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Gerichtsverfahren gegen WEG ist kein Grund für Eigentumsentziehung

Gerichtsverfahren gegen Wohnungseigentümer: Kein Grund für Eigentumsverlust

Das Amtsgericht Bremen erklärte mehrere Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung für ungültig. Gründe waren unzureichende Ladung und Informationsmängel bezüglich der Abmahnungen, ungenaue Formulierungen in den Beschlüssen und die Unvereinbarkeit eines Beschlusses mit der Teilungserklärung und dem Bebauungsplan. Die Urteilsfindung berücksichtigte sowohl formelle als auch inhaltliche Mängel der gefassten Beschlüsse.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 28 C 52/21   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Ungültigkeitserklärung verschiedener Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 31.10.2021.
  2. Ladungsmängel: Die Ladung zur Versammlung war unzureichend, da sie keine explizite Ankündigung von Abmahnungen enthielt.
  3. Unbestimmtheit der Beschlüsse: Die Beschlüsse zu Abmahnungen waren zu ungenau formuliert.
  4. Fehlende Konkretisierung: Die Abmahnbeschlüsse enthielten keine spezifischen Vorwürfe oder Fehlverhaltensbeschreibungen.
  5. Ungeeignetheit zur Entziehung von Wohnungseigentum: Die abgemahnten Verhaltensweisen rechtfertigten keine Entziehung des Wohnungseigentums.
  6. Widerspruch zu Teilungserklärung und Bebauungsplan: Ein Beschluss zur Bepflanzung stand im Konflikt mit bestehenden Regelungen.
  7. Kostenübernahme durch die Beklagte: Die Beklagte muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.
  8. Streitwertfestsetzung auf 8.000 Euro: Der Streitwert wurde gemäß dem Interesse der Parteien festgelegt.
Keine Eigentumsentziehung nach WEG-Gerichtsverfahren
(Symbolfoto: Chokniti-Studio /Shutterstock.com)

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) kann einem Eigentümer sein Wohneigentum nicht einfach wegen eines Gerichtsverfahrens entzogen werden. Die Eigentumsentziehung ist ein komplexer Prozess, der bestimmte Voraussetzungen erfordert, wie z.B. erhebliche Störungen der WEG oder wiederholte Verletzungen von Pflichten. Ein WEG-Beschluss zur Eigentumsentziehung gliedert sich in zwei Stufen: Entziehungsbeschluss und gegebenenfalls Entziehungsklage.

Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass der Eigentümer nach einem Entziehungsurteil sein Eigentum nicht sofort verliert. Er muss seine Immobilie verkaufen oder eine zwangsweise Räumung hinnehmen. In diesem Beitrag wird ein konkretes Urteil vorgestellt und diskutiert, das die rechtlichen Herausforderungen der Eigentumsentziehung in einer WEG veranschaulicht. Dabei werden Aspekte wie Abmahnungen, Protokolle und Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft beleuchtet.

Unstimmigkeiten in der Wohnungseigentümergemeinschaft führen zu Gerichtsurteil

In einer bemerkenswerten Wendung hat das Amtsgericht Bremen in einem Fall, der die Rechte und Pflichten innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft betrifft, ein wegweisendes Urteil gefällt. Die Kontroverse drehte sich um die Gültigkeit von Beschlüssen, die während einer Eigentümerversammlung am 31.10.2021 gefasst wurden. Der Kern des Streits bestand darin, dass der Kläger, ein Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft S. B., die Rechtmäßigkeit von drei Abmahnbeschlüssen und einem weiteren Beschluss zur Bepflanzung anfocht.

Die fehlerhaften Abmahnungen: Eine detaillierte Betrachtung

Die Abmahnungen, die Gegenstand der Anfechtung waren, bezogen sich auf verschiedene Themen. Die erste Abmahnung bezog sich auf die Nichtverteilung eines finalen Protokolls, die zweite auf ein ausstehendes Antwortschreiben eines Anwalts und die dritte auf die Nichtzahlung eines Anteils an den Kosten eines Gemeinschaftszauns. Diese Abmahnungen wurden jeweils mit einer deutlichen Mehrheit von Stimmen beschlossen. Die Beschlüsse wurden jedoch vom Gericht für ungültig erklärt, da sie wesentliche formelle und inhaltliche Mängel aufwiesen.

Verfahrensfehler und Unvereinbarkeiten im Fokus des Gerichts

Das Gericht stellte fest, dass die Beschlüsse nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprachen und somit ungültig waren. Ein wesentlicher Punkt war, dass die Ladung zur Eigentümerversammlung keine explizite Ankündigung von Abmahnungen enthielt, was einen schwerwiegenden Ladungsmangel darstellte. Zudem waren die Beschlüsse zu unbestimmt formuliert, da sie keine konkreten Vorwürfe oder das genaue Fehlverhalten, das abgemahnt wurde, spezifizierten. Weiterhin war das Gericht der Auffassung, dass die in den Abmahnungen angesprochenen Verhaltensweisen keine hinreichende Grundlage für ein Entziehungsverfahren des Wohnungseigentums darstellten.

Widersprüchliche Beschlüsse zur Bepflanzung aufgehoben

Neben den Abmahnungen wurde auch ein Beschluss zur Bepflanzung der Vorgärten zur öffentlichen Straßenseite angefochten. Dieser Beschluss sah eine Änderung der vorgegebenen Pflanzenarten gemäß der Teilungserklärung vor und wurde mit überwältigender Mehrheit angenommen. Das Gericht erklärte jedoch auch diesen Beschluss für ungültig, da er im Widerspruch zur bestehenden Teilungserklärung und dem Bebauungsplan stand. Zudem wurde angemerkt, dass der Beschluss nicht einstimmig gefasst wurde, was gegen die Regeln der Teilungserklärung verstieß.

Das Urteil des Amtsgerichts Bremen und seine Folgen

In seinem Urteil stellte das Amtsgericht Bremen die Ungültigkeit der angefochtenen Beschlüsse fest und ordnete an, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Das Gericht setzte den Streitwert auf 8.000 Euro fest. Dieses Urteil verdeutlicht die Bedeutung einer ordnungsgemäßen Ladung und Beschlussfassung innerhalb von Wohnungseigentümergemeinschaften. Es unterstreicht zudem, dass Abmahnungen und Änderungen der Teilungserklärung sorgfältig gehandhabt werden müssen, um ihre Gültigkeit zu gewährleisten.

Das Urteil des Amtsgerichts Bremen (Az.: 28 C 52/21) vom 16.03.2022 markiert einen wichtigen Fall in der Praxis des WEG-Rechts, indem es die Notwendigkeit einer korrekten Verfahrensweise und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften in Wohnungseigentümergemeinschaften betont.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was sind die rechtlichen Anforderungen für die Gültigkeit eines Beschlusses in einer Wohnungseigentümergemeinschaft?

Die rechtlichen Anforderungen für die Gültigkeit eines Beschlusses in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) sind im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) geregelt. Seit der WEG-Reform, die am 1. Dezember 2020 in Kraft trat, ist eine Eigentümerversammlung immer beschlussfähig, unabhängig von der Zahl der erschienenen oder vertretenen Wohnungseigentümer. Vor der Reform musste die Mehrheit der Miteigentumsanteile auf der Versammlung vertreten sein, um beschlussfähig zu sein.

Für die Gültigkeit eines Beschlusses ist es erforderlich, dass der Gegenstand bei der Einberufung der Versammlung bezeichnet ist. Ein Beschluss ist auch ohne Versammlung gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung in Textform erklären. Ein Beschluss bleibt so lange gültig, bis er durch ein rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt oder durch einen Mehrheitsbeschluss in der Versammlung aufgehoben wird.

Die Beschlussfassung kann auch im Umlaufverfahren erfolgen, wobei hierfür die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich ist. Bei der Beschlussfassung in der Versammlung reicht grundsätzlich die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen aus, sofern nicht durch die Gemeinschaftsordnung oder eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer eine andere Mehrheit vorgesehen ist.

Es gibt jedoch Ausnahmen, bei denen die sogenannte Allstimmigkeit erforderlich ist, also die Zustimmung jedes einzelnen Wohnungseigentümers zu einer bestimmten Maßnahme. Dies gilt insbesondere für Maßnahmen, die das Sondereigentum oder die bauliche Substanz betreffen und die Rechte anderer Wohnungseigentümer beeinträchtigen könnten.

Die Beschluss-Sammlung, in der alle Beschlüsse eingetragen werden, muss den Wohnungseigentümern zugänglich gemacht werden. Nach der Versammlung erhalten alle Mitglieder der WEG eine aktualisierte Beschluss-Sammlung.

Zusammengefasst müssen Wohnungseigentümergemeinschaften folgende Punkte beachten, um die Gültigkeit eines Beschlusses zu gewährleisten:

  • Die Eigentümerversammlung ist unabhängig von der Anzahl der anwesenden oder vertretenen Eigentümer beschlussfähig.
  • Der Beschlussgegenstand muss bei der Einberufung der Versammlung bezeichnet sein.
  • Ein Beschluss kann auch ohne Versammlung gültig sein, wenn alle Eigentümer zustimmen.
  • Die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen ist in der Regel ausreichend, sofern nicht anders vereinbart.
  • Für bestimmte Maßnahmen kann Allstimmigkeit erforderlich sein.
  • Beschlüsse müssen in der Beschluss-Sammlung eingetragen und den Eigentümern zugänglich gemacht werden.

In welchen Fällen kann die Entziehung von Wohnungseigentum nach dem WEG gerechtfertigt sein?

Die Entziehung von Wohnungseigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) ist ein schwerwiegender Eingriff in das Eigentumsrecht und kann nur unter bestimmten Bedingungen gerechtfertigt sein. Sie ist als letztes Mittel vorgesehen, um unzumutbare Verhältnisse in einer Wohnungseigentümergemeinschaft zu beseitigen. Vor einer solchen Maßnahme müssen in der Regel mildere rechtliche Schritte wie Abmahnungen und Unterlassungsklagen ergriffen werden.

Die gesetzliche Grundlage für die Entziehung des Wohnungseigentums ist § 17 WEG. Nach diesem Paragraphen kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer von einem Miteigentümer die Veräußerung seines Wohnungseigentums verlangen, wenn er sich einer so schweren Verletzung seiner Pflichten gegenüber den anderen Wohnungseigentümern oder der Gemeinschaft schuldig gemacht hat, dass den übrigen Mitgliedern der Gemeinschaft die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann.

Zu den möglichen Gründen für eine Entziehung des Wohnungseigentums gehören beispielsweise:

  • Dauerhafte und grundlose Widersprüche gegen Maßnahmen des Verwalters
    Schmähungen eines anderen Wohnungseigentümers gegenüber Dritten
  • Dauernde Misstrauensbekundungen gegenüber dem Verwalter oder anderen Wohnungseigentümern
  • Psychische oder physische Bedrohung von Miteigentümern
  • Schwere Verletzung der Pflichten gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft, die eine Fortführung der Gemeinschaft unzumutbar macht
  • Gröbliche Verstöße gegen die Pflichten nach § 14 WEG trotz vorheriger Abmahnung
  • Zahlungsverzug oder andere erhebliche Pflichtverletzungen

Es ist jedoch zu betonen, dass die Entziehung des Wohnungseigentums ein komplexer und oft langwieriger Prozess ist, der in der Regel eine vorherige Abmahnung erfordert und durch ein Gerichtsverfahren durchgesetzt werden muss.


Das vorliegende Urteil

AG Bremen – Az.: 28 C 52/21 – Urteil vom 16.03.2022

1. Der Beschluss vom 31.10.2021 zum Thema 2. „Verlesung/Abnahme des letzten Protokolls vom 08.08.2021“ wird für ungültig erklärt.

2. Der Beschluss vom 31.10.2021 zum Thema 6. „Androhung mit Gerichtsverfahren G.“ wird für ungültig erklärt.

3. Der Beschluss vom 31.10.2021 zum Thema 7. „Kostenbeteiligung am Gemeinschaftszaun Herr G.“ wird für ungültig erklärt.

4. Der Beschluss vom 31.10.2021 zum Thema 10. „Bepflanzung der Vorgärten zur öffentlichen Straßenseite“ wird für ungültig erklärt.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

8. Der Streitwert wird auf 8.000 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Rechte und Pflichten innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft, vorliegend um die Rechtmäßigkeit von drei den Kläger abmahnenden Beschlüssen sowie eines weiteren Beschlusses bezüglich der Bepflanzung.

Der Kläger ist Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft S. B.. Aufgrund der Einladung vom 06.10.2021 (Bl. 34) erfolgte am 31.10.2021 eine Eigentümerversammlung. Auf das entsprechende Protokoll (Bl. 22ff) einschließlich der Teilnehmerliste wird Bezug genommen. Im Rahmen dieser Versammlung wurde u.a. protokolliert:

2. Verlesung / Abnahme des letzten Protokolls vom 08.08.2021

Das finale Protokoll liegt zum Zeitpunkt der Versammlung nicht vor.

Herr G. hat die endgültige Version des Protokolls nicht verteilt.

T. stellt Antrag auf Abmahnung Herrn G. nach Paragraf 14 WEG Abs. l Nr. l – Pflichtverletzung

16 Stimmen – dafür

2 Stimmen – gegen

3 Stimmer – enthalten

Dem Antrag wird stattgegeben. Herr G. wird hiermit abgemahnt.

Am 07.11.2021 wird das finale Protokoll vom 08.08.2021 verteilt und an Haus Nr. 4 Zwecks Aufbewahrung übergeben.

6. Androhung mit Gerichtsverfahren G.

Das Antwortschreiben des Anwaltes Familie G. liegt trotzt mehrerer Aufforderungen der Eigentümer Reihe 5 WEG S. bis dato nicht vor.

Herr G. möchte sich zu dem Sachverhalt nicht äußern.

T. stellt Antrag auf Abmahnung Herrn G. nach Paragraf 14 WEG Abs. l Nr. l – Pflichtverletzung

16 Stimmen dafür

2 Stimmen – gegen

3 Stimmen – enthalten

Dem Antrag wird stattgegeben. Herr G. wird hiermit abgemahnt.

7. Kostenbeteiligung am Gemeinschaftszaun Herr G.

T. liest eine Erklärung des Eigentümers Haus Nr. l 0 vor. (Anhang 3).

Herr S. lehnt die Zahlung weiterhin ab.

T. Eh. stellt Antrag auf Abmahnung Herrn G. nach Paragraf 14 WEG Abs. l Nr. l – wegen nicht Zahlung seines Anteils am Gemeinschaftszaun, trotzt seiner ausdrücklichen Zustimmung an Kostenbeteiligung.

16 Stimmen dafür

2 Stimmen – gegen

3 Stimmen – enthalten

Dem Antrag wird stattgegeben. Herr G. wird hiermit abgemahnt.

Anwesende Eigentümer Häuser Nr. 11,12 und 15 werden sich ggf. an dem Gerichtsverfahren nicht beteiligen.

10. Bepflanzung der Vorgärten zur öffentlichen Straßenseite

Laut Teilungserklärung Punkt 7 sind aktuell zwei Pflanzenarten (Rotbuche und Hainbuche) vorgegeben. N. stellt Antrag auf Erweiterung der Teilungserklärung im Punkt 7.

Die Ergänzung lautet wie folgt: Für die Bepflanzung der Vorgärten werden Rotbuche und Hainbuche sowie weitere regional typische Pflanzenarten erlaubt.

20 Stimmen – dafür

1 Stimme – enthalten

0 Stimmen – enthalten

Beschlussfassung: Der Ergänzung wird mit dem vorgeschlagenen Wortlaut zugestimmt.

Der Kläger hält die Beschlüsse zu den Themen 2., 6., 7. und 10. für unwirksam. Soweit die Abmahnungen betroffen seien, seien die Beschlüsse bereits deswegen unwirksam, weil die Ladung nicht auf mögliche Abmahnungen hingewiesen hatte. Die Beschlüsse seien ferner zu unbestimmt und im Übrigen nicht geeignet, ein Entziehungsverfahren zu begründen. Der Beschluss zu Thema 10. sei nicht einstimmig geschlossen worden, es habe eine Gegenstimme gegeben. Der Beschluss stehe im Übrigen in Widerspruch zur Ziffer 7 der Teilungserklärung (Bl. 44) und der entsprechenden Formulierung im Bebauungsplan (Bl. 47).

Der Kläger beantragt,

1. Der Beschluss vom 31.10.2021 zum Thema 2 wird für ungültig erklärt, der ausweislich des Protokolls vom 06.11.2021 nachfolgenden Inhalt hat:

„Das finale Protokoll liegt zum Zeitpunkt der Versammlung nicht vor. Herr G. hat die endgültige Version des Protokolls nicht verteilt.

T. stellt Antrag auf Abmahnung Herrn G. nach Paragraf 14 WEG Abs. l Nr. l – Pflichtverletzung.

16 Stimmen – dafür

2 Stimmen – dagegen

3 Stimmen – enthalten

Dem Antrag wird stattgegeben. Herr G. wird hiermit abgemahnt.

Am 07.11.2021 wird das finale Protokoll vom 08.08.2021 verteilt und an Haus Nr. 4 Zwecks Aufbewahrung übergeben.“; hilfsweise wird festgestellt, dass der Beschluss vom 31.10.2021 zum Thema 2 der Eigentümerversammlung vom 31.10.2021 nichtig ist, der ausweislich des Protokolls vom 06.11.2021 nachfolgenden Inhalt hat:

„Das finale Protokoll liegt zum Zeitpunkt der Versammlung nicht vor. Herr G. hat die endgültige Version des Protokolls nicht verteilt.

T. stellt Antrag auf Abmahnung Herrn G. nach Paragraf 14 WEG Abs. l Nr. l – Pflichtverletzung,

16 Stimmen – dafür

2 Stimmen – dagegen

3 Stimmen – enthalten

Dem Antrag wird stattgegeben. Herr G. wird hiermit abgemahnt.

Am 07.11.2021 wird das finale Protokoll vom 08.08.2021 verteilt und an Haus Nr. 4 Zwecks Aufbewahrung übergeben.“

2. Der Beschluss vom 31.10.2021 zum Thema 6 der Eigentümerversammlung vom 31.10.2021 wird für ungültig erklärt, der ausweislich des Protokolls vom 06.11.2021 nachfolgenden Inhalt hat:

„Das Antwortschreiben des Anwalts Familie G. liegt trotz mehrerer Aufforderungen der Eigentümer Reihe 5 WEG S. bis dato nicht vor.

Herr G. möchte sich zu dem Sachverhalt nicht äußern.

T. stellt Antrag auf Abmahnung Herrn G. nach Paragraf 14 WEG Abs. l Nr. l – Pflichtverletzung

16 Stimmen – dafür

2 Stimmen – dagegen

3 Stimmen – enthalten

Dem Antrag wird stattgegeben. Herr G. wird hiermit abgemahnt.“

hilfsweise wird festgestellt, dass der Beschluss vom 31.10.2021 zum Thema 6 der Eigentümerversammlung vom 31.10.2021 nichtig ist, der ausweislich des Protokolls vom 06.11.2021 nachfolgenden Inhalt hat:

„Das Antwortschreiben des Anwalts Familie G. liegt trotz mehrerer Aufforderungen der Eigentümer Reihe 5 WEG S. bis dato nicht vor.

Herr G. möchte sich zu dem Sachverhalt nicht äußern.

T. stellt Antrag auf Abmahnung Herrn G. nach Paragraf 14 WEG Abs. l Nr. l – Pflichtverletzung

16 Stimmen – dafür

2 Stimmen – dagegen

3 Stimmen – enthalten

Dem Antrag wird stattgegeben. Herr G. wird hiermit abgemahnt.“

3. Der Beschluss vom 31.10.2021 zum Thema 7 der Eigentümerversammlung vom 31.10.2021 wird für ungültig erklärt, der ausweislich des Protokolls vom 06.11.2021 nachfolgenden Inhalt hat:

„T. liest eine Erklärung des Eigentümers Haus Nr. 10 vor. (Anhang 3) T Herr G. lehnt die Zahlung weiterhin ab.

T. stellt Antrag auf Abmahnung Herrn G. nach Paragraf 14 WEG Abs. l Nr. l – wegen nicht Zahlung seines Anteils am Gemeinschaftszaun, trotz seiner ausdrücklichen Zustimmung an Kostenbeteiligung.

16 Stimmen – dafür

2 Stimmen – dagegen

3 Stimmen – enthalten

Dem Antrag wird stattgegeben. Herr G. wird hiermit abgemahnt.“

hilfsweise wird festgestellt, dass der Beschluss vom 31.10.2021 zum Thema 7 der Eigentümerversammlung vom 31.10.2021 nichtig ist, der ausweislich des Protokolls vom 06.11.2021 nachfolgenden Inhalt hat:

„T. Eh. liest eine Erklärung des Eigentümers Haus Nr. 10 vor. (Anhang 3).

Herr G. lehnt die Zahlung weiterhin ab.

T. stellt Antrag auf Abmahnung Herrn G. nach Paragraf 14 WEG Abs. l Nr. l – wegen nicht Zahlung seines Anteils am Gemeinschaftszaun, trotz seiner ausdrücklichen Zustimmung an Kostenbeteiligung.

16 Stimmen – dafür

2 Stimmen – dagegen

3 Stimmen – enthalten

Dem Antrag wird stattgegeben. Herr G. wird hiermit abgemahnt.“

4. Der Beschluss vom 31.10.2021 zum Thema 10 der Eigentümerversammlung vom 31.10.2021 wird für ungültig erklärt, der ausweislich des Protokolls vom 06.11.2021 nachfolgenden Inhalt hat:

„Laut Teilungserklärung Punkt 7 sind aktuell zwei Pßanzenarten (Rotbuche und Hainbuche) vorgegeben. N. stellt Antrag auf Erweiterung der Teilungserklärung im Punkt 7.

Die Ergänzung lautet wie folgt: Für die Bepflanzung der Vorgärten werden Rotbuche und Hainbuche sowie weitere regional typische Pflanzenarten erlaubt

20 Stimmen – dafür

1 Stimme dagegen

0 Stimmen – enthalten

Beschlussfassung: Der Ergänzung wird mit dem vorgeschlagenen Wortlaut zugestimmt.“

hilfsweise wird festgestellt, dass der Beschluss vom 31.10.2021 zum Thema 10 der Eigentümerversammlung vom 31.10.2021 nichtig ist, der ausweislich des Protokolls vom 06.11.2021 nachfolgenden Inhalt hat:

„Laut Teilungserklärung Punkt 7 sind aktuell zwei Pßanzenarten (Rotbuche und Hainbuche) vorgegeben. N. stellt Antrag auf Erweiterung der Teilungserklärung im Punkt 7.

Die Ergänzung lautet wie folgt: Für die Bepflanzung der Vorgärten werden Rotbuche und Hainbuche sowie weitere regional typische Pflanzenarten erlaubt

20 Stimmen – dafür

1 Stimme dagegen

0 Stimmen – enthalten

Beschlussfassung: Der Ergänzung wird mit dem vorgeschlagenen Wortlaut zugestimmt.“

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Ergänzend wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.

I.

Die angegriffenen Punkte der Eigentümerversammlung vom 31.10.2021 sind als Beschlüsse zu qualifizieren. Sie entsprechen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung und waren daher für ungültig zu erklären.

1. Die Klage wurde rechtzeitig erhoben. Gemäß § 46 I 2 WEG muss die Anfechtungsklage binnen einer Frist von einem Monat ab der Beschlussfassung erhoben werden. Da der hier gegenständliche Beschluss am 31.10.2021 gefasst worden war, endete die Monatsfrist gemäß § 188 II BGB mit Ablauf des 30.11.2021.

Gemäß § 253 I ZPO ist die Klage mit der Zustellung an den Gegner erhoben. Hier wurde die Klage den Beklagten erst am 07.01.2022 mithin nach Ende der Monatsfrist zugestellt. Vorliegend ging die Anfechtungsklage am 22.11.2021, die Klageerweiterung am 30.11.2021, also noch innerhalb der Monatsfrist, bei Gericht ein. Gemäß § 167 ZPO ist es jedoch für die Fristwahrung ausreichend, wenn die Klage rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist, sofern die Zustellung „demnächst erfolgt“. Das ist hier der Fall, denn nach umgehender Einzahlung des Vorschusses wurde die Verzögerung der Zustellung im Folgenden nicht durch den Kläger, sondern durch die gerichtsinternen Abläufe verursacht.

2. Die zu den Themen 2, 6, 7 und 10 gefassten Beschlüsse waren für ungültig zu erklären, da sie nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprachen. Soweit zu den Themen 2, 6 und 7 die Formulierung „Beschlussfassung“ im Protokoll fehlt, hindert dieses nicht die Qualifikation als Beschluss, denn die Punkte wurden jeweils zur Abstimmung gestellt und anschließend die Abmahnung ausgesprochen.

a. Die zu den Themen 2, 6 und 7 gefassten Abmahnungen sind nicht nur rein deklaratorische Beschlüsse, durch die eine allgemeine Gesetzeslage wiedergegeben werden soll, sondern konkrete Abmahnbeschlüsse, die gegebenenfalls eine Entziehung von Wohnungseigentum gemäß § 18 WEG vorbereiten sollen. Solch Abmahnbeschlüsse sind im Anfechtungsverfahren alleine auf ihre formelle Richtigkeit hin zu überprüfen (BGH NZM 2019, 630; BayObLG NJW-RR 1996, 12, 13). Es ist zu prüfen, ob die formellen Voraussetzungen der Beschlussfassung eingehalten wurden, ob das abgemahnte Verhalten einen Entziehungsbeschluss rechtfertigen kann und ob die Abmahnung hinreichend bestimmt ist; die materielle Richtigkeit der Abmahnung ist erst in einem möglicherweise folgenden Entziehungsverfahren zu prüfen (vgl. hierzu grundlegend BGH aaO.).

Diesen Anforderungen werden die vorliegenden Abmahnbeschlüsse nicht gerecht:

aa. Alle drei Beschlüsse leiden bereits an einem Ladungsmangel.

Gemäß § 23 Abs. 2 WEG ist für die Gültigkeit eines Beschlusses erforderlich, dass der Beschlussgegenstand bei der Einberufung der Versammlung bezeichnet wird. Zu hohe Anforderungen dürfen hier zwar nicht gestellt werden, denn es geht lediglich darum, die Eigentümer vor Überraschungen zu schützen und ihnen die Vorbereitung auf die Versammlung zu ermöglichen (BayObLG NJW-RR 1996, 12, 13; Spielbauer/Then, WEG, § 23 Rz. 11; Jennißen/Elzer, WEG, § 23 Rz. 51). Hierzu reicht eine schlagwortartige Bezeichnung regelmäßig aus (Spielbauer/Then, WEG, § 23 Rz. 11); der interessierte Eigentümer kann daraufhin gegebenenfalls durch Nachfragen weitere Informationen einholen. Es muss aber durchaus ersichtlich sein, welche konkreten Beschlüsse zu erwarten sind. Soweit eine Abmahnung ergehen soll, muss dieses im Rahmen der Ladung auch explizit aufgeführt werden. Vorliegend aber war aus der Einladung allenfalls ersichtlich, dass ein etwaiges Fehlverhalten des Klägers in Bezug auf die Führung von Gerichtsverfahren und die Beteiligung an den Kosten des Zaunbaus erörtert werden soll. Dass eine Abmahnung erfolgen würde, war nicht zu erkennen. Eine Ankündigung war jedoch erforderlich, denn eine Abmahnung ist auch gewichtig und kein bloßer Annex eines möglichen Fehlverhaltens. Denn diese soll in der Regel ein Entziehungsverfahren vorbereiten – die schärfste Maßnahme innerhalb einer WEG.

Der Ladungsmangel wirkte sich auch aus, denn die Mehrheit der Wohnungseigentümer ließ sich in der Versammlung durch einen (die Abmahnung beantragenden) Eigentümer vertreten, der entsprechend 16 Stimmen auf sich vereinte. Es bleibt unklar, ob die Vertretenen bei genügender Bezeichnung ggf. persönlich erschienen wären oder durch Weisung ein anderes Abstimmungsverhalten vorgegeben hätten, was zur Erheblichkeit eines Ladungsmangels ausreicht (vgl. hierzu Münchener Kommentar WEG, § 23 Rn. 20 m.w.N.)

bb. Hinsichtlich der Beschlüsse zu den Themen 2 und 6 mangelt es zudem an einer hinreichenden Konkretisierung des abzumahnenden Verhaltens, so dass die Beschlüsse zu unbestimmt sind. Denn aus dem Ausspruch geht lediglich die Abmahnung an sich hervor – nicht aber der konkrete Vorwurf bzw. das vorgeworfene Fehlverhalten. Es wurde lediglich pauschal festgestellt, dass das Protokoll (Thema 2) bzw. ein Antwortschreiben (Thema 6) nicht vorlag. Weder Fristen, noch Aufforderungsdaten sind ersichtlich.

Die fehlende Bestimmtheit kann den Beschlüssen auch nicht durch Auslegung genommen werden. Beschlüsse sind aus sich heraus objektivnormativ nach den für eine Grundbucheintragung geltenden Regeln auszulegen (BGH NZM 1998, 955, 956; Spielbauer/Then, WEG, § 23 Rz. 26). Maßgeblich ist deshalb in erster Linie das Sitzungsprotokoll. Außerhalb liegende Umstände sind nur berücksichtigungsfähig, wenn sie im Einzelfall jedermann ohne weiteres erkennbar waren (BGH NZM 1998, 955, 956; Spielbauer/Then, WEG, § 23 Rz. 26). Dem Sitzungsprotokoll ist indes eine weitere Konkretisierung des in dem Abmahnbeschluss angesprochenen Fehlverhaltens des Klägers nicht zu entnehmen.

cc. In Bezug auf die Abmahnung zu Thema 6 wegen der „Androhung von Gerichtsverfahren“ ist zudem festzuhalten, dass die Führung von Gerichtsverfahren allein kein Grund für die Entziehung des Wohneigentums ist. Darüber hinaus ist es unzulässig, auf einen Wohnungseigentümer dadurch Druck auszuüben mit dem Ziel, in Zukunft das serienhafte Anfechten von Beschlüssen der Gemeinschaft zu unterlassen, dass ihm für den Zuwiderhandlungsfall eine Abmahnung mit der Androhung der Entziehung des Wohnungseigentums in Aussicht gestellt wird (Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 20. Februar 2004 – 16 Wx 7/04 -, NZM 2004, 260 f.).

dd. Schließlich ist das zu den Themen 2, 6 und auch 7. geschilderte Verhalten nicht geeignet, um als Grundlage für ein Entziehungsverfahren dienen zu können, denn eine schwere Pflichtverletzung, die ein weiteres Zusammenleben mit dem betreffenden Wohnungseigentümer unzumutbar macht (vgl. Spielbauer/Then, WEG, § 18 Rz. 4; Jennißen/Heinemann, WEG; § 18 Rz. 13) ist nicht gegeben. In Bezug auf die Verpflichtung zur Zahlung der Kosten des Zaunes ist ergänzend festzuhalten, dass eine Abstimmung und ein entsprechender Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft von der Beklagten nicht dargelegt wurden.

b. Der Beschluss zum Thema 10. (Bepflanzung) steht ist unwirksam, denn er steht im Widerspruch zu der Regelung des einschlägigen Bebauungsplans 2423, dort Ziffer 13., wonach der ursprünglichen Teilungsordnung entsprechende Gehölze gewählt werden müssen. Auch ist davon auszugehen, dass entsprechend der unwidersprochenen Darstellung des Klägers der Beschluss mit einer Gegenstimme (nicht: Enthaltung) und damit nicht einstimmig beschlossen wurde. Eine Öffnungsklausel zur Ermöglichung von Änderungen durch einfache Mehrheit enthält die Teilungsordnung nicht.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III.

Der Streitwert wird auf 8.000 Euro festgesetzt als dem Interesse der Parteien gerecht werdend. Das Gericht hat davon abgesehen, den Wert der Abmahnungen höher zu bemessen (bis zu 33,3% des Werts der Entziehung, vgl. Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, VI. Streitwerte für die Gebühren bei Miet-, Pacht- und ähnlichen Nutzungsverhältnissen und in WEG-Sachen Rn. 39, mit Verweis auf LG Bremen, WoM 1999, 599), da kein konkretes Entziehungsverfahren ersichtlich ist.

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