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Fristlose Mietvertragskündigung bei Rache-Email an Ehefrau des Vermieters

AG Gießen, Az.: 48 C 176/15, Urteil vom 05.11.2015

Die Beklagte wird verurteilt, die im Hause …“…“ im Dachgeschoss im zweiten Stock gelegene Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Diele, Bad, WC mit Carport zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, beginnend ab dem 1.11.2015 bis zur Räumung und Rückgabe der genannten Mieträume an den Kläger die Nutzungsentschädigung in Höhe von 440 Euro monatlich zu zahlen.

Die Beklagte wird außerdem verurteilt, an den Kläger 218,71 Euro vorgerichtliche Kosten nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.7.2015 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 9 %, die Beklagte trägt 91 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Räumungsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Parteien können die Vollstreckung der Gegenseite bezüglich der Zahlungsansprüche durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31.12.2015 bewilligt.

Tatbestand

Durch schriftlichen Mietvertrag vom 2.6.2014 mietete die Beklagte von dem Kläger die in der Urteilsformel näher bezeichnete Wohnung. Die monatliche Miete belief sich auf 320 Euro zuzüglich einer Nebenkostenvorauszahlung von 120 Euro.

Wegen des Inhalts des Mietvertrages im Einzelnen wird auf Blatt 6 bis 8 der Akte Bezug genommen.

Der Kläger und dessen Ehefrau, die Zeugin „…“, wohnen im gleichen Haus.

Mit Schreiben vom 18.1.2015 erklärte die Beklagte die Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.4.2015. Wegen des Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf Blatt 14 der Akte verwiesen.

Fristlose Mietvertragskündigung bei Rache-Email an Ehefrau des Vermieters
Symbolfoto: olly2/Bigstock

Am 26.4.2015 kam es zwischen den Parteien zu einem Gespräch in der Wohnung des Klägers, bei dem auch dessen Ehefrau anwesend war. Dabei ging es um die Frage, ob die Beklagte in der Wohnung bleiben könne.

Die Parteien tauschten eine Vielzahl von sehr vertraulichen WhatsApp-Nachrichten aus. In diesen Nachrichten verabredeten sich die Parteien manchmal für morgens 8.00 Uhr. Es wurde teilweise angedeutet, dass die Parteien miteinander Geschlechtsverkehr hatten. In den letzten Nachrichten vom 6.6.2015 diskutierte man dann u. a. darüber, wer eine Reparatur zu bezahlen habe und dass der Parkplatz der Beklagten anderweitig vermietet worden sei. Die Beklagte teilte mit, sie fühle sich ungerecht behandelt und wies darauf hin, es könne alles ans Tageslicht kommen. Wegen des Inhalts der Nachrichten in dem Zeitraum vom 17.5. bis 6.6.2015 (etwa 500) im Einzelnen wird auf Blatt 40 bis 49 der Akte verwiesen.

Mit Schreiben vom 7.6.2015 (Blatt 16 der Akte) forderte der Kläger die Beklagte auf, die Wohnung bis zum 30.6.2015 zu verlassen.

Am 9.6.2015 schickte die Beklagte der Ehefrau des Klägers eine E-Mail, wobei sie den Briefkopf „Deutscher Mieterbund e.V.“ verwendete; dieses Schreiben trug eine eingescannte Unterschrift einer „……..“. In diesem Schreiben teilte Frau „…“ der Ehefrau des Klägers mit, die Beklagte habe mit dem Kläger ein Verhältnis gehabt. Unter anderem führte sie aus:

„Nach etwa vier Monaten stellte „…“ Ihr Ehemann Frau „…“ ständig nach. Herr „…“ passte Frau „…“ im Treppenflur beim Herauf“ und Heruntergehen ab und fasste ihr ständig zwischen die Beine und an das Hinterteil. Frau „…“ sagte ihm immer wieder, er solle dies unterlassen. Doch er lachte und tat dies nicht. Er umarmte Frau „…“ und drückte sie an sich mit seinem Penis an ihren Körper. Er war immer steif und er sagte dazu, das habe er nur bei ihr.

Weiter dann kam er immer wieder unter irgendwelchen Vorwänden in ihre Wohnung und näherte sich an. Er sagte sogar zu ihr, dass sie in die eheliche Wohnung auch kommen darf, wenn Sie … nicht da sind …

… es gibt sogar ein Foto vom Bad der ehelichen Wohnung, wo Frau „…“ Herr „…“ mit einem stehenden Penis fotografierte. …das Foto …ist noch da.

Im Dezember dann kam es soweit, dass Herr „…“ Frau „…“ so verführte, dass sie miteinander geschlechtlichen Verkehr hatten in der ehelichen Wohnung… Irgendwie kamen sich Herr „…“ und Frau „…“ dann immer näher und schliefen dann auch in Frau „…“ Ihrer Wohnung sehr „innig“ miteinander, immer vormittags. Um 8.00 Uhr kam Herr „…“ zu ihr. Insgesamt hatten die beiden 12 x Beischlaf.

Nun stellen Sie Frau „…“ Frau „…“ als verhaltensgestört hin und schmeißen sie aus der Wohnung. Überdenken Sie bitte Ihr Verhalten und besprechen sich mit Ihrem Ehemann Herrn „…“, der jetzt so tut, als kenne er Frau „…“ gar nicht.“

Wegen des genauen Inhalts dieses Schreibens wird auf Blatt 20-21 der Akte Bezug genommen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.6.2015 (Blatt 17 bis 18 der Akte) forderte der Kläger die Beklagte auf, die Wohnung zu räumen und herauszugeben. Gleichzeitig erklärte er wegen der Mail vom 9.6.die fristlose und auch die fristgerechte Kündigung des Mietverhältnisses.

Die Beklagte zahlte im Monat Juli die Miete nicht, weil ein Fenster in ihrer Wohnung nicht in Ordnung war.

Mit der im Juli 2015 eingereichten Klage verlangte der Kläger neben der Räumung und den vorgerichtlichen Kosten die Miete für den Monat Juli und die Zahlung der künftigen Mieten ab August.

Im August 2015 zahlte die Beklagte wieder keine Miete. Die Septembermiete wurde gezahlt, insoweit wurde die Klage zurückgenommen.

Im September wurde ein defektes Fenster in der Wohnung der Beklagten repariert. Ihr wurde wieder der Carport zur Verfügung gestellt, den jemand anderes benutzt hatte.

Im Termin am 21.10.2015 hat die Beklagte die Mieten für August und Juli in Höhe von insgesamt 726 € anerkannt. Insoweit wird auf das Teilanerkenntnisurteil vom 21.10.2015 (Blatt 105-106 der Akte) verwiesen. Die weitergehenden Mietforderungen für Juli und August wurden zurückgenommen (154 €).

Der Kläger behauptet, er habe keinen sexuellen Kontakt mit der Beklagten gehabt.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. die im Hause „…“, „…“ im Dachgeschoss im zweiten Stock gelegene Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Diele, Bad, WC mit Carport zu räumen und an ihn herauszugeben

2. beginnend ab dem 01.11.2015 bis zur Räumung und Rückgabe der genannten Mieträume an den Kläger die Nutzungsentschädigung in Höhe von 440 Euro zu zahlen.

3. an ihn vorgerichtliche Kosten in Höhe von 218,71 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Bewilligung einer Räumungsfrist.

Sie behauptet, bei dem Gespräch am 26.4.2015 sei vereinbart worden, dass sie in der Wohnung bleiben könne. Sie habe mit dem Kläger von November 2014 bis Juni 2015 ein außereheliches Verhältnis gehabt.

Bezüglich der nicht gezahlten Miete für Juli und August hatte sich die Beklagte auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidlich Vernehmung der Zeugen „…“ und „…“ Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.10.2015 (Blatt 100 -104 der Akte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 546 BGB die Rückgabe der von dieser innegehaltenen Wohnung verlangen, da das Mietverhältnis durch die fristlose Kündigung des Klägers vom 12.6.2015 beendet wurde.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Parteien am 26.4.2015 eine Fortsetzung des Mietverhältnisses vereinbart haben. Es ist unstreitig, dass die Beklagte in die Wohnung des Klägers gerufen wurde, um über den Auszug zu sprechen und dass die Beklagte in diesem Gespräch zum Ausdruck gebracht hat, dass sie weiter dort wohnen wolle. Die Zeugin „…“ hat ausgesagt, es könne gesagt worden sein, die Beklagte könne ein „bisschen“ bleiben. Die späteren What’sApp-Mitteilungen des Klägers lassen erkennen, dass er nicht das geringste Interesse an dem Auszug der Beklagten hatte. Die Ehefrau des Klägers war nicht Vermieterin, es kommt also nicht darauf an, ob sie der Fortsetzung des Mietverhältnisses zugestimmt hat. Entscheidend ist jedoch, dass die Beklagte in diesem Gespräch nicht zur Räumung aufgefordert wurde, so dass klar war, dass sie nicht auszuziehen brauchte.

Allerdings ist das Mietverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 12.6.2015 beendet wurde. Es liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 BGB vor, wonach ein Mietverhältnis fristlos gekündigt werden kann, wenn dem Kündigenden die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Übersendung der E-Mail vom 9.6.2015 war eine schwerwiegende Vertragsverletzung der Beklagten. Dabei geht das Gericht davon aus, dass der Kläger und die Beklagte mehrfach Geschlechtsverkehr hatten. Der Kläger hat dies zwar pauschal bestritten, er hat aber eingeräumt, dass es die What’sApp-Mitteilungen gegeben hat. Aus diesen geht eindeutig hervor, dass die Parteien ein Verhältnis hatten. Die E-Mail vom 9.6. hatte nach Auffassung des Gerichts nur den Zweck, dem Kläger Schwierigkeiten zu machen, sich wegen der Räumungsaufforderung zu „rächen“ und die Ehefrau des Klägers zu verletzen. Man kann nicht ernsthaft annehmen, dass der Kläger oder dessen Ehefrau durch dieses Schreiben dazu gebracht werden sollten, die Räumungsaufforderung zurückzunehmen. Dieses Schreiben stellt eine schwerwiegende Verletzung des Mietvertrages dar, die eine Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar erscheinen lässt.

Die Beklagte war auch zu verurteilen, die künftige Nutzungsentschädigung ab November 2015 zu zahlen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Antrag auf Zahlung einer künftigen Nutzungsentschädigung begründet, wenn zu befürchten ist, dass der Mieter die Miete bzw. Nutzungsentschädigung nicht zahlen wird (WuM 11, 434 [BGH 04.05.2011 – VIII ZR 146/10]). Die Beklagte hatte die Mieten für Juli und August nicht gezahlt. Ein Zurückbehaltungsrecht hatte sie nicht, weil mit der Beendigung des Mietverhältnisses durch die fristlose Kündigung die Pflicht zur Beseitigung von Mängeln entfiel. Sie hätte zumindest den jetzt anerkannten Teil der Miete zahlen müssen. Selbst nach der Beseitigung der Mängel im September hat die Beklagte die rückständigen Mieten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gezahlt. Auch wenn sie die Oktobermiete gezahlt hat und die Ansprüche bezüglich der rückständigen Miete anerkannt hat ist zu befürchten, dass die künftigen Mieten nicht gezahlt werden.

Die zuerkannten vorgerichtlichen Kosten hat die Beklagte nach § 280 Abs. 1 BGB zu tragen. Da das Mietverhältnis zwischen den Parteien fortbestand, konnte es nur durch eine neue Kündigung beendet werden. Durch Übersendung der Mail vom 9.6. hat die Beklagte eine Vertragsverletzung begangen, daher hat sie die Anwaltskosten für den Ausspruch der fristlosen Kündigung zu tragen.

Die zuerkannten Zinsen auf die vorgerichtlichen Kosten sind als Verzugszinsen gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.

Das Gericht hielt es für richtig, der Beklagten eine Räumungsfrist zu bewilligen. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Beklagte noch keine neue Wohnung hat und dass es nicht leicht sein wird, eine Wohnung zu finden. Eine Partei, die selbst kündigt ist zwar weniger schutzwürdig, aber die Parteien haben das Mietverhältnis trotz der Kündigung fortgesetzt. Auf der anderen Seite kann bei einer fristlosen Kündigung grundsätzlich keine lange Räumungsfrist gewährt werden. Zugunsten des Klägers war zu berücksichtigen, dass es für ihn unangenehm ist, mit der Beklagten weiter unter einem Dach zu wohnen, auch wenn er an der der derzeitigen Situation nicht unschuldig ist. Bei Abwägung aller Umstände erschien eine Räumungsfrist von knapp zwei Monaten angemessen.

Der Streitwert wurde durch Beschluss vom 22.7.2015 festgesetzt. Es besteht keine Veranlassung, diesen Wert zu ändern. Der Wert des Zahlungsantrages hat sich zwar erhöht, dafür ist aber der Wert des Antrags auf künftige Leistung gesunken.

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