ist auch, dass auch die anderen Mieter mit der Änderung einverstanden sein müssen.

Der Kläger ist aktivlegitimiert, auch wenn er ein Recht der Wohngemeinschaft, bestehend aus F. H., A. F., F. H. und ihm festgestellt wissen möchte. Grundsätzlich ist ein Feststellungsinteresse gegeben, wenn eine gegenwärtige tatsächliche Unsicherheit das Rechtsverhältnis des Klägers gefährdet. Ausnahmsweise besteht ein Feststellungsinteresse des Klägers auch für ein Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und einem Dritten (hier: den anderen WG-Mitgliedern), wenn dieses für die Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger und der Beklagten wichtig ist. Dieses Interesse des Klägers ist vorliegend auf Grund der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses gegeben, da er als (Mit-) Mieter von der Feststellung über den Anspruch der „Wohngemeinschaft“ auf Zustimmung unmittelbar in seinem Verhältnis zur Beklagten betroffen ist. Denn nur dann ist sein Austritt aus dem Mietvertrag möglich. Die Aktivlegitimation hängt hier nicht davon ab, dass für die tatsächliche Vertragsänderung noch weitere Willenserklärungen (Einverständnis der anderen WG-Mitglieder) vorliegen müssen.

Im Übrigen kann eine konkludente Ermächtigung zur Prozessführung durch die anderen WG-Mitglieder in dem Schreiben der Wohngemeinschaft vom 2.12.2017 mit der Einverständniserklärung zur Entlassung des Klägers gesehen werden. Diese Möglichkeit der Ermächtigung ist in der Rechtsprechung anerkannt (BGH, Urt. v. 03.07.2002, Az. XII ZR 234/99, zitiert nach Juris: NJW-RR 2002, 1377). Zum einen wohnen die Mieter in der Wohnung zusammen, sodass daraus schon ein gewisses Näheverhältnis resultiert, welches zur Geltendmachung fremder Rechte in Bezug auf das Mietverhältnis befugt. Vorliegend hat der Kläger auch klar erkennbar für die Wohngemeinschaft gehandelt, da er sich auf einen Anspruch der Wohngemeinschaft beruft und nicht auf einen ihm allein zustehenden Anspruch.

Die Feststellungsklage ist begründet, da das Mietverhältnis zwischen der Beklagten und der Wohngemeinschaft G. , 2. Geschoss, G. bestehend aus F. H., H. W., A. F. und F. H. als Mitverhältnis mit der Wohngemeinschaft bestehend aus F. H., H. W., A. F. und F. H. zustande gekommen ist und die Wohngemeinschaft einen Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zur Abänderung des Mietvertrages vom 01.03.2015, in Gestalt des 1. und 2. Nachtrags zum Mietvertrag dahingehend hat, dass anstelle des Klägers auf Seiten der Wohngemeinschaft Herr R. K. in das Mietverhältnis eintritt.

Der Mietvertrag wurde durch die Beklagte mit einer Wohngemeinschaft geschlossen. Zwar wurde die Wohnung mit Mietvertrag vom 01.03.2015 nicht ausdrücklich an eine Wohngemeinschaft vermietet, aber die Vermieterin wusste aufgrund der Umstände des Vertragsschlusses, dass sie den Vertrag mit einer Wohngemeinschaft schließt. Der Beklagten musste von Anfang an klar sein, dass die Gemeinschaft nicht auf Dauer angelegt ist.

Die im Mietvertrag genannten Personen bilden eine so genannte BGB-Innengesellschaft, die nach außen hin nicht weiter am Rechtsverkehr teilnimmt. Wohngemeinschaften sind lockere Zusammenschlüsse mehrerer Personen zwecks gemeinsamer Nutzung, ohne jedoch in Form einer Ehe, einer Lebenspartnerschaft oder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft verbunden zu sein (Emmerich in Staudinger, Kommentar zum BGB, § 540, Rn. 52). Das Alter der Mieter kann dabei heutzutage nur noch eine Indizwirkung entfalten, da aufgrund der gestiegenen Mietpreise und der gesteigerten Arbeitnehmerflexibilität nicht nur Studenten auf solche Wohnformen zurückgreifen, sondern auch Arbeitnehmer, insbesondere Berufsanfänger oder Auszubildende.

Auch wenn in dem Vertrag die Mietparteien nicht ausdrücklich als Mitglieder einer Wohngemeinschaft bezeichnet worden sind, ergibt sich aus dem Rubrum des Vertrags, dass die Mieter eine Wohngemeinschaft bildeten. Denn der Vertrag wurde nicht mit einer Einzelperson oder mit zwei Personen, die als Lebensgefährten zusammenleben könnten, abgeschlossen, sondern mit vier Personen, die bei Vertragsschluss zwischen 27 und 39 Jahre alt waren, ausweislich der angegebenen Anschriften bisher nicht gemeinsam gewohnt haben und erkennbar keinen Familienverband darstellten. Die Berufe ergeben keinen über den Wohngemeinschaftszweck hinausgehenden Bezug zwischen den Personen. Auch das Alter lässt erkennen, dass die Personen sich in dem Alter befinden, in dem sie erkennbar nicht eine dauerhafte Wohnbeziehung zu viert eingehen. So ergibt sich, aus dem Rubrum des Mietvertrags für die Beklagte offensichtlich, dass die Mieter – wie insbesondere Frau S. – am Beginn ihres Berufslebens stehen, da sie mit 27 Jahren bereits Ärztin angab, was ein sehr junges Alter für diesen Beruf ist. Der Start ins Berufsleben ist aber heutzutage durch die zunehmend geforderte Flexibilität mit häufigen Wohnortwechsel verbunden. Des Weiteren waren die Mieter in einem Alter in der typischerweise die Familiengründung noch stattfindet, sodass mit einem Zusammenzug mit dem/der Partner/in gerechnet werden musste und offensichtlich die Lebens- und Familienplanung noch im Werden sind. Aus beiden Punkten wird offenkundig, dass die Wohngemeinschaft gerade einen lebensphasenabhängigen und lockeren Zusammenschluss darstellte, der eine hohe Fluktuation innehat.

Die Wohnung verfügt auch über 4 Zimmer, was bedeutet, dass für jeden Bewohner ein Raum zur alleinigen Nutzung zur Verfügung steht. Und nicht zuletzt unter Berücksichtigung des in Greifswald gerichtsbekannt engen Wohnungsmarktes lag es daher bereits bei Vertragsschluss auf der Hand, dass die Personen sich als Wohngemeinschaft zusammenfanden.

Dies wird auch durch die Formulierungen in den Nachträgen bestätigt, die jeweils ausführen dass „das Zimmer“ freigestellt sei und neu vermietet werden könne.

Überdies würde sich spätestens mit dem 2. Nachtrag zum Mietvertrag die Kenntnis der Vermieterin ergeben, dass sie einen Vertrag mit einer Wohngemeinschaft geschlossen hat (vgl. LG Berlin, Urteil vom 11.1.2017, Az. 65 S 375/16, zitiert nach Juris). Aufgrund zweier Mieterwechsel innerhalb von 15 Monaten, wurde für die Beklagte der lockere Zusammenschluss der Personen und damit das Vorliegen einer Wohngemeinschaft deutlich. Zwar kommt es grundsätzlich für den Zeitpunkt der Kenntnis über das Vorliegen einer Wohngemeinschaft auf den Abschluss des Mietvertrags an, aber auch die Nachträge und die zugrunde liegende Praxis der Mieterauswechslung wurden jeweils Bestandteile des Mietvertrages, da es sich für den maßgebenden objektiven Empfängerhorizont der Mieter als gängige Praxis und Inhalt des Mietvertrages darstellte, ohne dass gegenteilige Anhaltspunkte seitens der Beklagten erkennbar waren. Innere Vorbehalte der Beklagten sind insoweit unerheblich, §116 S. 1 BGB.

Der Auslegung als Vertrag mit einer Wohngemeinschaft steht auch nicht § 9 Nr. 3 des Mietvertrags entgegen. § 9 Nr. 3 des Mietvertrages verlangt nämlich nur bei einer Gebrauchsüberlassung an Dritte die ausdrückliche Genehmigung, jedoch wird die eintretende Partei selbst Partei des Mietvertrages, sodass sie nicht „Dritte“ im Sinne dieser Klausel ist. Auf die Frage der AGB-Wirksamkeit des § 9 Nr. 3 kommt es danach nicht mehr an.

Etwaige Bedenken aus dem Gesichtspunkt der Privatautonomie, dass nämlich der Vermieter gezwungen werden kann, seine Vertragspartner immer wieder zu wechseln, greifen nicht durch, da der Vermieter seine Entscheidungsfreiheit hinsichtlich seines Eigentums selbst gebunden hat, indem er an eine Wohngemeinschaft vermietet hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.01.1993 – 1 BvR 1750/92; AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 24.7.2012 – 24 C 221/11).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bezüglich der Kosten auf §§ 708 Nr. 11 Alt. 2, 711 ZPO.

 

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