Skip to content
Menü

Zurückbehaltungsrecht an Betriebskostenvorauszahlungen – Folgen

AG Wiesbaden – Az.: 93 C 2176/17 (22) – Urteil vom 29.01.2018

Das Versäumnisurteil vom 31.7.2017 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger mit Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten im schriftlichen Vorverfahren entstandenen Kosten. Diese tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die jeweils andere Partei vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.594,52 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Nebenkostenforderungen aus einem Mietverhältnis.

Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung im Anwesen … in Wiesbaden, deren Eigentümer und Vermieter der Kläger ist. Mietvertraglich ist eine monatliche Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 160 € vereinbart.

Zumindest in den Jahren 2013 und 2014 hatte der Kläger gegenüber den Beklagten die Betriebskosten nicht abgerechnet. Im Jahr 2016 rechnete der Kläger mit einem auf August 2016 datierten Schreiben (Bl. 8 d.A.) die Betriebskosten für 2015 gegenüber den Beklagten ab, wobei die Abrechnung unter Berücksichtigung einer Zahlung der Beklagten in Höhe von 360 € einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1.794,52 € ergab. Die Beklagten leisteten im Jahr 2015 sowie in den Monaten Januar bis Mai 2017 keine Vorauszahlungen auf die Betriebskosten. Die Zahlung in Höhe von 360 € hatten die Beklagten im Mai 2015 getätigt, da ihnen aufgefallen war, dass sie sich zuvor über die Höhe der Vorauszahlungen geirrt hatten und insgesamt 360 € zu viel einbehalten hatten.

Der Kläger ist der Ansicht, von den Beklagten die Nachzahlung für 2015 in der geltend gemachten Höhe verlangen zu können. Außerdem stehe ihm ein Anspruch auf Zahlung der Vorauszahlungen für die Monate Januar bis Mai 2017 in Höhe von insgesamt 800 € zu.

Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an ihn 2.594,52 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Nachdem die Beklagten nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Klageschrift ihre Verteidigungsbereitschaft angezeigt hatten, hat das Gericht sie mit Versäumnisurteil vom 31.7.2017 antragsgemäß verurteilt. Hiergegen haben die Beklagten fristgerecht Einspruch eingelegt.

Der Kläger beantragt, das Versäumnisurteil vom 31.7.2017 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagten beantragen, das Versäumnisurteil vom 31.7.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagten machen geltend, ihnen habe im Hinblick auf die Nebenkostenvorauszahlungen sowohl im Jahr 2015 als auch noch im Jahr 2017 ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden, da der Beklagte bisher nicht über die Betriebskosten für die Jahre 2012-2014 abgerechnet habe.

Der Kläger behauptet, er habe über die Nebenkosten für das Jahr 2012 abgerechnet. Den Beklagten habe kein Zurückbehaltungsrecht zugestanden, da sie sich nicht vorher wirksam gegenüber ihm auf dieses berufen hätten.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Das Versäumnisurteil ist deshalb aufzuheben.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen durchsetzbaren Anspruch auf Nachzahlung von Betriebskosten für das Abrechnungsjahr 2015 in Höhe von 1.794,52 €. Den Beklagten stand bereits im Jahr 2015 ein Zurückbehaltungsrecht an den Nebenkosten zu, da der Kläger über die Betriebskosten für das Abrechnungsjahr 2013 nicht bis Ablauf der Abrechnungsfrist gemäß § 556 Abs. 3 S. 2 BGB abgerechnet hatte (vgl. BGH, Urteil vom 29. 3. 2006 – VIII ZR 191/05 -, NJW 2006, S. 2552 <2553>). Auch für das Abrechnungsjahr 2014 erfolgte die Abrechnung nicht fristgerecht bis zum 31.12.2015.

Das Zurückbehaltungsrecht an den Vorauszahlungen hat auch zur Folge, dass nicht eine Nachforderung gestellt werden kann, die nur zu Stande kam, weil keine Vorauszahlungen geleistet worden waren. Ansonsten könnte der Vermieter im Rahmen der Abrechnung das Zurückbehaltungsrecht des Mieters aushebeln. Das Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB ist – anders als die Aufrechnung – nicht davon abhängig, dass sich derjenige, dem es zusteht, vorher ausdrücklich gegenüber dem an sich Leistungsberechtigten darauf beruft bzw. die Zurückbehaltung erklärt. Es stellt eine Einrede da, die zu berücksichtigen ist, soweit sich der Berechtigte im Prozess auf sie beruft. Dies haben die Beklagten getan.

Auch im Jahr 2017 stand den Beklagten gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Betriebskostenvorauszahlung das Zurückbehaltungsrecht zu, da bis heute nicht über die Betriebskosten für die Jahre 2013 und 2014 abgerechnet ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Summe der zurückbehaltenen Vorauszahlungen nicht die Vorauszahlungen in den nicht abgerechneten Perioden übersteigen darf (vgl. KG, Urteil vom 15.10.2001 – 8 U 2549/00 -juris-, Rn. 32). Nicht abgerechnet wurden vorliegend unstreitig mindestens zwei Abrechnungsjahre, für die insgesamt Vorauszahlungen in Höhe von 3.840 € geschuldet waren. Dies übersteigt insgesamt nicht die Klageforderung, gegen die sich die Beklagten deshalb erfolgreich auf ihr Zurückbehaltungsrecht berufen können.

Auch wenn zwischenzeitlich für einen späteren Zeitraum wirksam abgerechnet wurde, ändert dies nichts an dem Zurückbehaltungsrecht für die vorherigen Abrechnungsperioden. Dieses kann auch danach noch geltend gemacht werden, solange der betreffende Betrag (hier 3.840 €) nicht überschritten wird. Dem Zurückbehaltungsrecht steht insofern auch nicht der Einwand treuwidrigen Verhaltens gemäß § 242 BGB entgegen.

Es kommt deshalb nicht darauf an, ob auch über die Betriebskosten für das Jahr 2012 nicht wirksam abgerechnet wurde.

Die Zinsforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 344 ZPO. Es ist davon auszugehen, dass das Versäumnisurteil in gesetzlicher Weise ergangen ist. Die fehlende Reaktion auf ein gerichtliches Schreiben aufgrund vorübergehender Urlaubsabwesenheit für einen Zeitraum von nicht länger als sechs Wochen kann zwar grundsätzlich einen Gesichtspunkt darstellen, bei dem eine Säumnis unverschuldet gemäß § 719 Abs. 1 S. 2 ZPO ist (vgl. BVerfG, NJW 2013, S. 592 f. ). Dies wurde jedoch von den Beklagten weder glaubhaft gemacht noch ausreichend unter Beweis gestellt. Die Vorlage einer Kopie des Passstempels reichte hierfür nicht aus, da der Kläger die vorübergehende Urlaubsabwesenheit bestritten hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Die Streitwertentscheidung aus § 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!