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Wohnraummiete: Parabolantenne auf dem Balkon des ausländischen Mieters

AG Hamburg-Altona, Az.: 314b C 95/08, Urteil vom 01.08.2008

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Parabolantenne auf dem Balkon
Foto: Satura / Bigstock

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Entfernung einer Parabolantenne.

Die Klägerin ist Eigentümerin und Vermieterin, der Beklagte ist Mieter der Wohnung … welche sich in einem Mehrfamilienhaus befindet. Es besteht die Möglichkeit der Programmversorgung über das Breitbandkabelnetz.

Nach Nr. 7 Absatz 1 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Mietvertrag bedarf der Mieter zur Anbringung oder Veränderung von Antennen die vorherige schriftliche Zustimmung.

Der Beklagte hat ohne die Zustimmung der Klägerin eine Parabolantenne auf seinem Balkon aufgestellt. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist die Antenne auf einem Stab mit Fuß direkt neben dem Balkongeländer montiert gewesen. Der Antennenarm und ca. ein Drittel der Parabolschüssel haben teilweise über das Balkongeländer geragt. Es wird insoweit auf die als Anlagen eingereichten Fotos (K 1 oberes Foto, Bl. 4 d. A. und B 2, Bl. 33 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin verlangte von dem Beklagten die Entfernung der Parabolantenne. Der Beklagte widersprach unter Hinweis auf seine türkische Herkunft, seine Informationsfreiheit und die bisherige Duldung der Antenne seit 1997.

Die Klägerin ist der Ansicht, die vorliegende Aufstellung der Parabolantenne auf dem Balkon stelle eine Beeinträchtigung ihres Eigentums dar. Sie beruft sich hierzu unter anderem auf die Entscheidungen des BGH vom 10.10.2007 (VIII ZR 260/06) und vom 16.05.2007 (VIII ZR 207/04). Die unstreitige Möglichkeit, mithilfe eines Decoders sowie einer Smart-Card mindestens 9 türkischsprachige Programme – mit Zusatzkosten von monatlich ca. Euro 9,00 bzw. Euro 25,00 je nach Programmpaket – zu empfangen, genüge dem Informationsinteresse des Beklagten. Er sei daher nicht auf eine Parabolantenne angewiesen.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die an der Wohnung Bstraße .. .., 2. OG. links in … Hamburg, im Bereich des Balkons, an der Gebäudefassade installierte Parabolantenne fachgerecht zu entfernen, und die durch die Installation entstandenen Schäden am Gebäude zu beseitigen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Entfernung der Parabolantenne aus § 541 BGB. Die Aufstellung der Parabolantenne in der auf den Fotos gezeigten Weise ist von der Klägerin zu dulden. Sie ist vom vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache gedeckt. Eine ästhetische Beeinträchtigung der Mietsache ist damit nicht verbunden. Das Gericht schließt sich vollumfänglich den zutreffenden Entscheidungen des Amtsgerichts Hamburg-Altona in zwei ähnlich gelagerten Fällen vom 13.12.2007 (Az.: 319 c C 251/07) und vom 10.01.2008 (Az.: 314 b C 383/07) an.

Es kann dahinstehen, ob das hier streitgegenständliche Aufstellen der Parabolantenne unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Klägerin steht oder ob die Regelung gemäß Nr. 7 (1) der AVB die vorliegende Fallgestaltung von vornherein nicht erfasst, weil es an einem „Anbringen“ im Sinne der Klausel fehlt. Denn die Klägerin kann sich auf ihre fehlende Zustimmung nicht berufen, wenn den Beklagten ein Anspruch auf Duldung der Antenne zusteht (vgl. BGH, Urt. v. 16.05.2007, VIII ZR 207/04, zitiert nach juris, Rz. 13). Das ist hier der Fall.

Für die Frage, ob eine Parabolantenne vom Vermieter zu dulden ist oder ob ein Beseitigungsanspruch besteht, bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einer fallbezogenen Interessenabwägung. Dabei ist dem Grundrecht der Mieter aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, Rechnung zu tragen. Andererseits ist das gleichrangige Eigentumsrecht des Vermieters aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2007, VIII ZR 260/06 zitiert nach juris, Rz. 13).

Bei der Verfügbarkeit eines Kabelanschlusses ist nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig ein sachbezogener Grund zur Versagung der Genehmigung einer zusätzlichen Parabolantenne gegeben. Wenn aber weder eine Substanzverletzung noch eine nennenswerte ästhetische Beeinträchtigung des Eigentums des Vermieters zu besorgen ist, sondern die Antenne keine oder lediglich geringfügige optische Beeinträchtigungen verursacht, kann der Vermieter wegen des durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Mieters am zusätzlichen Empfang von (ausländischen) Satellitenprogrammen nach Treu und Glauben verpflichtet sein, einer solchen Aufstellung zuzustimmen (§ 242 BGB). Anders kann es dagegen liegen, wenn eine auf dem Balkon aufgestellte Parabolantenne von außen deutlich sichtbar ist und dadurch zu einer ästhetischen Beeinträchtigung des im Eigentum des Vermieters stehenden Gebäudes führt (vgl. BGH, Urt. v. 16.05.2007, VIII ZR 207/04, zitiert nach juris, Rz. 16).

In Anwendung dieser Maßstäbe ist im vorliegenden Fall ist keine nennenswerte ästhetische Beeinträchtigung des Gebäudes durch die Parabolantenne auf dem Balkon der Beklagten festzustellen.

Das Gebäude, in dem sich die Wohnung der Beklagten befindet, ist ein Mehrfamilienhaus moderner Bauart. Die Fassade wird unter anderem durch die Balkone geprägt, welche von den Mietern unterschiedlich gestaltet werden. Das als Anlage K 1 (oben) eingereichte Foto des Hauses zeigt insgesamt drei Balkone, sofern man den Balkon bzw. die Terrasse im Erdgeschoss nicht berücksichtigt. An den Balkongeländern sind jeweils Blumenkästen angebracht. Auf einem der Balkone ist ein nicht aufgespannter Sonnenschirm zu sehen. Außerdem befinden sich auf allen drei Balkonen Parabolantennen.

Die Frage, welche Gegenstände noch vom erlaubten Mietgebrauch erfasst werden und welche eine unerlaubte optische Beeinträchtigung darstellen, ist eine der Rechtsfindung nur sehr schwer zugängliche Frage. Das Gericht kann allerdings nicht erkennen, dass gerade die Parabolantenne ein schlechthin unzulässiges Element sein soll, das von vornherein unästhetisch oder sonst beeinträchtigend wäre. So weisen beispielsweise aufgespannte Sonnenschirme eine vergleichbare Form wie eine Parabolantenne auf. Gleichwohl ist zweifelsohne von einer erlaubten Nutzung auszugehen, obwohl sie durch ihre Größe und Farbe viel auffälliger sein können als eine Parabolantenne. Allein der Umstand, dass ein Sonnenschirm in Hamburg eher selten aufgespannt sein wird, während die Parabolantenne regelmäßig permanent aufgestellt ist, ist kein sinnvolles Unterscheidungskriterium. Denn viele andere Dinge mit Außenwirkung sind ähnlich permanent auf Balkonen vorhanden wie eine Parabolantenne, ohne dass die Berechtigung zur Aufstellung angezweifelt werden kann (vgl. AG Hamburg Altona, Urt. v. 13.12.2007 a. a. O). So befinden sich auf Balkonen neben Balkonmöbeln gelegentlich beispielsweise auch Schränke und Kühlschränke.

Dadurch, dass die Klägerin dem Beklagten die Wohnung nebst zugehörigem Balkon vermietet hat, ist sie nach § 535 Abs. 1 BGB verpflichtet, ihm den Gebrauch daran zu gewähren. Der Beklagte ist grundsätzlich berechtigt, den Balkon für ihm geeignet erscheinende Zwecke zu benutzen, soweit es sich dabei um Wohnzwecke handelt. In diesem Rahmen umfasst „Wohnen“ alles, was zur Benutzung der Wohnung einschließlich des Balkons als existenziellem Lebensmittelpunkt der Mieter gehört, also die gesamte Lebensführung der Mieter in allen Ausgestaltungen und mit allen Bedürfnissen. Diese Berechtigung findet ihre Grenze erst dort, wo in die Substanz der Mietsache selbst eingegriffen wird oder wo vermeidbare Belästigungen anderer Mieter oder Dritter auftreten bzw. unverhältnismäßige optische Beeinträchtigungen der Hausfassade die Folgen der Anbringung sind (vgl. LG Hamburg, Urt. v. 22.12.2005, 307 S 139/05, zitiert nach juris ). Diese Grenze ist vorliegend nicht überschritten.

Die Befestigung der Parabolantenne auf einem Ständer mit Fuß stellt keine Substanzverletzung dar. Zudem kann aufgrund der eingereichten Fotos keine unverhältnismäßige optische Beeinträchtigung festgestellt werden. Die streitgegenständliche Parabolantenne ist in dem Bereich des Balkons aufgestellt, welcher dem Mieter überlassen worden ist. Selbst wenn sie mit ihrem Antennenarm und etwa einem Drittel der Parabolschüssel über das Balkongeländer hinaus ragt, wird die Hausfassade dadurch nicht geprägt. Vielmehr werden andere Mieter oder Betrachter die Parabolantenne als eine Lebensäußerung des diesen Balkon bewohnenden Mieters auffassen. Wer Wohnungen vermietet und dadurch Menschen dazu einlädt, ihren Lebensmittelpunkt in dem Gebäude zu wählen, muss insofern auch die Lebensäußerungen dieser Menschen akzeptieren, welche sich in der individuellen Gestaltung der Balkone auswirken. Der Vermieter darf sich insofern nicht darüber beklagen, dass das Gebäude dann mit diesen Gegenständen von Dritten wahrgenommen wird.

Aus den von der Klägerin zitierten Entscheidungen des BGH vom 10.10.2007 und 16.05.2007 (a. a. O.) folgt nichts anderes. In seiner Entscheidung vom 10.10.2007 hat der BGH betont, dass es eine tatrichterliche Feststellung sei, ob eine Parabolantenne eine ästhetische Beeinträchtigung eines Gebäudes darstelle oder nicht. Folgerichtig hat er die Entscheidung des Berufungsgerichts, in der genau dieses tatrichterlich festgestellt wurde, respektiert und gegen die Angriffe der Revision verteidigt. In der weiteren Entscheidung vom 16.05.2007 hat der BGH hingegen festgestellt, dass das Berufungsgericht verkannt habe, die erforderlichen Feststellungen zu dem Ausmaß der durch die Antenne konkret verursachten optischen Beeinträchtigungen zu treffen, so dass die Entscheidung der Berufungsinstanz der rechtlichen Überprüfung nicht standgehalten hat. Auch nach Auffassung dieses Gerichts kann es Parabolantennen geben, die die Optik einer Fassade so empfindlich stören, dass sie entfernt werden müssen. Da dies im vorliegenden Fall jedoch nicht festgestellt werden kann, ist das Ergebnis in diesem Fall ein anderes. Denn der BGH hat gerade nicht entschieden, dass jede Parabolantenne eine Eigentumsbeeinträchtigung bedeutet, sondern er hat sich in seiner Entscheidung vom 10.10.2007 mit der Frage beschäftigt, wie ein Fall weiter zu behandeln ist, wenn die ästhetische Beeinträchtigung tatrichterlich festgestellt worden ist (vgl. AG Hamburg-Altona, a. a. O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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