Das Paradox der „Zweizimmerwohnung“: Ein Mietrechtsfall mit unerlaubter Untervermietung
In einem bemerkenswerten Fall von Mietsrechtsstreitigkeiten ist das Amtsgericht Berlin-Mitte mit einer außergewöhnlichen Situation konfrontiert: Mieter einer Zweizimmerwohnung, die eine zusätzliche, größere Wohnung anmieten und die kleinere Wohnung ihrer Tochter überlassen, ganz ohne die Erlaubnis der Vermieterin. Dieser Fall, der von der Juristin in mir als faszinierend eingestuft wird, bringt eine Vielzahl von Rechtsfragen auf den Tisch, die sich mit der unerlaubten Gebrauchsüberlassung an Dritte befassen.
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Übersicht
Einblick in den Mietvertrag
In diesem Fall mieteten die Beklagten, ein Ehepaar, im Juli 1981 eine etwa 51,18 Quadratmeter große Zweizimmerwohnung. Der Mietvertrag schloss eine Untervermietung oder sonstige Gebrauchsüberlassung an Dritte aus, es sei denn, der Vermieter gab seine schriftliche Einwilligung. In Fällen einer nicht genehmigten Untervermietung sah der Vertrag vor, dass der Vermieter das Recht hat, die Kündigung des Mietverhältnisses zu verlangen.
Die Konstellation des Mietverhältnisses
Die Klägerin trat als neue Eigentümerin des Grundstücks und damit des Mietverhältnisses in Erscheinung. Später mieteten die Beklagten eine weitere, größere Wohnung an, in die sie eindeutig einzogen. Diese neue Wohnung war weniger als 2 km von der ursprünglichen Wohnung entfernt. Die Tochter der Beklagten, ebenfalls eine Beklagte in diesem Fall, lebte in der ursprünglichen Wohnung, und ihr Name wurde am Klingelschild und am Hausbriefkasten angebracht.
Die Kündigung des Mietverhältnisses
Mit einem Schreiben vom Oktober 2019 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis ordentlich, da die Beklagten die Wohnung ohne ihre Erlaubnis vollständig einer anderen Person überlassen hätten. Im August 2020, als die Gebrauchsüberlassung fortbestand, sprach die Klägerin die fristlose, hilfsweise erneut die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses aus. Sie behauptete, die Beklagten hätten die Wohnung vollständig ihrer Tochter überlassen und würden ausschließlich in der neuen Wohnung wohnen.
Die endgültige Entscheidung
Das Amtsgericht Berlin-Mitte wies die Klage ab und entschied, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wobei die Klägerin die Möglichkeit hat, die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden.
Die Auseinandersetzung um den Wohnraum beleuchtet die Notwendigkeit, die Bestimmungen des Mietvertrages zu respektieren und zugleich die Wichtigkeit, eine klare Kommunikation zwischen Vermieter und Mieter sicherzustellen, um Missverständnisse und rechtliche Konflikte zu vermeiden.
Das vorliegende Urteil
AG Berlin-Mitte – Az.: 123 C 5105/19 – Urteil vom 07.07.2021
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert wird auf 1.639,44 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beklagten zu 1 und 2 mieteten mit Mietvertrag vom 01.07.1981 vom damaligen Eigentümer die im Klageantrag näher bezeichnete, ca. 51,18 Quadratmeter große Zweizimmerwohnung. In § 9 Ziff. 2 des Mietvertrages heißt es:
„Untervermietung oder sonstige Gebrauchsüberlassung an Dritte darf nur mit schriftlicher Einwilligung des Vermieters erfolgen. Bei unbefugter Untervermietung kann der Vermieter verlangen, daß der Mieter sobald wie möglich, spätestens jedoch binnen Monatsfrist, das Untermietverhältnis kündigt. Geschieht dies nicht, so kann der Vermieter das Hauptmietverhältnis fristlos kündigen. […]“
Für die weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die als Anlage K1 zur Klageschrift gereichte Ablichtung des Mietvertrages Bezug genommen.
1982 wurde die erste Tochter der Beklagten zu 1 und 2 – die Beklagte zu 3 – geboren. 1985 kam ihre Schwester – die Zeugin … – zur Welt. Gemeinsam mit ihren Töchtern lebten die Beklagten zu 1 und 2 zunächst in der von der Klägerin vermieteten Wohnung. Zu einem zwischen den Parteien streitigen Zeitpunkt mieten sie in der … eine weitere – größere – Wohnung an, in der die Beklagten zu 1 und 2 (unstreitig jedenfalls auch) einzogen. Diese liegt weniger als 2 km von der hiesigen Wohnung entfernt und lässt sich fußläufig in weniger als 20 Minuten erreichen.
Die Klägerin trat als neue Eigentümerin des Grundstückes, auf dem sich die Mietsache befindet, in das Mietverhältnis ein. Am 05.07.2017 wurde sie in das Grundbuch eingetragen. Für die weiteren Einzelheiten der Erwerbskette wird auf S. 2 f. der Klageschrift sowie den als Anlage K5 zum Schriftsatz vom 13.08.2020 eingereichten Grundbuchauszug Bezug genommen (Bl. 2 f./Bl. 47 ff. d.A.). Die derzeitige Nettokaltmiete beträgt 136,62 EUR.
Mit Schreiben vom 18.10.2019, das den Beklagten zu 1 und 2 am selben Tag zuging, kündigte die Klägerin über die … das Mietverhältnis ordentlich zum 31.07.2020, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Die Beklagten zu 1 und 2 hätten die Mietsache ohne Erlaubnis der Klägerin vollständig an Frau … überlassen.
Die Beklagte zu 3 lebt in der Wohnung. Der Name … ist sowohl am Klingelschild als auch am Hausbriefkasten angebracht.
Mit Schriftsatz vom 13.08.2020 sprach die Klägerin wegen der fortbestehenden Gebrauchsüberlassung die fristlose, hilfsweise erneut die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses aus (vgl. S. 2 des Schriftsatzes, Bl. 46 d.A.).
Die Klägerin behauptet, die Beklagten zu 1 und 2 hätten die Wohnung vollständig der Beklagten zu 3 überlassen. Sie würden längst ausschließlich in der Wohnung in der … wohnen und hätten ihr Nutzungsrecht an der Wohnung der Klägerin vollständig auf die Beklagte zu 3 übertragen. Sie meint, hierin liege eine erhebliche Pflichtverletzung, die sie jedenfalls zur ordentlichen Kündigung berechtige.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die von ihnen innegehabte Wohnung in der … Seitenflügel 2. OG links, bestehend aus 2 Zimmern, 1 Kammer, 1 Küche, 1 Toilette, mit einer Wohnfläche von ca. 51,18 m2 zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen,
hilfsweise eine angemessene Räumungsfrist von mindestens einem Jahr zu bewilligen sowie den Beklagten zu gestatten, gemäß § 712 Abs. 1 ZPO die vorläufige Vollstreckbarkeit eines Räumungsurteils ohne Rücksicht auf die von der Klägerin zu leistende Sicherheit durch eigene Sicherheitsleistung abzuwenden.
Sie behaupten, die Beklagten zu 1 und 2 würden die Wohnung weiter bewohnen und sich dort regelmäßig aufhalten. Sie besäßen uneingeschränkten Zugang zum Mietobjekt und verfügten nach wie vor über Haus-, Wohnungs-, Briefkasten- und Kellerschlüssel. Bis zum Jahr 1998 hätten sie mit ihren Kindern in der … gelebt und seien dann mit der jüngeren Tochter in die … gezogen. Sie – die Beklagten zu 1 und 2 – seien nie vollständig im Sinne einer vollständigen Besitzaufgabe ausgezogen, ihr Mobiliar befinde sich auch weiter in der Wohnung. Nach dem Bezug der weiteren Wohnung habe sich die Haushaltsführung auf beide Wohnungen erstreckt. Sie würden sich auch weiter zwei bis dreimal pro Woche in der Wohnung aufhalten und dort haushaltstypische Tätigkeiten wie Reinigung der Wohnung, Reparaturen, Wäschepflege, Erledigen der Post sowie Pflege der Hobbys ausüben. Es würden gemeinsame Mahlzeiten gekocht und eingenommen.
Zu den Fragen, ob die Beklagten zu 1 und 2 die Wohnung zum Zeitpunkt des erneuten Einzuges der Beklagten zu 3 weiter nutzten und die Nutzung fortbesteht hat das Gericht die Beklagten persönlich angehört und die Zeugin … vernommen. Für das Ergebnis wird auf das Sitzungsprotokoll vom 31.05.2021 (Bl. 121 ff. d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Insbesondere kommt es auf die ursprünglich streitigen Voraussetzungen des § 259 ZPO nicht mehr an. Die Klägerin verlangt, nachdem die Kündigungsfrist mittlerweile abgelaufen ist, nicht mehr die zukünftige, sondern die sofortige Räumung.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten aus § 546 Abs.1 bzw. Abs. 2 BGB bzw. § 985 BGB auf Räumung der Wohnung. Es besteht nach wie vor ein wirksamer Mietvertrag zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 1 und 2.
Die Aktivlegitimation der Klägerin haben die Beklagten auf die Vorlage des Grundbuchauszuges mit der Anlage K5 nicht mehr in Abrede gestellt.
Das Mietverhältnis wurde nicht durch die Kündigung vom 18.10.2019 beendet.
Seitens der Beklagten zu 1 und 2 fehlt es an einer vertragswidrigen Überlassung der Wohnung an einen Dritten i.S.v. §§ 540, 553 BGB und damit an einem Kündigungsgrund nach §§ 569, 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Mieterinnen und Mieter sind ohne die Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, den Gebrauch der Mietsache einem Dritten zu überlassen. Die Beklagte zu 3 war zum Zeitpunkt der Gebrauchsüberlassung an sie jedoch nicht Dritte im Sinne der Vorschrift. Gem. § 540 BGB ist „Dritter“ im Sinne des § 540 BGB zunächst jede Person, die nicht Partei des Mietvertrages ist. Hiervon ausgenommen sind nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift jedoch die Familie des Mieters wegen ihrer engen, unter dem ausdrücklichen Schutz der Verfassung (Art. 6 GG) stehenden persönlichen Beziehung (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2003 – VIII ZR 371/02 -, juris Rn. 16). Das Recht zur Aufnahme von Ehegatten und nahen Verwandten besteht, solange der Mieter die Wohnung noch in eigener Person nutzt (vgl. Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, 6. Aufl. 2020, BGB § 540 Rn. 31).
Dass die Beklagte zu 3 die Tochter der Beklagten zu 1 und 2 ist, hat die Klägerin nach Vorlage der Abstammungsurkunde (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 14.09.2020, Bl. 59 d.A.) nicht mehr in Abrede gestellt. Die (teilweise) Gebrauchsüberlassung an die Beklagte zu 3 anlässlich ihrer Geburt war nicht erlaubnispflichtig. Zu diesem Zeitpunkt haben die Beklagten zu 1 und 2 unstreitig die Wohnung bewohnt.
Es steht auch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagten zu 1 und 2 die Wohnung in der … zu dem Zeitpunkt, als die Beklagte zu 3 im Jahr 2003 nach ihrem zwischenzeitlichen Auszug (wieder) dort einzog nach wie vor in eigener Person als Zweitwohnsitz nutzten und nicht endgültig ausgezogen waren. Unstreitig haben die Beklagten zu 1 und 2 für die Wohnung in der … in der Vergangenheit die Zweitwohnsitzsteuer entrichtet. Eine Nutzung als Zweitwohnung ergibt sich auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Das Gericht verkennt nicht, dass die Angaben der Beklagten zu 1 und 2 sowie der Beklagten zu 3 im Rahmen ihrer persönlichen Anhörungen durch teilweise unkonkrete Angaben geprägt waren und auch Widersprüchlichkeiten aufwiesen, auf die die Beklagte in ihrer nachgelassenen Stellungnahme im Ausgangspunkt zu Recht hingewiesen hat. Es kommt hier jedoch im Kern nicht darauf an, ob die Angaben der Beklagten zu dem Maß der Nutzung sämtlich zutreffend sind. Entscheidend ist allein, dass nach der Überzeugung des Gerichts die Beklagten zu 1 und 2 im Jahr 2003 nicht vollständig aus der Wohnung in der … ausgezogen waren und dort jedenfalls zunächst gemeinsam mit der Beklagten zu 3 einen Haushalt führten. Unstreitig haben die Beklagten zu 1 und 2 nach deren Geburt mit ihren Kindern gemeinsam in der Wohnung in der … gelebt. Übereinstimmend und glaubhaft schilderten die Beklagten, dass 1996 die neue Wohnung in der … hinzukam, die jedoch erst aufwändig instandgesetzt werden musste, was die Beklagten und insbesondere der Beklagte vorwiegend in Eigenleistung übernahmen. Dies bestätigte auch die Zeugin …, die die Renovierung ebenso wie die Beklagten lebhaft als langwierigen Prozess schilderte, der unter anderem dazu führte, dass beide Wohnungen weiter genutzt wurden, etwa, wenn umfangreichere Arbeiten in der Wohnung in der … erforderlich waren. Zwar bestätigte die Zeugin die Angabe ihrer Mutter, der Beklagten zu 1, sie habe in dem Zeitraum ihres Gymnasiumbesuchs vorwiegend in der … übernachtet, nicht. Sie sagte vielmehr im Gegenteil aus, dass sie ab dessen Beginn vor allem in der … übernachtet habe. Es kann aber nicht außer Betracht gelassen werden, dass es sich hierbei um mehr als 20 Jahre zurückliegende Vorgänge handelt, bei denen ohne weiteres denkbar ist, dass die Beklagte zu 1 sich falsch erinnerte. Zudem sagte auch die Zeugin aus, es sei in dieser Zeit durchaus vorgekommen, dass sie in der … übernachtete. Aus diesen Widersprüchlichkeiten folgt deshalb nicht, dass nicht glaubhaft wäre, dass die Beklagte zu 1 und 2 die Wohnung zu dem Zeitpunkt, als die Beklagte zu 3 dort wieder einzog, nicht noch maßgeblich nutzten. Insbesondere haben die Beklagte zu 3 sowie die Beklagte zu 1 glaubhaft und übereinstimmend geschildert, dass die Beklagte zu 3 sich zu diesem Zeitpunkt in einer persönlich sehr schwierigen Lage befand, in der sie der engen Unterstützung durch die Beklagten zu 1 und 2 dringend bedurfte. Insofern ist es auch plausibel, dass die Beklagten zu 1 und 2 in der Zeit der Rückkehr der Beklagten zu 3 zeitweise mit dieser gemeinsam in der Wohnung in der … lebten. Die Zeugin hat glaubhaft bestätigt, dass sich ihre Eltern in dieser Zeit um ihre Schwester gekümmert haben und sich mal in der einen und mal in der anderen Wohnung aufhielten. Die Beklagten und die Zeugen haben zudem übereinstimmend geschildert, dass es einen Auszug im engeren Sinne aus der … nie gegeben habe, sondern durchgängig beide Wohnungen genutzt wurden und die dortigen Hausratsgegenstände in der … verblieben. Soweit die Klägerin meint, für die Unstimmigkeiten in den Aussagen gebe es nur eine mögliche Erklärung, nämlich, dass die Wohnung immer wieder unzulässig untervermietet worden sei, geht dies fehl. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Mutmaßung ins Blaue hinein, für die es ihrerseits an jedem konkreten Anhaltspunkt fehlt. Für die Widersprüchlichkeiten sind viele Erklärungen denkbar, von denen aber keine mit hinreichendem Gewicht dafürspricht, dass die hier relevanten Umstände unzutreffend wären.
Es liegt auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Beklagten zu 1 und 2 die Wohnung möglicherweise mittlerweile in geringerem Maße nutzen, als dies zum Zeitpunkt des Wiedereinzuges der Beklagten zu 3 der Fall war, keine unberechtigte Gebrauchsüberlassung an eine Dritte vor. § 540 Abs. 1 Satz 1 dokumentiert den im Mietrecht herrschenden Grundsatz, dass der Mieter den Mietgebrauch grundsätzlich nur in eigener Person ausüben darf. Dahinter steht die Vorstellung des Gesetzgebers, dass die Miete ein persönliches, von gegenseitigem Vertrauen getragenes Rechtsverhältnis ist, so dass sich der Vermieter nicht gegen seinen Willen einen anderen Mieter aufdrängen lassen muss (vgl. BeckOK BGB/Wiederhold, 55. Ed. 1.8.2020 Rn. 1, BGB § 540 Rn. 1). Eine Beeinträchtigung der Vermieterbelange kommt aber erst dann in Betracht, wenn die Mieterseite den Gewahrsam über die Wohnung vollständig aufgeben, den sie treffenden Obhutspflichten nicht mehr nachkommen und nicht mehr oder nur noch unter Erschwernissen als Ansprechpartner für sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Fragen zur Verfügung stünde (vgl. LG Hamburg, NJW-RR 2000, 602/603). So liegt es hier aber nicht. Bis zum letzten Termin der mündlichen Verhandlung war unstreitig, dass die Beklagten zu 1 und 2 weiter über Schlüssel, die den Zugang zur Wohnung ermöglichen, verfügen. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch zur Überzeugung des Gerichts fest. Die Klägerin hat auch nicht dargetan, dass die Beklagten zu 1 und 2 ihren Obhutspflichten nachgekommen wären bzw. nicht mehr als Ansprechpartner für die Wohnung zur Verfügung standen und stehen. Vielmehr haben sie etwa auf die Kündigung der Klägerin umgehend und in eigener Person reagiert.
Auf die von der Klägerin bestrittenen Umstände des Maßes der weiteren Nutzung durch die Beklagten zu 1 und 2 kommt es nicht an. Denn diese Frage berührt ihre Interessen nicht. Die Beklagten haben in diesem Zusammenhang auch zu Recht darauf hingewiesen, dass es für den Wohnraummieter keine Gebrauchspflicht gibt (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 14. Aufl. 2019, BGB § 535 Rn. 255).
Dementsprechend fehlt es auch für die weitere Kündigung im Schriftsatz vom 13.08.2020 an einer zur außerordentlichen fristlosen bzw. ordentlichen fristgemäßen Kündigung berechtigenden Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 und 2.
Nach alledem kann dahinstehen, ob – eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 und 2 unterstellt – diese auch erheblich wäre und damit zur außerordentlichen bzw. ordentlichen Kündigung berechtigen würde. Zu § 553 BGB a.F. hat der BGH entschieden, dass es den Vermieter zur fristlosen Kündigung berechtige, wenn der Mieter einem Dritten den ihm unbefugt überlassenen Gebrauch der Mietsache ungeachtet einer Abmahnung des Vermieters belässt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass – wie teilweise vertreten wird -, die unberechtigte Gebrauchsüberlassung eine erhebliche Pflichtverletzung im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB bereits indiziere (so aber GE 2020, 1299). Es ist bislang vielmehr höchstrichterlich ungeklärt, ob eine etwaig in der vollständigen Gebrauchsüberlassung an ein Familienmitglied liegende Pflichtverletzung mangels hinreichend ins Gewicht fallender wirtschaftlicher oder sonstiger Nachteile des Vermieters überhaupt geeignet wäre, dessen Rechte in dem von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB geforderten „erheblichen Maße“ zu verletzen (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 28.07.2020 – 67 S 299/19 -, juris Leitsatz/Rn. 5). Es muss auch nicht entschieden werden, ob die Vermieterin nicht gegen Treu und Glauben verstößt (§ 242 BGB), wenn sie – wie hier die Klägerin – die Kündigung auf eine Pflichtverletzung stützt, die ihren eigenen Angaben nach seit 2003 und damit zum Zeitpunkt der (ersten) Kündigung bereits seit 16 Jahren fortbestand bzw. fortbesteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 1 und 2 ZPO.