Skip to content
Menü

WEG – Pflicht zur Einholung von Vergleichsangeboten

Gericht erklärt WEG-Beschluss ohne Vergleichsangebote für ungültig

Im Kern geht es in dem Fall um die Anfechtung eines Eigentümerversammlungsbeschlusses zur Sanierung von Balkonen in einer Wohneigentümergemeinschaft, wobei strittig ist, dass für die Sanierungsarbeiten nur ein Angebot eingeholt wurde und die Beschlussfassung daher den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 980a C 26/212 WEG >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg erklärte den Beschluss der Eigentümerversammlung zur Balkonsanierung ohne Einholung von Vergleichsangeboten für ungültig.
  • Ein Eigentümer klagte erfolgreich gegen den Beschluss, da nur ein Angebot eingeholt wurde und dies gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstößt.
  • Die Sanierungsmaßnahme bezog sich auf Feuchtigkeitsschäden und die Abdichtung der Balkone einer Wohnungseigentümergemeinschaft.
  • Es wurde betont, dass für eine ordnungsgemäße Beschlussfassung mehrere Vergleichsangebote einzuholen sind, um Wirtschaftlichkeit und technische Ausführung angemessen bewerten zu können.
  • Die Beklagte argumentierte, dass der Ingenieur P. und die beauftragte Firma O. W. GmbH vertrauenswürdig seien, da sie bereits Erfahrungen mit dem Objekt hatten.
  • Das Gericht wies darauf hin, dass die Einholung weiterer Angebote erforderlich gewesen wäre, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.
  • Die Durchführung der Sanierungsarbeiten allein auf Grundlage des Angebots einer bekannten Firma erfüllt nicht die Anforderungen an eine ausreichende Tatsachengrundlage.
  • Ungeachtet des Vollzugs der Maßnahme bleibt das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage bestehen.
  • Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Einholung von Vergleichsangeboten zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit und sachgerechten Durchführung von Gemeinschaftsmaßnahmen.
  • Die prozessualen Nebenentscheidungen und die Streitwertfestsetzung basieren auf den entsprechenden gesetzlichen Grundlagen.

Eigentümergemeinschaften und Beschlüsse

Eine Wohneigentümergemeinschaft ist gesetzlich verpflichtet, wichtige Entscheidungen im Rahmen von Eigentümerversammlungen zu treffen. Hierbei geht es häufig um Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum. Solche Beschlüsse müssen den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung folgen.

Eine zentrale Frage ist dabei, wie viele Vergleichsangebote eingeholt werden müssen, um die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der geplanten Maßnahmen angemessen beurteilen zu können. Werden zu wenige Angebote berücksichtigt, kann ein Beschluss unter Umständen für ungültig erklärt werden.

Sichern Sie Ihr Recht bei Streitigkeiten in Ihrer Wohneigentümergemeinschaft! Haben Sie Fragen zur Pflicht der Einholung von Vergleichsangeboten oder ähnliche juristische Anliegen? Unser erfahrenes Team steht Ihnen zur Seite, um eine präzise und unverbindliche Ersteinschätzung Ihres Falles zu bieten. Mit nur wenigen Klicks können Sie Ihre Anfrage stellen und profitieren von einer schnellen und unkomplizierten Unterstützung. Lassen Sie sich jetzt beraten und gewinnen Sie Klarheit über Ihre Möglichkeiten.

➜ Der Fall im Detail


Streit um Sanierungsbeschlüsse in der Wohneigentumsgemeinschaft

Der vorliegende Fall betrifft eine Auseinandersetzung innerhalb einer Wohneigentümergemeinschaft über die Gültigkeit eines Beschlusses zur Sanierung von Balkonen, der während einer Eigentümerversammlung im Oktober 2022 gefasst wurde.

WEG Vergleichsangebote
(Symbolfoto: Andrey_Popov /Shutterstock.com)

Im Mittelpunkt des Streits steht die Frage, ob für die vorgesehenen Sanierungsarbeiten ausreichend Vergleichsangebote eingeholt wurden. Die Klage wurde von einem Eigentümer eingereicht, der die Gültigkeit des Beschlusses anzweifelt, da lediglich ein Angebot von der Firma O. W. GmbH vorlag. Dieser Eigentümer vertritt die Auffassung, dass die Einholung mehrerer Angebote notwendig gewesen wäre, um den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung zu entsprechen.

Der Weg zum Rechtsstreit

Die Wohneigentümergemeinschaft beschäftigt sich bereits seit Jahren mit Feuchtigkeitserscheinungen und der Sanierung der Balkone ihres Terrassenhauses. Für die anstehende Sanierung wurde nur ein Angebot der Fa. O. W. GmbH eingeholt, das auf der Eigentümerversammlung im Oktober 2022 mehrheitlich angenommen wurde. Die Finanzierung sollte über eine Sonderumlage erfolgen. Der Kläger sieht in der Beschlussfassung einen Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung, da keine Vergleichsangebote eingeholt wurden und zudem eine Eigentümerin nicht zur Versammlung eingeladen wurde. Die Beklagte, vertreten durch die Verwaltung der Wohneigentümergemeinschaft, argumentiert, dass die Einholung weiterer Angebote unnötig gewesen sei, da der Ingenieur P. das Angebot geprüft habe und die Firma O. W. GmbH bereits vertraut mit dem Objekt sei.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Warum ist die Einholung von Vergleichsangeboten bei Sanierungsbeschlüssen wichtig?

Die Einholung von Vergleichsangeboten bei Sanierungsbeschlüssen in Wohnungseigentümergemeinschaften dient dazu, die Ermessensentscheidung der Eigentümer auf eine ausreichend gesicherte Tatsachengrundlage zu stellen. Durch mehrere Angebote soll sichergestellt werden, dass die beschlossenen Maßnahmen technisch sinnvoll und wirtschaftlich sind. Überteuerte Aufträge sollen vermieden werden.

Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung müssen Wohnungseigentümer bei Beschlüssen über größere Sanierungsmaßnahmen oder Auftragsvergaben in der Regel mindestens drei Vergleichsangebote einholen. Dies gilt insbesondere, wenn die Kosten nicht unerheblich sind und einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, der je nach Gerichtsentscheid zwischen 2.000 und 5.000 Euro liegt.

Die Vergleichsangebote müssen den Eigentümern nicht immer vollständig übersandt werden. Es kann ausreichen, wenn der Verwalter die wesentlichen Eckdaten in einem Preisspiegel zusammenfasst, der mit der Einladung zur Eigentümerversammlung versandt wird. Wichtig ist, dass die Eigentümer eine fundierte Entscheidungsgrundlage haben.

Holt der Verwalter keine Vergleichsangebote ein, ist ein Sanierungsbeschluss in der Regel anfechtbar. Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Verwalter nachweisen kann, dass er sich ernsthaft um weitere Angebote bemüht hat, aber trotz Nachfassens keine erhalten konnte. Die Bemühungen sollten dokumentiert werden.

Die Einholung von Vergleichsangeboten stellt somit sicher, dass Sanierungsentscheidungen transparent und nachvollziehbar auf Basis von Fakten getroffen werden. Sie schützt die Gemeinschaft vor überhöhten Kosten und ermöglicht eine Auswahl der besten Lösung.

Welche Rolle spielt die Eigentümerversammlung bei der Entscheidung über Sanierungsmaßnahmen?

Die Eigentümerversammlung spielt eine zentrale Rolle bei der Entscheidung über Sanierungsmaßnahmen in einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie ist das oberste Beschlussorgan und trifft alle wesentlichen Entscheidungen.

Grundsätzlich bedürfen Sanierungsbeschlüsse der einfachen Mehrheit der in der Eigentümerversammlung abgegebenen Stimmen. Seit der WEG-Reform 2020 reicht für die meisten Sanierungsmaßnahmen, die früher als bauliche Veränderungen einstimmig beschlossen werden mussten, nun die einfache Mehrheit aus.

Allerdings müssen Sanierungsmaßnahmen ordnungsgemäß vorbereitet werden. Der Verwalter ist verpflichtet, die erforderlichen Informationen einzuholen und den Eigentümern als Beschlussgrundlage zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört insbesondere die Einholung von Vergleichsangeboten. Ohne eine solide Tatsachenbasis sind Sanierungsbeschlüsse anfechtbar.

Die Eigentümerversammlung muss förmlich einberufen werden und beschlussfähig sein. Die Ladungsfrist beträgt drei Wochen. Die zu beschließenden Sanierungsmaßnahmen müssen als Tagesordnungspunkt angekündigt sein, damit wirksame Beschlüsse gefasst werden können.

Gefasste Beschlüsse werden in die Beschlusssammlung aufgenommen. Sie sind ab Verkündung wirksam, wenn die Versammlung ordnungsgemäß abgehalten wurde. Allerdings können Eigentümer, die gegen den Beschluss gestimmt haben, diesen innerhalb eines Monats gerichtlich anfechten.

Zusammengefasst kommt der Eigentümerversammlung die Schlüsselrolle zu, über das „Ob“ und „Wie“ von Sanierungen zu entscheiden. Durch das Mehrheitsprinzip soll die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft sichergestellt werden. Gleichzeitig gibt es Sicherungen, um Eigentümer vor überstürzten Entscheidungen zu schützen.

Was passiert, wenn nicht alle Eigentümer zu einer Versammlung eingeladen werden?

Werden nicht alle Eigentümer ordnungsgemäß zu einer Eigentümerversammlung eingeladen, hat dies folgende Rechtsfolgen:

Die in der Versammlung gefassten Beschlüsse sind grundsätzlich anfechtbar. Denn die unterbliebene Einladung einzelner Eigentümer stellt einen formellen Beschlussmangel dar, der sich auf das Beschlussergebnis auswirken kann. Die nicht eingeladenen Eigentümer hatten keine Möglichkeit, an der Willensbildung mitzuwirken und ihre Interessen zu vertreten.

Allerdings führt die fehlende Einladung nicht automatisch zur Ungültigkeit der Beschlüsse. Vielmehr müssen die übergangenen Eigentümer die Beschlüsse innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung gerichtlich anfechten. Geschieht dies nicht fristgerecht, werden die Beschlüsse trotz der Einladungsmängel bestandskräftig.

Eine Ausnahme gilt nur, wenn sämtliche Eigentümer auch ohne Einladung vollzählig zusammenkommen und einstimmig beschließen, eine „Universalversammlung“ abzuhalten. Durch die Teilnahme ohne Widerspruch verzichten die Eigentümer konkludent auf die Einhaltung der Einladungsformalien. Die gefassten Beschlüsse sind dann nicht anfechtbar.

Zusammengefasst sollte der einladende Verwalter penibel darauf achten, alle Eigentümer fristgerecht und formgerecht einzuladen. Andernfalls droht die Anfechtung der Beschlüsse durch die übergangenen Eigentümer. Dies kann die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft blockieren, wenn wichtige Maßnahmen nicht umgesetzt werden können. Eine sorgfältige Vorbereitung der Einladungen liegt daher im Interesse aller Beteiligten.

Wie können Eigentümer gegen Beschlüsse der Wohneigentümergemeinschaft vorgehen?

Eigentümer können gegen Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft mit einer Anfechtungsklage vorgehen. Dafür gelten folgende Grundsätze:

Die Anfechtungsklage muss innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben und innerhalb von zwei Monaten nach der Beschlussfassung begründet werden. Die Klage ist seit der WEG-Reform zum 1.12.2020 gegen die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten, vertreten durch den Verwalter. Eine Klage gegen die übrigen Eigentümer wahrt die Anfechtungsfrist nicht.

Klagebefugt ist jeder einzelne Wohnungseigentümer. Die Gemeinschaft selbst kann keine Anfechtungsklage erheben. Ein Rechtsschutzinteresse ist in der Regel gegeben, auch wenn der Eigentümer dem Beschluss zugestimmt hat. Es entfällt nur, wenn der Eigentümer Verfahrensverstöße geltend macht, die ihm schon in der Versammlung bekannt waren.

Als Anfechtungsgründe kommen formelle Mängel wie Ladungsfehler oder materielle Gründe wie ein Verstoß gegen das Gesetz oder die Gemeinschaftsordnung in Betracht. Der Beschluss darf nicht ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen. Bei unrichtiger Kostentragung, Eingriffen in den Kernbereich des Wohnungseigentums oder Überschreitung der Beschlusskompetenz kann sogar Nichtigkeit vorliegen.

Wird die Anfechtungsfrist versäumt, wird der Beschluss bestandskräftig. Eine Anfechtung ist dann nur noch möglich, wenn der Beschluss nichtig ist. Bei unverschuldetem Fristversäumnis kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

Wird der Beschluss rechtskräftig für ungültig erklärt, fällt er rückwirkend weg. Jeder Eigentümer kann dann verlangen, dass eine bereits erfolgte Durchführung rückgängig gemacht wird (Folgenbeseitigungsanspruch).

Die Anfechtungsklage ist somit das zentrale Instrument der Eigentümer, um sich gegen rechtswidrige Mehrheitsbeschlüsse zur Wehr zu setzen und die Einhaltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung durchzusetzen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • §§ 18, 19 WEG (Wohnungseigentumsgesetz): Diese Paragraphen regeln die Grundsätze der ordnungsmäßigen Verwaltung in Wohneigentümergemeinschaften. Im vorliegenden Fall sind sie relevant, weil der Beschluss der Eigentümerversammlung zur Sanierung der Balkone als nicht ordnungsmäßig angesehen wurde, hauptsächlich aufgrund der unzureichenden Einholung von Vergleichsangeboten.
  • § 21 WEG: Betrifft die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und die Befugnisse der Eigentümerversammlung. In diesem Kontext wichtig, da es um einen Beschluss der Eigentümerversammlung geht, der die Sanierung der Balkone betrifft.
  • § 43 WEG: Legt das Verfahren für Anfechtungsklagen fest. Der Kläger hat den Beschluss der Eigentümerversammlung angefochten, weil er den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht. Dieser Paragraph erläutert, wie solche Anfechtungen rechtlich behandelt werden.
  • § 49 GKG (Gerichtskostengesetz): Bestimmt die Berechnung des Streitwerts, der für die Kosten des Rechtsstreits maßgeblich ist. Im vorliegenden Fall wurde der Streitwert aufgrund des im Beschluss genannten Finanzierungsbetrags festgesetzt.
  • § 91 ZPO (Zivilprozessordnung): Regelt die Kostenpflicht im Zivilprozess. Da das Gericht der Klage stattgegeben hat, wurde die Beklagte zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits verpflichtet.
  • §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO: Diese Paragraphen behandeln die vorläufige Vollstreckbarkeit eines Urteils und die Möglichkeiten, Sicherheitsleistungen zu erbringen, um die Vollstreckung abzuwenden. Sie sind hier relevant, weil das Urteil als vorläufig vollstreckbar erklärt wurde und Bedingungen für die Abwendung der Vollstreckung durch die Beklagte festgelegt wurden.


Das vorliegende Urteil

AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980a C 26/22 WEG – Urteil vom 30.06.2023

1. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 10.10.2022 zu TOP 8 wird für ungültig erklärt.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 16.800,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Gültigkeit eines Beschlusses einer Eigentümerversammlung.

Der Kläger ist Mitglied der Beklagten und Eigentümer der Wohnung Nr. 8 (mit 14.004/100.000stel MEA). Es gilt die notarielle Teilungserklärung von 1980 (vgl. Anlage K6). Das Objekt der Gemeinschaft besteht aus einem Anfang der 1980er Jahre errichteten sog. „Terrassenhaus“, bei dem der Balkon bzw. Terrasse einer höhergelegenen Wohnung gleichzeitig das Dach für die darunterliegende Wohnung bildet. Auf den Balkonen/Terrassen der Wohnungen befinden sich als fester Teil der Gebäudestruktur jeweils große Tröge, die als Brüstung und Pflanzgefäße dienen.

Schon seit mehreren Jahren – jedenfalls seit 2013 – sind die Beklagte bzw. ihre Mitglieder in diesem Zusammenhang mit deren Sanierung bzw. Feuchtigkeitserscheinungen im Objekt befasst. Mit Schreiben vom 19.09.2022 (Anlage K1) lud die Verwaltung der Beklagten zur Eigentümerversammlung am 10.10.2022. Zu TOP 8 („Abdichtung der Balkone (Whg.003) gemäß Angebot Nr. 22268 der Fa. O. W. GmbH“) heißt es in dem Schreiben: „In der Wohn. Nr. 003 ist ein massiver Wasserschaden durch Einwirkung von oben entstanden. Es wurden Schäden an der Balkonabdichtung der Whg. Nr. 006 gefunden, die beseitigt wurden. Da aber danach erneute Durchfeuchtungen auftraten, wurde die Abdichtung der Pflanztröge in der Wohnung Nr. 006 beauftragt. Nach Abschluss der Arbeiten traten jedoch wieder Durchfeuchtungen auf, sodass das Ingb. P. mit der weiteren Ursachenfindung beauftragt wurde. Um diese hinreichend ausführen zu können, waren partielle Bauteilöffnungen erforderlich. Als Notmaßnahme und Zwischenlösung wurde eine Holz-Schutz-Konstruktion bei den Balkonen der Wohnung Nr. 006 errichtet. Es soll beschlossen werden, dass das Angebot der Fa. O. W. vom 06.07.2022, welches auf der Prüfung und Abstimmung mit dem Ingb. P. basiert, beauftragt werden kann. Die Ausarbeitungen des Ingb. P. sowie das Angebot der Fa. O. W. über Euro 14.622,42 stehen Ihnen in Ihrem Eigentümerbereich unserer Homepage zur Verfügung. Die Ausführung wäre Ende Oktober 2022 möglich, ist aber witterungsabhängig. Die Finanzierung der Maßnahme kann über eine Sonderumlage in Höhe von maximal 16.800,00 Euro (inkl. Sicherheitspuffer) erfolgen.“ Wegen des o.g. Berichts des Ingenieurs P. vom 14.01.2022 und vom 02.06.2022 wird auf die Anlagen K2 und K3 verwiesen, wegen des Angebots der Fa. O. W. GmbH vom 06.07.2022 auf die Anlage K4.

Die Beauftragung des Ingenieurs P. betreffend die Wohnungen Nr. 8 und Nr. 9 war im November 2021 beschlossen worden (Anlage B3), die erstmalige Beauftragung im Jahr 2017 (Anl. B4).

Auf der Eigentümerversammlung wurde zu TOP 8 mehrheitlich – mit fünf Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen – folgender Beschluss gefasst: „Die Wohnungseigentümer beschließen die Erneuerung der Balkonabdichtungen der Wohnung 006 auf der Grundlage des Angebotes vom 07.10.2022 der Fa. O. W. GmbH, das in Abstimmung mit dem Ingb. P. erstellt wurde. Die Verwalterin wird beauftragt und ermächtigt, die Fa. O. W. zu beauftragen. Die Kosten in Höhe von maximal 16.800,00 Euro (inkl. Sicherheitspuffer) werden über eine Sonderumlage finanziert. Die Verteilung der Sonderumlage erfolgt nach dem neuen beschlossenen Verteilerschlüssel (prozentualer Anteil) gemäß Änderung der Teilungserklärung Urk.Nr. … J. Die Umlage ist zum 15.11.2022 fällig. Die Kosten für die Malerarbeiten zur Schadensbeseitigung im Wohnzimmer der Whg. Nr. 003 werden ebenfalls von der WEG übernommen.“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der Versammlung vom 10.10.2022 (Anlage K5) verwiesen.

Im Oktober 2022 wurde Fa. O. W. GmbH entsprechend beauftragt (Anlage B1), die Arbeiten wurden im November durchgeführt und im Dezember 2022 abgerechnet (Anlage B2).

Der Kläger macht mit seiner am 10.11.2022 bei Gericht eingegangen, der Beklagten am 22.12.2022 zugestellten und mit weiterem Schriftsatz vom Montag, d. 12.12.2022 – Eingang bei Gericht am selben Tag – begründeten Anfechtungsklage geltend, dass der Beschluss zu TOP 8 den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspreche. Das Angebot der Fa. O. W. sei – was unstreitig ist – das einzige gewesen, was die Verwaltung eingeholt habe; erforderlich wären aber mehrere (Vergleichs-)Angebote gewesen. Eine Eigentümerin sei – unstreitig – nicht zur Versammlung eingeladen worden. Und es sei völlig unklar, ob die vom Ingenieur P. beschriebene Maßnahme, wie sie hier beschlossen worden sei, überhaupt geeignet sei, um die Gesamtproblematik zu lösen. Erforderlich sei dafür vielmehr ein umfassendes Sanierungskonzept.

Der Kläger beantragt, den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 10.10.2022 zu TOP 8 für ungültig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, dass der Kläger nach dem Vollzug des Beschlusses kein rechtlich schützenswertes Interesse mehr an dessen Anfechtung habe, zumal er selbst die Vornahme von Sanierungsarbeiten für erforderlich halte. Die Einholung von Vergleichsangeboten sei nicht erforderlich gewesen, weil der Ingenieur P. bereits seit mehreren Jahren beratend für sie, die Beklagte, tätig sei und eigene Bauteilöffnungen vorgenommen sowie auch die Leistungsverzeichnisse erstellt habe.

Nicht zuletzt habe er auch das Angebot der Fa. O. W. GmbH überprüft. Für diese Firma habe zudem gesprochen, dass sie in dem Objekt schon tätig gewesen sei und die Örtlichkeiten kenne. Die Hinzunahme weiterer Anbieter hätte dazu geführt, dass der Sachverständige diese hätte instruieren müssen, was zu einem zusätzlichen Aufwand geführt hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Anfechtungsklage fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Entgegen der Meinung bewirkt der unstreitig erfolgte Vollzug des angefochtenen Beschlusses im November 2022 nicht, dass dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage abzusprechen ist. Unabhängig davon, ob der Kläger im Falle der erfolgreichen Anfechtung einen Folgenbeseitigungsanspruch verfolgen oder die eigene Belastung mit den Kosten verhindern will, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis nicht (vgl. etwa Elzer, in: BeckOK-WEG, 52. Ed. 3.4.2023, § 44, Rn. 110 unter Hinweis auf BGH, NJW 2015, 3713, 3714, Rn. 8 = ZMR 2016, 122). Gleiches gilt für den Fall, dass der Anfechtungskläger dem Beschluss ursprünglich zugestimmt hat und/oder dessen materiellen Gehalt an sich teilt.

Der angefochtene Beschluss vom 10.10.2022 zu TOP 8 widerspricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung i.S. der §§ 18 und 19 WEG und ist daher für ungültig zu erklären. Der Kläger macht mit Erfolg geltend, dass der Beschlussfassung über die Beauftragung der Fa. O. W. GmbH lediglich ein Angebot – und zwar derselben -, aber keine weiteren Vergleichsangebote zugrunde gelegen haben. Im Streitfall haben die Eigentümer bei der Beschlussfassung ihr Ermessen nicht hinreichend ausüben können, weil sie sich über die Frage der Wirtschaftlichkeit der Maßnahme sowie deren technischer Ausführung keine ausreichende Tatsachengrundlage verschaffen konnten. Es ist anerkannt, dass zu diesem Zweck vorab – rechtzeitig – ausreichende Vergleichsangebote einzuholen sind (s. Elzer, a.a.O., § 18, Rn. 31). Es bedarf hier keiner Entscheidung, wie viele Angebote den Eigentümern vorgelegt werden müssen und ob im Falle eines nur überschaubaren Rücklaufes von angefragten Angeboten auch weniger als drei Angebote ausreichend wären. Unstreitig hat die Verwaltung der Beklagten hier vorab nur ein Angebot der Fa. O. W. GmbH eingeholt.

Soweit die Beklagte dazu geltend macht, dass es sich bei dieser um ein „altbekanntes und bewährtes“ Unternehmen mit Ortskenntnissen gehandelt habe, dringt sie damit nicht durch. Im Lichte der für die Arbeiten veranschlagten Kosten von 16.800,00 Euro (an denen etwa der Kläger mit etwa 14% zu beteiligen wäre), des Umstandes, dass die Eigentümer bereits seit Jahren mit der Feuchtigkeitsproblematik befasst sind, ohne aber ein einheitliches Sanierungskonzept zu verfolgen, sowie – was allgemein bekannt ist -, dass die Preise im Bereich von Bauleistungen in letzter Zeit stark gestiegen sind, könnte ein Festhalten an Fa. O. W. GmbH aufgrund der guten Erfahrungen in der Vergangenheit zwar im Ergebnis vom Ermessen der Eigentümer gedeckt sein (vgl. dazu LG Düsseldorf, ZMR 2023, 493), allerdings hätte es für diese Entscheidung gleichwohl eines belastbaren Vergleichs mit anderen Marktteilnehmern bedurft.

Hätte die Verwaltung der Beklagten keine weiteren Angebote erhalten (können), wäre eine Berufung auf die Prüfung des Angebots von Fa. O. W. GmbH durch den Ingenieur P. möglicherweise ausreichend gewesen, um den Anforderungen an die Verschaffung einer ausreichenden Tatsachengrundlage zu genügen. Solange aber die Möglichkeit besteht – und Gegenteiliges ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich -, Angebote von anderen Anbietern zu erhalten, ist dieses Vorgehen wegen der Unmittelbarkeit der Erkenntnisquelle(n) vorzugswürdig.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 49 GKG. Maßgebend für die Bestimmung des Gesamtinteresses sind weder der in der Einladung zur Versammlung angegebene Kostenrahmen (14.622,42 Euro) noch die tatsächlich angefallenen Kosten (12.011,04 Euro), sondern der in dem Beschluss vom 10.10.2022 zu TOP 8 genannte „Finanzierungsbetrag“ in Höhe von 16.800,00 Euro. Das 7,5fache Einzelinteresse des Klägers (ca. 17.645,00 Euro) unterschreitet diesen Betrag nicht.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!