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Fristlose Mietvertragskündigung wegen Gewaltandrohung gegenüber Mitarbeitern des Vermieters

AG Tempelhof-Kreuzberg – Az.: 17 C 197/19 – Urteil vom 17.03.2020

1. Der Beklagte wird verurteilt, die von ihm innegehaltene Wohnung im 3. OG rechts des Hauses (…) Berlin, bestehend aus 2 Zimmern, 1 Küche, 1 Bad, 1 Korridor/Diele, 1 Balkon nebst zugehörigem Kellerraum Nr. (…) zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Räumungspflicht durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 EUR abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Hinsichtlich des übrigen Titels wird dem Beklagten nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis einschließlich 30.09.2020 gewährt.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin und Vermieterin, der Beklagte seit dem 01.02.2017 Mieter der im Tenor zu 1. näher bezeichneten Wohnung.

Der Beklagte versandte unter dem 14.05.2018 eine E-Mail folgenden Inhalts an die Zeugin D., die bei der klägerischen Hausverwaltung angestellt ist: „Du laberst eine Scheiße, es reicht!“ Ebenfalls am 14.05.2018 sprach der Beklagte u. a. Folgendes auf den Anrufbeantworter der Zeugin D.: „(…) Es wird Zeit ans Telefon zu gehen Frollein.“

Mit Schreiben vom 16.05.2019 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit dem Beklagten fristlos. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben verwiesen (Bl. 5 ff d. A.). Der Beklagte gab die Wohnung in der Folge nicht an die Klägerin heraus.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe am 14.05.2019 dem Hauswart der Klägerin, dem Zeugen K. und der Angestellten der klägerischen Hausverwaltung, der Zeugin D., angedroht, ihnen „in die Fresse zu hauen.“

Die Klägerin beantragt, den Beklagte zu verurteilen, die von ihm innegehaltene Wohnung im 3. OG rechts des Hauses (…) Berlin, bestehend aus 2 Zimmern, 1 Küche, 1 Bad, 1 Korridor/Diele, 1 Balkon nebst zugehörigem Kellerraum Nr. (…) zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise eine Räumungsfrist zu gewähren.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen K., D., W., H. und R.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18. Februar 2020, Bl. 137 ff d. A. verwiesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Räumung und Herausgabe gegen den Beklagten aus § 546 Abs. 1 BGB zu, weil die mit Schreiben vom 16.05.2019 ausgesprochene Kündigung das Mietverhältnis beendet hat.

Gemäß 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Gem. § 543 Abs. 1 S. 2 BGB liegt ein wichtiger Grund dann vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Ein solch wichtiger Grund liegt in der Regel vor, wenn der Mieter dem Vermieter oder dessen Mitarbeitern Gewalt androht (Blank in Schmidt-Futterer, MietR, 14 Aufl. 2019, § 543 Rz. 191).

Im Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte am 14.05.2019 dem Hauswart der Klägerin, dem Zeugen K. und der bei der Klägerin beschäftigten Zeugin D. körperliche Gewalt angedroht hat. Erforderlich ist hierbei keine absolute Gewissheit, sondern ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet ohne sie völlig auszuschließen (vgl. nur BGH, NJW 2013, 790 Rn. 17). Dieser liegt hier vor.

Der Zeuge K. hat in seiner Vernehmung bekundet, dass er an dem besagten 14.05.2019 von dem Beklagten zunächst telefonisch in „stark erregtem“ Zustand kontaktiert wurde. Der Beklagte habe angegeben, sich bezüglich der Beseitigung von Mängeln in seiner Wohnung „missverstanden“ zu fühlen. Sodann habe der Beklagte angekündigt, in das Büro des Zeugen zu kommen und ihm „in die Fresse zu hauen“. Der Zeuge gab weiter an, dies habe der Beklagte „eindringlich und mit Nachdruck“ kundgegeben, so dass er sich veranlasst gesehen habe, seine Bürotür zu verschließen. Wenig später habe es dann an seiner Tür gepoltert, der Beklagte habe geschrien, er solle die Tür öffnen und ihn reinlassen. Sodann habe der Beklagte geschrien, er werde ihm und der Zeugin D. „in die Fresse hauen“. Der Zeuge erklärte, sodann telefonisch die Polizei verständigt zu haben. Ab diesem Moment habe er den Beklagten nicht mehr gehört. Er gibt weiter an, sodann noch seinen Arbeitgeber und die Zeugin D. telefonisch über den Vorfall in Kenntnis gesetzt zu haben.

Die Aussage des Zeugen erscheint in hohem Maße glaubhaft. Er schilderte das Vorkommnis sachlich und ruhig und vermochte auf die Nachfragen des Gerichts ohne Zögern zu antworten. Es ist nicht ersichtlich, was den Zeugen K. veranlassen sollte, eine derartige Bedrohung durch den Beklagten zu „erfinden“ und darüber hinaus noch die Polizei hinzuziehen. Vor dem Hintergrund, dass der Zeuge nach eigenen Angaben in sieben Jahren Tätigkeit bei 380 Mietparteien einen ähnlichen Vorfall noch nicht erlebt hat, erscheint auch die konkrete Erinnerung an diesen Vorfall nachvollziehbar. Es hat sich für das Gericht auch kein Anlass ergeben, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln.

Die Aussage wird auch gestützt durch die Aussage der Zeugin D.. Diese bestätigte in ihrer Vernehmung, an diesem Tag von dem Zeugen K. telefonisch kontaktiert worden zu sein. Der Zeuge habe ihr von der gegen ihn und ihre Person gerichteten Bedrohung des Beklagten berichtet. Sie gab an, den Zeugen K. einige Zeit später nochmals angerufen zu haben, um zu hören, „ob alles in Ordnung ist.“ Der Zeuge K. habe sie dann mit einem zu diesem Zeitpunkt anwesenden Polizisten sprechen lassen. Sie habe diesen gefragt, ob für sie eine Gefahr bestehe und wie sie sich verhalten solle. Ihr sei daraufhin geraten worden, die Anlage in nächster Zeit zu meiden oder jedenfalls nur in Begleitung zu betreten.

Auch die Aussage der Zeugin D. erschien glaubhaft. Sie berichtete sachlich und detailliert und vermittelte nicht den Eindruck, ein erfundenes Szenario zu schildern. Auch betreffend die Glaubwürdigkeit der Zeugin haben sich keine Zweifel ergeben.

Die Aussagen des Beklagten und der von ihm benannten Zeugen waren hingegen unglaubhaft bzw. unergiebig.

Der Beklagte gab in seiner Anhörung – erstmals, nachdem schriftsätzlich der Vorfall lediglich pauschal in Abrede gestellt wurde – an, er habe am 14.05.2019 an der Tür des Hauswartbüros geklopft. Er habe dabei hören können, dass der Zeuge K. in seinem Büro um Hilfe gerufen und die Polizei verständigt habe. Er habe gedacht, dass der Zeuge „nur so tut“. Die Polizei sei dann auch gekommen und habe auf seine Nachfrage hin gesagt, dass „alles in Ordnung“ ist.

Dies bestätigte der Zeuge W. in seiner Vernehmung. Der Zeuge W. gab aber auch an, dass der Beklagte – wie klägerseits vorgetragen – den Zeugen K. kurz zuvor bereits telefonisch kontaktierte, woraufhin der Beklagte „stinkig“ und „sauer“ gewesen sei, weil dieser nicht mit ihm „kommunizieren“ wollte. Was genau der Beklagte am Telefon gesagt habe, wisse er zwar nicht mehr. Jedenfalls sei der Beklagte aber nicht „so sauer gewesen, dass er so etwas angedroht hätte. Sie seien dann zum Hauswartbüro gegangen und hätten – ohne dabei etwas zu sagen – geklopft und dann die Türklinke heruntergedrückt. Dabei hätten sie festgestellt, dass die Tür verschlossen war und der Zeuge K. innen um Hilfe rief.

Nach dem Dafürhalten des erkennenden Gerichts sind diese Aussagen unglaubhaft. Im Ergebnis wird der klägerseits behauptete Ablauf zugestanden. Lediglich die Aussagen bezüglich des „in die Fresse Hauens“ sollen nicht gefallen sein. Dies ließe allein den Schluss zu, der Zeuge K. sperrte sich nur aufgrund des Telefonats mit dem Beklagten – in dem ein in die Fresse Hauen nicht angekündigt wurde – ein, rief um Hilfe und verständigte noch dazu die Polizei. Dies erscheint nicht im Geringsten nachvollziehbar, insbesondere, wenn man dem die plausible Erklärung des Zeugen K. für sein Verhalten gegenüberstellt. Die Version der Klägerin wird aus Sicht des Gerichts überdies gestützt durch die Tatsache, dass der Beklagte unmittelbar vor dem Telefonat mit dem Zeugen K. in einer an die Zeugin D. gerichteten Mail schrieb „Du laberst eine Scheiße, es reicht!“ und auf dem Anrufbeantworter der Hausverwaltung eine äußerst aufgebrachte Nachricht hinterließ. In Anbetracht dieser unstreitigen Umstände erscheint eine weitere Eskalation des Beklagten überaus plausibel.

Die Aussagen der beklagtenseits benannten Zeugen H. und R. waren unergiebig.

Der Zeuge H. berichtete, den Beklagten und einen Freund „bei den Mülltonnen“ angetroffen zu haben. Die beiden hätten von einem „Problem mit dem Hausmeister“ erzählt und dass „die Polizei gerufen wurde“. Die Polizei sei dann auch gekommen, woraufhin sich der Beklagte „zu erkennen gab“ und der Beklagte und dessen Freund mit der Polizei gingen. Der „Freund“ sei der Zeuge W. gewesen. Das Kerngeschehen hat der Zeuge H. nicht miterlebt. Was genau der Beklagte und der Zeuge W. diesbezüglich erzählt haben, verbleibt nach der Aussage des Zeugen, der lediglich von „einem Problem mit dem Hausmeister“ sprach, unklar. Der – sichtlich nervöse – Zeuge R. wusste nur zu berichten, dass er bei Ankunft am Kirchhainer Damm Polizisten gesehen hat. Ob diese von dem Beklagten angesprochen wurden und wohin sie gegangen sind, vermochte der Zeuge nicht zu sagen. Das vorangegangene Geschehen hat er nicht miterlebt und wusste dazu auch nichts zu berichten.

Die weiterhin von dem Beklagten benannte Zeugin P. war nicht zu hören, da die Zeugin bereist nach den Angaben des Beklagten von dem relevanten Geschehen nichts mitbekommen hat.

Der zur Überzeugung des Gerichts festgestellte Sachverhalt stellt einen wichtigen Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 S. 2 BGB dar. Die Klägerin hat auch unter Berücksichtigung der offenbar schon länger andauernden Problematik betreffend die Beseitigung von Mängeln in der Wohnung des Beklagten und damit einhergehenden Terminschwierigkeiten nicht hinzunehmen, dass ihre Angestellten – wenn auch nicht in strafrechtlich relevanter Art und Weise – bedroht werden. Sofern der Beklagte der Auffassung ist, ihm stünden Ansprüche auf Mängelbeseitigung zu, denen die Klägerin zu zögerlich oder gar nicht nachkommt, steht es ihm jederzeit frei, Kritik in angemessenem Ton zu üben und im Übrigen von den Rechten Gebrauch zu machen, die das Gesetz für solche Fälle bereithält (Ersatzvornahme, Klage). Entgegen der Meinung des Beklagten waren bereits die in der E-Mail vom 14.05.2019 und für die Nachricht auf dem Anrufbeantworter gewählten Worte nicht „noch sozialadäquat“. In der Zusammenschau mit dem weiteren Verhalten des Beklagten – mag man auch zu seinen Gunsten einen Zustand höchster Erregung und eine gegebenenfalls krankheitsbedingt eingeschränkte Steuerungsfähigkeit annehmen – war die Grenze eines lediglich abmahnungsrelevanten Verhaltens definitiv überschritten.

Eine vorherige Abmahnung war hier gem. § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BGB nicht erforderlich. Eine Abmahnung dahingehend zukünftig Bedrohungen gegenüber Angestellten der Klägerin zu unterlassen, wäre im vorliegenden Fall nicht geeignet, das durch das Verhalten des Beklagten bereits nachhaltig zerstörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen.

Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen des Widerspruchs des Beklagten war nicht zu prüfen, § 574 Abs. 1 S. 2 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 7, 711 ZPO.

Dem Beklagten war gemäß § 721 ZPO eine Räumungsfrist im tenorierten Umfang zu gewähren.

Gemäß § 721 Abs. 1 S. 1 ZPO kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewähren, sofern auf Räumung von Wohnraum erkannt wurde. Im Rahmen der hiernach zu treffenden Ermessensentscheidung sind die Interessen der beiden Parteien gegeneinander abzuwägen.

Unter Berücksichtigung des gerichtsbekannt angespannten Wohnungsmarktes im Gerichtsbezirk und in Anbetracht der Tatsache, dass der Beklagte seit dem Vorfall im Mai 2019 weitere Bedrohungen nicht ausgesprochen hat, erscheint eine Räumungsfrist von ca. 6 Monaten noch mit dem Erlangungsinteresse der Klägerin vereinbar.

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