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Fristlose Kündigung Mieter bei illegalem Ausbau Dachgeschoss

LG Köln – Az.: 6 S 12/19 – Urteil vom 05.12.2019

Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Köln vom 13.12.2018, Az. 209 C 183/18, verurteilt, die im 4. Obergeschoss des Hauses M 8, ##### L, gelegene Wohnung, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Diele, Bad, Toilette, einschließlich der Räume im Dachgeschoss sowie den dazugehörigen Kellerraum zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 30.06.2020 gewährt unter der Auflage, dass die in Satz 1 genannten Räume im Dachgeschoss ab sofort nicht mehr zum nicht nur vorübergehenden Gebrauch genutzt werden dürfen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Ohne Tatbestand (gem. § 313a Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Räumung der streitgegenständlichen Wohnung gemäß § 546 Abs. 1 BGB.

1. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist jedenfalls durch die in der Berufungsbegründung vom 13.02.2019 ausgesprochene außerordentliche Kündigung wirksam nach § 543 Abs. 1 BGB beendet.

Nach § 543 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der wechselseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. So liegt der Fall hier.

Die Beklagte hat jedenfalls durch ihr Verhalten im Laufe des hiesigen Verfahrens so erheblich gegen ihre mietvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Vermieterinteressen verstoßen, indem sie es verweigert, die von ihr herbeigeführte Bauordnungswidrigkeit der Nutzung des Dachgeschosses abzustellen. Der Klägerin ist daher eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zumutbar.

Fristlose Kündigung Mieter bei illegalem Ausbau Dachgeschoss
(Symbolfoto: Von ronstik/Shutterstock.com)

a. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte das Dachgeschoss zu Wohnzwecken ausgebaut hat und hierfür keine Baugenehmigung vorliegt. Die Genehmigungspflichtigkeit dieser Baumaßnahme ergibt sich ohne Weiteres bereits aus dem Umstand, dass der ehemalige Speicher erstmals durch die Beklagte zu Wohnzwecken ausgebaut wurde und die Räume daher seitdem zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Nutzungsänderungen sind grundsätzlich genehmigungspflichtig, vgl. inhaltlich unverändert jetzt § 60 BauO NRW 2018. Eine Genehmigungsfreiheit ist im vorliegenden Fall weder konkret vorgetragen noch ersichtlich. Die Beklagte erklärte im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, dass sich ihr Schlafzimmer im Dachgeschoss befinde, sie die maßgeblichen Räume also nach wie vor zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt nutzt.

b. Die (zumindest) formelle Bauordnungswidrigkeit der aktuellen Nutzung des Dachgeschosses ist der Beklagten spätestens seit April 2018 bekannt, nachdem die Klägerin und jetzige Vermieterin die Beklagte mit der Abmahnung vom 12.04.2018 (u.a.) wegen des Fehlens der Baugenehmigung abmahnte und hierzu im Laufe des hiesigen Verfahrens weiter ausführte.

Zwar erscheint zweifelhaft, ob für eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB genügt, dass die Beklagte den Ausbau des Dachgeschosses seinerzeit ohne Baugenehmigung durchgeführt hat, da seit diesem Zeitpunkt 33 Jahre vergangen sind, in denen kein Rechtsvorgänger der Klägerin diesen Zustand je rügte, obwohl auch dort bekannt gewesen sein muss, dass die Beklagte keine Baugenehmigung eingeholt hat. Hierauf kommt es im Ergebnis indes nicht an.

Denn die Beklagte hat auch nach Kenntniserlangung über die (zumindest formelle) Bauordnungswidrigkeit keinerlei Schritte eingeleitet, um die Bauordnungswidrigkeit abzustellen. So hat sie weder, wie von Klägerseite gefordert, eine Baugenehmigung beantragt, um ihre Baumaßnahme nachträglich zu legalisieren. Noch hat sie die Nutzung der ausgebauten Räumlichkeiten im Dachgeschoss als Aufenthaltsräume i.S.d. Bauordnungsrechts eingestellt. Hierzu wäre sie schon allein aus dem Grund verpflichtet gewesen, dass sich die Klägerin als Eigentümerin – bspw. – im Brandfall erhöhten Haftungsrisiken ausgesetzt sähe und u.U. auch Schuldnerin bauordnungsrechtlicher Sanktionen werden kann. Sofern die Beklagte von der Genehmigungsfreiheit ihrer Maßnahme ausgehen sollte, befände sie sich in einem unerheblichen Rechtsirrtum.

c. Entgegen der Auffassung der Beklagten vermag sie auch nicht mit dem Argument durchzudringen, der jeweilige Eigentümer des Grundstücks, also die Klägerin selbst bzw. deren Rechtsvorgänger, sei verpflichtet (gewesen), eine entsprechende Genehmigung einzuholen. Es kann auch insoweit dahinstehen, ob der Mieter, welcher Aus- bzw. Einbauten am Mietobjekt vornimmt, grundsätzlich verpflichtet ist, die hierfür erforderlichen behördlichen Genehmigungen selbst einzuholen und die entsprechenden Kosten hierfür zu tragen. Denn jedenfalls im vorliegenden Fall ergibt sich eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten bereits aus dem Mietvertrag. Da diese die Kosten des Ausbaus insgesamt zu tragen hatte, umfasst dies auch die Kosten einer Baugenehmigung. Vor diesem Hintergrund war die Genehmigung schon aus Gründen der Praktikabilität durch die Beklagte selbst einzuholen.

Aus § 27 des Mietvertrags ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten, dass der Ausbau des Dachgeschosses – sofern sich die Beklagte hierfür entschied – „sach- und fachgerecht“ erfolgen musste. Die Genehmigung des seinerzeitigen Vermieters Holzhäuser umfasste ausdrücklich nur einen sach- und fachgerechten Ausbau. Zu einem sach- und fachgerechten Ausbau gehört ohne Weiteres auch, dass dieser im Einklang mit dem öffentlichen Baurecht erfolgen muss. In Anbetracht dieser von den Vertragsparteien verwendeten Formulierung kann dahinstehen, ob eine ausdrückliche Vereinbarung dazu, dass Mieteraus- oder -einbauten nur sach- und fachgerecht und im Einklang mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften genehmigt wird, überhaupt erforderlich wäre. Hierfür sprechen ohnehin bereits die offenkundigen Interessen des Vermieters. Denn ein unsachgemäß und nicht im Einklang mit dem geltenden Recht errichteter Mieterausbau kann erhebliche Folgen für den Wert der Mietobjektes haben. Dass sich ein Vermieter einem solchen Wertverlust aussetzen will, dürfte daher in der Regel gerade nicht anzunehmen sein und daher einer expliziten Vereinbarung bedürften. Im vorliegenden Fall ist auch nichts dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass der Vermieter Holzhäuser im Widerspruch zu seinen ureigenen Interessen als Eigentümer der Immobilie auf die Einhaltung des öffentlichen Baurechts verzichten wollte. Allein der Umstand, dass sich die Vertragsparteien 1985 schlicht keine Gedanken über die Erforderlichkeit einer Baugenehmigung gemacht haben mögen, lässt einen derartigen Rückschluss nicht zu, erst recht nicht konkludent.

d. Soweit die Beklagte vorträgt, Konsequenz eines nicht sach- und fachgerechten Ausbaus sei lediglich, dass dann die zehnjährige Mindestvertragslaufzeit eingetreten sei, kann dem nur im Ansatz gefolgt werden. Zwar ergibt sich aus der mietvertraglichen Regelung aus dem Jahr 1985 keine absolute Verpflichtung der Beklagten, den genehmigten Ausbau auch tatsächlich durchzuführen. Sofern sie sich allerdings – wie geschehen – für diesen entschied, musste dieser selbstverständlich wie dargestellt sach- und fachgerecht erfolgen.

e. Der Verpflichtung der Beklagten, selbst eine Baugenehmigung für den Ausbau des Dachgeschosses einzuholen, steht auch nicht entgegen, dass – ihren Vortrag insoweit als wahr unterstellt – bereits vor ihren Baumaßnahmen Baugenehmigungen für das streitgegenständliche Objekt fehlten. Denn unstreitig war es die Beklagte, die erstmals eine Nutzungsänderung des Dachgeschosses herbeiführte und damit die hier relevante Baugenehmigung erforderlich machte.

f. Die Ausübung des Kündigungsrechts, nachdem die fehlende Baugenehmigung über mehr als 30 Jahre nicht gerügt worden war, verstößt schließlich nicht gegen Treu und Glauben bzw. liegt kein Fall der Verwirkung vor. Insbesondere ist die Pflicht der Beklagten, den durch sie herbeigeführten bauordnungswidrigen Zustand abzustellen, nicht aufgrund Zeitablaufs erloschen. Dies würde im Ergebnis eine Art Bestandsschutz zu Gunsten der Beklagten bedeuten, welchen das Mietrecht nicht vorsieht und der im vorliegenden Fall auch im Widerspruch zum öffentlichen Baurecht stünde.

Soweit das Vordergericht eine Treuwidrigkeit der Kündigung maßgeblich darauf stützt, dass die Klägerin der Beklagten keine angemessene Frist zur Beibringung der erforderlichen behördlichen Genehmigung eingeräumt hatte, greift dieses Argument jedenfalls im Hinblick auf die im Februar 2019 ausgesprochene Kündigung nicht. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte ausreichend Gelegenheit, entweder eine Baugenehmigung einzuholen bzw. zumindest die hierfür erforderlichen Schritte einzuleiten, oder aber schlicht die bauordnungswidrige Nutzung des Dachgeschosses einzustellen. In diese Richtung ist die Beklagte indes in keiner Weise tätig geworden. Ihr Vortrag im Laufe des hiesigen Verfahrens dürfte vielmehr als ernsthafte und endgültige Verweigerung anzusehen sein, ihren Pflichten nachzukommen.

2. Der Beklagten wird für die Suche nach angemessenem Ersatzwohnraum eine Räumungsfrist gem. § 721 Abs. 1 ZPO bis zum 30.06.2020 unter der Auflage gewährt, dass sie die Räume im Dachgeschoss nicht mehr zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt nutzt.

Bei im Rahmen von § 721 Abs. 1 ZPO gebotenen Ermessensentscheidung war neben dem gerichtsbekannt extrem angespannten Wohnungsmarktes in Köln, gerade im näheren Umfeld der streitbefangenen Wohnung, zu berücksichtigen, dass gerade im streitgegenständlichen Preissegment kaum Ersatzwohnraum vorhanden ist. Im Übrigen war zu berücksichtigen, dass die Beklagte bis zur Verkündung des Berufungsurteils nicht zwingend damit rechnen musste, zur Räumung verpflichtet zu sein, nachdem das Amtsgericht zu ihren Gunsten entschieden und die Beratung der Kammer in der mündlichen Verhandlung noch nicht vollständig abgeschlossen war. Ihr ist daher nicht vorzuwerfen, dass sie mit der Wohnungssuche soweit ersichtlich noch nicht begonnen hatte. Der Gewährung einer Räumungsfrist stehen – bei Einhaltung der erteilten Auflage – keine erheblichen Interessen der Klägerin entgegen. Sofern die Beklagte die Nutzung der Dachgeschossräume zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt unterlässt, ist die Klägerin keinen erhöhten Risiken, sei es durch behördliche Sanktionen, sei es durch ein erhöhtes Haftungsrisiko im Übrigen, mehr ausgesetzt. Auch Mietrückstände bestehen soweit ersichtlich keine, wobei die Kammer voraussetzt, dass die Beklagte auch künftig ihren Zahlungspflichten pünktlich nachkommen wird. Schließlich ist nicht erkennbar, dass die Klägerin aus anderen, die Mieterinteressen überwiegenden Gründen dringend auf den Erhalt des Besitzes an den streitgegenständlichen Räumlichkeiten angewiesen wäre.

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 7, 711, 713 ZPO.

4. Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um einen von den Umständen des konkreten Falles abhängigen Einzelfall ohne grundsätzliche Bedeutung.

Streitwert: 2.991,00 EUR.

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