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Eigenbedarfskündigung – Härtegründe bis zum der Schluss der mündlichen Verhandlung bestehen

Gerichtsurteil bestätigt Eigenbedarfskündigung trotz Härtegründen

Die Thematik der Eigenbedarfskündigung steht im Zentrum vieler mietrechtlicher Auseinandersetzungen. Diese Art der Kündigung tritt ein, wenn Vermieter die von ihnen vermietete Wohnung für sich selbst, ihre Familienangehörigen oder Angehörige ihres Haushalts benötigen. Eine solche Kündigung muss stets wohl begründet sein, wobei die Interessen beider Parteien – Vermieter und Mieter – sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen.

Hierbei spielen nicht nur die Bedürfnisse des Vermieters eine Rolle, sondern auch mögliche Härtegründe aufseiten des Mieters, die gegen eine Räumung sprechen könnten. Diese Härtegründe müssen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung bestehen und werden individuell betrachtet. Sie können von körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen bis hin zu sozialen oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten reichen. Die rechtliche Herausforderung liegt in der Abwägung dieser Interessen und in der Beurteilung, ob die Kündigung rechtmäßig und die Räumungsaufforderung angemessen ist. Dieses komplexe Thema erfordert eine tiefe juristische Durchdringung und wird oft zum Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen, wie im vorliegenden Fall des Amtsgerichts München.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 461 C 1702/21   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Urteil des Amtsgerichts München bestätigt die Räumungspflicht der Beklagten aufgrund einer Eigenbedarfskündigung durch die Kläger, wobei die Berücksichtigung von Härtegründen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zentral ist.

Liste der zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Rechtmäßigkeit der Eigenbedarfskündigung: Die Kläger kündigten die Wohnung aufgrund von Eigenbedarf, welcher für ihre minderjährigen Söhne, darunter ein schwerbehinderter Sohn, erforderlich war.
  2. Notwendigkeit eines Aufzugs: Die aktuelle Wohnung der Kläger im 5. Stock ohne Aufzug war für den behinderten Sohn nicht geeignet, die gekündigte Wohnung hingegen hatte einen Aufzug.
  3. Wirksamkeit der Kündigung: Die Kündigung erfüllte die erforderliche Schriftform und war inhaltlich gültig.
  4. Zurückweisung des Widerspruchs: Der Widerspruch der Beklagten gegen die Kündigung wurde mangels einer beigefügten Originalvollmacht nicht als unverzüglich zurückgewiesen, was rechtlich relevant ist.
  5. Keine Härtegründe zum Zeitpunkt der Verhandlung: Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bestanden keine Härtegründe mehr, die eine Fortsetzung des Mietverhältnisses rechtfertigen würden.
  6. Räumungsfrist bis 30.06.2023: Der Beklagten wurde eine Frist bis zum 30. Juni 2023 für die Räumung der Wohnung gewährt.
  7. Kostenverteilung: Die Kläger tragen 2/3 und die Beklagte zu 1) 1/3 der Kosten.
  8. Vorläufige Vollstreckbarkeit: Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wobei Sicherheitsleistungen vorgesehen sind.

Eigenbedarfskündigung und Räumungspflicht: Ein Fall am Amtsgericht München

Mietrechtliche Entscheidung: Eigenbedarfskündigung durchgesetzt
(Symbolfoto: fizkes /Shutterstock.com)

Im Mittelpunkt des Rechtsstreits am Amtsgericht München stand die Räumungsklage eines Vermieter-Ehepaars gegen ihre Mieterin. Die Kläger, seit September 2019 Eigentümer der Wohnung in München, hatten mit Schreiben vom 2. Januar 2020 die Räumung der Wohnung zum 31. Dezember 2020 gefordert, begründet durch Eigenbedarf für sich und ihre beiden minderjährigen Söhne. Einer der Söhne leidet an einer schweren, therapieresistenten Epilepsie, wodurch die Notwendigkeit einer barrierearmen Wohnung entstand, insbesondere einer mit Aufzug, da die derzeitige Wohnung der Familie im 5. Stock ohne Aufzug liegt.

Widerspruch und Härtegründe der Beklagten

Die Beklagte, seit 1981 Mieterin der Wohnung, erhob über den Mieterverein Widerspruch gegen die Kündigung.Der Fall wurde komplex, da die Beklagte argumentierte, die Kündigung sei formell unwirksam und der Eigenbedarf nicht nachvollziehbar. Zudem führte sie an, dass der Widerspruch gegen die Kündigung rechtzeitig erfolgt sei und erhob Härtegründe: Die Beklagte lebte in der Wohnung mit ihrer Tochter, die psychiatrische Behandlung benötigte, und ein Umzug könnte bei dieser Suizidalität auslösen. Nach dem Tod der Tochter argumentierte die Beklagte, dass sie sich nun in einer psychisch besonders belasteten Situation befände.

Gerichtliche Entscheidung und Prüfung der Kündigungsvoraussetzungen

Das Gericht entschied zugunsten der Kläger. Es befand die Kündigung als form- und fristgerecht, da die schriftliche Form eingehalten wurde und der Kündigungsgrund klar erkennbar war. Die Kläger hätten das Recht auf Eigenbedarfskündigung, da sie die Wohnung für sich und ihre Familie benötigten. Die Notwendigkeit eines Aufzugs für den Sohn der Kläger und die Unmöglichkeit, die derzeitige Wohnung entsprechend anzupassen, wurden als berechtigte Interessen anerkannt.

Bezüglich des Widerspruchs der Beklagten führte das Gericht aus, dass dieser zwar formgerecht erfolgt sei, die vorgebrachten Härtegründe jedoch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr bestanden. Insbesondere wurde festgestellt, dass die Beklagte sich nicht ausreichend um eine Ersatzwohnung bemüht hatte, obwohl sie sich eine Miete von 1.536 Euro leisten konnte.

Vollstreckbarkeit des Urteils und Bedeutung für Mietrecht

Das Urteil des Amtsgerichts München führte zur Verurteilung der Beklagten zur Räumung der Wohnung bis zum 30. Juni 2023. Die Kläger wurden verpflichtet, zwei Drittel der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten zu tragen, während die Beklagte ein Drittel zu tragen hatte. Hinsichtlich der Kosten für die dritte Beklagte, die verstorben war, fielen diese den Klägern zu. Das Urteil wurde hinsichtlich der Räumung für vorläufig vollstreckbar erklärt, wobei Sicherheitsleistungen festgelegt wurden.

Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung einer genauen Prüfung der Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung und der Notwendigkeit, dass Härtegründe zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch bestehen müssen. Es zeigt auch die Schwierigkeiten auf, die bei der Abwägung der Interessen von Vermietern und Mietern in solchen Fällen entstehen können.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was ist unter einer Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 S. 2 BGB zu verstehen?

Eine Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 S. 2 BGB bezieht sich auf eine Situation, in der ein Vermieter das Mietverhältnis mit seinem Mieter beendet, weil er die vermietete Wohnung für sich selbst, für eine zu seinem Haushalt gehörende Person oder für einen Familienangehörigen benötigt.

Der Begriff „Eigenbedarf“ bezieht sich auf den Bedarf des Vermieters, die vermietete Wohnung für sich selbst oder für eine zu seinem Haushalt gehörende Person zu nutzen. Dies kann beispielsweise eine Pflegekraft oder ein Familienmitglied sein, wie Eltern, Kinder, Enkel oder Geschwister des Vermieters.

Der Vermieter muss vernünftige und nachvollziehbare Gründe nennen, warum er oder eine begünstigte Person die Wohnung beziehen will. Der bloße Wunsch, in den eigenen vier Wänden wohnen zu wollen, reicht nicht aus. Beispielsweise kann der Vermieter Eigenbedarf anmelden, wenn er selbst in der gekündigten Wohnung seinen Altersruhesitz begründen will oder wenn er seinem Kind die gekündigte Wohnung zur Verfügung stellen will, weil sonst die Gefahr besteht, dass sich das Kind vom Elternhaus löst.

Die Eigenbedarfskündigung muss schriftlich erfolgen und der Vermieter muss im Kündigungsschreiben schriftlich begründen, für welche Person er die Wohnung benötigt, und er muss einen konkreten Sachverhalt beschreiben, auf den er das Interesse dieser Person an der Wohnung stützt.

Der Vermieter muss dem Mieter bei einer Eigenbedarfskündigung eine gesetzlich vorgeschriebene Frist von mindestens drei Monaten bis zum Auszug einräumen. Besteht das Mietverhältnis seit mehr als fünf Jahren, erhöht sich diese Frist auf sechs Monate, nach mehr als acht Jahren Mietdauer gilt eine neunmonatige Frist.

Es gibt jedoch auch Situationen, in denen eine Eigenbedarfskündigung unwirksam ist. Beispielsweise ist die Eigenbedarfskündigung unwirksam, wenn die Wohnung gar nicht in der Art und Weise genutzt werden kann, wie der Vermieter im Kündigungsschreiben vorgibt. Ebenso ist die Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter den Eigenbedarf nur vorgeschoben hat.

Es ist auch zu erwähnen, dass es Sonderregelungen gibt, beispielsweise für langjährige Mieter. Wenn der Vermieter den Eigenbedarf nur vorgeschoben hat, haben Sie als getäuschter Mieter Anspruch auf Schadensersatz.

Welche Rolle spielt das Vorliegen von Härtegründen nach § 574 BGB bei der Fortsetzung eines Mietverhältnisses?

Die Rolle von Härtegründen gemäß § 574 BGB bei der Fortsetzung eines Mietverhältnisses ist von großer Bedeutung. Nach § 574 BGB kann ein Mieter, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn oder seine Familie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist, der Kündigung widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen.

Härtegründe können vielfältig sein und beinhalten oft gesundheitliche Aspekte oder andere persönliche Umstände, die einen Umzug besonders belastend machen würden. Beispielsweise können gesundheitliche Beeinträchtigungen, wie eine drohende demenzielle Orientierungslosigkeit im Falle eines Wohnungsverlusts, als Härtegründe gelten. Es ist jedoch zu beachten, dass die Gerichte die Konsequenzen, die für den Mieter mit dem Umzug verbunden sind, im Rahmen der nach § 574 Abs. 1 BGB notwendigen Abwägung sachgerecht zu gewichten haben.

Die Beweislast für das Vorliegen von Härtegründen liegt beim Mieter. Der Mieter muss die Härtegründe substantiiert darlegen und gegebenenfalls beweisen. Wenn die Härtegründe bestritten werden, kann es notwendig sein, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Interessen des Vermieters in der Abwägung berücksichtigt werden. Die Dringlichkeit des vom Vermieter geltend gemachten Wohnbedarfs kann im Rahmen des § 574 Abs. 1 BGB Bedeutung erlangen.

In einigen Fällen kann das Gericht auch ohne entsprechenden Antrag die Fortsetzung des Mietverhältnisses anordnen. Es ist jedoch zu beachten, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses und eine Räumungsfrist nur ausnahmsweise in Betracht kommen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Härtegründe nach § 574 BGB eine wichtige Rolle bei der Fortsetzung eines Mietverhältnisses spielen können. Sie ermöglichen es dem Mieter, trotz einer an sich gerechtfertigten Kündigung des Vermieters, die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn oder seine Familie eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde.


Das vorliegende Urteil

AG München – Az.: 461 C 1702/21 – Urteil vom 10.03.2023

In dem Rechtsstreit erlässt das Amtsgericht München am 10.03.2023 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.02.2023 folgendes Endurteil

1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die Wohnung Nr. 15 in ### München, ###, 2. Obergeschoss geradeaus dritte/letzte Wohnung links im Laubengang, bestehend aus 4 Zimmern, 1 Küche, 1 Bad, 1 Flur, 1 Keller und 1 Garagenstellplatz Nr. 15 zu räumen und an die Kläger herauszugeben.

2. Der Beklagten zu 1) wird eine Räumungsfrist bis 30.06.2023 gewährt.

3. Von den gerichtlichen Kosten sowie von den außergerichtlichen Kosten der Kläger und der Beklagten zu 1) tragen die Kläger 2/3 und die Beklagte zu 1) 1/3. Die Kläger haben die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) zu tragen.

4. Das Urteil ist aus Ziffer 1 vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 16.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

5. Das Urteil ist ansonsten vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung der vollstreckenden Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 14.652,36 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger verlangen als Wohnungsvermieter die Räumung und Herausgabe der Wohnung nach Kündigung wegen Eigenbedarfs.

Mit Mietvertrag vom 27.05.1981 (K1, Bl. 7) mieteten die Beklagten zu 1) und 2) die streitgegenständliche Wohnung von ###.

Die Nettogrundmiete beträgt 1.221,03 Euro, die Gesamtbruttomiete 1.536,00 Euro. Die Beklagte zu 2) ist unstrittig verstorben.

Die Kläger sind seit dem 04.09.2019 Eigentümer (Bl. 50R).

Mit Schreiben vom 02.01.2020 erklärten die Kläger die Kündigung zum 31.12.2020. Die Kündigung ist mit Eigenbedarf für die Kläger zu 2) und 3) und deren beiden minderjährigen Söhne begründet. Zum näheren Inhalt des Schreibens wird auf die Anlagen K2 (Bl. 13) beziehungsweise K13 (Bl. 129) verwiesen).

Mit Schreiben des Mietervereins vom 23.10.2020 (K4, Bl. 15) erhob die Beklagte zu 1) Härtewiderspruch.

Das Schreiben ging der Klagepartei am 24.10.2020 zu (Protokoll vom 08.07.2021, Bl. 68; Einlieferungsbeleg, B6, Bl. 105), der Klägervertreter erhielt es nach Weiterleitung durch die Kläger am 26.10.2020 (Protokoll vom 08.07.2021, Bl. 68).

Diesem Schreiben des Mietervereins lag unstreitig keine Originalvollmacht bei.

Mit Schreiben vom 29.10.2020 (B4, Bl. 70) reichte der Mieterverein eine Originalvollmacht nach.

Mit Schreiben vom 04.11.2020 (Bl. 64) wiesen die Kläger das Widerspruchsschreiben mangels Beiliegen einer Originalvollmacht zurück. Dieses Schreiben ging dem Mieterverein unstrittig am 05.11.2021 zu (Protokoll vom 08.07.2021, Bl. 68; Zugangsnachweis, Bl. 87, 65).

Die Kläger tragen vor, die Wohnung würde für die Kläger zu 2) und 3) und deren Söhne benötigt.

Es werde Eigenbedarf für die Familie der Kläger zu 2) und 3) geltend gemacht. Die Kläger zu 2) und 3) hätten 2 Söhne (derzeit 10 und 6 Jahre). Der jüngere Sohn ### sei schwer behindert.

Er leide unter anderem an therapierefraktärer Epilepsie. Die Krankheit führe immer wieder zu epileptischen Krampfanfällen. ### sei körperlich und geistig stark eingeschränkt. Das gehe soweit, dass ### nicht alleine bzw. gar nicht laufen könne. Da er zwischenzeitlich zu alt und zu groß ist, sei es den Klägern zu 2) und 3) auch nicht mehr möglich, ihn zu tragen. Er habe einen Behindertenausweis mit 100 Prozent und es liege der Pflegegrad 4 vor.

Zur näheren Darlegung des Vortrags der Klagepartei zur Erkrankung des Sohnes wird auf den Klägerschriftsatz vom 07.04.2021 (Bl. 48) Bezug genommen, ferner auf die ärztlichen Atteste der Ärzte ### (K11, Bl. 55) und B (Bl. 63).

Derzeit bewohnten die Kläger zu 2) und 3) eine Wohnung in Schwabing. Diese befindet sich allerdings im 5. Stock ohne Aufzug. Die streitgegenständliche Wohnung hingegen verfüge über einen Aufzug und sei auch von der Größe und der Lage ideal für eine vierköpfige Familie mit einem behinderten Kind geeignet.

Mit der Klageschrift vom 28.01.2021 hatten die Kläger zunächst auch Räumungsklage gegen die Beklagten zu 2) erhoben, die am 23.07.1991 verstorben war (B1, Bl. 29). Mit Schriftsatz vom 06.05.2021 (Bl. 72) nahm die Klagepartei die Klage gegen die Beklagte zu 2) zurück.

Mit Schriftsatz vom 05.04.2022 (Bl. 163) erweiterte die Klagepartei die Räumungsklage gegen die Beklagte zu 3). Die Beklagte zu 3) verstarb am 13.09.2022 (Bl. 217). Mit Schriftsatz vom 12.10.2022 (Bl. 221) nahm die Klagepartei die Klage gegen die Beklagte zu 3) zurück. Die Beklagtenvertreterin stimmte der Klagerücknahme mit Schriftsatz vom 28.10.2022 (Bl. 225) zu.

Die Kläger hat daher zuletzt beantragt: Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die Wohnung Nr. 15 in ### München, ###, 2. OG geradeaus drittelletzte Wohnung links im Laubengang, bestehend aus 4 Zimmern, 1 Küche, 1 Bad, 1 Flur, 1 Keller und 1 Garagenstellplatz Nr. 15 zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte zu 1) hat beantragt: die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

höchstvorsorglich die Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 574a BGB auf unbestimmte Zeit, da die Beendigung des Mietverhältnisses für die Beklagte zu 1) eine unzumutbare Härte darstellen würde.

höchstvorsorglich die Einräumung einer angemessenen Räumungsfrist.

Die Beklagte wendet ein, die Kündigung sei formell unwirksam, da die Aussteller nicht konkret zu erkennen seien. Der Eigenbedarf werde bestritten.

Die Beklagte beruft sich auf Härtegründe.

Der Widerspruch sei rechtzeitig erklärt worden, da die Zurückweisung nicht unverzüglich erfolgt sei.

Die Beklagte habe die Wohnung zusammen mit ihrer Tochter ###, die am 29.09.1986 geboren sei, bewohnt.

Die Tochter der Beklagten sei in ständiger psychiatrischer Behandlung bei ### gewesen.

Es habe eine langwierige und schwere Krankheitsvorgeschichte bestanden (weitere Vortrag Bl. 27).

Der Umzug würde für die Tochter zu einer nicht auszuschließenden Suizidalität führen (Attest, vom 13.10.2020 als Anlage zur Anlage K4, Bl. 17; B2, Bl. 30).

Der Beklagten sei es nicht gelungen, eine andere Wohnung zu finden. Sie habe eine Reihe von Wohnungen besichtigt, sei jedoch jeweils abgelehnt worden (Bl. 28).

Zum weiteren Vortrag wird auf die Seiten 2 und 3 des Beklagtenschriftsatzes vom 04.05.2021 (Bl. 68 f.) verwiesen.

Die Beklagte habe einen Antrag bei der  München gestellt (Bl. 32). Sie habe nur Absagen über .. erhalten (Bl. 35 ff.).

Nach dem Versterben der Beklagten zu 3), der Tochter der Beklagten, stelle sich nunmehr die Situation vollkommen anders dar. Die Beklagte zu 1) müsse von neuem anfangen, sich um Wohnraum zu bemühen.

Sie müsse die öffentlichen Stellen usw. diesbezüglich informieren und entsprechende Anträge ebenfalls neu stellen.

Die Beklagte zu 1) sei jetzt nach dem Versterben der Beklagten zu 1) selbst in einer besonderen psychischen Ausnahmesituation. In der Verhandlung vom 29.11.2022 übergab die Beklagtenpartei 2 Atteste als Anlage zu Protokoll (Bl. 235, 236).

Die Kläger replizieren, der Widerspruch sei nur gegenüber dem Kläger zu 1) erklärt worden und daher unwirksam. Der Widerspruch sei zudem unwirksam, da keine Originalvollmacht beigelegen habe.

Zum näheren Inhalt des Vorbringens und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Protokolle der Verhandlung vom 15.04.2021 (Bl. 59), vom 08.07.2021 (Bl. 111), vom 11.07.2022 (Bl. 200), vom 29.11.2022 (Bl. 232) und vom 03.02.2023 (Bl. 256) verwiesen.

Das Gericht hat Beweis durch Zeugen erhoben. Insoweit wird auf die Ladungsverfügungen vom 14.06.2021 (Bl. 90), vom 05.07.2021 (Bl. 109) und das Protokoll vom 08.07.2021 (Bl. 111) Bezug genommen.

Das Gericht hat ferner begonnen, Beweis durch Sachverständigengutachten zu erheben. Insoweit wird auf den Beweisbeschluss vom 26.07.2021 (Bl. 124) verwiesen. Zur Fertigstellung des Gutachtens kam es nicht mehr.

Entscheidungsgründe

Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif. Eine weitere Beweiserhebung ist nicht erforderlich.

A.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München sachlich und örtlich zuständig, weil die Streitigkeit einem Mietverhältnis über eine in München gelegene Wohnung entspringt, §§ 29a Abs. 1 ZPO, 23 Nr. 2a GVG.

B.

Die Klage ist auch begründet. Die Kläger können von der Beklagten zu 1) die Räumung und Herausgabe der Wohnung nach § 546 Abs. 1 BGB verlangen, weil die Eigenbedarfskündigung vom Mietverhältnis beendet wurde und die Beklagte keine Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann.

I. Die Kündigung wegen Eigenbedarfs hat das Mietverhältnis beendet.

1. Die Kündigung vom 02.01.2020 wahrt die gemäß § 568 Abs. 1 BGB erforderliche Schriftform und lässt den Kündigungsgrund erkennen, § 573 Abs. 3 S. 1 BGB.

Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss gemäß § 126 Abs. 1 BGB die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Dies ist vorliegend der Fall. Alle 3 Kläger haben als die 3 Vermieter das Kündigungsschreiben unterschrieben. Unter den Unterschriften ist noch jeweils maschinenschriftlich in Druckbuchstaben der Name des Unterschreibenden wiedergegeben. Nicht erforderlich ist, dass auch noch die Anschrift anzugeben ist. Es ist für das Gericht nicht erkennbar, wie die Beklagtenpartei auf dieses zusätzliche Erfordernis kommt. Nicht vollziehbar ist für das Gericht, dass die Beklagtenpartei vorträgt, die Vermieter seien für die Beklagte zu 1) durch die Angabe ihres Namens nicht identifizierbar.

2. Den Klägern stand auch ein Kündigungsgrund zur Seite.

a) Nach § 573 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Vermieter nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt nach § 573 Abs. 2 S. 2 BGB insbesondere dann vor, wenn der Vermieter die Räume für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

Dabei genügt es, wenn der Vermieter die ernsthafte Absicht, die Räume selbst als Wohnung zu nutzen oder dem Angehörigen zu überlassen und wenn diese Absicht auf vernünftigen Erwägungen beruht (Blank/Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage, 2019, § 573 Rn. 42).

Das Gericht ist aufgrund der Anhörung der Kläger und der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Kläger mit ihren Söhnen in die streitgegenständliche Wohnung einziehen wollen und werden und dies auf nachvollziehbaren Gründen beruht. Maßgebend ist vor allem der Vorteil der Wohnung, dass sie über einen Aufzug verfügt.

Das Gericht ist davon vor allem durch die Anhörung der Kläger zu 2) und 3) in der Verhandlung vom 08.07.2021 überzeugt.

Im modernen deutschen Zivilprozess kann das Gericht eine Überzeugung auf die Anhörung einer Partei stützen (vgl. BGH vom 27.09.2017, XII ZR 48/17, NJW-RR 2018, 249). Denn es ist in seiner Überzeugungsbildung frei, § 286 Abs. 2 ZPO, und stützt seine Überzeugung nicht nur auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern auch auf den gesamten Inhalt der Verhandlung, § 286 Abs. 1 ZPO. Bei einer Räumungsklage wegen Eigenbedarfs kommt der Anhörung des Vermieters entscheidende Bedeutung zu. Denn Eigenbedarf ist letztlich nichts anderes als eine innere Tatsache. Das Gericht hat die Kläger in der Verhandlung ausführlich nach Belehrung über die Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO angehört, die Klägerin zu 2) zunächst in der Abwesenheit des Klägers zu 3).

Die Klägerin legte nachvollziehbar und plausibel dar, wie groß der Vorteil für die Familie ist, wenn es im Haus einen Aufzug gibt, und dem jüngeren Sohn V, der schwer krank ist, zu ermögliche, überhaupt die Wohnung und das Haus zu verlassen. So könne Vincent aufgrund seiner Gangunsicherheit nicht selbständig Treppe laufen, während Aufzugfahren kein Problem für ihn sei. Ohne weiteres ist das Gericht davon überzeugt, dass je älter und größer Kinder werden, es immer schwerer für Eltern wird, das Kind zu tragen oder auch nur zu stützen.

Die Klägerin führte auch detailreich aus, dass die Kläger auch Überlegungen angestellt hatten, ihre derzeitige Wohnungen durch Schaffung eines Aufzuges zu modernisieren, und warum dies nicht möglich ist. Dies zeigt dem Gericht, dass die Kläger ernsthaft und dauerhaft eine Wohnung benötigen und wünschen, die durch einen Aufzug erreichbar ist.

Die Klägerin schilderte ausführlich den Lebensweg der Familie.

Die Schilderung durch die Klägerin war offen. So gab sie auch Nachteiliges an, wie dass sie durch einen Umzug in die streitgegenständliche Wohnung ein Bad verlieren würden.

Der Kläger zu 3) bestätigte die Ausführungen der Klägerin zu 2). Er führte insbesondere aus, dass …. zwar Aufzug fahren kann, aber einen unsicheren Gang habe.

Der Kläger zu 3) legte ebenfalls dar, dass es nicht möglich ist, die derzeitige Wohnung durch einen Aufzug erreichbar zu machen.

Der Kläger zu 3) sagte ebenfalls, wie zuvor der Kläger zu 1), wobei der Kläger zu 3) dabei nicht anwesend gewesen war, dass sie für die Wohnung die Hälfte der ortsüblichen Miete zahlen würden.

Von der schweren Erkrankung des jüngsten Sohnes ### ist das Gericht neben den Schilderungen durch die Kläger zu 2) und 3) auch durch die Angaben des Zeugen ### in der Verhandlung vom 08.07.2021 (Bl. 116). Der Zeuge legte überzeugend und in Übereinstimmung mit den Darlegungen der Kläger dar, dass Vincent an einer schweren genetischen neurologischen Erkrankung leidet, nämlich an Kaliumkanalmutation beziehungsweise an schwerer epileptischer Enzephalopathie des frühen Kindesalters. Eine Minderung der Symptome ist nicht zu erwarten. Ein Symptom sind wiederholte schwere epileptische Anfälle, die dazu führen, dass der Betroffene während der Anfälle aber auch einige Zeit danach nicht laufen kann. Ein anderes Symptom sind generelle Koordinationsschwierigkeiten im Hinblick auf die Gliedmaßen sowie eine schwere geistige Einschränkung, die sich auch nachteilig auf die Lauf- und Gehfähigkeit auswirkt.

IV. Die Kündigungsfrist ist abgelaufen. Sie betrug nach § 2 Abs. 2 des Mietvertrages (K1, Bl. 7) 12 Monate und lief somit am 28.02.2021 ab.

V. Das Mietverhältnis hat sich auch nicht gemäß § 545 BGB fortgesetzt, weil die Kläger in der Kündigung der Fortsetzung widersprochen haben.

VI. Die Beklagte zu 1) kann auch nicht von den Klägern gemäß § 574a Abs. 1 BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbefristete Zeit verlangen.

a) Nach §§ 574a, 574 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.

Nach § 574 Abs. 1 S. 2 BGB begründet eine für den Mieter bestehende Härte allein noch keinen Anspruch des Mieters auf Fortsetzung des Mietverhältnisses. Es muss vielmehr zusätzlich zur Vorliegen der Härte eine Abwägung auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters ergeben, dass die Härte nicht zu rechtfertigen ist. In diese Abwägung sind daher auch die Interessen des Vermieters einzustellen, insbesondere sein Eigentum an der Wohnung, wobei zu sehen ist, dass auch den Mietern ein eigentumsähnliches Nutzungsrecht an der Wohnung zusteht.

Der Mieter kann dabei nur dann die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn seine Interessen das Erlangungsinteresse des Vermieters überwiegen (Blank/Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage, 2019, § 574 Rn. 64).

Der Härtegrund muss dabei auch noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen (BGH vom 22.05.2019, VIII ZR 180/18, Rz. 32, NJW 2019, 2765), denn die Fortsetzung des Mietverhältnisses geschieht durch richterliches Gestaltungsurteil.

b) Der Widerspruch ist hier zwar form- und fristgerecht erhoben worden.

aa) Es war ausreichend, dass das Widerspruchsschreiben an den Kläger zu 1) ging. Denn die Kläger zu 2) und 3) hatten dem Kläger zu 1) in der Kündigung auf Seite 2 Außenvollmacht erteilt. 1. Denn die Kläger hatten in der Kündigung vom 02.01.2020 die Beklagte gebeten, Korrespondenz über den Kläger zu 1) zu führen. Aus den Umständen ergibt sich ohne weiteres, §§ 133, 157 BGB, dass das Widerspruchsschreiben an den Kläger zu 1) als Vertreter der gesamten Vermietergemeinschaft gerichtet war, der zuvor durch alle Vermieter bevollmächtigt worden war.

bb) Unschädlich ist, dass dem Widerspruchsschreiben keine Originalvollmacht beilag, weil das Schreiben nicht fristgerecht nach § 174 BGB zurückgewiesen wurde, denn die Zurückweisung des Widerspruchsschreibens wegen Fehlens der Beilage einer Originalvollmacht erfolgte nicht rechtzeitig.

Gemäß § 174 S. 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Unverzüglich ist die Zurückweisung, wenn sie ohne schuldhaftes Zögern erfolgt (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB).

Zwar lag unstreitig dem Widerspruchsschreiben eine Originalvollmacht nicht bei. Die Zurückweisung erfolgte hier jedoch nicht unverzüglich.

Unverzüglich erfolgt die Zurückweisung, wenn sie ohne schuldhaftes Zögern erfolgt, § 121 Abs. 1 S. 1 BGB.

Unstrittig ging das Widerspruchsschreiben bei der Vermieterseite am 24.10.2020 ein, das Zurückweisungsschreiben bei der Mieterseite am 05.11.2020, also nach 12 Tagen.

Erfolgt die Zurückweisung nach mehr als einer Woche, müssen besondere Umstände vorliegen, damit die Zurückweisung noch unverzüglich ist (vgl. Ellenberger/Grünwald, BGB, 81 Auflage, 2022, § 174 Rn. 6; BAG vom 08.12.2011, 6 AZR 354/10, NZM 2012, 495; LG Köln vom 30.10.2015, 7 O 112/15).

Solche besonderen Umstände sind hier nicht ersichtlich. So fiel hier etwa der Feiertag Allerheiligen auf den Sonntag, so dass dadurch kein Zeitverlust eintrat. Vor allem liegen hier eher Umstände vor, die auf eine kurze Frist hindeuten. Denn anders als der Mieter, der durch eine Kündigung überrascht werden kann, kann sich der Vermieter auf den Eingang des Widerspruchsschreibens vorbereiten. Er hat selbst durch seine Kündigung den Schriftverkehr ausgelöst. Gerade gegen Ende des Zeitraums 2 Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist ist der Vermieter schon aus eigenem Interesse gehalten, sich darauf einzustellen, dass ein Schreiben des Mieters eingehen könnte. Auch die Tatsache, dass dem Mieter ein Rechtsverlust droht, wenn das Widerspruchsschreiben verspätet eingeht, drängt auf eine kürzere Frist für den Vermieter (vgl. BAG vom 08.12.2011, 6 AZR 354/10, NZM 2012, 495, Rz. 33).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der durch die Klagepartei zitierten Entscheidung des BGH vom 25.02.1971, VII ZR 181/69, NJW 1971, 891, die zunächst nur die Auslegung des demnächst in § 167 ZPO (bzw. des § 693 Abs. 2 ZPO a.F.) betrifft. Dort hängt zwar die Frage, ob die Zustellung noch demnächst erfolgte, auch davon ab, ob der Klagepartei ein Verschulden zur Last fällt. Doch geht es dabei vor allem um die Gemengelage von Klägerverhalten und Gerichtsverhalten, insbesondere um die Frage, um wieviel sich die Zustelldauer durch Verschulden der Klagepartei verzögert hat (vgl. Greger/Zöller, ZPO, 33. Auflage, 2020, § 167 Rn. 11). Danach soll das Merkmal „demnächst“ (§ 167 ZPO) nur erfüllt sein, wenn sich der Partei zuzurechnende Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten (vgl. BGH vom 10.07.2015, V ZR 154/14, NJW 2015, 1666). Es geht also um das Ausmaß der noch zulässigen Verzögerung bei Verschulden der Klagepartei. Nach §§ 174, 121 Abs. 1 S. 1 BGB darf aber gerade keine Verzögerung durch Verschulden eintreten.

Denn der Vermieter könnte sonst verleitet werden, mit der Zurückweisung so lange zu warten, bis die Frist des § 574b Abs. 2 S. 1 BGB abgelaufen ist. Solche Anreize will das BGB, das alle Vertragsverhältnisse nach § 242 BGB unter den Grundsatz von Treu und Glauben gestellt hat, nicht setzen.

c) Nach Auffassung des Gerichts liegen hier aber zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung keine Härtegründe vor.

Die Härtegründe müssen auch noch bei Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen (vgl. Hartmann/Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage 2021, § 574 Rn. 64a), denn die Fortsetzung des Mietverhältnisses, erfolgt durch richterliches Gestaltungsurteil, vgl. § 574a Abs. 2 S. 1 BGB.

aa) Der mögliche Härtegrund, die Beklagte zu 1) könne nicht ausziehen, weil sie als Mutter der Beklagten zu 3) für diese Verantwortung tragen müsse und die Beklagte zu 3) aus gesundheitlichen Gründen nicht ausziehen könne, ist tragischerweise entfallen.

bb) Der Härtegrund eine fehlenden angemessenen Ersatzwohnung liegt nicht vor.

Die Beklagte hat sich nicht ausreichend um eine Ersatzwohnung bemüht. Jedenfalls fehlt dazu ausreichend substantiierter Vortrag, auch nach dem Hinweis in der Verhandlung vom 15.04.2021, (Bl. 61).

Die Beklagte hat insoweit nur vorgetragen, dass sie sich bei ### angemeldet hat und 2 Ablehnungen für Wohnungen vorgelegt. Andere Bemühungen, etwa Suche auf dem freien Wohnungsmarkt, Lesen von Anzeigen, direkte Anschreiben an soziale Großvermieter, hat die Beklagte nach eigenen Angaben nicht unternommen.

Dies genügt nach Auffassung des Gerichtes nicht.

Die Beklagte kann sich eine Miete von 1.536,00 Euro monatlich leisten.

Nicht nachvollziehbar ist für das Gericht, dass die Beklagte zu 1) nach dem Versterben der Beklagten zu 3) nunmehr von neuem mit der Wohnungssuche als Suche nach einer kleineren Wohnung beginnen müsse. Denn die Beklagte hat, wenn auch ungenügend, auch noch zu Lebzeiten der Beklagten zu 3), nach kleineren Wohnungen gesucht, etwa als Einzelperson nach einer Einzimmerwohnung, wie sich aus dem Bescheid der LH München vom10.07.2020 ergibt (B3, Bl. 32), oder auch nach 2-Zimmerwohnungen, wie sich aus den vorgelegten Ablehnungen ergibt. Dies hatte auch anfangs die Klagepartei dazu geführt, zu bestreiten, dass die Beklagte zu 3) überhaupt in der streitgegenständlichen Wohnung lebt.

cc) Die Beklagte zu 1) kann sich nicht auf den Härtegrund berufen, dass nunmehr ein neuer Härtegrund vorliegt, weil nach dem Versterben ihrer Tochter nunmehr bei Verlust der Wohnung die Gefahr einer psychischen Dekompensation der Beklagten drohe.

Denn nach Ansicht des Gerichts ist die Beklagte mit diesem neuen Härteeinwand ausgeschlossen, weil maßgeblich nur Härtegründe sind, die bei Ablauf der Kündigungsfrist vorliegen. Es scheint, dass dieses Problem in Rechtsprechung und Kommentarliteratur nicht ausdrücklich thematisiert wird.

Für das Gericht ergibt sich auch unter Berücksichtigung des Beklagtenschriftsatzes vom 23.01.2023 die Richtigkeit der eigenen Auffassung bereits aus dem Wortlaut der Norm. Nach § 574 Abs. 1 BGB kann der Mieter der Kündigung widersprechen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses eine Härte bedeutet. Die Härte muss also in der Beendigung des Mietverhältnisses liegen, nicht darin, dass der Mieter dem Räumungs- und Herausgabeanspruch des § 546 Abs. 1 BGB ausgesetzt ist. Ist das Mietverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist beendet, ist daher das spätere Entstehen eines Härtegrundes unbeachtlich. Mit Ablauf der Kündigungsfrist soll feststehen, ob der Vermieter die Wohnung zurückverlangen kann. Entsprechend ist nach der Rechtsprechung des BGH ein Entfallen des Eigenbedarfsgrundes nach Ablauf der Kündigungsfrist ohne Bedeutung für die Frage der Beendigung des Mietverhältnisses (vgl. Blank/Börstinghaus, Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage, 2022, § 573 Rn. 100).

Ferner muss der Mieter nach § 574b Abs. S. 1 BGB den Härtewiderspruch sogar 2 Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist erklären. Nach wohl h.M. führt das dazu, dass der Mieter, wenn der Härtegrund in dem Zweimonatszeitraum bis zum Ablauf der Kündigungsfrist überhaupt erst auftritt, der Mieter sich nicht auf den Härtegrund berufen kann (vgl. Rolfs/Staudinger, § 574b BGB, 2021, Rn. 15). Das entspricht dem Willen des Gesetzgebers, dem Vermieter in angemessener Zeit vor Ablauf des Mietverhältnisses Klarheit zu verschaffen, ob der Mieter räumen wird oder nicht (vgl. Seite 9 Drucksache 111/1234 zu Drucksache 111/1850, Ausschussbericht). Folgt man dieser wohl h.M., dann muss erst Recht ein Härtegrund unbeachtlich sein, der erst nach Ablauf der Kündigungsfrist auftritt.

Der Mieter, der nicht räumt und herausgibt, obwohl die Kündigung das Mietverhältnis beendet hat und obwohl kein Härtegrund vorliegt, soll durch die Verletzung der Rückgabepflicht nicht dadurch belohnt werden, dass noch später ein Härtegrund eintreten kann, der zu berücksichtigen wäre.

Die Vorschrift des § 574 Abs. 3 BGB ist nach Auffassung des Gerichts für diese Frage unergiebig. Man könnte daraus ebenso ableiten, dass der Mieter immer nachträglich Gründe vorbringen kann, auch wenn diese im Widerspruchsschreiben nicht angegeben waren. Oder man versteht § 574 Abs. 3 BGB als eine den Vermieter privilegierende Vorschrift, dass der Vermieter anders als der Mieter neue Gründe vorbringen kann, wenn sie nur nachträglich entstanden sind. Letzteres Verständnis erscheint sogar vorzugswürdig, weil § 574 Abs. 3 BGB dem Regelungsproblem des § 573 Abs. 3 BGB entspricht, es aber keine § 574b Abs. 2 BGB entsprechende Vorschrift gibt.

Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich, dass der Härtegrund bei Ablauf der Kündigungsfrist vorgelegen haben muss, auch aus § 574a Abs. 1 BGB. Denn nach dieser Vorschrift kann der Mieter nur die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, nicht aber eine Neubegründung. Liegt also bei Ablauf der Kündigungsfrist kein Härtegrund vor (der freilich auch noch zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen muss), besteht kein Fortsetzungsanspruch des Mieters.

C.

Der Beklagten war eine Räumungsfrist zu gewähren, § 721 Abs. 1 ZPO, um ihr die Möglichkeit zu geben, eine Wohnung zu finden. Mietrückstände bestehen nicht. Eine längere Räumungsfrist konnte aber nicht gewährt werden, da die Kläger die Wohnung dringend benötigen.

D.

Der Streitwert der Räumungsklage war auf das Zwölffache der Monatsnettomiete (12 x 1.221,03 Euro) festzusetzen, § 41 Abs. 2 GKG.

E.

Die Kostenentscheidung beruht als Kostenmischentscheidung auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO beim unterschiedlichen Obsiegens- und Unterliegensanteil von Streitgenossen.

Die Kläger haben die Kosten zu tragen, soweit sie die Klage gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) zurückgenommen haben, § 269 Abs. 3 ZPO, die Beklagten zu 1), soweit sie verurteilt wurde.

F.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.

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