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Gewerberaummietvertrag – Mietminderungsausschluss per AGB wirksam

Beurteilung von Mietminderungen: Einblick in einen markanten Fall des OLG Frankfurt

Unser heutiger Fokus liegt auf einem gewerblichen Mietvertrag und den dabei eingetretenen Implikationen hinsichtlich von Mietminderungsansprüchen. Die Streitfrage in dem vorgegebenen Urteil, erlassen vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt unter dem Aktenzeichen 2 U 180/21, ist die Wirksamkeit eines im Vertrag vermerkten Mietminderungsausschlusses durch allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Dieses Urteil erlaubt uns, tiefer in die Mechanismen des Gewerbemietrechts einzutauchen und erweitert unser Verständnis von Mieter- und Vermieterrechten in solchen Fällen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 U 180/21 >>>

Der strittige Kontext des Gewerblichen Mietvertrages

Ein gewerblicher Mietvertrag zwischen den streitenden Parteien bildet den Ursprung des vorliegenden Falls. Im speziellen Vertragsbestandteil Z 6.9 wird festgelegt, dass der Mieter nur dann ein Minderungsrecht geltend machen kann, wenn dies vom Vermieter nicht bestritten oder rechtskräftig festgestellt wurde und er dies mindestens einen Monat vor Fälligkeit der Miete schriftlich angekündigt hat. Darüber hinaus wurde vereinbart, dass ein nachträglicher Rückforderungsanspruch des Mieters unberührt bleibt.

Kenntnisnahme von Mängeln und ihre Handhabung

Nach eigenen Angaben klagte die Beklagte über diverse Mängel der Mietsache, darunter mangelhaften Schallschutz, unzureichende Klimatisierung und Probleme mit den Türzargen und Türblättern. Auch Mängel in Bezug auf Beleuchtung, Fensterschluss, Heizkörper und Außenjalousien wurden bemängelt. Es wurden jedoch keine Rückforderungsansprüche geltend gemacht, was gemäß AGB eine Anforderung für das Geltendmachen des Mietminderungsrechts war.

Gerichtliche Einordnung des Minderungsrechts und der AGB-Klausel

Das OLG Frankfurt anerkannte die im Vertrag festgehaltene Regelung als Allgemeine Geschäftsbedingung und erklärte sie gemäß § 307 Abs. 1 BGB uneingeschränkt für wirksam. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) legt fest, dass Minderungsbeschränkungen in Geschäftsraummietverträgen den Mieter nicht unangemessen benachteiligen. Daher hat auch die unterlassene Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs durch die Beklagte keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Klausel.

Versäumnisse und verweigerte Rechte seitens des Gerichts?

Die Klägerin erhob vor dem OLG den Vorwurf, das Landgericht hätte ihr Recht auf ein faires Verfahren verletzt, indem es keinen Hinweis auf eine möglicherweise abweichende Rechtsauffassung gegeben hätte. Das OLG wies diesen Vorwurf zurück, indem es klarstellte, dass Hinweise nach § 139 ZPO Abs. 2 nur erforderlich sind, wenn eine entscheidungserhebliche Frage von den Parteien übersehen wurde oder das Gericht beabsichtigt, von einer gefestigten Rechtsprechung abzuweichen. Dies war hier nicht der Fall.

Fazit: Ein Vertrag ist ein Vertrag

Der Fall zeigt uns eindringlich, welche Bedeutung Vertragsvereinbarungen im Mietrecht haben. Trotz der mangelnden Praktikabilität der Klausel im Alltag ist sie rechtskräftig, da sie den Mieter nicht unangemessen benachteiligt. Es liegt am Mieter, sicherzustellen, dass er die Bedingungen des Vertrages versteht und einhält, um volle rechtliche Unterstützung zu erhalten.[…]


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 2 U 180/21 – Beschluss vom 15.02.2023

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28.10.2021 wird einstimmig zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Berufungsentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Gegenstandswert des Berufungsrechtszuges wird auf 97.860,56 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung rückständiger Miete aus einem gewerblichen Mietvertrag vom 16.4.2012 über Büroräume für die Zeit von Dezember 2015 bis Juli 2020 in Anspruch.

Die Klägerin ist durch Eigentumswechsel am 1.4.2015 in das Mietverhältnis eingetreten.

Im Mietvertrag war unter Z 6.1 zunächst ein monatlicher Mietzins von 9.169,55 Euro sowie eine Staffelmiete vereinbart. Mit Nachtrag vom 25.3.2015 wurden von der Beklagten weitere Stellplätze angemietet und die Gesamtmiete neu auf 9.813,10 Euro monatlich vereinbart.

Z 6.9 des Mietvertrages lautet:

„Der Mieter kann gegenüber Forderungen des Vermieters nur mit Gegenforderungen aufrechnen, wenn diese von dem Vermieter nicht bestritten oder rechtskräftig festgestellt wurden und wenn er dies mindestens einen Monat vor Fälligkeit der Miete schriftlich angekündigt hat. Die Aufrechnung ist auf Forderungen aus dem Vertragsverhältnis der Parteien hinsichtlich des Mietgegenstandes beschränkt:

Der Mieter kann ein Minderungsrecht nur geltend machen, wenn dies vom Vermieter nicht beitritten oder rechtskräftig festgestellt wurde und wenn er dies mindestens einen Monat vor Fälligkeit der Miete schriftlich angekündigt hat. Ein nachträglicher Rückforderungsanspruch des Mieters bleibt unberührt.

Der Mieter kann ein Zurückbehaltungsrecht nur wegen Forderungen geltend machen, wenn diese von dem Vermieter nicht bestritten oder rechtskräftig festgestellt wurden und wenn er dies mindestens einen Monat vor Fälligkeit der Miete schriftlich angekündigt hat. Dasselbe gilt für die Einrede des nicht erfüllten Vertrages.“

Mit E-Mail vom 3.12.2015 rügte die Beklagte gegenüber der Klägerin Mängel der Mietsache und kündigte an, die Miete deswegen ab dem 1.12.2015 um 25 % zu mindern und setzte dies um.

Die Klägerin hat sich auf den Ausschluss des Minderungsrechts gemäß Z 6.9 des Mietvertrages berufen (Schriftsatz vom 12.4.2021, Bd. I, Bl. 279 GA). Die von der Beklagten geltend gemachten anfänglichen Mängel der Mietsache ergäben sich aus dem Übergabeprotokoll mit der Voreigentümerin vom 26.9.2012 nicht, seien von der Beklagten nicht hinreichend vorgetragen und wurden von der Klägerin im Einzelnen bestritten (Lit. B. Ziff. 1.-5. des Schriftsatzes vom 12.4.2021, Bd. I, Bl. 281 ff. GA).

Die Beklagte hat mangelhaften Schallschutz der Mieträume, unzureichende Klimatisierung, Mängel des Teppichbodens, von Türzargen und Türblättern, der Beleuchtung, schlecht schließende Fenster, vergilbte Heizkörper, Störungen der Außenjalousien als anfängliche Mängel behauptet und später hinzugekommene Störungen der Hauseingangstür, des Fahrstuhls, der Schließanlage, der Heizung und der WC-Anlage behauptet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 23.10.2020 (Bd. I, Bl. 22 ff. GA) und den Schriftsatz vom 15.1.2021 (Bd. 1, Bl. 95 ff. GA) Bezug genommen.

In einem Parallelverfahren vor derselben Kammer des Landgerichts zwischen der hiesigen Beklagten und der Rechtsvorgängerin der hiesigen Klägerin hat die dortige Einzelrichterin mit Beschluss vom 24.9.2020 (Bd. 1, Bl. 122 ff. GA) darauf hingewiesen, dass Z 6.9 des Mietvertrages vom 16.4.2012 einer Minderung nicht entgegenstehe und eine Beweisaufnahme über einen Teil der von der Beklagten auch hier gerügten Mängel angeordnet.

Im Hinblick darauf haben die Beklagten die Erteilung eines Hinweises erbeten, falls das Landgericht dies im hiesigen Rechtsstreit anders beurteile.

Das Landgericht Einzelrichterin – hat die Beklagte mit Urteil vom 28.10.2021 antragsgemäß zur Zahlung rückständiger Miete i.H.v. 97.860,56 Euro nebst Zinsen für den streitgegenständlichen Zeitraum verurteilt und entschieden, dass Minderungsrechte der Beklagten gemäß Z 6.9 des Mietvertrages wirksam ausgeschlossen seien. Demzufolge schulde die Beklagte den einbehaltenen Anteil der vereinbarten Miete. Ein Hinweis gemäß § 139 ZPO sei nicht geboten gewesen, weil ein Hinweis im Parallelverfahren das erkennende Gericht nicht binde. Wegen der Einzelheiten und der erstinstanzlichen Anträge wird auf das Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1,Nr. 1 ZPO.

Gegen das ihr am 5.11.2021 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 15.11.2021 eingelegten Berufung, die sie nach Fristverlängerung bis zum 7.2.2022 an diesem Tage begründet hat. Sie macht geltend, das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft keinen Hinweis auf die Anwendung von Z 6.9 zum Ausschluss von Minderungsrechten erteilt. Die Beklagte sei bereits mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin einig gewesen, dass eine Minderung dem Grunde nach berechtigt gewesen sei; lediglich der Umfang sei noch zu verhandeln gewesen. Die Nachforderung des Mietzinses nach jahrelangem Zuwarten sei angesichts dieser Umstände treuwidrig. Das Landgericht habe eine Aufklärung der hinreichend vorgetragenen Mängel der Mietsache rechtsfehlerhaft und verfahrensfehlerhaft unterlassen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 7.2.2022 (Bd. II, Bl. 359 ff. GA) Bezug genommen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, das am 28. Oktober 2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 2-23 02148/20 abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, sowie im Wege der Anschlussberufung,

die Beklagte und Berufungsklägerin auf die Anschlussberufung zu verurteilen, 97.860,56 Euro nebst Zinsen gemäß des Antrages aus der Klageschrift vom 31.7.2020 zu zahlen.

Die Anschlussberufungsbeklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die Anwendung von Z 6.9 des Mietvertrages durch das Landgericht sei zuvor in den Terminen erörtert worden und entspreche der Rechtslage. Ein Hinweis sei insbesondere im Hinblick auf den unbekannten Streitstoff des Parallelverfahrens nicht erforderlich gewesen. Unzutreffend sei das neue Berufungsvorbringen über eine Einigung zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten über eine Ausübung des Minderungsrechts. Die gerichtliche Durchsetzung des Mietanspruchs sei auch nicht treuwidrig, weil sich die Parteien langfristig, aber ergebnislos um eine Einigung bemüht hätten. Mit ihrer Anschlussberufung sucht die Klägerin ergänzend das landgerichtliche Urteil zu verteidigen. Zum Berufungsvorbringen der Klägerin wird ergänzend auf den Schriftsatz vom 31.3.2022 (Bd. II, Bl. 378 ff. GA) verwiesen.

Das Berufungsgericht hat die Klägerin durch Beschluss vom 11.11.2022 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, ihr Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen. Auf die Gründe des Hinweisbeschlusses (Bd. II, Bl. 409 ff. GA) wird Bezug genommen.

Die Klägerin und Berufungsklägerin hat hierzu innerhalb der verlängerten Stellungnahmefrist vorgetragen, der vom Landgericht unterlassene Hinweis verletze ihr Recht auf ein faires Verfahren. Es sei unstreitig, dass sich die Vertragsparteien mündlich über eine Berechtigung der Beklagten zur Minderung der Miete abweichend von den Vorgaben des Mietvertrages geeinigt hätten. Die Klausel in Z 6.9 erfasse anfängliche Mängel der Mietsache nicht. Das Vorliegen und der Umfang von Mängeln sei daher aufklärungsbedürftig.

Auf den Schriftsatz vom 3.2.2023 (Bd. II, Bl, 425 ff. GA) wird Bezug genommen.

II.

Das Rechtsmittel der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Es war daher nach rechtlichem Gehör für die Beklagte gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Das angefochtene Urteil ist weder in tatsächlicher, noch in rechtlicher Hinsicht fehlerhaft ergangen im Sinne von § 513 Abs. 1 ZPO.

Die vom Landgericht zuerkannte, rechnerisch unbestrittene Mietzinsforderung gemäß § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Mietvertrag für die Zeit von Dezember 2015 bis Juli 2020 unterliegt keiner fortlaufenden Mietminderung wegen Mängeln der Mietsache gemäß § 536 Abs. 1 BGB.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin und die Beklagte haben im gewerblichen Mietvertrag vom 13.4.2012 unter Z. 6.9 vereinbart, dass ein Minderungsrecht nur geltend gemacht werden kann, wenn dies vom Vermieter nicht bestritten oder rechtskräftig festgestellt wurde und wenn der Mieter dies mindestens einen Monat vor Fälligkeit der Miete schriftlich angekündigt hat. Ein nachträglicher Rückforderungsanspruch des Mieters bleibt unberührt.

Das Landgericht hat zu Recht erkannt, dass diese Klausel auch als Allgemeine Geschäftsbedingung eines gewerblichen Mietvertrags im Hinblick auf § 307 Abs. 1 BGB unbedenklich wirksam ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH benachteiligen Minderungsbeschränkungen in Geschäftsraummietverträgen, die den Mieter bei Vorliegen eines den Gebrauch einschränkenden Mangels einstweilen zur Zahlung der vollen Miete verpflichten und ihn wegen der überzahlten Miete auf einen Rückzahlungsanspruch (§ 812 BGB) verweisen, den Mieter nicht unangemessen (BGH, Urteil vom 20.6.1984 – VIII ZR 337/82, NJW 1984, 2404 ff.; BGH, Urteil vom 27.1.1993 XII ZR 141/93, NJW-RR 1993, 519 ff.; BGH, Urteil vom 23.4.2008 – XII ZR 62/06, NJW 2008, 2497, ff.). Diese zutreffende Rechtsauffassung teilt der erkennende Senat.

Die hier zur Beurteilung anstehende Klausel entspricht diesen Anforderungen, weil sie den Rückforderungsanspruch des Mieters im Falle von Überzahlungen unberührt lässt. Einen solchen Rückforderungsanspruch hat die Beklagte bis zuletzt nicht geltend gemacht.

Die Klausel ist auch nicht deswegen unwirksam, weil sie die Herabsetzung der Miete von einer unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Minderung und von deren schriftlicher Ankündigung einen Monat vor Fälligkeit abhängig macht. Auch insoweit ist die Klausel im Hinblick auf § 307 Abs. 1 BGB unbedenklich (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 15. Aufl. 2021, BGB § 538 Rn. 462).

Auf die im angefochtenen Urteil zugrunde gelegte Wirksamkeit der Klausel in Z. 6.9 des gewerblichen Mietvertrages musste das Landgericht nicht vorab hinweisen gemäß § 139 Abs. 2 ZPO. Die Handhabung durch das Landgericht war nicht verfahrensfehlerhaft. Sie verstieß insbesondere nicht gegen das Gebot eines fairen Verfahrens.

Hinweise nach § 139 ZPO Abs. 2 sind erforderlich, wenn eine entscheidungserhebliche Frage von den Parteien übersehen wurde oder das Gericht von einer gefestigten Rechtsprechung abzuweichen beabsichtigt, um eine Überraschungsentscheidung und damit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu vermeiden. Ein derartiger Hinweis ist auch geboten, wenn das Gericht von seiner eigenen, zuvor bekannt gegebenen Einschätzung abzuweichen beabsichtigt (vgl. Zöller/Greger, 34. Aufl. 2022, § 139 ZPO Rn. 6).

Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor.

Denn die Bedeutung der Klausel wurde von den Parteien vor dem Landgericht ausdrücklich thematisiert Iin den Schriftsätzen der Klägerin vom 12.4.2021 (Bl. 279) und der Beklagten vom 14.9.2021 (Bd. II, Bl. 314).

Zu zentralen Streitpunkten der Parteien sind vorab keine gerichtlichen Hinweise erforderlich (BGH, Beschluss vom 21.1.2016 – V ZR 183/15), solange das erkennende Gericht nicht von einer gefestigten Rechtsprechung abzuweichen beabsichtigt, was ein gewissenhafter rechtskundiger Beobachter nicht gewärtigen musste und was hier nicht der Fall war.

Der Umstand, dass eine andere Einzelrichterin derselben Kammer des Landgerichts in einem Parallelverfahren hinsichtlich des Minderungsrechts gemäß Z. 6.9 des gewerblichen Mietvertrages durch Hinweisbeschluss vom 24.9.2020 eine abweichende, nicht begründete Rechtsauffassung vertreten hat, war in jenem Verfahren aufgrund der beabsichtigten Abweichung von der oben dargestellten gefestigten Rechtsprechung geboten, führt aber auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes vorliegend nicht zur Notwendigkeit eines Hinweises gemäß § 139 Abs. 2 ZPO. Denn die Parteien haben die Frage der Wirksamkeit der Klausel im hiesigen Rechtsstreit nicht übersehen, sondern thematisiert; das hier zur Entscheidung berufene Landgericht beabsichtigte nicht, von der gefestigten Rechtsprechung abzuweichen, und der Hinweis einer anderen Einzelrichterin derselben Kammer schafft keinen Vertrauenstatbestand dafür, dass auch die hier zur Entscheidung berufene Einzelrichterin ebenso von der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung abweichen und eine Beweisaufnahme über die Minderungsgründe anordnen würde.

Anderenfalls hätte das Landgericht auch in diesem Rechtsstreit einen Hinweis erteilen müssen, dass es ebenfalls von der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung zur Wirksamkeit solcher Klauseln abweichen wollte.

Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine im Rahmen dieser wirksamen Klausel zulässigen Mietminderung liegen nicht vor. Der Anwendungsbereich der Klausel in Z. 6.9 des Mietvertrages ist weder dem Wortlaut, noch dem Sinn nach auf nachträglich entstandene Minderungsgründe beschränkt, §§ 133, 157 BGB. Das Minderungsrecht war weder unstreitig noch rechtskräftig festgestellt. Die Parteien haben vielmehr im Rechtszug 1. Instanz ausgiebig über das Vorliegen von Minderungsgründen und über die Höhe einer Minderung gestritten. Die Klägerin ist dem diesbezüglichen Vorbringen der Beklagten aus der Klageerwiderung unter anderem mit dem Schriftsatz vom 23.11.2020 eingehend entgegengetreten.

Da die Handhabung durch das Landgericht nicht verfahrensfehlerhaft war, liegen die Voraussetzungen einer Zulassung neuen Berufungsvorbringens im Sinne von § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht vor. Den Berufungsvortrag, die Beklagte habe mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin abweichend von Z. 6.9 des Mietvertrages mündlich eine Einigung darüber erzielt, dass sie dem Grunde nach zur Minderung berechtigt sei, hat die Klägerin mit der Berufungserwiderung ebenso bestritten wie die Behauptung, die Klägerin habe in zurechenbarer Weise die Erwartung geweckt, sich nicht (mehr) auf die Klausel im Mietvertrag zu berufen.

Dabei handelt es sich entgegen der Annahme der Beklagten in ihrer Stellungnahme zum gerichtlichen Hinweis vom 11.11.2022 nicht lediglich um eine Rechtsfrage. Die Behauptung, sie sei sich mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin dem Grunde nach über eine Minderung einig gewesen, enthält auch die tatsächlichen Momente, auf die die Beklagte die behauptete Einigung stützen will.

Auf der Grundlage des demnach berücksichtigungsfähigen Sachverhalts stellt sich die von der Berufung aufgeworfene Rechtsfrage nicht, ob die behauptete Vereinbarung mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin gemäß § 566 Abs. 1 BGB auch im Verhältnis zur Klägerin gelte. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die behauptete Einigung dem Grunde nach keine Einigung über den Minderungsbetrag darstellt, über den die Rechtsvorgängerin der Klägerin und die Beklagten im Parallelverfahren streiten.

Die Minderungsankündigung der Beklagten vom 3.12.2015 (Anl. B3, Bl. 41) führt daher nicht zu einer Herabsetzung des vereinbarten Mietzinses im laufenden Mietverhältnis im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB.

Die Inanspruchnahme der Beklagten auf Zahlung der einbehaltenen Minderungsbeträge ist auch nicht treuwidrig, weil die Klägerin zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckt hat, sie werde diese nicht mehr geltend machen. Verhandlungen über Minderungsgründe reichen dafür nicht aus.

Das Landgericht konnte deshalb dahinstehen lassen, ob die von der Beklagten vorgetragenen, streitigen Minderungsgründe bestehen. Die Berufung zeigt keine durchgreifenden Gründe auf, weshalb diese Entscheidung tatsächlich oder rechtlich unzutreffend sein sollte.

Die von der Berufung nicht gesondert angegriffene Entscheidung zu den Zinsen hat das Landgericht im Rahmen der gestellten Anträge (§ 308 ZPO) zu Recht auf die §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 und Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 229 § 34 EGBGB gestützt.

Die Anschlussberufung der Klägerin ist infolge Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 524 Abs. 4 ZPO gegenstandslos.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO, weil sie eine Entscheidung in einem Einzelfall auf der Grundlage gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung betrifft.

Eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil ist ebenso wenig erforderlich wie eine mündliche Verhandlung, von der kein weiterer Aufschluss zu erwarten ist, weil auf der Grundlage gesicherter Tatsachenfeststellungen ausschließlich ausdiskutierte Rechtsfragen entscheidungserheblich sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß der §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 3 ZPO.

 

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