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Heizkostenabrechnung bei fehlerhafter Verbrauchserfassung durch hohe Wärmeverluste

AG Neubrandenburg – Az.: 6 C 675/11 – Urteil vom 05.06.2012

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 541,33 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.08.2011 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine Nachzahlung aus einer Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2009. Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis über die in einem Wohnhaus in der in … gelegene Wohnung. Im Mietvertrag ist vereinbart, dass die Vorauszahlungen auf die im Mietvertrag bezeichneten Betriebskosten erhoben und jährlich abgerechnet werden. Für die Abrechnung der Kosten von Heizung und Warmwasser haben die Parteien einen Umlegungsmaßstab von 50 % nach Fläche und 50 % nach Verbrauch vereinbart. Das Wohnhaus wird über eine Einrohrheizung mit Wärme versorgt. Die Versorgungsleitungen innerhalb der Wohnungen sind ungedämmt, wodurch eine gewisse Grunderwärmung durch Rohrwärme gegeben ist. Die Heizkörper sind mit elektronischen Heizkostenverteilern ausgestattet, über die die von den Heizkörpern abgegebene Wärmeenergie erfasst wird.

Mit Schreiben vom 10.08.2010 rechnete die Klägerin Vorauszahlungen aus Betriebs- und Heizkosten für das Jahr 2009 ab. Die Abrechnung für das Jahr 2009 ergibt einen Nachzahlungsbetrag von 541,33 EUR, der sich aus einem Guthaben von 41,16 EUR für die allgemeinen Betriebskosten und einer Nachzahlung in Höhe von 582,49 EUR für Heizung und Warmwasser zusammensetzt. Die Beklagte legte mit Schreiben vom 15.04.2011 gegen die Umlagenabrechnung 2009 Widerspruch ein und wandte sich gegen die Anwendung der VDI-Richtlinie 2077.

Heizkostenabrechnung bei fehlerhafter Verbrauchserfassung durch hohe Wärmeverluste
Symbolfoto: Von Rozhnovskaya Tanya/Shutterstock.com

Die Klägerin rechnete die Heizkosten für 2009 erstmals unter Anwendung der VDI-Richtlinie 2077 ab, um bei den Wohnungen mit Einrohrheizung eine höhere Verteilungsgerechtigkeit zu erreichen.

Sie ist der Ansicht, die Anwendung des Bilanzverfahrens nach VDI-Richtlinie 2077 mildere die Ungerechtigkeiten in der Verteilung von Heizkosten ab, die sich daraus ergäben, dass die Heizkostenverteiler nur die Wärme erfassen könnten, die die Heizkörper freisetzen und die Wärme , die von ungedämmten Rohrleitungen abgegeben werde, weitgehend unberücksichtigt bleibe. Da sich die Umlage der verbrauchsabhängig zu verteilenden Heizkosten nach den erfassten Einheiten richte, sei es dadurch zu Verzerrungen bei der Kostenverteilung gekommen. Die jenigen Mieter, die über den Heizkörper besonders viel Wärme abnähmen, würden unangemessen hoch an den Kosten beteiligt. Mittels des Bilanzierungsverfahrens würde im Rahmen der Heizkostenabrechnung rechnerisch ermittelt, wieviele Verteilereinheiten hätten erfasst werden müssen, um zu einem plausiblen Anteil der erfassten Wärme an der tatsächlich im Gebäude verbrauchten zu gelangen. Diese zusätzlichen Einheiten für die Rohrwärme würden dann über den Wohnflächenanteil den einzelnen Nutzern zugeordnet und in der Heizkostenabrechnung ausgewiesen. Damit würden Niedrigverbraucher stärker an den Verbrauchskosten beteiligt.

Die Klägerin meint, sie habe im Vorfeld der Anwendung der VDI-Richtlinie 2077 keine besondere Ankündigungspflicht getroffen. Eine solche bestehe lediglich in Bezug auf die Änderung des Verteilerschlüssels. Eine Änderung des Verteilerschlüssels sei aber nicht erfolgt.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Kriterien für die Anwendung der VDI-Richtlinie 2077 seien erfüllt, da der Verbrauchswärmeanteil 0,06 oder 6 % betrage und damit unterhalb des kritischen Grenzwertes für die Anwendung der VDI-Richtlinie von 0,34 oder 34 % liege, der Anteil der Niedrigverbraucher mit 24 % größer als 15 % und die Standardabweichung des normierten Verbrauchswerte mit 1,15 größer als 0,85 sei.

Die Heizkostenabrechnung genüge auch den formellen Anforderungen der Rechtssprechung. Die Abrechnung enthalte alle notwendigen Angaben, um die Berechnungen überprüfen zu können. Insbesondere sei nicht erforderlich, die Einzelheiten des Korrekturverfahrens mitzuteilen. Es reiche aus, dass die Klägerin der Beklagten die Verbrauchseinheiten der Liegenschaft ohne Rohrwärmeeinheiten sowie die berechneten Rohrwärmeeinheiten, die Einheiten des jeweiligen Nutzers ohne Rohrwärmeanteil und die zugewiesenen Rohrwärmeeinheiten, die Basisempfindlichkeit der elektronischen Heizkostenverteiler sowie den berechneten Verbrauchswärmeanteil, den Anteil der Niedrigverbraucher und die Standardabweichung der Verbrauchsfaktoren mitgeteilt habe.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 541,33 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.08.2011 zu zahlen.

Die Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, die Betriebskostenabrechnung nach VDI-Richtlinie 2077 sei schon deshalb formal unwirksam, weil in der Heizkostenabrechnung der Klägerin der Anteil der Niedrigverbraucher und die Standardabweichung der Verbrauchsfaktoren nicht angegeben sei. Diese habe die Klägerin erst mit Schreiben vom 08.06.2006 außerhalb der Frist des § 556 Abs. 3 Satz 3 vorgelegt.

Der Beklagte meint, dass weitere bauliche Gegebenheiten im Wohnhaus der Beklagten vorlägen, die einer Anwendung der VDI 2077 entgegenstehen. Er behauptet dazu, er könne eine Temperatur von 17 °C im Schlafzimmer nur durch ständiges Öffnen des Fensters erreichen. Das durch das Schlafzimmer laufende Fernwärmerohr sei im Winter so heiß, dass die Temperatur im Schlafzimmer bei geschlossenem Fenster einen Wert von 25 ° C erreiche. Auch in den übrigen Zimmer des Beklagten herrsche durch die Rohrwärme eine so hohe Temperatur, dass er die Heizung durchgehend abgestellt habe. Bei geschlossenen Fenstern erreiche die Temperatur auch in diesen Zimmern 25 °C.

Der Vermieter sei zumindest verpflichtet, die Rohrleitungen, die in den nichtbeheizten Räumen verlaufen, zu isolieren, solange über diese Rohre entgegen der Energiesparverordnung Energie nach außen ungehindert abstrahle, dürfe die Klägerin diese Energie mittels einer Betriebskostenabrechnung VDI-2077 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 4 Heizkostenverordnung den Beklagten nicht in Rechnung stellen.

Der Beklagte ist der Ansicht, eine Umlage des Wärmeverbrauchs nach Fläche sei nicht zulässig. Der Klägerin sei es zuzumuten, entweder die Rohrwärme selbst durch geeignete Messgeräte zu erfassen oder durch geeignete Dämmmaßnahmen dafür zu sorgen, dass eine unkontrollierte und nicht steuerbare Abgabe von Wärmeenergie unterbleibe. Dieser Aufwand entspreche dem Gebot der Billigkeit gemäß § 242 und sei der Klägerin zuzumuten.

Der Beklagte ist im übrigen der Ansicht, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, die Anwendung der Abrechnungsnachweise nach 7 Abs. 1 Satz 3 der Heizkostenverordnung VDI-2077 rechtzeitig anzukündigen.

Schließlich vertritt er die Auffassung, die Kosten für die Verbrauchserfassung, Abrechnungsservice und Miete der Heizkostenverteiler dürften nicht in die Betriebskostenabrechnung eingestellt werden. Bei einem Verbrauchswärmeanteil von 0,06 bzw. 6 % der gesamten eingespeisten Heizenergie sei der umgelegte Verbrauchsanteil so niedrig, dass es nach Ansicht der Beklagten unwirtschaftlich wäre, den Verbrauch überhaupt noch zu zählen, zu erfassen und abzurechnen. Die hierfür aufgewendeten Kosten stünden in keinem Verhältnis zu dem zu vernachlässigenden Gewinn an Einzelfallgerechtigkeit, der Betrieb der Zählereinrichtungen, die Kosten für ihre Anmietung und Ablesung und Abrechnung seien unwirtschaftlich. Das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB sei verletzt. Jedenfalls stehe dem Mieter das Recht zu, eine Kürzung der um 15 % vorzunehmen. Diese sehe § 12 Heizkostenverordnung vor, wenn dem Mieter eine Abrechnung ohne eine hinreichende Verbrauchsermittlung zugemutet werde.

Der Beklagten meint schließlich, dass die Verteilung der Kosten für Kaltwasserzähler und für Abrechnungsservice nach dem Wasserverbrauch nicht korrekt sei. Zählermiete und Kosten für Ablesung und Abrechnung fielen für jede Wohnung unabhängig von der Höhe des Verbrauchs an. Im Hinblick auf den Leerstand im Wohnhaus der Beklagten sei die Umlage nach Verbrauch problematisch. Die Kosten für leerstehende Wohnungen seien vom Vermieter zu tragen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und auch begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch Zahlung von 541,33 EUR aus der Nebenkostenabrechnung vom 10.08.2010 für das Kalenderjahr 2009.

Es kann hier dahinstehen, ob die Nebenkostenabrechnungen der Klägerin den Anforderungen genügt, die an die Darstellung des VDI Korrekturverfahrens 2077 in der Heizkostenabrechnung zu stellen sind, und ob die Beklagte in Bezug auf die Abrechnung für 2009 mit dem Einwand durchdringen kann, dass der Abrechnung eines Teils der Kosten im Bilanzverfahren nach VDI 2077 entgegenstehe, dass die Klägerin es versäumt habe, ihre Absicht, die Abrechnungsgrundlagen zu ändern, den Mietern gegenüber rechtzeitig anzukündigen. Denn die Verteilung der Heizkosten für das Objekt …, in dem sich die Wohnung der Beklagten befindet, ist vollständig nach Flächenanteilen vorzunehmen, da die Voraussetzungen für eine Abrechnung nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Heizkostenverordnung nicht gegeben sind.

1.

Die Klägerin hat die Probleme der Umlage der verbrauchsabhängig zu verteilenden Heizkosten in Gebäuden in denen ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst wird, weil er von ungedämmten Rohrleitungen abgegeben wird, zutreffend beschrieben und die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkV für die verbrauchsabhängige Abrechnung der Heizkosten mittels des Bilanzverfahrens als anerkannte Regel der Technik unter Berücksichtigung der Kosten, die auf die nicht erfasste Rohrwärme entfallen, schlüssig dargelegt.

Die VDI-Richtlinie 2077 legt fest, dass die VDI-Verfahren, hier das von der Klägerin angewandte Bilanzverfahren, anwendbar sind, wenn den Vorgaben von § 7 Abs. 1 Satz 3 Heizkostenverordnung entsprechend ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst wird. Das wird mit Hilfe des Verbrauchswärmeanteils bestimmt, der durch Vergleich der in das Gebäude eingeflossenen Heizwärme mit dem Wärmeverbrauch, welcher durch elektronische Heizkostenverteiler annähernd genau ermittelt werden kann, bestimmt wird. Die Ermittlung des Wärmeverbrauchs mittels elektronischer Heizkostenverteiler ist möglich, da diese in der Regel so kalibriert sind, dass eine angezeigte Einheit in etwa einer kWh entspricht. Ist der Verbrauchswärmeanteil 0,34 oder 34 Prozent oder kleiner, ist das Anwendungskriterium erfüllt. Um andere Ursachen für einen niedrigen Verbrauchswärmeanteil auszuscheiden, sind weitere Voraussetzungen für die Anwendung des Korrekturverfahrens, dass zum einen der Anteil der Niedrigverbraucher größer gleich 15 Prozent ist und zum anderen auffällig viele Mieter einen erheblich höheren oder erheblich niedrigeren Verbrauch als der Durchschnitt verzeichnen. Ist die Standardabweichung größer oder gleich 0,85, liegen die Voraussetzungen für Kostenkorrekturen im Bilanzverfahren vor. Dabei werden jedem Nutzer zusätzliche Einheiten für die Rohrwärme zugewiesen und in der Heizkostenabrechnung ausgewiesen, wobei Nutzer mit einem niedrigen Verbrauch an der zugeführten Rohrwärme stärker beteiligt werden, als Nutzer mit einem hohen Verbrauch. Die Korrektur fällt um so stärker aus, je niedriger der Verbrauchswärmeanteil ist.

Auf Grund des unstreitigen Sachvortrages steht fest, dass im Kalenderjahr 2009 lediglich 6 % der in das Gebäude einfließenden Heizwärme über elektronische Heizkostenverteiler erfasst wurden, der Grenzwert von 34 % somit deutlich unterschritten ist. Bei einer erhöhten Rohrwärmeabgabe gibt es typischerweise auffallend viele Mieter, deren Verbrauchswerte erheblich vom Durchschnittsverbrauch abweichen. Um diese Auffälligkeiten zu verifizieren, wird die Standardabweichung der Verbrauchsfaktoren, die sogenannte Verbrauchsspreizung, ermittelt. Sie gibt an, wie stark die Werte um den Mittelwert streuen. Unter Berücksichtigung der Einzeldaten aus der Anlage K6 zur Klagschrift hat die Klägerin für 2009 eine Standardabweichung von 1,15 errechnet. Der Grenzwert ist somit auch hinsichtlich des zweiten Kriteriums deutlich überschritten. Die Zahl der Niedrigverbraucher, also der Nutzer, deren Verbrauchseinheiten pro m² weniger als 15 % vom arithmetischen Mittelwert der Verbrauchseinheiten aller Nutzer betragen, liegt 2009 bei 24%, so dass auch das dritte Kriterium erfüllt ist.

2.

Die Klägerin hat in den Nebenkostenabrechnungen mitgeteilt, dass „die Voraussetzungskriterien für eine Korrektur der Verteilung bei Rohrwärme gegeben sind“, ohne sich zum Vorliegen der weiteren Kriterien, der Standardabweichung und der Zahl der Niedrigverbraucher, zu erklären.

Die Nebenkostenabrechnung der Klägerin wäre formell unwirksam, wenn neben der Berechnung des Verbrauchswärmeanteils auch der Anteil der Niedrigverbraucher und die Standardabweichung der Verbrauchsfaktoren dem Mieter in der Abrechnung konkret mitzuteilen wären (so Wall, in Eisenschmid/Wall, Betriebskostenkommentar, 3. Aufl., Rz 3024b). Die Mitteilung der Werte sei unerlässlich, weil die Angaben notwendig seien, um die Berechnungen überprüfen zu können ( Wall, a.a.O. ). Gegen die Auffassung Walls ließe sich einwenden, dass eine Überprüfung der Berechnung der Standardabweichung und der Zahl der Niedrigverbraucher ohne weitere Unterlagen gar nicht möglich ist. Da die bloße Mitteilung der genauen Werte in Bezug auf Standardabweichung und Anzahl der Niedrigverbraucher dem Mieter kein Mehr an Information gibt, neigt das Gericht zu der Ansicht, dass insoweit die Mitteilung ausreicht, dass die Kriterien erfüllt sind, da der Mieter sich von der Richtigkeit durch Einsichtnahme in die Belege, hier die Aufstellung der Verbrauchswerte aller Nutzer überzeugen kann. Anderenfalls wäre zu verlangen, dass das gesamte Rechenwerk der Abrechnung beizufügen wäre, was auch Wall offenbar nicht verlangt. Für diese Ansicht spricht auch, dass es sich bei beiden Kriterien lediglich um Einstiegskriterien handelt, die eine andere Ursache des geringen Verbrauchswärmeanteils als die erhöhte Rohrwärme ausschließen sollen.

Einer Entscheidung bedarf es für diesen Fall nicht, da die verbrauchsabhängige Abrechnung der Heizkosten unter Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkV mittels Bilanzverfahren als anerkannte Regel der Technik ausnahmsweise gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 c HeizkV ausgeschlossen ist ( unten 4) .

3.

Ebenso kann deshalb auch dahinstehen, ob die erstmalige Berücksichtigung der Rohrwärme unter Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 3 einer Veränderung des Abrechnungsmaßstabes gleichsteht mit der Folge, dass die Klägerin gegen ihre Verpflichtung verstoßen hat, die Änderung anzukündigen.

4.

Die Voraussetzungen einer verbrauchabhängigen Abrechnung gemäß § 7 Abs 1 Satz 3 HeizkV liegen nicht vor, da seine Anwendung ausnahmsweise gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1c Heizkostenverordnung ausgeschlossen ist.

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1c HeizkV sind die §§ 3 bis 7 der Heizkostenverordnung auf solche Räume nicht anzuwenden, die vor dem 01.07.1981 bezugsfertig geworden sind und in denen der Nutzer den Wärmeverbrauch nicht beeinflussen kann. Für die östlichen Bundesländer gilt als Stichtag der 01.01.1991.

Das Gericht verkennt nicht, dass die Ausnahmevorschrift nicht alleine deshalb greift, weil die Nutzer keinen Einfluss auf die durch die Heizungsrohre abgegebene Wärme nehmen können. Denn die Mieter können den Wärmeverbrauch durchaus, wenn auch nur bedingt, beeinflussen. Die Nutzer können über die Heizkörper in ihren Wohnungen die von diesen abgegebene Wärmeabgabe regulieren. Dabei sorgt die Rohrwärme im Regelfall lediglich für eine gewisse Grunderwärmung, während der Verbrauch in den meisten Fällen auch durch Regulierung der Heizkörper beeinflusst werden kann. Durch die Einfügung des § 7 Abs. 1 S. 3 u. 4 der Heizkostenverordnung soll die verbrauchsabhängige Abrechnung der Heizkosten aufrechterhalten werden und damit dem Ziel der Heizkostenverordnung, Heizenergie einzusparen, Rechnung getragen werden. Eine generelle Anwendung von § 11 Heizkostenverordnung auf alle Rohrwärmefälle, hätte hingegen zur Folge, dass die Heizkosten nach einem festen Maßstab zu verteilen wären und der Sparanreiz verloren ginge. Deshalb gehen die Regelungen zur Berücksichtigung der Rohrwärmeabgabe bei der Kostenverteilung den Ausnahmevorschriften nach § 11 Heizkostenverordnung regelmäßig vor, ist § 7 Abs. 1 S. 3 Heizkostenverordnung lex specialis zu § 11 Abs. 1 Nr. 1b und c Heizkostenverordnung.

Besteht eine Einflussnahme des Mieters hingegen über größere Zeiträume ausschließlich in der Möglichkeit, die Wärme durch Öffnen der Fenster zu regulieren, wird der Zweck der Heizkostenverordnung, dem Nutzer durch Nachweis der verbrauchten Wärmemenge und der daraus resultierenden Kostenbelastung deutlich zu machen, ob er im Sinne der Energieeinsparung ökonomisch Wärme verbraucht habe, nicht erreicht.

Entsprechend wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass der Vorrang von § 7 Abs. 1 Sätze 3 und 4 nicht in allen Rohrwärmefällen gelte. Danach ist „ein Rückgriff auf § 11 Abs. 1 Nr 1c Heizkostenverordnung angebracht, wenn die Wohnräume aufgrund der Rohrwärme über den üblichen Wärmebedarf hinaus aufgeheizt werden. Eine verbrauchsabhängige Abrechnung ist hingegen nicht mehr sinnvoll, wenn die Grunderwärmung wegen ungedämmter Heizungsrohre in einzelnen Wohnungen einen zu hohen Anteil ausmacht. Dies gilt vor allem für Fälle, in denen einzelne Nutzer gezwungen sind, zur Wärmeregulierung die Fenster zu öffnen, wie es zu DDR-Zeiten nicht unüblich war. Das dürfte nur dann zutreffen, wenn der Verbrauchswärmeanteil extrem niedrige einstellige Werte erreicht “ (Anmerkung Wall zu AG Berlin-Lichtenberg, Urteil vom 14.09.2011, Az: 119 C 14/11, juris PR-Mietrecht 4/12, Anm. 2 , zitiert nach juris). Dieser Auffassung schließt sich das Gericht an.

So liegt der Fall hier. Vorliegend besteht eine Erfassungsrate von 6% , d. h., dass lediglich 6 % der in das Gebäude eingeflossenen Heizwärme über die Heizkörper erfasst werden. Der Beklagte hat unbestritten vorgetragen, dass eine Regulierung der Temperatur während der Heizperiode überwiegend nur durch das Öffnen des Fensters möglich ist.

5.

Scheidet eine verbrauchsabhängige Abrechnung somit aus, gilt der Abrechnungsmaßstab nach Flächenanteilen. Gleichwohl können die Beklagten ein Kürzungsrecht gemäß § 12 HeizkV nicht beanspruchen, denn die mangelnde Beeinflussbarkeit der wesentlichen Wärmeabgabe schließt die Anwendbarkeit der Heizkostenverordnung auf die Abrechnung 2009 aus. Ist die Anwendung der Heizkostenverordnung aber ausgeschlossen, bleibt auch kein Raum für das Kürzungsrecht des § 12 Abs. 1 Heizkostenverordnung.

6.

Bei Korrektur des mindestens inhaltlichen Mangels, hier Anwendung des falschen Verteilungsmaßstabs Verbrauch statt Flächenanteile, ergeben sich – ohne Berücksichtigung der Kosten für den Abrechnungsservice und die Miete für die Heizkostenverteiler – nachfolgende Heizkostenberechnung:

Fernwärmekosten:  49.741,58 EUR

Betriebsstrom: 556,78 EUR

Wartung: 543,00 EUR

Gesamtkosten: 50.841,36 EUR

Der Anteil der Heizkosten von 80,39 % ergibt 40.871,37 EUR.

Danach ergibt sich folgende Rechnung für den Flächenanteil der Beklagten an den Heizkosten:

40.871,37 € : 3054,53 m² ( Gesamtfläche) * 87,09 m² (Heizfläche) = 1.165,31 EUR.

Da sich der Anteil für Heizung/ Wassererwärmung auf 9.969,99 EUR reduziert, ergeben sich nach Addition der Zählermiete von 664,34 EUR insgesamt 10.634,33 EUR. Daraus folgt folgende Veränderung für Grundanteil und Verbrauchsanteil:

Grundanteil : 5.317,17 EUR : 3054,53 * 87,09 m² = 151,60 EUR

Verbrauchsanteil: 5.317,17 EUR : 867,70 m³ * 66,90 m³ = 405,75 EUR,

Die Summe der Heizung- und Warmwasserkosten beträgt danach 1.722,66 EUR.

Nach Abzug der Vorauszahlung von 1140,00 ergibt sich ein Nachforderungsbetrag von 582,66 EUR. Da der Anspruch der Klägerin wegen § 556 a BGB in der Höhe auf die mit der Abrechnung geltend gemachte Nachforderung beschränkt ist, bleibt steht der Klägerin der Betrag von 582,49 EUR abzüglich des Guthabens von 41,16 somit 541,33 EUR zu.

7.

Die Umlage der Kosten für den Kaltwasserzähler und für den Abrechnungsservice nach dem Wasserverbrauch ist nicht zu beanstanden.

Die Kostenverteilung zu 100 Prozent nach Verbrauch kann sich als unbillig herausstellen, wenn eine größere Zahl von unvermieteten Wohnungen im Haus gibt. Verbleibenden Mietern dürfen nicht mit dem Anteil der Fixkosten belastet werden, die für die unvermieteten Wohnungen anfallen. Bei geringen Leerständen hingegen ist diese in der Praxis übliche Abrechnungsweise noch als angemessen anzusehen. Bei einer gewissen Leerstandsquote jedoch, die in größeren Häusern und Abrechnungseinheiten etwa bei 20 Prozent anzusetzen ist, besteht ein Anspruch der Mieter auf Änderung des Verteilungsschlüssels und teilweisen Verteilung der Wasserkosten nach einem festen Maßstab.

Dass diese Voraussetzungen eines erheblichen Leerstandes vorliegen, hat der Beklagte nicht vorgetragen.

8.

Die Klägerin hat auch Anspruch auf die geltend gemachten Prozesszinsen aus § 291 BGB.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

III.

Die Berufung wird gemäß § 511 Abs. 2 Satz 2 ZPO zugelassen, da die Frage der ausnahmsweisen Anwendung des § 11 Abs. 1 Nr 1c Heizkostenverordnung auf die vorliegende Fallkonstellation von grundsätzlicher Bedeutung ist und insbesondere für Großvermieter wie die Klägerin erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat.

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