AG Frankfurt – Az.: 33 C 9/20 (55) – Urteil vom 28.05.2020
1. Die Beklagte wird verurteilt, die innegehaltene Wohnung …straße …, 1. OG, … Frankfurt am Main, bestehend aus 2 Zimmern, Küche, Keller, Loggia, Bodenraum und Bad mit WC zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
2. Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31.08.2020 gewährt.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich der Räumung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.300,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Der Streitwert wird festgesetzt auf: 2.967,60 €.
Tatbestand
Die Klägerin schloss mit der 82-jährigen Beklagten einen Mietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung mit Mietvertragsbeginn zum 1.4.2018. Die Nettomiete betrug zuletzt 247,30 €. Es handelt sich um eine Wohnung in einer Seniorenwohnanlage.
Aufgrund einer Beschwerde betreffend Geruchsbelästigung, welche am 9.10.2018 bei der vor Ort betreuenden … einging, nahm sich der zuständige Sozialarbeiter der Klägerin, Herr A, der Sache an. Die Beklagte wurde mit Schreiben vom 7.5.2019 abgemahnt und eine Wohnungsbesichtigung angekündigt. Die Wohnungsbesichtigung fand dann am 16.5.2019 durch den Sozialarbeiter A statt. Die Beklagte wurde mit Schreiben vom 17.05.2019 u.a. aufgefordert, sich beim zuständigen Sozialrathaus der Stadt Frankfurt um Hilfe bei der Entrümpelung und Reinigung ihrer Wohnung zu kümmern. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 17.5.2019 (Bl. 34 der Akte) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 1.7.2019 (Bl. 35 der Akte) wurde die Beklagte ein 2. Mal wegen Geruchsbelästigung aus ihrer Wohnung und des vermüllten Zustands der Wohnung abgemahnt.
Nach erneuter Wohnungsbesichtigung durch Herrn Ar am 10.09.2019 und darauffolgender Fristsetzung wurde der Beklagten nach fruchtlosem Verstreichen dieser Frist die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses mit Schreiben vom 25.10.2019 (Bl. 38 f. d.A.) ausgesprochen. Es kam auch in der Folgezeit zu weiteren Beschwerden der Nachbarn über Müllgeruch im Gang vor der Wohnung bis zum Aufzug hin.
Die Klägerin behauptet, aus der streitgegenständlichen Wohnung der Beklagten ginge eine starke Geruchsbelästigung aus. Nachbarn würden sich hierüber beschweren. Es rieche nach Müll und die Wohnung befinde sich in einem verwahrlosten Zustand. Zudem nisteten sich Insekten (Fliegen) ein.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die innegehaltene Wohnung …straße XXX, 1. OG, … Frankfurt am Main, bestehend aus 2 Zimmern, Küche, Keller, Loggia, Bodenraum und Bad mit WC zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise eine angemessene Räumungsfrist einzuräumen.
Sie bestreitet, dass von ihrer Wohnung ein unangenehmer Geruch ausgehe.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen A und B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.05.2020 (Bl. 97 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Beklagte ist gemäß § 546 Abs. 1 BGB zur Räumung und Herausgabe der von ihr gemieteten und innegehaltenen streitgegenständlichen Wohnung verpflichtet. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 25.10.2019 gem. § 543 Abs. 1 BGB wirksam beendet worden.
Die Klägerin war gem. §§ 543 Abs. 2 Nr. 2, 569 Abs. 2 BGB zur fristlosen Kündigung berechtigt. Nach der Beweisaufnahme steht für das Gericht fest, dass die Beklagte den Hausfrieden in massiver Weise gestört hat, indem sie nicht verhindert hat, dass aus ihrer Wohnung ein penetranter Geruch über einen längeren Zeitraum entwichen ist. Dessen Ursache ist in dem ungepflegten Zustand der Wohnung zu sehen. Auch auf eine qualifizierte Abmahnung hin hat sie ihr Verhalten nicht geändert, so dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Klägerin auch bei Berücksichtigung der Interessen der Beklagten am Erhalt ihrer Wohnung nicht mehr zumutbar gewesen ist.
Die vernommenen Zeugen A und B haben den klägerischen Vortrag bestätigt. Der Zeuge A bestätigte, dass mehrere Mieter schriftliche Beschwerden an ihn herangetragen hätten wegen des extremen Geruchs auf dem Flur vor der Wohnung der Beklagten, welcher aus deren Wohnung herrührte. Der Zeuge bekundete, den Geruch auch selber wahrgenommen zu haben. Er habe mehrfach das Haus und den betreffenden Flur aufgesucht und hierbei bereits bei Verlassen des Aufzugs einen unangenehmen Geruch festgestellt, der sich bei Öffnen der den Flur abtrennenden Rauchschutztür verstärkt habe. Er beschrieb den Geruch als süßlichen Fäulnisgeruch, es rieche nach verrotteten Müll. Der Geruch sei derart unangenehm und unzumutbar zu ertragen. Der Geruch habe die ganze Zeit über seit Mai 2019 bis über den Ausspruch der Kündigung hinaus fortbestanden, wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Die Beklagte habe auf die Mahnungen hin nicht reagiert und auch keine fremde Hilfe angenommen. Bei seiner Besichtigung im Mai 2019 habe er an der Wohnzimmerdecke und im Badezimmer schwarze Punkte, nämlich Exkremente von Fliegen, festgestellt.
Auch der Zeuge B, ein Nachbar der Beklagten, bekundete, dass von der streitgegenständlichen Wohnung der Beklagten extrem unangenehmer Geruch ausgehe. Er beschrieb den Geruch dahin, dass es „stinke wie die Pest“, wie verdorbenes Essen. Es stinke im ganzen Flur. Dies sei bereits seit letztem Jahr so.
Aufgrund der Zeugenaussagen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass aufgrund des zugestellten und vermittelten Zustands der streitgegenständlichen Wohnung von dieser ein extremer, penetranter Geruch nach Müll ausgeht, der für die übrigen Hausbewohner nicht zumutbar und nicht hinnehmbar ist. Es kann dahinstehen, ob bereits die Substanz der Wohnung durch das Einnisten von Fliegen und deren Exkremente, so die Bekundungen des Zeugen A, gefährdet ist. Jedenfalls stört die Geruchsbelästigung durch die Beklagte den Hausfrieden nachhaltig.
Die gem. § 543 Abs. 3 S. 1 BGB erforderliche Abmahnung der Beklagten ist mehrfach mit Schreiben vom 07.05., 17.05., 01.07. und 20.08.2019 erfolgt.
Gemäß § 721 ZPO war der Beklagten eine Räumungsfrist zuzubilligen, welche das Gericht einerseits als erforderlich, andererseits aufgrund der beschriebenen Zustände in der Wohnung der Beklagten aber auch als ausreichend ansieht.
Die Kostentragung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 7, 711, 709 S. 2 ZPO. Bei der Bemessung der Höhe der Sicherheitsleistung wurden mögliche Kosten bei der Räumung der Wohnung (geschätzt) und mögliche Erfüllungs- und Verzögerungsschäden (12 Netto-Monatsmieten) berücksichtigt (vgl. KG NJW-RR 2010, 1020).