BGH zu Aufklärungspflichten des Verkäufers einer Immobilie
Die Bewertung und der Erwerb einer Immobilie sind komplexe Prozesse, die eine detaillierte und sorgfältige Analyse und Bewertung der in Frage stehenden Liegenschaft erfordern. Eine wichtige Phase dieses Prozesses ist die Due Diligence, eine obligatorische und umfangreiche Prüfung, die durchgeführt wird, um ein genaues Bild von den physikalischen, rechtlichen und finanziellen Aspekten des betreffenden Objekts zu erhalten. Solche Prüfungen sind entscheidend, um fundierte Kaufentscheidungen zu treffen und um sicherzustellen, dass das Objekt dem vom Verkäufer dargestellten Zustand entspricht.
Übersicht
- BGH zu Aufklärungspflichten des Verkäufers einer Immobilie
- Die Verkäuferseite und ihre Obligationen
- Die Bedeutung eines virtuellen Datenraums
- Die Rolle von Nachträglichkeiten und die Details im konkreten Fall
- Due Diligence: Eine immer präsente Prüfung
- Zusammenfassung und Schlussbemerkungen
- Begriffserklärung: Was bedeutet Due Diligence im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften?
- Komplexe Immobilienkäufe: Lassen Sie sich rechtlich absichern!
Jüngste Entwicklungen haben jedoch eine intensivere Debatte über die genauen Pflichten und Verantwortlichkeiten der beteiligten Parteien während dieser Prüfperiode ausgelöst. Konkret wurde das Thema vor dem Bundesgerichtshof (BGH, Aktenzeichen V ZR 77/22) am 30.06.2023 erörtert, wo die Kernfrage dieser Debatte zum zentralen Punkt wurde: Wo genau liegen die Pflichten zur Aufklärung und Offenlegung des Verkäufers einer Immobilie und wann beginnen die Verantwortlichkeiten der Käuferseite?
Diese Fragestellung berührt den Kern des Immobilienkaufprozesses und hat weitreichende Implikationen für die Beziehungen zwischen Käufer und Verkäufer. Es besteht die Notwendigkeit, dass der Verkäufer verpflichtet ist, relevante und genaue Informationen bereitzustellen, um den Käufer in die Lage zu versetzen, eine gut informierte Kaufentscheidung zu treffen. Gleichzeitig bestehen jedoch auch Anforderungen an die Käufer, sorgfältige Untersuchungen durchzuführen und alle notwendigen Informationen zu beschaffen. Das BGH hat sich intensiv mit diesen Fragen auseinandergesetzt und versucht, klare Regeln und Richtlinien festzulegen, um das Verständnis der Due Diligence und die Rollenverteilung in diesem Prozess zu klären.
Die Verkäuferseite und ihre Obligationen
Interessierte Käufer und Käuferinnen einer Immobilie möchten über die potenziellen Kosten und Verpflichtungen informiert sein, die mit dem Kauf verbunden sind. Als zentrale Frage vor dem BGH wurde daher diskutiert, welche Aufklärungsleistungen der Verkäufer zu erbringen hat, und welche Informationen und Verantwortlichkeiten beim Käufer liegen. Erschwerend für zukünftige Verkäufer könnte sein, dass strengere Vorschriften zur Aufklärung in Erwägung gezogen werden, wobei insbesondere Kosten für eventuelle Renovierungen und Modernisierungen zur Diskussion stehen.
Im Mittelpunkt der Verhandlung stand ein spezifischer Fall aus Hannover. Hier kritisierte der BGH ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle (Az. 4 U 50/21 vom 29.03.2022), dass die Informationsbeschaffung als hauptsächliche Verantwortung der Käuferin ansah. Die Vorsitzende Richterin hob hervor, dass es prinzipiell die Aufgabe eines jeden Käufers oder jeder Käuferin sei, sich die notwendigen Informationen zu besorgen. Dennoch ist die genaue Verteilung der Informations- und Aufklärungspflichten in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen.
Die Bedeutung eines virtuellen Datenraums
In der diskutierten Transaktion stellte die Verkäuferin Dokumente, die das zur Debatte stehende Objekt betrafen, in einen virtuellen Datenraum, um der Käuferin die sorgfältige Prüfung (Due Diligence) zu ermöglichen. Eine hohe Relevanz bekam die Frage, ob die Verkäuferin davon ausgehen kann, dass potenzielle Käufer eigene, selbstständige Untersuchungen in diesem Datenraum durchführen. Es wurde außerdem thematisiert, ob der Verkäufer auf bestimmte – insbesondere neu hinzugefügte – Dokumente ausdrücklich hinweisen müsse. Auch die Art der bereitgestellten Unterlagen könnte laut BGH eine Rolle spielen. Hierbei macht es einen Unterschied, ob die Unterlagen etwa zur gezielten Suche nach Mängeln innerhalb eines Sachverständigengutachtens verwendet werden oder zur Beantwortung finanzieller Fragen bei Bankgesprächen.
Die Rolle von Nachträglichkeiten und die Details im konkreten Fall
Der Vertreter des Käufers vor dem BGH forderte, dass der Verkäufer in einem solchen virtuellen Datenraum von Anfang an ein umfassendes Bild dessen liefern solle, was der Käufer wissen müsse. Sollte im Nachhinein dokumentarischer Nachschub geleistet werden, müsse der Verkäufer hierfür explizit sensibilisieren.
Im konkreten Fall betraf die Auseinandersetzung den Kauf verschiedener Gewerbeeinheiten in einem umfangreichen Gebäudekomplex, dessen Kaufpreis mehr als 1,5 Millionen Euro betrug. Die klagende Gesellschaft äußerte den Vorwurf der arglistigen Täuschung. Der Grund hierfür war die späte Kenntnisnahme, dass hohe Kosten für die Instandhaltung des gemeinschaftlich genutzten Eigentums entstehen könnten. Das Protokoll einer entscheidenden Versammlung der Eigentümer wurde vom Verkäufer nur drei Tage vor Vertragsabschluss in den Datenraum gestellt. Die Klägerin sah hierin einen „heimlichen“ Schachzug und beschuldigte den Verkäufer, ihr diese Information „untergeschoben“ zu haben.
Die Umbaukosten des betroffenen Gebäudes waren auf bis zu 50 Millionen Euro geschätzt worden. Weil die Hauptanteilseignerin diesen Betrag nicht zahlen wollte, landete die Auseinandersetzung vor Gericht. Der Fall endete zunächst im Januar 2020 mit einer Vereinbarung, dass eine Sonderumlage unter den Eigentümern der Gewerbeeinheiten erhoben werden sollte. Daraufhin wurde der Kaufvertrag von der Klägerin angefochten. Im Vertrag hatte die Verkäuferin unter anderem versichert, dass bis auf eine Ausnahme keine Sonderumlagen beschlossen worden seien. Zudem wurde betont, dass die Verkäuferin der Käuferin Protokolle der Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre zur Verfügung gestellt hatte und dass die Käuferin den Inhalt dieser Unterlagen kannte.
Der Anwalt der Verkäuferin gab an, dass die Käuferin den Vertragstext elf Tage vor seiner Unterschrift zur Kenntnis genommen hätte. Wenn sie keine weiteren Fragen stelle, sei das ein „grobes Verschulden gegen sich selbst“. Der Anwalt fügte hinzu, dass der Käufer sorgfältig prüfen müsse, welche Informationen er benötige, und sich dieser selbst beschaffen solle. Wer das betreffende Gebäude, das Ihme-Zentrum im Stadtteil Linden, besuche, würde den seit Jahren bestehenden Sanierungsbedarf offensichtlich erkennen.
Das OLG Celle hatte bereits geurteilt, dass bis zum Vertragsabschluss keine Sonderumlage beschlossen worden war; in diesem Zusammenhang hatte die Verkäuferin also keine falschen Angaben gemacht. Auch diese Entscheidung soll vom BGH überprüft werden, neben der Frage, ob die im Datenraum bereitgestellten Unterlagen vollständig waren.
Due Diligence: Eine immer präsente Prüfung
Laut dem Immobilienverband Deutschland (IVD) findet bei Immobilientransaktionen stets eine Due-Diligence-Prüfung statt. „Jeder Käufer prüft vor einem Kauf, ob das Objekt den Erwartungen entspricht“, erklärte Christian Osthus, stellvertretender IVD-Bundesgeschäftsführer. In der Regel erfolgt diese Prüfung jedoch nicht organisiert oder durch Dritte, sondern in Eigenverantwortung des Käufers. Osthus betonte, dass dies vor allem bei größeren Transaktionen oder wenn es den Gewohnheiten des Käufers entspricht, der Fall ist.
Das endgültige Urteil des BGH wird am 15. September in Karlsruhe erwartet. Es ist denkbar, dass das OLG Celle zu weiteren Verhandlungen aufgefordert wird. Generell betrachtet der IVD diese Entscheidung als relevant für alle Ankaufsuntersuchungen und geht davon aus, dass sich die allgemeinen Standards für Due Diligence-Prüfungen als Konsequenz verändern könnten.
Zusammenfassung und Schlussbemerkungen
Obwohl die individuellen Verantwortlichkeiten im Immobilientransaktionsprozess je nach spezifischem Kontext und Fall variieren können, zeigte diese BGH-Verhandlung deutlich, dass sowohl Käufern als auch Verkäufern aufgrund sich möglicherweise verschärfender Informations- und Aufklärungspflichten nahegelegt wird, sorgfältig ihre eigenen Bedürfnisse und Verpflichtungen bei einer Immobilientransaktion zu verstehen und zu beachten. Insbesondere im Hinblick auf die Nutzung von virtuellen Datenräumen für Due Diligence-Prüfungen scheinen klare Kommunikation und Transparenz wesentliche Elemente in der Immobilienkaufdynamik zu sein.
Das endgültige Urteil wird nicht nur für den konkreten Fall, sondern auch für zukünftige Immobilientransaktionen und die Ausgestaltung von Due Diligence-Prüfungen von Bedeutung sein.
Begriffserklärung: Was bedeutet Due Diligence im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften?
Due Diligence, frei aus dem Englischen als „mit gebührender Sorgfalt“ übersetzt, bezeichnet den Prozess der gründlichen Prüfung und Analyse eines Zielunternehmens, insbesondere in Hinblick auf seine wirtschaftlichen , rechtlichen, steuerlichen und finanziellen Aspekte. Der Zweck der Due-Diligence-Prüfung ist es, potenzielle Risiken zu identifizieren und zu bewerten. Dies ist insbesondere relevant bei Unternehmensübernahmen und -fusionen. Der Begriff Due Diligence kann auch verwendet werden, um die Prozesse zu beschreiben, durch die Unternehmen ihre tatsächlichen und potenziellen negativen Auswirkungen identifizieren und verhindern.
In Bezug auf Immobiliengeschäfte bezieht sich die Due Diligence auf eine gründliche Untersuchung und Risikobewertung einer Immobilie vor dem Kauf. Ziel ist es, mögliche Probleme oder Risiken zu identifizieren, die mit der Immobilie verbunden sein könnten. Dies könnte beispielsweise strukturelle oder bauliche Mängel, rechtliche oder regulatorische Fragen, Umweltprobleme oder finanzielle Risiken umfassen.
Bei einer Due Diligence im Immobilienkontext kann es verschiedene Arten von Prüfungen geben:
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Technische Due Diligence: Hierbei handelt es sich um die Beurteilung des baulichen und technischen Zustands der Immobilie. Es werden beispielsweise Gebäudeinspektionen durchgeführt, um den physischen Zustand der Immobilie zu bewerten.
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Rechtliche Due Diligence: Dabei geht es um die Überprüfung der rechtlichen Aspekte der Transaktion, einschließlich der Untersuchung des Eigentumstitels und aller darauf lastenden Rechte oder Lasten.
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Wirtschaftliche oder finanzielle Due Diligence: Hierbei handelt es sich um eine Analyse der finanziellen Merkmale der Immobilientransaktion und kann eine Prüfung der Mieteinnahmen, Betriebskosten, und anderen finanziellen Faktoren beinhalten.
Durch eine sorgfältige Due Diligence können Käufer mögliche Risiken besser bewerten und informierte Entscheidungen treffen.
Komplexe Immobilienkäufe: Lassen Sie sich rechtlich absichern!
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