Die rechtlichen Auswirkungen des OLG Dresden-Urteils in Sachen Räumung und Herausgabe
Das Oberlandesgericht Dresden hat in einem Rechtsstreit über die Räumung und Herausgabe von Räumen entschieden. Der Kläger, eine GmbH, forderte die Räumung und Herausgabe von Räumen in einer ehemaligen Wurstfabrik, die sie an den Beklagten, einen Verein, vermietet hatte. Der Vertrag wurde 1999 geschlossen und 2020 von der Klägerin gekündigt.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Das Oberlandesgericht Dresden hat in einem Rechtsstreit entschieden, dass der Beklagte, ein Verein, zur Räumung und Herausgabe von Räumen in einer ehemaligen Wurstfabrik verpflichtet ist. Der Beklagte hatte einen Erstattungsanspruch für Aufwendungen geltend gemacht, welcher jedoch vom Gericht nicht anerkannt wurde.
- Der Rechtsstreit betrifft die Räumung und Herausgabe von Räumen in einer ehemaligen Wurstfabrik.
- Das Oberlandesgericht Dresden hat ohne mündliche Verhandlung am 22.02.2023 entschieden.
- Die Berufung des Beklagten gegen ein früheres Urteil wurde zurückgewiesen.
- Der Beklagte muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen.
- Das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 16.09.2022 wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt.
- Der Kläger hatte den Beklagten auf Räumung und Herausgabe der Räume in Anspruch genommen.
- Der Beklagte behauptete einen Erstattungsanspruch von 45.036,55 Euro für Aufwendungen.
- Die Klägerin hatte das Mietverhältnis ordentlich zum 31.01.2021 gekündigt.
- Das Landgericht hat den Beklagten zur Räumung und Herausgabe sowie zur Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt.
- Das Landgericht stellte fest, dass das Mietverhältnis durch die Kündigung wirksam beendet wurde und der Beklagte kein Zurückbehaltungsrecht hat.
- Der Beklagte legte gegen das Urteil Berufung ein und erhob Widerklage auf Zahlung von 45.036,55 Euro.
- Die Klägerin verteidigte das Urteil des Landgerichts und wies darauf hin, dass eine Zustellung unter einer im Handelsregister hinterlegten Adresse möglich sei.
- Das Oberlandesgericht Dresden wies die Berufung des Beklagten zurück und bestätigte das Urteil des Landgerichts.
Übersicht
- Die rechtlichen Auswirkungen des OLG Dresden-Urteils in Sachen Räumung und Herausgabe
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Ereignisse und Vorfälle
- Kernthemen und Hauptdiskussionen
- Rechtliche Problematik und Herausforderungen
- Zusammenhänge und Kontext
- Gerichtsentscheidung und Urteilsbegründung
- Gründe für die Entscheidung des Gerichts
- Auswirkungen und Implikationen
- Schlussfolgerung und Bedeutung des Urteils
- ➨ Unklarheiten im Mietrecht? Wir klären auf!
- ✔ Zurückbehaltungsrechte Mieter – kurz erklärt
- § Relevante Rechtsbereiche für dieses Urteil sind u.a.:
- Das vorliegende Urteil
Ereignisse und Vorfälle
Der Beklagte argumentierte, dass er Aufwendungen in Höhe von 45.036,55 Euro für die Räume getätigt habe und daher ein Erstattungsanspruch gegen die Klägerin bestehe. Die Klägerin wiederum behauptete, dass der Mietvertrag durch ihre Kündigung wirksam beendet wurde und sie daher Anspruch auf Räumung und Herausgabe habe.
Kernthemen und Hauptdiskussionen
Ein zentrales Thema des Falles war die Frage, ob der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht aufgrund seiner behaupteten Aufwendungen geltend machen konnte. Ein weiteres wichtiges Thema war die Zulässigkeit der Klage, insbesondere in Bezug auf die ladungsfähige Anschrift der Klägerin.
Rechtliche Problematik und Herausforderungen
Das Gericht musste entscheiden, ob die Klägerin Anspruch auf Räumung und Herausgabe hatte und ob der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen konnte. Dabei spielten sowohl mietrechtliche als auch zivilprozessuale Fragen eine Rolle.
Zusammenhänge und Kontext
Das Urteil des OLG Dresden steht im Kontext einer Vielzahl von Räumungsklagen, bei denen es oft um die Abwägung von Interessen zwischen Vermietern und Mietern geht. In diesem Fall ging es jedoch nicht um Wohnraum, sondern um gewerblich genutzte Räume.
Gerichtsentscheidung und Urteilsbegründung
Das OLG Dresden entschied, dass die Klägerin Anspruch auf Räumung und Herausgabe hat und der Beklagte kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann. Das Gericht begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass die Klage zulässig war und der Mietvertrag durch die Kündigung der Klägerin wirksam beendet wurde.
Gründe für die Entscheidung des Gerichts
Das Gericht stützte seine Entscheidung auf verschiedene rechtliche Erwägungen, insbesondere auf das Mietrecht und das Zivilprozessrecht. Es wies darauf hin, dass der Beklagte kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann und dass die Klage der Klägerin zulässig war.
Auswirkungen und Implikationen
Das Urteil hat Bedeutung für ähnliche Fälle, in denen es um die Räumung und Herausgabe von gewerblich genutzten Räumen geht. Es unterstreicht die Bedeutung von klaren vertraglichen Regelungen und die Notwendigkeit, rechtliche Ansprüche frühzeitig geltend zu machen.
Schlussfolgerung und Bedeutung des Urteils
Das Urteil des OLG Dresden zeigt, dass Vermieter in Deutschland starke Rechte haben, wenn es um die Räumung und Herausgabe von Räumen geht. Es betont auch die Wichtigkeit von klaren vertraglichen Regelungen und einer korrekten Klageführung. Das Urteil dürfte daher für Vermieter und Mieter gleichermaßen von Interesse sein.
➨ Unklarheiten im Mietrecht? Wir klären auf!
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✔ Zurückbehaltungsrechte Mieter – kurz erklärt
Das Zurückbehaltungsrecht ermöglicht es dem Mieter, die Miete ganz oder teilweise zurückzuhalten, wenn ein unstrittiger Mangel an der Mietsache vorliegt und der Vermieter sich weigert, diesen zu beseitigen. Dieses Recht basiert auf § 320 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Die Hebelwirkung durch das Zurückbehaltungsrecht besteht nur solange, wie der Mangel nicht beseitigt ist. Wird der Mangel beseitigt, entfällt das Zurückbehaltungsrecht in der Regel sofort und der Mieter muss den vorläufig einbehaltenen Betrag nachzahlen. Es ist zu beachten, dass der Mieter nach der Rechtsprechung nur den 3- bis 5-fachen Betrag der Minderungsquote zurückbehalten darf. Beispielsweise, wenn eine Mietminderung von 5 % berechtigt ist, darf der Mieter zusätzlich 15 %, aber höchstens 25 % der Miete zurückbehalten.
§ Relevante Rechtsbereiche für dieses Urteil sind u.a.:
- Mietrecht (BGB §§ 535 ff.): Es geht um ein Mietverhältnis, bei dem die Klägerin dem Beklagten Räume vermietet hat. Die Klägerin hat das Mietverhältnis gekündigt und fordert nun Räumung und Herausgabe der Räume sowie Zahlung rückständiger Nutzungsentschädigung. Der Beklagte macht Zurückbehaltungsrechte und Aufwendungsersatzansprüche geltend.
- Zwangsvollstreckungsrecht (ZPO §§ 704 ff.): Es werden Regelungen zur Sicherheitsleistung und zur Abwendung der Zwangsvollstreckung thematisiert. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abwenden.
- Verjährungsrecht (BGB §§ 194 ff.): Die Klägerin erhebt die Einrede der Verjährung gegen die vom Beklagten geltend gemachten Aufwendungsersatzansprüche. Es geht darum, ob und wann bestimmte Ansprüche nicht mehr durchgesetzt werden können, weil zu viel Zeit verstrichen ist.
Das vorliegende Urteil
OLG Dresden – Az.: 5 U 2052/22 – Beschluss vom 22.02.2023
In dem Rechtsstreit wegen Herausgabe und Forderung hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung am 22.02.2023 beschlossen:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz vom 16.09.2022 (1 O 302/21) wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der Kosten der im Berufungsverfahren erhobenen Widerklage.
3. Das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz vom 16.09.2022 (1 O 302/21) wird für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung erklärt.
Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Verurteilung zur Räumung und Herausgabe in Ziffer 1 des Tenors des Urteils der 1. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz vom 16.09.2022 (1 O 302/21) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Zwangsvollstreckung aus der Kostenentscheidung kann der Beklagte gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.708,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt den Beklagten, einen Verein, auf Räumung und Herausgabe von Räumen in der ehemaligen Wurstfabrik auf dem Grundstück xxx in G… in Anspruch. Der Beklagte wendet ein, er habe für Aufwendungen im Umfang von insgesamt 45.036,55 Euro einen Erstattungsanspruch gegen die Klägerin.
Mit Vertrag vom 23.02./04.03.1999 vermietete die Klägerin dem Beklagten die Räume der ehemaligen Wurstfabrik auf dem Grundstück xxx in G… für die Durchführung von Kulturveranstaltungen im Sinne der Satzung des Beklagten. Das Mietverhältnis wurde unbefristet abgeschlossen. Es konnte nach der Regelung in Ziffer 9 des Mietvertrages von beiden Parteien bis zum letzten Kalendertag des laufenden Monats zum Ablauf des Folgemonats durch schriftliche Erklärung gekündigt werden. Die monatliche Miete betrug 500,00 DM, ab Einführung des Euro 309,00 Euro.
Mit Schreiben vom 23.12.2020 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis ordentlich zum 31.01.2021.
Mit ihrer Klage vom 24.09.2021 hat die Klägerin neben der Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Räume und der Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten die Zahlung rückständiger Nutzungsentschädigung und die Feststellung begehrt, der Beklagte habe bis zur Räumung und Herausgabe zukünftige Nutzungsentschädigung zu bezahlen. Die weiteren Anträge auf Zahlung rückständiger und Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung zukünftiger Nutzungsentschädigung sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, das im Jahre 1999 zwischen den Parteien begründete Mietverhältnis sei durch die Kündigung vom 23.12.2020 wirksam zum 31.01.2021 beendet worden, weswegen der Klägerin der Anspruch auf Räumung und Herausgabe gegen den Beklagten zustünde. Soweit der Beklagte ein Leistungsverweigerungsrecht im Hinblick auf den Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Räume gestützt auf Aufwendungsersatzansprüche geltend machte, erhob die Klägerin die Einrede der Verjährung.
Der Beklagte hat den Antrag auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Räume mit Schriftsatz vom 03.11.2021 mit der Maßgabe anerkannt, dass die Verurteilung lediglich Zug-um-Zug gegen Zahlung eines Betrages i.H.v. 37.821,55 Euro nebst Zinsen an den Beklagten erfolge.
Er hat vorgetragen, die Klage sei unzulässig, weil die Klägerin keine ladungsfähige Anschrift angegeben habe. Unter der in der Klageschrift angegebenen Adresse xxx in G… verfüge sie weder über eine Geschäftsstelle noch halte sich dort die Geschäftsleitung auf. Gegenüber dem Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Räume stehe ihm ein Zurückbehaltungsrecht zu, weil er einen Erstattungsanspruch in Bezug auf Aufwendungen i.H.v. 45.036,55 Euro habe, welche er auf die streitgegenständlichen Räume bzw. das Grundstück, auf welchem diese sich befänden, erbracht habe.
Wegen des Sachvortrages im Übrigen und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit dem Urteil vom 16.09.2022 den Beklagten verurteilt, die streitgegenständlichen Räume zu räumen und an die Klägerin herauszugeben, sowie an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 453,87 Euro nebst Zinsen zu bezahlen.
Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen im Hinblick auf den Räumungs- und Herausgabeanspruch wie folgt ausgeführt. Die Zulässigkeit scheitere nicht am Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift der Klägerin. Der Beklagte sei gemäß § 546 BGB zur Räumung und Herausgabe des Mietobjektes verpflichtet, weil das ursprünglich zwischen den Parteien begründete Mietverhältnis durch die Kündigung vom 23.12.2020 wirksam zum 31.01.2021 beendet worden sei. Ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten gegenüber dem Räumungsanspruch bestehe gemäß § 570 BGB nicht.
Gegen das ihm am 16.09.2022 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 14.10.2022 Berufung eingelegt und diese – nach entsprechender Fristverlängerung – am 14.12.2022 begründet. Er trägt vor, das erstinstanzliche Urteil sei rechtsfehlerhaft, weil die Klage unzulässig gewesen sei und noch sei. Es liege zudem ein „Überraschungsurteil“ vor, weil das Landgericht vor seiner Entscheidung nicht auf die Vorschrift des § 570 BGB hingewiesen habe.
Es fehle weiterhin an der Zulässigkeit der Klage, weil der Klägerin unter der angegebenen Adresse in der xxx in G… nicht förmlich zugestellt werden könne. In zwei Fällen sei dies jüngst dem Ordnungsamt der Stadt G… nicht gelungen. Der Ausschluss des Zurückbehaltungsrechtes nach § 570 BGB greife nicht ein, weil einzelne Aufwendungsersatzansprüche des Beklagten sich nicht aus dem Mietrecht ergäben.
Weiterhin hat der Beklagte mit der Berufungsbegründung vom 14.12.2022 Widerklage auf Zahlung von 45.036,55 Euro nebst Zinsen durch die Klägerin an den Beklagten erhoben und stützt diese auf die von ihm geltend gemachten Aufwendungsersatzansprüche in gleicher Höhe.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 16.09.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen, sowie im Wege der Widerklage die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, an den Beklagten und Widerkläger 45.036,55 Euro nebst 9 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB aus 37.821,55 Euro und aus 7.215,00 Euro jeweils seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen und das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 16.09.2022 (Az.: 1 O 302/21) aufrechtzuerhalten, sowie die Widerklage abzuweisen.
Sie verteidigt im Wesentlichen das Urteil des Landgerichtes unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages und erklärt, dass neben der in der Klage angegebenen Adresse der Klägerin eine Zustellung unter der Adresse D…… in 00000 D…… erfolgen könne, welche auch im Handelsregister hinterlegt sei.
Der Senat hat den Beklagten mit dem Beschluss vom 31.01.2023 unter Darlegung der dafür maßgeblichen Erwägungen auf die Absicht hingewiesen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Beklagte hat innerhalb der ihm eingeräumten Frist mit dem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11.02.2023, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, zum Hinweisbeschluss Stellung genommen.
II.
Der Senat weist die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurück, denn er ist – auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Schriftsatz vom 11.02.2023 – einstimmig davon überzeugt, dass sie offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg ist, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechtes noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichtes erfordern. Zudem erscheint auch aus sonstigen Gründen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten.
Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das Landgericht zutreffend die Zulässigkeit der Klage angenommen (dazu 1.) und der Klägerin den Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Räume zuerkannt hat, welchem der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht nicht entgegenhalten kann (dazu 2.).
Mit der Zurückweisung der Berufung des Beklagten durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO verliert die von ihm im Berufungsverfahren erhobene Widerklage entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung (vgl. BGH, Urteil vom 24.10.2013, III ZR 403/12, NJW 2014, 151 Rn. 19 ff; Beschluss vom 06.11.2014, IX ZR 204/13, NJW 2015, 251 Rn. 2; Senatsbeschluss vom 30.06.2015, 5 U 375/15, BeckRS 2015, 15061 Rn. 16).
1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage zulässig ist. Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung ist die Klage nicht wegen des Fehlens der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift durch die Klägerin unzulässig.
Es trifft zwar zu, dass eine zulässige Klageerhebung gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Bezeichnung der Parteien erfordert und damit im Grundsatz die Angabe der ladungsfähigen Anschrift durch den Kläger voraussetzt. Durch die Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift dokumentiert der Kläger seine Bereitschaft, sich möglichen nachteiligen Folgen des Prozesses, insbesondere einer möglichen Kostenpflicht, zu stellen und ermöglicht dem Gericht die Anordnung seines persönlichen Erscheinens. Führt dagegen ein Kläger einen Prozess aus dem Verborgenen, um sich dadurch einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen, handelt er rechtsmissbräuchlich.
Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers ist daher jedenfalls dann ein zwingendes Erfordernis einer ordnungsgemäßen Klageerhebung, wenn sie ohne weiteres möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2018, I ZR 257/16, NJW-RR 2019, 61 Rn. 14). Überträgt man die für natürliche Personen entwickelten Grundsätze zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift auf juristische Personen, zu denen die Klägerin als GmbH gehört (§ 13 GmbHG), entspricht der Sitz der juristischen Person dem Wohnsitz der natürlichen Person. Der Zweck der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers ist bei juristischen Personen erfüllt, wenn die juristische Person durch die angegebene Anschrift eindeutig identifiziert wird und unter dieser Anschrift wirksam Zustellungen an die juristische Person vorgenommen werden können. Danach genügt bei juristischen Personen des Privatrechts als ladungsfähige Anschrift die Angabe der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2018, a.a.O., Rn. 17 f.).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle erfüllt, denn die Klägerin verfügt über eine in ihrem Handelsregister (Amtsgericht Dresden HRB 1962) seit dem 26.10.2016 und damit auch zum Zeitpunkt der Klageerhebung publizierte Geschäftsanschrift in der D…… in 00000 D……. Diese Anschrift der Klägerin war auch dem Gericht und dem Beklagten bekannt, weil sie nicht nur im Handelsregister publiziert war, sondern auch ausdrücklich von Seiten des Beklagten als Anschrift des Geschäftsführers der Klägerin in der Klageerwiderung vom 17.01.2022 benannt wurde.
Die dagegen vom Beklagten im Schriftsatz vom 11.02.2023 erhobenen Einwendungen sind unbegründet. Entgegen dem Vorbringen des Beklagten können gemäß § 35 Abs. 2 Satz 3 GmbHG unter dieser Adresse Zustellungen an den Geschäftsführer als Vertreter der Klägerin erfolgen. Dem steht nicht entgegen, dass augenscheinlich ausweislich der vom Beklagten als Anlagen BB 3 und BB 4 vorgelegten Postzustellungsurkunden am 01. und 08.09.2022 Zustellungsversuche nicht erfolgreich waren, in denen als Adressat die Klägerin mit der Adresse in der D…… in 00000 D…… angegeben war. Es kann dabei offenbleiben, welche Beweiskraft der Vorlage von Zustellungsurkunden losgelöst von konkreten Angaben zum Gegenstand der Zustellung zukommt. In diesen Fällen erfolgte der Zustellungsversuch nämlich nicht an den Geschäftsführer der Klägerin F…… G…… als Vertreter der Klägerin, welcher in der Adresse nicht angegeben wurde, so dass das konkrete Scheitern dieser Zustellungsversuche jedenfalls keine Aussagekraft zur Zustellungsmöglichkeit an den Geschäftsführer als Vertreter der Klägerin hat.
Im Ergebnis war deshalb bereits im erstinstanzlichen Verfahren die ladungsfähige Anschrift der Klägerin in der Form der Adresse ihres vertretungsberechtigten Geschäftsführers bekannt, auch wenn sie nicht ausdrücklich im Rubrum der Klageschrift genannt wurde. Von einer Prozessführung der Klägerin aus dem Verborgenen kann schon aus diesem Grunde keine Rede sein.
Das Landgericht hat demzufolge zutreffend seiner Entscheidung eine zulässige Klage zugrunde gelegt.
2. Der Beklagte kann dem Anspruch der Klägerin auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Räume gemäß § 546 Abs. 1 BGB kein Zurückbehaltungsrecht unter Berufung auf den von ihm geltend gemachten Erstattungsanspruch im Umfang von 45.036,55 Euro entgegenhalten.
Es kann dabei offen bleiben, ob dem Beklagten der von ihm geltend gemachte Erstattungsanspruch zusteht und trotz der von der Klägerin erhobenen Verjährungseinrede durchsetzbar ist (vgl. § 214 Abs. 1 BGB).
Auch wenn man dies zugunsten des Beklagten unterstellte, kann er gestützt auf den Erstattungsanspruch gemäß § 570 BGB dem klägerischen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Räume aus § 546 Abs. 1 BGB ein Zurückbehaltungsrecht nicht entgegenhalten.
Die unmittelbar für Mietverhältnisse über Wohnraum geltende Vorschrift des § 570 BGB ist auf Mietverhältnisse über Räume, die keine Wohnräume sind, wie das ursprünglich zwischen den Parteien begründete Mietverhältnis, entsprechend anzuwenden (§ 578 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB).
Es sind auch die Voraussetzungen des § 570 BGB erfüllt. Die Klägerin stützt die Klage auf den Rückgabeanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB.
Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung schließt die Vorschrift des § 570 BGB Zurückbehaltungsrechte des Beklagten (§§ 273, 320 BGB) umfassend aus, also ungeachtet der Frage, ob diese auf vertraglichen oder gesetzlichen Gegenansprüchen beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.1998, XII ZR 116/96, NZM 1998, 779 zu § 556 Abs. 2 BGB a.F.; OLG Koblenz, Urteil vom 23.04.2020, 1 U 1852/19, BeckRS 2020, 6968 Rn. 22 ff.; Streyl in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl., § 570 BGB Rdn. 6; Blank/Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., § 570 BGB Rdn. 3).
Neue Gesichtspunkte hierzu enthält der Schriftsatz vom 11.02.2023 nicht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Beklagte hat als Berufungsführer nicht nur die Kosten der Berufung zu tragen, sondern auch die Kosten der – entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO wirkungslosen – Widerklage, welche wie die Kosten der von § 524 Abs. 4 ZPO unmittelbar geregelten Anschlussberufung zu behandeln sind. Die ZPO enthält zwar keine Regelung, wem die Kosten der nach § 524 Abs. 4 ZPO wirkungslos gewordenen Anschlussberufung aufzuerlegen sind. Nach Auffassung des Senates sprechen aber die besseren Gründe dafür, diese Kosten dem Berufungsführer aufzuerlegen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Senatsbeschluss vom 30.06.2015 (5 U 375/15, BeckRS 2015, 15061 Rn. 36 f.) Bezug genommen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des erstinstanzlichen Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 7, Nr. 10 Satz 2, 711, 709 S. 2 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde – wie schon erstinstanzlich vom Landgericht – nach § 41 Abs. 2 GKG festgesetzt.
? FAQ zum Urteil
- Was sind die Zurückbehaltungsrechte des Mieters in Bezug auf den Rückgabeanspruch? Die Zurückbehaltungsrechte des Mieters ermöglichen es ihm, die Rückgabe der Mietsache zu verweigern, bis bestimmte Forderungen erfüllt sind. In diesem speziellen Fall machte der Beklagte einen Erstattungsanspruch für getätigte Aufwendungen geltend.
- Was hat das OLG Dresden in dem Rechtsstreit entschieden? Das OLG Dresden entschied am 22.02.2023, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Görlitz zurückzuweisen. Weiterhin wurde festgelegt, dass der Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen hat und das Urteil des Landgerichts Görlitz vorläufig vollstreckbar ist.
- Welche Hauptargumente wurden im Rechtsstreit vorgebracht? Der Kläger verlangte die Räumung und Herausgabe von vermieteten Räumen. Der Beklagte argumentierte mit einem Erstattungsanspruch für Aufwendungen von 45.036,55 Euro. Das Landgericht gab dem Kläger Recht, woraufhin der Beklagte Berufung einlegte.
- Was war der ursprüngliche Zweck des Mietvertrages zwischen den Parteien? Die Klägerin vermietete dem Beklagten Räume in einer ehemaligen Wurstfabrik zur Durchführung von Kulturveranstaltungen. Dieser Mietvertrag wurde unbefristet abgeschlossen.
- Welche Bedeutung hat die ladungsfähige Anschrift in einem Rechtsstreit? Eine ladungsfähige Anschrift ist im Rechtsstreit essenziell, da sie die Zustellung rechtlich relevanter Dokumente ermöglicht. Im vorliegenden Fall wurde diskutiert, ob die Klägerin eine solche Anschrift angegeben hatte. Das Gericht entschied jedoch, dass die im Handelsregister eingetragene Geschäftsanschrift der Klägerin ausreichend war.
* Alles ohne Gewähr – Lassen Sie sich zu Ihrem individuellen Fall beraten