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Fristlose Mietvertragskündigung – Schonfristzahlung durch Sozialbehörde

AG Hamburg, Az.: 46 C 437/17, Urteil vom 29.06.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird auf 4.047,36 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Räumung und geräumte Herausgabe der Wohnung im Hamburger. Die monatlich im Voraus zu zahlende Bruttomiete für diese von dem Kläger an den Beklagten mit Wirkung vom Mai 2005 vermieteten Wohnung beträgt 379,28 €. Darin enthalten ist eine Vorauszahlung für die Heiz- und Betriebskosten von 42,00 €.

Der Beklagte geriet aufgrund einer unvorhersehbaren Erkrankung mit dem Mietzins für die Monate Juli und August 2014 in Rückstand, woraufhin der Kläger unter dem 18.8.2014 die fristlose Kündigung erklärte. Nach Ausgleich der offenen Mietforderungen innerhalb der so genannten Schonfrist erwirkte der Kläger gegen den Beklagten zum Aktenzeichen 43b C 42/15 ein Urteil betreffend die Erstattung der im Zusammenhang mit der Kündigung entstandenen Rechtsanwaltskosten.

Der Kläger erwirkte in der Vergangenheit zudem ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten, um sich Zutritt zur vermieteten Wohnung zwecks Wartung der Rauchwarnmelder zu verschaffen. Der Beklagte hatte den Zutritt mangels Kenntnis von einem anstehenden Termin zur Wartung der Rauchwarnmelder nicht ermöglicht. Es wurde gegen diverse weitere Mieter im gleichen Objekt Klagen eingereicht und Versäumnisurteile erwirkt, nachdem der Zutritt zu den Wohnungen mangels Kenntnis von dem Wartungstermin jeweils nicht ermöglicht worden war.

Der Beklagte geriet erneut mit der Zahlung des Mietzinses für die Monate September 2016 und Januar 2017 in Rückstand. Mit Schreiben vom 10.1.2017 erklärte die zuständige Hausverwaltung namens und im Auftrag des Klägers dem Beklagten die außerordentliche sowie hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.10.2017. Das Schreiben lautet auszugsweise wie folgt:

„Sehr geehrter Herr T., wir müssen feststellen, dass Sie am heutigen Tage mit insgesamt 758,56 € in Rückstand geraten sind. Dieser Rückstand setzt sich zusammen aus den Mieten für Dezember 2016 und Januar 2017.

Wir kündigen aus diesem Grunde das mit Ihnen geschlossene Mietverhältnis im Auftrag des Grundeigentümers fristlos zum 17.1.2017. Wir erwarten die Räumung des Mietobjektes und Rückgabe der Schlüssel an uns bis 12:00 Uhr des vorgenannten Tages.

Des Weiteren kündigen wir wegen erheblicher fortgesetzter Vertragsverletzung das geschlossene Mietverhältnis hilfsweise ordentlich zum 31.10.2017.

Außerdem erwarten wir, dass die Rückstände umgehend, spätestens jedoch bis zum 17.1.2017, ausgeglichen sind.“

Durch das Kündigungsschreiben der Hausverwaltung erfuhr der Beklagte erstmals von den Mietrückständen, da die Miete durch die zuständige Sozialbehörde direkt an den Kläger gezahlt wird. Nach Kenntnis von den Mietrückständen sorgte der Beklagte umgehend für deren Ausgleich, der am 28.1.2017 erfolgte.

Der Rechtsstreit betreffend den rückständigen Mietzins und die aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 10.1.2018 begehrte Räumung zum Az. 40a C 17/17 wurde nach Ausgleich der Mietrückstände in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe die im Verfahren 43b C 42/15 titulierte Forderung erst nach mehreren Mahnungen beglichen. Die Mietzahlungen seien seit 2014 nicht immer pünktlich erfolgt. Der Beklagte habe die gemietete Wohnung zum vollständigen Gebrauch dem Herrn L. B. überlassen und bewohne die Wohnung selbst nicht mehr. In diesem Zusammenhang sei mit dem Beklagten korrespondiert worden, der in Abrede gestellt habe, die Wohnung nicht mehr zu bewohnen.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

die Wohnung in dem Mehrfamilienhaus bestehend aus 1,5 Zimmern, Küche, Flur, Bad nebst WC, … Hamburg, zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Für den weiteren Sach- und Streitstands wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen den Beklagten auf Räumung der streitgegenständlichen Wohnung. Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 546 Abs. 1 BGB.

1.

Zwar wurde das Mietverhältnis mit fristloser Kündigung vom 10.1.2017 zunächst wirksam beendet. Denn es war ein Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 2 Nr. 3a und 3b BGB gegeben, da im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Mietrückstände in Höhe von zwei Monatsmieten für zwei aufeinanderfolgende Zeiträume bestanden, und zwar für Dezember 2016 und Januar 2017.

Die Kündigung ist aber durch den nachträglichen Ausgleich der Mietrückstände durch den Beklagten am 28.1.2018 unwirksam geworden. Der § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB bestimmt für die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB, dass die Kündigung unwirksam wird, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird.

2.

Auch die mit Schreiben vom 10.1.2017 hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung hat das Mietverhältnis nicht beendet. Sie ist nämlich formell unwirksam. Dem Kündigungsschreiben lassen sich keine Gründe für die ordentliche Kündigung entnehmen, die ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Beendigung des Mietverhältnisses begründen könnten, §§ 574 Abs. 3, 573 Abs. 2 BGB. Aus dem Kündigungsschreiben geht nicht hervor, worin die „erhebliche fortgesetzte Vertragspflichtverletzung“ liegen soll, derentwegen die hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses erklärt wurde. Andere als die im Kündigungsschreiben angegebenen Gründe finden aber nur Berücksichtigung, wenn sie nachträglich entstehen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger eine unberechtigte Gebrauchsüberlassung an einen Dritten moniert hatte, war für den Beklagten als Empfänger des Kündigungsschreibens nicht erkennbar, auf welche Pflichtverletzung die ordentliche Kündigung gestützt wird.

Selbst wenn man das Kündigungsschreiben dahingehend auslegen wollte, dass auch die ordentliche Kündigung auf Zahlungsverzug gestützt werden sollte, fehlt es an einer nicht unerheblichen schuldhaften Pflichtverletzung des Beklagten. Zwar ist eine fristgemäße Kündigung wegen schuldhaft begründeter Zahlungsrückstände grundsätzlich zulässig, weil der Mieter damit in nicht unerheblicher Weise vertragliche Pflichten, hier sogar seine Hauptleistungspflicht nach § 535 Abs. 2 BGB, verletzt. Die einmal eingetretene Pflichtverletzung kann nicht durch die bloße nachträgliche Zahlung wieder geheilt werden (BGH, Urteil vom 16. Februar 2005 – VIII ZR 6/04 –, Rn. 19, juris). Die sog. Schonfristregelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB ist auf die ordentliche Kündigung weder unmittelbar noch analog anwendbar (siehe grundlegend BGH, Urteil vom 16. Februar 2005 – VIII ZR 6/04 –, Rn. 12 ff., juris). Es besteht schon keine Regelungslücke, die eine analoge Anwendung auf die ordentliche Kündigung rechtfertigen könnte.

Allerdings kann im Rahmen des Verschuldens eine nachträgliche Zahlung des Mieters zu Gunsten des Mieters berücksichtigt werden, weil sie ein etwaiges Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen lässt (BGH, Urteil vom 16. Februar 2005 – VIII ZR 6/04 –, Rn. 20, juris). So liegt der Fall unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles auch hier.

Zwar muss der Beklagte sich auch die zunächst fehlende Zahlung seitens der Sozialbehörden zurechnen lassen. Die nachträgliche Zahlung lässt die Pflichtverletzung des Beklagten aber in einem milderen Licht erscheinen, da sie umgehend nach eigener Kenntnis des Beklagten von den Mietrückständen erfolgte. Dies gilt selbst dann, wenn man die Mietschulden im Jahr 2014, eine teilweise unpünktliche Mietzahlung in der Vergangenheit, ein Gerichtsverfahren zur Durchsetzung des Zutritts zur Wohnung zwecks Wartung von Rauchwarnmeldern sowie den – streitigen – Ausgleich von Forderungen aus einem Parallelverfahren erst nach mehreren Mahnungen zugrunde legt. Die Mietrückstände im Jahr 2014 beruhten nämlich auf einer unvorhergesehenen Erkrankung des Beklagten. Die – unsubstantiiert vorgetragene – teilweise unpünktliche Mietzahlung wiegt weniger schwer, da sie durch die Sozialbehörden und nicht durch den Beklagten selbst erfolgte. Von dem Termin zur Wartung der Rauchwarnmelder hatte der Beklagte keine Kenntnis, so dass er in diesem Zusammenhang keine Pflicht aus seinem Mietverhältnis verletzt hat. Die streitige Behauptung des Klägers, der Beklagte habe die vermietete Wohnung vollständig einem Dritten überlassen, war bei der Prüfung eines berechtigten Interesses des Klägers an der Beendigung des Mietverhältnisses nicht zu berücksichtigen. Ein Beweisangebot des Klägers fehlt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 41 Abs. 2 GKG und entspricht dem Jahresbetrag der Nettokaltmiete, 12 x 337,28 € = 4.047,36 €.

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