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§§ 556d ff. BGB ab 01.06.2020 verfassungsgemäß?

LG Berlin – Az.: 67 S 180/22 – Urteil vom 15.12.2022

Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. Juni 2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 21 C 261/21 – wird auf deren Kosten zurück gewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Kläger verlangen mit ihrer Klage zuletzt angeblich preisrechtlich überzahlte Miete für November 2018 bis Januar 2019 in Höhe von jeweils 250,00 EUR. Ferner begehren sie die Feststellung der preisrechtlich zulässigen Miete für den Zeitraum Januar 2022 bis September 2022 in Höhe von monatlich 1.280,00 EUR statt einer für diesen Zeitraum vereinbarten Staffelmiete von 1.931,00 EUR.

Das Amtsgericht hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben. Die zum 1. Juni 2015 in Kraft getretene Berliner Mietenbegrenzungsverordnung sei wirksam, auf die Wirksamkeit der nachfolgenden Verordnung käme es nicht an. Die preisrechtlich zulässige Miete beliefe sich für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum auf jedenfalls nicht mehr als die von der Beklagten geltend gemachte und im Jahre 2013 vereinbarte Vormiete, die aber nur in Höhe von 1.280,00 EUR zu berücksichtigen sei. Die ortsübliche Vergleichsmiete könne anhand des Berliner Mietspiegels 2017 ermittelt werden. Mit dem Vormieter in Höhe von mehr als 1.280,00 EUR vereinbarte Staffelmietstufen seien nicht zu berücksichtigen, da diese erst nach Beendigung des Vormietverhältnisses fällig geworden wären.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung die Abweisung der Klage. Sie könne sich auf eine höhere Vormiete von bis zu 2.175,00 EUR berufen, da der Vormieter zum Zeitpunkt der Beendigung seines Vormietverhältnisses zwar nur 1.280,00 EUR geschuldet habe, die damaligen Mietvertragsparteien für die Zeit ab Dezember 2021 aber eine Staffelhöhe von bis zu 2.175,00 EUR vereinbart hätten. Sie ist ferner der Auffassung, das Amtsgericht habe verkannt, dass wegen der zwischen den Parteien vereinbarten Staffelmiete und der von den Klägern für das Jahr 2022 begehrten Feststellung die Wirksamkeit der zum 1. Juni 2020 in Kraft getretenen Berliner Mietenbegrenzungsverordnung nicht dahinstehen könne. Diese sei unwirksam, die Regelung zur sog. Mietpreisbremse gemäß § 556ff. BGB für die Zeit ab dem 1. Juni 2020 verfassungswidrig.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuwiesen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und vertiefen ihren Vortrag.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die erst- und zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das angefochtene Urteil (Bl. 75-78 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Die Kläger können von der Beklagten Zahlung in der vom Amtsgericht zuerkannten Höhe verlangen. Das Amtsgericht hat auch dem auf Feststellung der preisrechtlich zulässigen Miete gerichteten Antrag zu Recht stattgegeben. Dagegen vermag die Berufung im Ergebnis nichts zu erinnern.

1. Den Klägern steht der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch für die Monate November 2018 bis Januar 2019 in Höhe von jeweils 250,00 EUR gemäß den §§ 812 Abs. 1, 556d ff. BGB zu, da die von ihnen entrichtete Miete im vorgenannten Zeitraum preisrechtswidrig überhöht war.

Die §§ 556d ff. BGB sind für den geltend gemachten Rückforderungszeitraum anwendbar, da die Regelung über die sog. Mietpreisbremse auch in Berlin durch die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 (GVBl. 2015, S. 101) zum 1. Juni 2015 wirksam in Vollzug gesetzt worden ist (vgl. Kammer, Beschl. v. 2. Juni 2022 – 67 S 259/21, ZMR 2022, 725, beck-online Tz. 31 m.w.N.).

Den dagegen unlängst wieder im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Verordnungsbegründung erhobenen Wirksamkeitsbedenken (vgl. AG Neukölln, Urt. v. 16. November 2022 – 9 C 489/20, BeckRS 2022, 33293, Tz. 10 ff.) vermag die Kammer im Ergebnis nicht beizutreten. Denn nach der auch im Ergebnis im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvL 1595/18l NJW 2019, 3054, beck-online Tz. 113) stehenden ständigen Rechtsprechung der Kammer, an der sie weiter festhält, würden allenfalls evidente Formmängel der Verordnung zu deren Unwirksamkeit führen. Daran indes leidet die Verordnung bereits wegen der insoweit unklaren Normvorgaben des § 556d Abs. 2 Satz 5 BGB nicht, da dieser ausschließlich das „Ob“ der Verordnungsbegründung selbst, nicht hingegen das „Ob“ und erst recht nicht das „Wie“ einer weder im Wortlaut noch in der Gesetzesbegründung angelegten Veröffentlichung der Verordnungsbegründung regelt. Dem entspricht nicht nur die Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.), sondern im Ergebnis auch die – hinsichtlich ihrer abstrakten Anforderungen an die Begründungsveröffentlichung allerdings engere – Rechtsprechung des VIII. Zivilsenates des BGH. Dieser erachtet die Verordnung ebenfalls als wirksam (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 18. Mai 2022 – VIII ZR 365/21, BeckRS 2022, 15511, Tz. 24), jedoch bislang ohne stichhaltige Klärung der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die (Un-)Wirksamkeit einer auf § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB beruhenden Verordnung sowie des für die (tat-)richterliche Ermittlung einer hinreichenden Veröffentlichung der Verordnungsbegründung maßgeblichen Zeitpunktes (vgl. dazu Kammer, Urt. v. 4. März 2021 – 67 S 309/20, GE 2021, 438, beck-online Tz. 19).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Rückzahlungsanspruchs sind ebenfalls erfüllt.

Dem Rückzahlungsbegehren ist nicht nur eine den Anforderungen des § 556g Abs. 2 BGB a.F. entsprechende Rüge vom 1. November 2018 vorausgegangen. Auch die Bestimmung der preisrechtlich zulässigen Miete durch das Amtsgericht begegnet keinen Bedenken. Diese kann für die dem streitgegenständlichen Zeitraum zu Grunde liegende Staffel (1. Oktober 2018 bis 30. September 2019) unter Heranziehung des Berliner Mietspiegels ermittelt werden, bei dem es sich selbst als einfachem Mietspiegel trotz der von der Beklagten erhobenen Einwendungen um ein taugliches Instrument zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete und der preisrechtlich zulässigen Miete nach § 287 ZPO handelt (vgl. BGH, Urt. v. 27. Mai 2020 – VIII ZR 45/19, NZM 2020, 551, Tz. 102; Kammer, Beschl. v. 7. Dezember 2017 – 67 S 218/17, WuM 2018, 74, beck-online Tz. 13 ff.). Ausweislich der von der Beklagten nicht in Abrede gestellten Einordnung der Wohnung in das einschlägige Mietspiegelfeld K 1 ergibt sich selbst unter Heranziehung des jeweiligen Mittelwertes – statt des von den Klägern zu Lasten der Beklagten vorgenommenen Spannenabschlags – eine ortsübliche Vergleichsmiete von lediglich 735,66 EUR (Mietspiegel 2015 – 5,49 EUR x 134 qm), 856,26 EUR (Mietspiegel 2017 – 6,39 EUR x 134 qm) und 907,18 EUR (Mietspiegel 2019 – 6,77 EUR x 134 qm). Daraus folgt eine preisrechtlich zulässige Nettokaltmiete von allenfalls 997,90 EUR (907,18 EUR x 1,1). Weder diese Miethöhe noch die von den Klägern behauptete Vergleichsmietenhöhe von 882,93 EUR ist von der Beklagten, die im ersten Rechtszug lediglich die Anwendbarkeit des Mietspiegels in Abrede gestellt hat, in Erfüllung der sie treffenden sekundären Darlegungslast im Einzelnen bestritten worden. Davon abgesehen liegt die nach § 556d Abs. 1 BGB preisrechtlich zulässige Miethöhe auch weit unter der von der Beklagten geltend gemachten Vormiete, auf die sie sich zur Rechtfertigung des im Staffelzeitraum vereinbarten Mietzinses mit ihrem Rechtsmittel ausschließlich beruft.

Soweit die Beklagte geltend macht, sie könne sich gemäß § 556e Abs. 1 BGB nicht nur auf die mit dem Vormieter in dessen Mietvertrag aus dem Jahre 2013 für das letzte Jahr dessen Mietverhältnisses vereinbarte Nettokaltmiete von 1.280,00 EUR, sondern stattdessen auch auf höhere Staffelmieten für danach liegende Zeiträume berufen, die mit dem Vormieter zwar vereinbart, wegen vorheriger Beendigung des Vormietverhältnisses von diesem aber nicht mehr geschuldet gewesen sind, geht sie fehl. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm („zuletzt schuldete“). Aus der Gesetzesbegründung folgt nichts anderes (vgl. Fleindl, in: BeckOGK BGB, Stand: 1. Oktober 2022, § 556e Rz. 10).

Davon ausgehend ergibt sich eine Überzahlung von monatlich 250,00 EUR (1.530,00 EUR (vereinbarte und geleistete Staffelhöhe) – 1.280,00 EUR (Vormiete)), mithin insgesamt eine solche von 750,00 EUR im Zeitraum November 2018 bis Januar 2019.

2. Auch hinsichtlich der vom Amtsgericht getroffenen Feststellung für den Zeitraum 1. Januar bis 30. September 2022 hat die Berufung keinen Erfolg.

Die Beklagte rügt zwar im Ausgangspunkt zu Recht, dass die Wirksamkeit der zum 1. Juni 2020 in Kraft getretenen Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 19. Mai 2020 (GVBl. 2020, S. 343) und die Verfassungsgemäßheit der §§ 556d ff. BGB für die Zeit ab dem 1. Juni 2020 nicht dahinstehen können, da Art. 229 § 35 Abs. 2 EGBGB die Anwendung von § 557a Abs. 4 BGB auf Mietstaffeln ausschließt, deren erste Miete zu einem Zeitpunkt fällig wird, in dem die Mietwohnung nicht mehr in den Anwendungsbereich einer Rechtsverordnung nach § 556d Abs. 2 BGB fällt. Hier aber steht die Staffel vom 1. Oktober 2021 bis zum 30. September 2022 im Streit, d.h. eine solche, die erst nach Inkraftreten der Mietenbegrenzungsverordnung vom 19. Mai 2020 einsetzt und deren von den Klägern geltend gemachte Preiswidrigkeit deshalb die Wirksamkeit der Verordnung und die Verfassungsgemäßheit der §§ 556d ff. BGB voraussetzt.

Die Wirksamkeit der Verordnung steht für die Kammer nicht in Frage. Von der Verfassungswidrigkeit der §§ 556d ff. BGB, die durch die Begrenzung der Miethöhe bei Wiedervermietung der direkten oder indirekten Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Wohnquartieren entgegenzuwirken suchen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18, NJW 2019, 3054, Tz. 59), ist die Kammer für den Zeitraum ab Inkraftreten der Verordnung vom 19. Mai 2020 jedenfalls nicht „überzeugt“, so dass die Vorschriften weiter anzuwenden sind.

An der Verfassungsgemäßheit der §§ 556d ff. BGB bestehen zwar für die Zeit ab dem 1. Juni 2020 nicht unerhebliche Zweifel, da bereits vor diesem Zeitpunkt – mit Ausnahme des als bloßem Mittel zur Erreichung des Gesetzeswecks verfolgten „Abschneidens von Preisspitzen“ – angesichts der seit 2015 weiterhin abgesunkenen und auffallend niedrigen Leerstandsquoten offenbar keine der mit dem Gesetz verfolgten positiven Auswirkungen auf dem Wohnungsmarkt in Berlin und den übrigen von anderen Landesverordnungen erfassten Wohnungsmärkten eingetreten sind (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/258439/umfrage/leerstandsquote-von-wohnungen-in-berlin/, abgerufen am 20. Dezember 2022). Das begründet Bedenken gegen die für die Verfassungsgemäßheit der §§ 556d ff. BGB erforderliche „Geeignetheit“ der Fortdauer der bereits im Jahre 2015 ergriffenen gesetzlichen Maßnahmen über den 31. Mai 2020 hinaus (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 18. Juli 2019, a.a.O., Tz. 61, 87). Denn es bestehen bereits wegen des Absinkens der ohnehin niedrigen Leerstandsquoten greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die – mit Blick auf die verfolgten Gesetzesziele – negativen Entwicklungen auf dem sich immer weiter verschließenden Berliner Wohnungsmarkt und den übrigen von den §§ 556d ff. BGB erfassten Wohnungsmärkten bereits vor dem Jahr 2020 ein Ausmaß angenommen haben, das die für die Geeignetheit der gesetzlichen Eingriffe erforderliche Möglichkeit der zukünftigen Zweckerreichung als ausgeschlossen und die gesetzliche Regelung der §§ 556d ff. BGB damit als untauglich erscheinen lassen musste (vgl. Kühling, NZM 2020, 521, 525). Jedenfalls war der für die verfassungsrechtliche Beurteilung von auf Prognoseentscheidungen beruhenden Normen maßgebliche Zeitraum, der dem Gesetz- und Verordnungsgeber zusteht, um Erfahrungen zu sammeln, Klarheit zu gewinnen und Mängeln einer Norm abzuhelfen oder sie wegen Verfehlung der gesetzlichen Ziele als ungeeignet abzuschaffen, für den Bundesgesetzgeber nicht anders als für den Landesverordnungsgeber bereits vor dem Jahre 2020 abgelaufen (vgl. dazu grundsätzlich BVerfG, Beschl. v. 17. Oktober 1990 – 1 BvR 283/85, BVerfGE 83, 1, 22; Beschl. v. 15. Dezember 1999 – 1 BvR 1904/95, BVerfGE 101, 331; BGH, Beschl. v. 15. Januar 2004 – IX ZB 96/03, BGHZ 157, 282).

Es kommt unabhängig davon hinzu, dass das BVerfG für die von ihm zunächst bejahte Verfassungsgemäßheit der §§ 556d ff. BGB wegen der mit den Regelungen verbundenen Eingriffstiefe nicht unwesentlich darauf abgestellt hat, dass die Geltung der §§ 556d ff. BGB nur eine zunächst vorübergehende und „auf längstens fünf Jahre“ befristete gewesen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. Juli 2019, a.a.O, Tz. 87). Die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 19. Mai 2020 verlängert diesen Zeitraum jedoch um weitere fünf Jahre. Auch das stellt, wie die Berufung zu Recht geltend macht, die Verfassungsgemäßheit der §§ 556d ff. BGB für die Zeit ab dem 1. Juni 2020 jedenfalls vertretbar in Frage.

Diese Zweifel können hier jedoch im Ergebnis dahinstehen. Denn eine Nichtanwendung der gesetzlichen Vorschriften und eine damit einhergehende Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG setzen voraus, dass das Fachgericht an der Verfassungsmäßigkeit des entscheidungserheblichen Gesetzes nicht nur zweifelt, sondern von der Verfassungswidrigkeit überzeugt ist (st. Rspr, vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 16. Dezember 2014 – 1 BvR 2142/11, BVerfGE 138, 64, Tz. 82, 84 m.w.N.). Hat das Gericht lediglich Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, ist eine Vorlage unzulässig und das Gesetz anzuwenden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16. Dezember 2014, a.a.O.).

Nach diesem Maßstab sind die §§ 556d ff. BGB anzuwenden. Denn die Kammer hat unter Zugrundelegung der vom BVerfG im Beschluss vom 18. Juli 2019 (a.a.O.) entwickelten materiellen Maßstäbe lediglich Zweifel an der Verfassungsgemäßheit der §§ 556d ff. BGB für den Zeitraum ab dem 1. Juni 2020, ohne gleichzeitig von der Verfassungswidrigkeit überzeugt zu sein. Einer hinreichenden Überzeugungsbildung steht es ebenfalls entgegen, dass das BVerfG auch von der ordentlichen Gerichtsbarkeit für die Zulässigkeit einer Richtervorlage verlangt, alle tatsächlichen Umstände, die für die Vorlage Bedeutung erlangen können, unter Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Mittel aufzuklären (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. Juli 2019, a.a.O, Tz. 42). Dazu sollen auch die Gegebenheiten und Entwicklungen unterschiedlicher regionaler Wohnungsmärkte zählen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. Juli 2019, a.a.O). Eine derart tiefgehende und umfassende Ermittlung ist der Kammer, der die Möglichkeit zur amtswegigen Sachaufklärung, anders als etwa den Verwaltungsgerichten, nur in sehr eingeschränktem Umfang eröffnet ist, und die zusätzlich der zivilprozessualen Beschränkung des Prozessstoffs durch den Beibringungsgrundsatz Rechnung zu tragen hat, nicht möglich (vgl. dazu Selk, NZM 2019, 687). Auch deshalb verbleibt es bei bloßen verfassungsrechtlichen Zweifeln, ohne dass diese zur Überzeugung erstarken.

Das Amtsgericht hat die preisrechtlich zulässige Miete auch für den Staffelzeitraum 1. Januar bis 30. September 2022 zutreffend ermittelt.

Sie beträgt nicht mehr als die vom Amtsgericht unter Heranziehung der Vormiete ermittelten 1.280,00 EUR. Eine davon abweichende Beurteilung wäre nur in Betracht gekommen, wenn sich die ortsübliche Vergleichsmiete ab dem 1. Januar 2022 auf mehr als 1.163,63 EUR belaufen hätte (1.280,00 EUR / 1,1). An diesen Voraussetzungen fehlt es nicht nur bei Einordnung der Mietsache in den Mietspiegel 2021, die unter Zugrundelegung des Mittelwertes für das Mietspiegelfeld K 1 eine Vergleichsmiete von 916,56 EUR (6,84 EUR x 134 qm) und damit eine preisrechtlich zulässige Miete von lediglich 1.008,22 EUR ergibt. Insoweit kann allerdings dahinstehen, ob der Berliner Mietspiegel 2021 überhaupt als hinreichend valide Schätzgrundlage herangezogen werden kann (vgl. dazu Kammer, Urt. v. 9. Juni 2022 – 67 S 50/22, WuM 2022, 427, beck-online Tz. 7). Denn jedenfalls der Mietspiegel 2017 stellt eine taugliche Schätzgrundlage für die Ermittlung der Vergleichsmieten im Zeitraum 1. September 2016 bis einschließlich zum 31. August 2018 dar (vgl. BGH, Urt. v. 27. Mai 2020 – VIII ZR 45/19, NZM 2020, 551, Tz. 102; Kammer, Beschl. v. 7. Dezember 2017 – 67 S 218/17, WuM 2018, 74, beck-online Tz. 13 ff.). Unter dessen Zugrundlegung ergibt sich für die streitgegenständliche Wohnung zum 31. August 2018 eine Vergleichsmiete von allenfalls 856,26 EUR. Die Kammer schätzt deshalb mit dem für eine Schätzung nach § 287 ZPO ausreichenden Überzeugungsgrad überwiegender Wahrscheinlichkeit, dass diese ortsübliche Vergleichsmiete für die streitgegenständliche Wohnung trotz des allgemeinen Preisanstiegs vom 31. August 2018 bis zum Staffelbeginn am 1. Januar 2022 nicht um mehr als 35,9 % auf über 1.163,63 EUR angestiegen ist. Damit belief sich auch die preisrechtlich zulässige Miete am 1. Januar 2022 auf nicht mehr als 1.280,00 EUR. Das stellt die Berufungsbegründung, die sich auf die Reichweite des § 556e Abs.1 BGB und die Geltung der §§ 556d ff. BGB für den Zeitraum ab dem 1. Juni 2020 beschränkt, auch nicht weiter in Frage.

Die Entscheidungen zu den Kosten und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da die von der Berufung in Frage gestellte Verfassungsgemäßheit der §§ 556d ff. BGB für die Zeit ab dem 1. Juni 2020 von grundsätzlicher Bedeutung ist. Die Zulassungsbedürftigkeit steht es nicht entgegen, dass der BGH keinerlei Normverwerfungskompetenz hat und es allein dem BVerfG zukommt, die §§ 556d ff. BGB im Falle ihrer Verfassungswidrigkeit zu verwerfen. Denn die Rechtsfrage hat gleichwohl grundsätzliche Bedeutung und erfordert deshalb zunächst eine Klärung durch das Revisionsgericht (st. Rspr., vgl. statt vieler nur BVerfG, Beschl. v. 5. Juli 2022 – 1 BvR 1258/21, NJW-RR 2022, 1377, beck-online Tz. 20 m.w.N.).

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