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Darf ein Hausverkäufer nach Veräußerung die Mietsicherheit noch verwerten?

LG Köln – Az.: 14 O 99/20 – Urteil vom 14.05.2021

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die von dem Mieter G der Immobilie L Straße ### in ### L1 (Erdgeschoss, Gewerbeflächen, Mietvertrag vom 06.04.2009) geleistete Mietsicherheit i.H.v. 3.150,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.04.2020 bis zum 01.04.2021 aus 8.400,00 Euro und seit dem 02.04.2021 aus 3.150,00 Euro zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die Höhe der erwirtschafteten Zinsen aufgrund der Anlage der von den Mietern der Immobilie L Straße ### in ### L1 geleisteten Mietsicherheiten i.H.v. 3.150,00 Euro (G, Erdgeschoss, Gewerbeflächen, Mietvertrag vom 06.04.2009) und 5.250,00 Euro (Frau N und Herr I C, Wohneinheit, Dachgeschoss, Mietvertrag vom 27.07.2016) zu erteilen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 808,13 Euro zu zahlen.

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und zwar mit Blick auf die Tenorziffern 1.) und 3.) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags sowie mit Blick auf die Tenorziffer 2.) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500,- Euro.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Auszahlung von Mietsicherheiten vom früheren Eigentümer einer vermieteten Immobilie an den Erwerber.

Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 17.09.2019 die Immobilie in der L Straße ### in L1 von dem Beklagten. Der Kaufpreis wurde vollständig gezahlt. Der Kläger wurde als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.

Hinsichtlich der vorgenannten Immobilie bestehen drei Mietverhältnisse, welche auch zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses und der Eintragung des Klägers in das Grundbuch schon bestanden. Das Erdgeschoss ist an Herrn G vermietet, der in den Räumlichkeiten einen Klavierladen betreibt. Herr G leistete an den Beklagten per Überweisung eine Kaution i.H.v. 3.150,- Euro. Die Wohnung im Dachgeschoss wird bewohnt von den Eheleuten C. Die Eheleute C leisteten eine Kaution per Überweisung i.H.v. 5.250,- Euro. Das weitere Mietverhältnis für die Wohnung im ersten Obergeschoss sieht vertraglich keine Leistung einer Sicherheit vor.

Der notarielle Kaufvertrag vom 17.09.2019 (Anlage K1, Bl. 13 GA) sieht in Ziffer IV. 3. folgende Regelung vor:

„[…] Der Verkäufer garantiert: Der Vertragsbesitz ist ungekündigt vermietet; es bestehen weder Mietrückstände, Mietvorauszahlungen, Streitigkeiten (z.B. Minderungen; Einwendungen gegen Nebenkostenabrechnungen), Pfändungen, Verfügungen über künftige Mietzinsansprüche noch abzugeltende Investitionen des Mieters.

Der Käufer tritt gemäß der gesetzlichen Regelung (§ 566 BGB) in das bestehende Mietverhältnis ein und zwar mit wirtschaftlicher Wirkung zum Tage des Besitzüberganges. Ab diesem Zeitpunkt des Verkäufer umfassend zu allen das Mietverhältnis betreffenden Erklärungen – auch zu Kündigungen und Mieterhöhungsverlangen – ermächtigt, und bevollmächtigt, jedoch auf eigene Kosten und eigenes Risiko.

Der Verkäufer hat unverzüglich eine Kopie, am Tage des Besitzüberganges die Originale der Mietverträge sowie etwa durch den Mieter gestellte Sicherheiten (Kaution; Bürgschaft) zu übergeben; Vertragsänderungen und Vorausverfügungen über die Miete bedürfen ab sofort Zustimmung des Käufers.

Der Notar hat dem Verkäufer empfohlen, zur Haftungsvermeidung den Mietübergang dem Mieter anzuzeigen und ggf. dessen Zustimmung zur schuldbefreienden Übergabe der Mietsicherheiten an den Käufer einzuholen (Paragrafen §§ 566 Abs. 2, 566a Satz 2 BGB).

Der Verkäufer garantiert außerdem: Es bestehen zwischen Verkäufer und Mieter keine weiteren Vereinbarungen.

Die Abrechnung der Nebenkosten mit dem Mieter wird alleine diejenige Partei vornehmen, die am Ende des Abrechnungszeitraumes mittelbarer Besitzer ist. Der andere Vertragsbeteiligte hat etwa empfangene Nebenkostenvorauszahlungen, soweit sie die aufzuschlüsselnden umlegungsfähigen, durch den Verkäufer getragenen Nebenkosten übersteigen, ggf. mit der Kaution an den Käufer herauszugeben. Sofern jedoch eine der Kaufvertragsparteien dies wünscht, wird auf deren Kosten eine Zwischenablesung auf den Stichtag des Besitzübergangs vorgenommen und durch Verkäufer und Käufer getrennt für die einzelnen Zeiträume abgerechnet.“

Der zuvor genannte Mieter G wurde vom Beklagten am 24.12.2018 wegen der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2017 zum Ausgleich eines Fehlbetrages i.H.v. 1.021,63 Euro aufgefordert. Der Mieter zahlte hierauf nicht. Der Beklagte erklärte dann mit Schreiben vom 10.02.2019 die Aufrechnung. Für 2018 steht dem Beklagten gegen den Mieter noch ein unerfüllter Nachzahlungsanspruch i.H.v. 1.065,44 Euro zu.

Der Kläger forderte den Beklagten zur Übertragung der Mietsicherheiten auf, zuletzt mit anwaltlichem Schreiben vom 23.03.2020 unter Fristsetzung bis zum 03.04.2020. Der Beklagte reagierte auf dieses Schreiben nicht.

Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm ein Anspruch auf Auszahlung der Mietsicherheiten aus dem gemeinsamen notariellen Kaufvertrag sowie aus gesetzlichen Vorschriften zustehe. Der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, Abzüge von diesen Mietsicherheiten vorzunehmen. Insbesondere habe er nicht dazu vorgetragen, dass die Voraussetzung für den Zugriff auf die Kaution während eines laufenden Mietverhältnisses durch den Beklagten vorgelegen haben. Die Aufrechnung des Beklagten mit Ansprüchen auf Nebenkostennachzahlung für das Jahr 2017 gegen den Mieter G sei nicht wirksam gewesen. Selbst wenn der Beklagte Teile der Kaution einbehalten dürfte, sei er insoweit dem Kläger gegenüber schadensersatzpflichtig, weil er als Verkäufer im notariellen Kaufvertrag garantiert hatte, dass keine Mietrückstände oder Streitigkeiten z.B. betreffend Minderungen oder Einwendungen gegen Nebenkostenabrechnungen bestehen.

Der Kläger beantragte zunächst,

1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger die von den Mietern der Immobilie L Straße ### in ### L1 geleisteten Mietsicherheiten i.H.v. 3.150,00 Euro (G, Erdgeschoss, Frau N und Herr I C, Wohneinheit, Dachgeschoss, Mietvertrag vom 27.07.2016), also insgesamt 8.400,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.04.2020 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Auskunft über die Höhe der erwirtschafteten Zinsen aufgrund der Anlage der von den Mietern der Immobilie L Straße ### in ### L1 geleisteten Mietsicherheiten i.H.v. 3.150,00 Euro (G, Erdgeschoss, Gewerbeflächen, Mietvertrag vom 06.04.2009) und 5.250,00 Euro (Frau N und Herr I C, Wohneinheit, Dachgeschoss, Mietvertrag vom 27.07.2016) zu erteilen;

3. den Beklagten zu verurteilen, den sich aus der Ziffer 2 ergebenden Zinsbetrag an den Kläger zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.04.2020 zu zahlen;

4. an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 808,13 Euro zu zahlen.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 01.04.2021 (eingegangen bei Gericht am selben Tag per Fax) den Klageantrag zu 1.) i.H.v. 5.250,00 Euro für erledigt erklärt. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 15.04.2021 dieser Erledigungserklärung zugestimmt. Der Kläger hat sodann mit Schriftsatz vom 22.04.2021 erklärt, dass seine Erledigungserklärung vom 01.04.2021 dahingehend korrigiert werden müsse, dass die Teilerledigung lediglich einen Betrag i.H.v. 5.200,00 Euro betrifft.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, ihm stünde für das Jahr 2019 gegen den Mieter G noch ein Anspruch auf Nachzahlung von Nebenkosten i.H.v. 719,80 Euro zu. Für dasselbe Jahr sei auch eine höhere Nachzahlungspflicht für Nebenkosten von den Mietern C zu erwarten.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass er zurecht Teile der Kaution zurückgehalten habe um hieraus seine Ansprüche gegen seine früheren Mieter zu befriedigen.

Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt, und zwar beklagtenseits durch Schriftsatz vom 01.04.2021 und klägerseits durch Schriftsatz vom 09.04.2021.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Stufenklage ist im hier zu bescheidenden Umfang begründet.

I.

Dabei war in diesem Teilurteil zunächst über die unabhängigen Klageanträge zu 1.) und 4.) sowie die Auskunftsstufe in Klageantrag zu 2.) zu entscheiden. Eine Entscheidung über die Zahlungsstufe in Klageantrag zu 3.) bleibt einem Schlussurteil vorbehalten. Der Klageantrag zu 1.) war infolge der übereinstimmenden teilweisen Erledigung vom Gericht auszulegen und umzuformulieren, wie tenoriert.

II.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung der Mietsicherheiten, soweit der Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist (siehe dazu Ziffer 1.). Der Kläger hat außerdem einen Auskunftsanspruch gegen den Beklagten über die Höhe der mit den Mietsicherheiten erwirtschafteten Zinsen (siehe dazu Ziffer 2.). Zuletzt hat der Kläger auch einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (siehe dazu Ziffer 3.).

1. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 3.150,- Euro aus § 566a BGB sowie aus dem Kaufvertrag vom 17.09.2019. Er hat ferner einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.04.2020 bis zum 01.04.2021 aus einem Betrag von 8.400,- Euro sowie aus 3.150,- Euro seit dem 02.04.2021 aus §§ 286, 288 BGB.

a) Über den Klageantrag zu 1.) ist nur noch im Umfang des nicht übereinstimmend für erledigt erklärten Teils zu entscheiden. Die übereinstimmende Erledigungserklärung betrifft vorliegend 5.250,- Euro. Rechtshängig ist damit noch der Zahlungsantrag in Höhe von 3.150,- Euro betreffend die Kaution des Mieters G sowie die Zinsansprüche.

Die nach Erklärung der übereinstimmenden Erledigung durch den Beklagten vorgenommene „Berichtigung“ der klägerischen Erledigungserklärung ist prozessual unbeachtlich. Im Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung sind die Prozesshandlungen sog. Bewirkungshandlungen, weil der Prozess durch die korrespondierenden Erklärungen selbst und nicht erst durch Richterspruch gestaltet wird (MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 91a Rn. 23). Ist durch eine Bewirkungshandlung der prozessuale Erfolg eingetreten, auf den sie zielt, dann kann sie (anders als sog. Erwirkungshandlungen) nicht mehr widerrufen werden. Eine Ausnahme ist hinsichtlich aller nicht mehr einseitig rücknehmbarer Prozesshandlungen dann zuzulassen, wenn die Prozesshandlung von einem Restitutionsgrund iSv § 580 ZPO betroffen ist, auf Grund dessen das Urteil, das auf der Prozesshandlung beruht, mit der Wiederaufnahmeklage beseitigt werden könnte. Andernfalls ist der einseitige Widerruf bzw. die Rücknahme einer Prozesshandlung nur möglich, soweit das Gesetz dies ausdrücklich gestattet wie z. B. § 290 ZPO für das Geständnis (Musielak/Voit, ZPO, 18. Auflage 2021, Einleitung, Rn. 63, § 91a, Rn. 16; BGH NJW 2013, 2686 Rn. 7).

Nach diesen Grundsätzen konnte der Kläger nach Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärung des Beklagten nicht mehr den quantitativen Umfang seiner Teilerledigungserklärung minimieren. Hierin ist bei gebotener Auslegung der Prozesserklärung des Klägers („Berichtigung“) durch das Gericht ein teilweiser Widerruf der Erledigungserklärung des Klägers zu erkennen. Wie oben beschrieben kommt ein solcher Widerruf jedoch nur ausnahmsweise in Betracht. Vorliegend ist jedoch kein Grund des § 580 ZPO einschlägig. Auch kennt das Gesetz keine Widerrufs- oder Berichtigungsmöglichkeit von übereinstimmenden Erledigungserklärungen speziell und Bewirkungshandlungen allgemein.

b) Der Kläger kann vom Beklagten sowohl aus dem gemeinsamen Vertrag als auch aus § 566a BGB die Auszahlung der Kaution des Mieters G i.H.v. 3.150,- Euro verlangen. Ziffer IV. 3. Absatz 4 des notariellen Kaufvertrags enthält die Pflicht des Beklagten, die vom Mieter gestellten Sicherheiten am Tag des Besitzübergangs der Immobilie zu übergeben. Ein solcher Anspruch folgt auch direkt aus § 566a BGB. Die Vorschrift ist, auch wenn das in ihrem Wortlaut nur unzureichend zum Ausdruck kommt, Anspruchsgrundlage (Schmidt-Futterer/Streyl, 14. Aufl. 2019, BGB § 566a Rn. 19; OLG Köln, Beschluss vom 04. Oktober 2012 – 19 U 88/12 -). Bei gebotener Auslegung der Vertragsklausel ist davon auszugehen, dass die Parteien eine dem § 566a BGB entsprechende Regelung treffen wollten. Die Voraussetzungen und Erwägungen zu § 566a BGB sind deshalb in die Vertragsklausel hinein zu lesen. Im Nachgang wird deshalb der klägerische Anspruch nach § 566a BGB geprüft.

Nach dem Gesetzeswortlaut des § 566a Satz 1 BGB ist Voraussetzung für den Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus der Mietsicherheit nur, dass der Mieter die Sicherheit bereits vor Eigentumsübergang geleistet hat. Daneben müssen aber auch die Voraussetzungen des § 566 BGB erfüllt sein, d. h., der Erwerber muss auch in das Mietverhältnis insgesamt eingetreten sein, insbesondere muss das Mietverhältnis bei Eigentumsübergang noch bestehen (Schmidt-Futterer/Streyl, BGB § 566a Rn. 11).

So liegt der Fall hier. Der Kläger ist durch Erwerb der Immobilie und Besitzübergang zugleich gem. § 566 BGB in das Mietverhältnis mit dem Mieter G eingetreten. Dies war auch zwischen den Parteien durch Verweis auf diese Norm in Ziffer IV. 3. Absatz 3 des notariellen Kaufvertrags gewollt. Die hier beachtliche Kaution hat der Mieter G auch unstreitig bereits vor Eigentumsübergang an den Kläger geleistet, wobei das genaue Datum nicht vorgetragen ist. Eine Leistung im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss des Mietvertrags im Jahr 2009 ist jedoch nicht zweifelhaft. Insbesondere hat der Beklagte nicht vorgetragen, dass die Kaution nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig geleistet worden ist.

Wegen der Verknüpfung mit § 566 BGB ist jedoch die Kaution in dem Zustand und der Höhe herauszugeben bzw. auszuzahlen, in der sie zum Zeitpunkt des Eigentumswechsels bestand (Schmidt-Futterer/Streyl, BGB § 566a Rn. 15). Der Veräußerer muss nach § 566a BGB nur das an den Erwerber herausgeben, was er in seinem Vermögen hat bzw. – bei unberechtigter Verwertung der Kaution – haben müsste (OLG Köln, Beschluss vom 04. Oktober 2012 – 19 U 88/12 -). Insoweit geht das Gericht davon aus, dass die Kaution noch in voller Höhe bestand und nicht durch eine Aufrechnung oder sonstigen Zugriff gemindert worden ist.

Dabei ist zu beachten, dass der Vermieter eine Mietsicherheit wegen streitiger Forderungen gegen den Mieter während des laufenden Mietverhältnisses nicht verwerten darf (BGH, Az. VIII ZR 234/13, NJW 2014, 2496, Leitsatz). Die Mietkaution dient nicht dazu, dem Vermieter eine Verwertungsmöglichkeit zum Zwecke schneller Befriedigung behaupteter Ansprüche gegen den Mieter während des laufenden Mietverhältnisses zu eröffnen. Gemäß § 551 Abs. 3 S. 3 BGB hat der Vermieter die ihm als Sicherheit überlassene Geldsumme getrennt von seinem Vermögen anzulegen. Mit der Pflicht zur treuhänderischen Sonderung der vom Mieter erbrachten Kaution wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses auch in der Insolvenz des Vermieters ungeschmälert auf die Sicherheitsleistung zurückgreifen kann, soweit dem Vermieter keine gesicherten Ansprüche zustehen. Diese Zielsetzung würde unterlaufen, wenn der Vermieter die Mietkaution bereits während des laufenden Mietverhältnisses auch wegen streitiger Forderungen in Anspruch nehmen könnte. Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung im Mietvertrag ist gem. § 551 Abs. 4 BGB unwirksam (BGH a.a.O. Rn. 11).

Nach diesem Grundsatz war die unstreitig durch den Beklagten erklärte Aufrechnung gegenüber dem Mieter G betreffend die Nebenkostennachzahlung für das Jahr 2017 auf Grundlage des Sach- und Streitstandes unwirksam. Denn der Beklagte hat nicht dazu vorgetragen, dass diese Forderung unstreitig war. Der Kläger hat dies in der Replik sogar ausdrücklich mit Nichtwissen bestritten. Hierauf hat der Beklagte nicht weiter vorgetragen. Da es sich hierbei um eine für den Beklagten günstige Tatsache handelt, war er hierfür jedoch darlegungs- und beweisbelastet. Durch die eindeutige Thematisierung in der Replik war auch ein gerichtlicher Hinweis an den Beklagten nicht geboten. Es ist demnach davon auszugehen, dass der Anspruch des Beklagten gegen den Mieter G auf Nebenkostennachzahlung für das Jahr 2017 nicht durch Aufrechnung untergegangen ist.

Auch soweit der Beklagte einwendet, es bestehen zu seinen Gunsten neben dem vorgenannten Anspruch für das Jahr 2017 noch weitere bis zur Veräußerung nicht erfüllte Ansprüche auf Nachzahlung von Nebenkosten gegen den Mieter G aus 2018 und aus 2019, durfte er die Kaution nicht in Anspruch nehmen. Denn auch insoweit hat der Beklagte nicht vorgetragen, dass die Ansprüche im Verhältnis zum Mieter G unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind. Allein aus diesem Grunde verbietet sich der Rückgriff auf die Kaution durch den Beklagten. Insoweit ändert auch der zwischenzeitliche Erwerb des vermieteten Objekts durch den Kläger nichts an der Rechtslage (vgl. in diesem Zusammenhang OLG Frankfurt, Urteil vom 15.04.2011 – 2 U 192/10, BeckRS 2011, 10901: hier wurde eine Zugriffsmöglichkeit des Veräußerers auf eine Barkaution nach Veräußerung des vermieteten Objekts nur im Falle rechtskräftig festgestellter Ansprüche gegen den Mieter gestattet; wegen der zeitlich nachfolgend ergangenen Entscheidung des BGH, Az. VIII ZR 234/13, NJW 2014, 2496, kommt eine Erstreckung dieser Rechtsprechung auf streitige bzw. nicht rechtskräftig titulierte Forderungen nicht in Betracht). Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Frage der Verwertung einer Barkaution durch den Verkäufer bzw. früheren Vermieter nach Veräußerung einer vermieteten Immobilie aber vor Auszahlung der Kaution an den Erwerber bzw. neuen Vermieter in Rechtsprechung und Schrifttum streitig ist. Das Gericht hält jedoch die Auffassung für vorzugswürdig, wonach sich der Veräußerer aus einer nicht auf einem Treuhandkonto angelegten Barkaution nicht mehr wegen offener Ansprüche gegen den Mieter befriedigen darf (Schmidt-Futterer/Streyl, BGB § 566a Rn. 16 m.w.N. auch zur a.A.; MüKoBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, BGB § 566a Rn. 12 m.w.N. auch zu a.A.; Kraemer NZM 2001, 742). Dabei ist zunächst zu beachten, dass bei anderen Mietsicherheiten als Barkautionen der Erwerber ohne weitere Handlungen Inhaber der Sicherheit wird und eine Befriedigung aus der Sicherheit schon deshalb ausscheidet, weil der Veräußerer nicht mehr Inhaber der Sicherheit ist. Davon ausgehend ist es überzeugend, dass der Inhaber einer Barkaution nicht besser gestellt werden darf, nur weil er die Sicherheit aktiv an den Erwerber auskehren muss (Schmidt-Futterer/Streyl, BGB § 566a Rn. 15 f.). Soweit die Gegenansicht (v.a. Staudinger/Emmerich (2021) BGB § 566a, Rn. 24) den Erwerber auf den Anspruch auf Wiederauffüllung der Sicherheit gegen den Mieter verweist, erscheint diese Verweisung nicht gerechtfertigt. Zum einen beruft sich diese Ansicht maßgeblich auf zur Vorgängernorm des heutigen § 566a BGB, dem bis 2001 geltenden § 572 BGB a.F., beruhenden Rechtsprechungsfundstellen (vgl. Schmidt-Futterer/Streyl, BGB § 566a, Fn. 77 m.w.N.; hierbei wird gerade auf die Rechtsprechungsfundstellen Bezug genommen, die auch der Beklagte in seiner Klageerwiderung zitiert). Im Übrigen würde mit dieser Ansicht der mit den Änderungen von § 566a BGB im Verhältnis zur Vorgängernorm bezweckte erheblich verstärkte Schutz des Mieters nach Leistung einer Sicherheit (so Staudinger/Emmerich (2021) BGB § 566a, Rn. 1) negativ beeinträchtigt. Denn insoweit müsste sich der Mieter im Falle der Befriedigung des früheren Vermieters aus der Kaution gegen einen Anspruch des neuen Vermieters auf Wiederauffüllung der Kaution verteidigen, indem wiederum inzident Ansprüche des früheren Vermieters gegen den Mieter zu prüfen sind. Mit dieser Verlagerung gehen neben der für juristische Laien erheblichen Komplizierung der Sachlage auch ggf. prozessuale Nachteile einher (etwa eine denkbare Beweislastverschiebung). Eine Privilegierung des Veräußerers, der zum einen eine Barkaution im Verhältnis zum Erwerber entgegen der klaren gesetzlichen Zuordnung zurückhält und zudem seine Ansprüche gegen den Mieter während seiner Zeit als Vermieter nicht durchgesetzt hat, ist nicht geboten (ähnlich: MüKoBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, BGB § 566a Rn. 12, der überzeugenderweise auch eine nicht gerechtfertigt Verlagerung des Risikos der unrechtmäßigen Inanspruchnahme der Kaution auf den Erwerber der Immobilie erkennt).

Insoweit ist auch zu beachten, dass die Problematik der ggf. noch offenen, streitigen Forderungen des Veräußerers gegen den Mieter im Kaufvertrag mit dem Erwerber vorrangig privatautonom geregelt werden kann (vgl. MüKoBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, BGB § 566a Rn. 11; Derleder NJW 2008, 1189 (1192)). Dies ist hier trotz erkanntem Problem der Nebenkostenabrechnungen für die Zeit vor bzw. nach Besitzübergang der Immobilie (vgl. Ziffer IV. 3. letzter Absatz des notariellen Kaufvertrags) nicht erfolgt. Im Gegenteil hat der Beklagte sogar garantiert, dass keine Streitigkeiten über Nebenkostenabrechnungen bestehen (Ziffer IV. 3. Absatz 2 des Kaufvertrags). Demnach ist der Beklagte auch im konkreten Fall nicht schutzwürdig.

c) Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen seit dem 03.04.2020 aus §§ 286, 288 BGB. Spätestens mit Ablauf der in der anwaltlichen Zahlungsaufforderung vom 23.03.2020 (Anlage K4, Bl. 49 GA) ist der Beklagte in Verzug mit der Zahlung der Mietsicherheiten in Höhe von 8.400,- Euro geraten. Insoweit gilt für den ursprünglich bestehenden Anspruch auf Auszahlung der Kaution der Eheleute C das Obige entsprechend, sodass der Kläger auch insoweit einen fälligen, durchsetzbaren Anspruch gegen den Beklagten hatte. Demnach hat der Beklagte auch Verzugszinsen zu zahlen. Durch die übereinstimmende Erledigungserklärung und den Vortrag des Klägers zur teilweisen Zahlung durch den Beklagten ist der Zahlungsanspruch betreffend die Kaution der Eheleute C in Höhe von 5.250,- Euro erfüllt worden, womit der Schuldnerverzug mit Blick auf diese Forderung endete. Mangels konkreten Vortrags, wann die Zahlung beim Kläger eingegangen ist, war auf das Datum der klägerischen Erledigungserklärung abzustellen. Hiernach befand sich der Beklagte nur noch mit der Zahlung der Kaution des Mieters G in Höhe von 3.150,- Euro in Schuldnerverzug. Verzugszinsen sind deshalb insoweit auch weiterhin zu zahlen.

2. Der Kläger kann von dem Beklagten außerdem Auskunft über die Höhe der mit den Mietsicherheiten erwirtschafteten Zinsen für die beiden Kautionen der Mieter G und Eheleute C fordern. Dieser Auskunftsanspruch ergibt sich in Auslegung des notariellen Kaufvertrags aus eben diesem sowie aus § 566a BGB iVm § 242 BGB.

Das deutsche Recht kennt eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Auskunftspflicht nicht. Der Umstand, dass eine Person Kenntnis über Tatsachen hat, die für eine andere von Bedeutung sein mögen, zwingt sie nicht zur Auskunftserteilung. Grundsätzlich besteht nur dann eine Pflicht zur Auskunftserteilung, wenn auf Grund der erteilten Auskunft materielle Ansprüche gegen den Auskunftsverpflichteten herzuleiten sind. Die Pflicht zur Auskunft ist deshalb im Allgemeinen nur eine Nebenpflicht zu einem Hauptanspruch. Trotz Verneinung einer allgemeinen Auskunftspflicht besteht ein Auskunftsanspruch, wenn der Berechtigte nach den ganzen Umständen entschuldbarerweise nicht in der Lage ist, das Bestehen und den Umfang seines Rechts festzustellen, dem Verpflichteten, der zur Auskunft unschwer in der Lage ist, diese aber nach Treu und Glauben zugemutet werden kann. Voraussetzung ist aber gerade, dass wirklich eine Verpflichtung besteht, deren Ausmaß sich aus der Auskunft im Einzelnen ergeben soll (grundlegend: BGH NJW 1957, 669).

Dabei ist der Beklagte grundsätzlich gem. § 551 Abs. 3 BGB zur Anlage der Kaution verpflichtet gewesen und zwar jedenfalls für das Wohnraummietverhältnis der Eheleute C . Mit Blick auf die Kaution des Mieters G als Gewerbemieter ergibt sich aus dem Mietvertrag (§ 5a Abs. 3, Bl. 27 GA), dass die Kaution auf ein besonderes Sparkonto zu den Bedingungen für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist einzuzahlen ist.

Der Beklagte ist – wie oben unter Ziffer 1. – ausführlich dargestellt auch zur Auszahlung der Kaution des Mieters G verpflichtet. Für den übereinstimmend erledigt erklärten Anspruch auf Auszahlung der Kaution der Mieter Eheleute C sind die obigen Ausführungen übertragbar. Zinserträge erhöhen die Kaution und sind ebenfalls an den Erwerber herauszugeben (MüKoBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, BGB § 566a Rn. 10). Die Parteien haben auch nicht im Kaufvertrag etwas anderes in diesem Zusammenhang geregelt.

Zwar ergibt sich aus dem Kaufvertrag kein ausdrücklicher Auskunftsanspruch des Klägers gegen den Beklagten über die Höhe der Zinserträge. Dieser ist aber im Rahmen der (einfachen) Vertragsauslegung als Nebenpflicht zu folgern. Dabei ist zu beachten, dass die Parteien das Problem der Höhe der Zinserträge der Kaution zwar nicht ausdrücklich geregelt haben. Durch die Regelung der Übergabe der Mietsicherheiten am Tage des Besitzübergangs ist jedoch wegen des Verständnisses, dass die Zinserträge Teil der Sicherheit sind, auch ein Anspruch auf Zahlung der Zinsen verbunden. Erst durch Nichtleistung der Kaution durch den Beklagten ist ein Bedürfnis des Klägers auf Auskunft entstanden, das bei Vertragsschluss noch nicht vorhersehbar war. Diese Lücke kann durch die Annahme einer Nebenpflicht des Beklagten zur Auskunft über der Zinserträge gem. § 241 Abs. 2 BGB geschlossen werden. Zu demselben Ergebnis würde auch eine ergänzende Vertragsauslegung führen. Selbst wenn man in dem Vertrag keine Grundlage erkennen würde, ließe sich dasselbe Ergebnis aus der Anwendung von § 242 BGB iVm mit dem gesetzlichen Anspruch aus § 566a BGB folgern. Denn jedenfalls kann der Beklagte ohne Weiteres Auskunft zur Frage der Höhe der Zinserträge erteilen, da er selbst die für die Anlage der Kautionszahlungen verantwortliche Person ist. Der Kläger hingegen hat keine Möglichkeit, die Höhe der Zinserträge ohne Hilfe des Beklagten zu ermitteln. Mangels dieser Information ist er auch gehindert seinen entsprechenden Zahlungsanspruch zu beziffern.

3. Der Kläger hat auch einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 808,13 Euro aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB. Dem Grunde nach ist der klägerische Vortrag unbestritten geblieben, dass der Beklagte „trotz mehrfacher Aufforderungen durch den Kläger“ sowie durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers (S. 4 der Klageschrift, Bl. 10 GA) keine Zahlung geleistet hat. Hieraus ist zu folgern, dass offenbar der Kläger zunächst selbst eine Mahnung ausgesprochen hat und erst danach die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten erfolgt ist. Dem ist der Beklagte jedenfalls nicht entgegen getreten. Der Höhe nach ist die hier korrekt vorgenommene Berechnung der Gebühren gem. RVG aus einem Gegenstandswert von 8.400,- Euro nicht zu beanstanden.

III.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten, sodass an dieser Stelle noch keine Entscheidung über die Kosten im Rahmen der übereinstimmenden Teilerledigung geboten ist. Jedoch ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass auch im Rahmen der Teilerledigung die Klage ursprünglich zulässig und begründet war und erst nach Rechtshängigkeit erledigt worden ist.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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