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Wohnungsherausgabe – Berechnung der Frist für Antrag auf Verlängerung der Räumungsfrist

Verlängerung der Räumungsfrist: Ein Fall von Mietrecht und Pandemie

In diesem Fall, der vor dem Landgericht Berlin (LG Berlin) verhandelt wurde, ging es um die Verlängerung einer Räumungsfrist für eine Wohnung. Der Beklagte hatte sich in einem gerichtlichen Vergleich dazu verpflichtet, die von ihm bewohnte Wohnung bis zum 29. Februar 2020 zu räumen und herauszugeben. Am 17. Februar 2020 beantragte er jedoch beim Amtsgericht Charlottenburg eine Verlängerung der Räumungsfrist bis zum 19. Juni 2020.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 64 T 40/20 >>>

Die Entscheidung des Amtsgerichts

Das Amtsgericht Charlottenburg wies den Antrag des Beklagten zurück. Es argumentierte, dass der Antrag nach Ablauf der in § 794a Abs. 1 Satz 2 ZPO bestimmten Antragsfrist gestellt worden sei. Zudem habe der Beklagte nicht nachgewiesen, dass sich seit Abschluss des Vergleichs wesentliche Änderungen in Bezug auf seine Fähigkeit zur Räumung ergeben hätten. Gegen diese Entscheidung legte der Beklagte sofortige Beschwerde ein.

Die Entscheidung des Landgerichts Berlin

Das Landgericht Berlin entschied zugunsten des Beklagten. Es gewährte ihm die beantragte Räumungsfrist bis zum 19. Juni 2020. Die Begründung des Gerichts beruhte auf der aktuellen Pandemie-Situation, die es dem Beklagten praktisch unmöglich gemacht habe, eine andere Wohnung zu finden und anzumieten. Diese unvorhersehbare Änderung der äußeren Umstände, die sich erst nach dem im Vergleich vereinbarten Räumungstermin manifestiert habe, rechtfertige die Entscheidung.

Die rechtzeitige Antragstellung

Das Gericht stellte auch fest, dass der Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist rechtzeitig gestellt hatte. Nach § 794a Abs. 1 Satz 2 ZPO wäre das Fristende am 15. Februar 2020, einem Samstag, gewesen. Gemäß § 222 Abs. 2 ZPO wäre die Frist jedoch erst am ersten darauf folgenden Werktag, also am 17. Februar 2020, abgelaufen. An diesem Tag war die Antragsschrift beim Amtsgericht Charlottenburg eingegangen.

Die Kosten des Verfahrens

Da die begehrte Räumungsfrist bewilligt wurde, entschied das Gericht, dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens um die Gewährung einer Räumungsfrist zu tragen hat. Dies folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Eine Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren musste nicht erfolgen, da sich die Gerichtskosten nicht nach dem Streitwert richten. Es fiel gemäß Nr. 2121 GKG-KV in diesem Fall keine Gerichtsgebühr an.

Dieser Fall zeigt, wie das Mietrecht und unvorhersehbare Umstände wie eine Pandemie zusammenwirken können. Es unterstreicht auch die Bedeutung der rechtzeitigen Antragstellung und der Kostenverteilung in Gerichtsverfahren.


Das vorliegende Urteil

LG Berlin – Az.: 64 T 40/20 – Beschluss vom 20.05.2020

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg – 222 C 20/19 – vom 27. Februar 2020 geändert und wie folgt neu gefasst:

Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 19. Juni 2020 gewährt.

Die Kosten des Verfahrens um die Gewährung einer Räumungsfrist hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

I.

Die Parteien haben am … 2019 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, mit dem der Beklagte sich verpflichtet hat, die von ihm innegehaltene Wohnung bis spätestens 29. Februar 2020 zu räumen und herauszugeben. Der Beklagte hat am 17. Februar 2020 bei dem Amtsgericht Charlottenburg beantragt, ihm eine Räumungsfrist bis 19. Juni 2020 zu gewähren (vgl. Bl. 115 f. d. A.). Das Amtsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 27. Februar 2020 zurückgewiesen, da er nach Ablauf der in § 794a Abs. 1 Satz 2 ZPO bestimmten Antragsfrist angebracht worden sei und der Beklagte im Übrigen nicht aufzeige, dass sich in Bezug auf seine Räumungsfähigkeit seit Abschluss des Vergleichs wesentliche Änderungen ergeben hätten. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde vom 12. März 2020, die am selben Tag bei dem Amtsgericht Charlottenburg eingegangen ist. Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 1. April 2020 nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gemäß §§ 794a Abs. 4, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und gemäß § 569 ZPO auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden; der Beschluss ist dem Beklagten jedenfalls nicht vor dem 27. Februar 2020 zugestellt worden und die Beschwerdeschrift ist am 12. März 2020 bei dem Amtsgericht eingegangen.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Dem Beklagten ist die begehrte Räumungsfrist bis zum 19. Juni 2020 antragsgemäß zu gewähren; dem Kläger ist die – aus heutiger Sicht nur noch geringfügige – Verzögerung der Wohnungsrückgabe um etwa einen Monat im Interesse der Vermeidung einer Obdachlosigkeit des Beklagten zuzumuten. Es ist für den Beklagten wegen der grassierenden Pandemie jedenfalls in den vergangenen zwei Monaten praktisch ausgeschlossen gewesen, erfolgreich eine andere Wohnung zu finden und anzumieten. Auch wenn diese nicht vorhersehbare Änderung der äußeren Umstände sich erst nach dem im Vergleich vereinbarten Räumungstermin während des Beschwerdeverfahrens manifestiert hat, rechtfertigt dies die beantragte Entscheidung. Diese hat auf Grundlage des Sach- und Streitstands im Zeitpunkt der Beschlussfassung zu ergehen, nicht auf Basis eines fiktiven Sachverhalts und bloß der im Zeitpunkt der Antragstellung oder des vereinbarten Räumungstermins vorliegenden Erkenntnisse.

Entgegen der mit Verfügung des zunächst originär zuständigen Einzelrichters vom 29. April 2020 angeführten früheren Rechtsansicht der Kammer, hat der Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist rechtzeitig gestellt. Das sich nach § 794a Abs. 1 Satz 2 ZPO ergebende Fristende des 15. Februar 2020 war ein Samstag, sodass gemäß § 222 Abs. 2 ZPO die Frist erst am ersten darauf folgenden Werktag, mithin am 17. Februar 2020 abgelaufen wäre. An diesem Tag ist die Antragsschrift bei dem Amtsgericht Charlottenburg eingegangen.

Die Kammer hält an ihrer im Jahr 1993 noch vertretenen Ansicht nicht fest, dass § 222 Abs. 2 ZPO auf das sich aus §§ 721 Abs. 2 Satz 2, 794a Abs. 1 Satz 2 ZPO ergebende Fristende für die Anbringung eines Antrags auf Gewährung einer Räumungsfrist nicht anwendbar sei, da es sich nicht um eine dem Petenten gesetzte Frist handele und er den Antrag zu einem beliebigen früheren Zeitpunkt stellen könne (vgl. LG Berlin – 64 T 36/92, 64 T 38/92 -, Beschl. v. 03.04.1992, NJW-RR 1993, 144). Denn dieses Argument spräche schon ganz grundsätzlich gegen die Anwendung des § 222 Abs. 2 ZPO; für jedes Fristende gilt, dass die danach präkludierte Handlung auch schon vor dem Tag des Fristablaufs vollzogen werden kann – aber eben nicht vollzogen werden muss (vgl. Münzberg, WuM 1993, 9 f.). Auch das Argument, „die Zweiwochenfrist“ (nach §§ 721 Abs. 2 Satz 2, 794a Abs. 1 Satz 2 ZPO) diene dem Schutz des Vermieters oder gar des Gerichts, sodass eine analoge Anwendung des § 222 ZPO ausscheide, geht fehl. Die Frist, um die es vorliegend geht, endet typischerweise vor „der Zweiwochenfrist“, die nur für die Ermittlung des Tages des eigentlichen Fristendes für den Räumungsfristantrag relevant ist, aber selbst nicht eingehalten werden muss. Diese, also die Frist für die Anbringung des Antrages auf Gewährung einer Räumungsfrist, ist eine echte, in der ZPO bestimmte Frist, auf die deshalb § 222 Abs. 2 ZPO richtigerweise unmittelbar und nicht nur entsprechend anzuwenden ist (vgl. Münzberg, a. a. O., S. 10; Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 721 Rn. 8).

Nachdem die begehrte Räumungsfrist bewilligt wird, bedarf der nach §§ 794a Abs. 1 Satz 5, 732 Abs. 2 ZPO zu würdigende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung keiner Entscheidung.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens um die Gewährung einer Räumungsfrist folgt § 91 Abs. 1 ZPO. Eine Streitwertfestsetzung hat nach § 63 GKG für das Beschwerdeverfahren nicht zu erfolgen, da sich die Gerichtskosten nicht nach dem Streitwert richten; vielmehr fällt gemäß Nr. 2121 GKG-KV vorliegend gar keine Gerichtsgebühr an.

 

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