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Lärm- und Schmutzimmissionen von Baustelle auf Nachbargrundstück sind Mietmangel

Mietminderung und Baustellenlärm: Ein komplexer Rechtsstreit entschlüsselt

In einem jüngst ergangenen Urteil des Landgerichts Hamburg wurde ein komplexer Fall von Mietminderung aufgrund von Baustellenlärm und -staub verhandelt. Die Klägerin, die Vermieterin, hatte ursprünglich eine Zahlung von 1.965,79 Euro für ausstehende Mieten eingefordert. Der Beklagte, der Mieter, hatte jedoch eine Mietminderung geltend gemacht und zusätzlich eine Widerklage eingereicht. Das Hauptproblem des Falles lag in der Frage, ob die durch eine benachbarte Baustelle verursachten Immissionen eine Mietminderung rechtfertigen.

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Die Klage und Widerklage

Lärm- und Schmutzimmissionen von Baustelle auf Nachbargrundstück sind MietmangelLG Hamburg

Az.: 311 S 5/22

Urteil vom 13.01.2023

1. Es wird festgestellt, dass sich die Klage in der Hauptsache in Höhe von Euro 873,66 erledigt hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten Euro 1.092,18 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2021 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin 44% und der Beklagte 56% zu tragen. Von den Kosten der Nebenintervention in erster Instanz hat der Beklagte 56% zu tragen. Im Übrigen hat die Nebenintervenientin ihre Kosten in erster Instanz selbst zu tragen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz haben die Klägerin 80% und der Beklagte 20% zu tragen. Von den Kosten der Nebenintervention in zweiter Instanz hat der Beklagte 20% zu tragen. Im Übrigen hat die Nebenintervenientin ihre Kosten in zweiter Instanz selbst zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 09.12.2021 wird der Streitwert für die erste Instanz auf Euro 3.109,63 festgesetzt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf Euro1.949,94 festgesetzt.

Gründe

I.

Von der Abfassung eines Tatbestands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige - insbesondere gem. §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete - Berufung der Klägerin und der Nebenintervenientin hat in der Sache nur teilweise Erfolg.

A.

Nachdem die Klägerin die Klage einseitig für erledigt erklärt hat, war festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in Höhe von Euro 873,66 erledigt hat. Denn (nur) in dieser Höhe war die ursprünglich auf Zahlung von Euro 1.965,79 gerichtete Klage zulässig und begründet und ist durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis unbegründet geworden.

I. Die auf Zahlung restlicher Miete für die Zeit von Juli bis Oktober 2018 gerichtete Klage war lediglich in Höhe von Euro 873,66 gem. § 535 Abs. 2 BGB begründet. Im Übrigen war die Klage dagegen unbegründet, weil die von dem Beklagten im vorgenannten Zeitraum geschuldete Miete gem. § 536 Abs. 1 S. 2 BGB gemindert war.

1. In der Zeit von Mai bis Oktober 2018 lag ein Mangel vor, welche die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch erheblich gemindert hat.

Ein Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB ist gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand nachteilig abweicht. Mangels - konkludent - getroffener Beschaffenheitsvereinbarung der Mietvertragsparteien (vgl. BGH, NZM 2020, 598 Rn. 56 ff., beck-online) ist der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung zu bestimmen. Sofern die Parteien bei Vertragsschluss die Bautätigkeit der Nebenintervenientin auf dem angrenzenden Grundstück und die daraus resultierenden Geräuschimmissionen bedacht hätten, so würden sie sich darauf verständigt haben, dass die Störung durch Geräuschimmissionen Dritter nur dann als Mangel der Mietwohnung anzusehen ist, wenn die Klägerin selbst diese Immissionen gem. § 906 BGB nicht oder jedenfalls nicht entschädigungslos dulden müsste. Insoweit nimmt der Wohnungsmieter an der Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks teil. Im Falle einer Duldungspflicht gegen Entschädigung wäre diese Verständigung dahin gegangen, dass sich ein dann gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB bestehender Ausgleichsanspruch in einer adäquaten Minderung der vereinbarten Miete hätte niederschlagen müssen (vgl. BGH, NJW 2015, 2177 Rn. 23 ff.; 42, beck-online; NZM 2020, 598 Rn. 24 ff., beck-online; NZM 2022, 178 Rn. 27 ff., beck-online).

Die Darlegungs- und Beweislast verteilt sich nach den im Wohnraummietrecht geltenden Grundsätzen nach Verantwortungsbereichen. Deshalb hat der Mieter darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass die von ihm angemietete Wohnung aufgrund der benachbarten Baustelle Geräusch- und Schmutzimmissionen ausgesetzt ist, welche die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung unmittelbar (erheblich) beeinträchtigen, und dass es sich dabei um eine wesentliche Beeinträchtigung i.S.d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB handelt (BGH, NZM 2020, 598 Rn. 64 ff., beck-online; NZM 2022, 178 Rn. 40, beck-online). Insoweit ist es weder erforderlich, dass der Mieter Lärmprotokolle führt noch, dass er das Ergebnis einer Messung des von den Bauarbeiten ausgehenden Schalldruckpegels in Dezibel (dB) vorlegt. Der Mieter genügt seiner Darlegungslast vielmehr bereits mit einer Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigung es geht und zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten, soweit sich daraus der Rückschluss auf eine i.S.d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB wesentliche Beeinträchtigung ergibt. Ausreichend ist die Beschreibung dieser Beeinträchtigungen nach den für das streitgegenständliche Bauvorhaben üblichen Bauphasen (BGH, NZM 2020, 598, Rn. 83-85, beck-online; NZM 2022, 178 Rn. 41/42, beck-online).

a) Die Wohnung des Beklagten war in der streitgegenständlichen Zeit Immissionen ausgesetzt, welche die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache nicht nur unerheblich beeinträchtigt haben.

aa) Das Amtsgericht hat festgestellt, dass die Wohnung des Beklagten im Zeitraum von Mai 2018 bis Oktober 2018 aufgrund der benachbarten Baustelle Immissionen in Form von Staub und Lärm ausgesetzt war.

Hieran ist das Berufungsgericht gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Zweifel i.S.d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen etwa schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, NJW-RR 2019, 1343 Rn. 11, beck-online).

In diesem Sinne liegen keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der durch das Amtsgericht getroffenen vorgenannten Feststellung vor. Insbesondere steht diese in Übereinstimmung mit den protokollierten Zeugenaussagen und dem Ergebnis der persönlichen Anhörung des Beklagten. Denn der Beklagte hat in seiner persönlichen Anhörung insbesondere angegeben, dass die Abrissarbeiten ab Mai 2018 häufig schon um 07:00 Uhr begonnen hätten, weshalb er aufgrund des damit verbundenen Lärms nicht mehr habe schlafen können. Der Beklagte hat weiter detailliert die einzelnen Baumaßnahmen beschrieben und erklärt, dass er aufgrund der damit verbundenen Lärmbelästigung die Fenster habe geschlossen halten müssen, wobei die Geräusche selbst bei geschlossenem Fenster störend wahrnehmbar gewesen seien und etwa das Hören von Musik, bzw. das Schauen von Fernsehen beeinträchtigt hätten. Überdies sei der Balkon trotz guten Wetters nicht nutzbar gewesen und dieser habe regelmäßig abgestaubt werden müssen. Gestützt werden diese Angaben insbesondere durch die Aussage des Zeugen M., der ein Lärmprotokoll für den hier streitgegenständlichen Zeitraum (= Bl. 180 ff. d.A.) geführt und bestätigt hat, dass Baugeräusche sowie Erschütterungen in seiner Wohnung wahrnehmbar gewesen seien, weshalb er z.T. Kopfschmerzen bekommen und den Fernseher habe ausschalten müssen. Auf dem Balkon habe sich regelmäßig Staub angesammelt und dieser sei den ganzen Sommer über - außer Sonntags - nicht nutzbar gewesen. Die Aussagen der auf Antrag der Klägerin vernommenen Zeugen G., T. und B., die auf der Baustelle in unterschiedlicher Funktion tätig waren, stehen bereits nicht in Widerspruch zu den Angaben des Beklagten und der Aussage des Zeugen M.. Vielmehr hat insbesondere der Zeuge G. bekundet, dass im auch August zunächst noch Abbrucharbeiten stattgefunden hätten, die durchaus zu Erschütterungen geführt haben könnten. Auch seien Geräusche von den eingesetzten Maschinen sowie den Kettensägen ausgegangen. Der Zeuge B. hat im Wesentlichen bekundet, dass er ab Mai 2018 Abbrucharbeiten mit einem Bagger mit Betonschere ausgeführt habe und dabei der Staub durchgängig mit Wasser reduziert worden sei. Das schließt aber die von dem Zeugen M. bekundete Staubbelastung seines Balkons nicht aus. Der Zeuge T. war erst ab September 2018 auf der Baustelle tätig und hat die Arbeitszeiten von 07:00 Uhr bis 17:00 Uhr bestätigt. Dass er auch bekundet hat, keine Erschütterungen und kein "Dröhnen" wahrgenommen zu haben, begründet keine - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit, dass die erstinstanzliche Feststellung im Fall der Wiederholung der Beweisaufnahme keinen Bestand hat.

Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführer ist die Beweiswürdigung des Amtsgerichts nicht etwa deshalb mangelhaft, weil die Zeugen sich nicht konkret zu den Verhältnissen in der Wohnung des Beklagten äußern konnten. Denn insoweit beruhen die getroffenen Feststellungen maßgeblich auf der persönlichen Anhörung des Beklagten, die gestützt werden durch die Aussage des Zeugen M.. Die Aussage des Zeugen M. erlaubt auch den Rückschluss auf die Beeinträchtigungen in der im 4. Stockwerk belegenen und unmittelbar an die Baustelle angrenzenden Wohnung des Beklagten, weil dessen im 5. Stockwerk belegene Wohnung ebenfalls an die Baustelle grenzt. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Beeinträchtigungen durch Lärm, Staub und Erschütterungen vergleichbar waren.

bb) Bei den festgestellten Immissionen (vgl. A. I. a) aa)) handelt es sich aufgrund von deren Dauer und Intensität auch ersichtlich um eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des vertraglich geschuldeten Mietgebrauchs.

b) Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat auch bewiesen, dass die Klägerin die von der Baustelle ausgehenden Immissionen nicht entschädigungslos dulden musste, weil ihr Grundstück nicht nur unwesentlich beeinträchtigt war (§ 906 Abs. 1 S. 1 BGB).

Maßgeblich bei der Frage nach der Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung i.S.d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB ist das Ausmaß, in dem die Benutzung nach der tatsächlichen Zweckbestimmung des Grundstücks gestört wird, wobei auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abzustellen und eine wertende Würdigung privater und öffentlicher Belange vorzunehmen ist (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2018 - V ZR 143/17; OLG Hamm, Urteil vom 1. Dezember 2008 - 5 U 161/08; Staudinger/Roth (2020) BGB § 906, Rn. 177).

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs stellen die - gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend - festgestellten Lärm- und Schmutzimmissionen auch keine nur unwesentliche Beeinträchtigung i.S.d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB dar, wie auch das Amtsgericht schon ausgeführt hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die zutreffenden und umfassend begründeten Erwägungen des Amtsgerichts verwiesen werden.

Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführer setzt die Beurteilung von Immissionen als nicht unwesentlich i.S.d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB keinesfalls zwingend voraus, dass der Mieter stets die Überschreitung von Grenzwerten darlegt und beweist. Bei § 906 Abs. 1 S. 2 u. 3 BGB handelt es sich lediglich um eine Regelvermutung, die besagt, dass bei Einhaltung von Grenz- oder Richtwerten regelmäßig eine unwesentliche Beeinträchtigung vorliegt. Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich festgehalten, dass der Mieter nicht das Ergebnis einer Messung des von den Bauarbeiten ausgehenden Schalldruckpegels in Dezibel (dB) vorlegen muss, sondern dass dieser seiner Darlegungslast mit einer Beschreibung genügt, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigung es geht und zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten, soweit sich daraus der Rückschluss auf eine i.S.d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB wesentliche Beeinträchtigung ergibt (BGH, NZM 2020, 598, Rn. 83-85, beck-online; NZM 2022, 178 Rn. 41/42, beck-online). Maßgeblich ist - wie bereits ausgeführt - eine wertende Beurteilung des konkreten Einzelfalles.

Die Klägerin und die Nebenintervenientin rügen in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, dass eine Gesundheitsbeeinträchtigung des Beklagten nicht hinreichend von diesem vorgetragen und bewiesen sei. Denn eine Gesundheitsgefährdung ist für die Bejahung der Wesentlichkeitsschwelle bei Lärmimmissionen nicht erforderlich (vgl. Staudinger/Roth (2020) BGB § 906, Rn. 191 m.w.N.).

Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass es sich um "körperliches Unbehagen" hervorrufende Immissionen und nicht um bloß sozialadäquate Belästigungen gehandelt habe. Körperliches Unbehagen ist nicht stets mit einer Gesundheitsbeeinträchtigung verbunden. Vielmehr bringt diese Formulierung lediglich die sich aus den Zeugenaussagen und der Schilderung des Beklagten nachvollziehbar ergebende Schwere der Beeinträchtigungen zum Ausdruck, die eben körperlich - negativ - wahrnehmbar waren.

Zu Unrecht meinen die Rechtsmittelführer überdies, dass die Sozialadäquanz des Wohnungsbaus hier zu einer Bewertung der damit verbundenen Immissionen als unwesentliche Beeinträchtigung zwingen würde. Der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NZM 2020, 598, Rn. 83-85, beck-online; NZM 2022, 178 Rn. 41/42, beck-online) lässt sich nichts dergleichen entnehmen. Vielmehr hat der BGH konkrete Tatsachenfeststellungen zu den geltend gemachten Beeinträchtigungen gefordert, was nicht notwendig wäre, wenn die mit dem Wohnungsbau verbundenen Immissionen stets als unwesentlich zu beurteilen wären. Fernliegend ist in diesem Zusammengang die mit der Berufungsbegründung geäußerte Auffassung, der Beklagte habe rechtlich gegen die Baugenehmigung vorgehen müssen.

c) Da der Beklagte hier seiner Darlegungs- und Beweislast nach den genannten Grundsätzen nachgekommen ist, hat die Klägerin ihrerseits darzulegen und zu beweisen, dass sie die von der Baustelle herrührenden Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten nach § 906 BGB gegen die Nebenintervenientin hinnehmen musste. Dabei muss die Klägerin diejenigen, dem Verhältnis zwischen ihr und der Nebenintervenientin - und damit ihrem Verantwortungsbereich - entstammenden personen- oder grundstücksbezogenen Tatsachen vorbringen und ggfs. beweisen, die in Anbetracht des bis dahin festgestellten Sachverhalts dazu führen, dass weder Abwehr- noch Entschädigungsansprüche bestehen (vgl. BGH, NZM 2020, 598, Rn. 91, beck-online; NZM 2022, 178 Rn. 46/47, beck-online).

Diesen Anforderungen ist die Klägerin nicht nachgekommen, was mit der Berufung auch nicht geltend gemacht wird.

2. Infolge der geminderten Gebrauchstauglichkeit des Mietgegenstands war die Miete in der gesamten streitgegenständlichen Zeit um 15% herabgesetzt.

Sofern die Parteien bei Vertragsschluss die Bautätigkeit der Nebenintervenientin auf dem angrenzenden Grundstück und die daraus resultierenden Geräuschimmissionen bedacht hätten, so würden sie sich darauf verständigt haben, dass sich ein bestehender Ausgleichsanspruch gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB in einer adäquaten Minderung der vereinbarten Miete niederschlagen muss. Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführer ist das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit i.S.d. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB nicht nur bei besonders großen Bauvorhaben erfüllt. Im hier zu beurteilenden konkreten Einzelfall ist die Unzumutbarkeit mit Blick auf die konkret festgestellten Beeinträchtigungen durch die Baustelle jedenfalls überschritten. Auch die - nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung vorzunehmende - Bemessung des Ausgleichs für die Beeinträchtigung der Nutzung eines vom Eigentümer selbst bewohnten Hauses würde sich überdies an der hypothetischen Minderung des monatlichen Mietzinses orientieren (vgl. BGH, NJW 2009, 762, beck-online), weshalb insoweit kein abweichender Maßstab zur Anwendung kommt.

Das Berufungsgericht kann die Höhe der angemessenen Mietminderung i.S.d. § 536 Abs. 1 S. 2 BGB selber schätzen. Danach erachtet die Kammer eine Minderung um 15% für den gesamten hier relevanten Zeitraum mit Blick auf die nicht unerhebliche Beeinträchtigung der Mietwohnung des Beklagten durch Staub, Lärm und Erschütterungen für angemessen, aber auch ausreichend (vgl. LG München I, Urteil vom 14. Januar 2016 - 31 S 20691/14; LG Berlin, Urteil vom 9. Januar 2020 - 67 S 230/19).

3. Gegenstand der Klage waren offene Mietforderungen für die Monate Juli/August 2018 in Höhe von Euro 364,- sowie in Höhe von Euro 1.601,74 für die Monate September/Oktober 2018 (gesamt: Euro 1.965,74). Begründet war die Klage lediglich in Höhe von Euro 873,66.

Die monatliche Bruttomiete (Euro 1.213,50) war unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen um jeweils Euro 182,02 gemindert. Von dem Beklagten geschuldet war mithin eine monatliche Zahlung in Höhe von Euro 1.031,48.

In den Monaten Juli und August 2018 hat der Beklagte jeweils Euro 1.031,50 bezahlt, sodass der von der Klägerin mit der Klage ursprünglich darüber hinausgehende Betrag von Euro 364,- nicht geschuldet war und die Klage insoweit keinen Erfolg gehabt hätte.

Für die Monate September und Oktober 2018 hat der Beklagte jeweils Euro 412,63 und damit - unter Berücksichtigung der Minderung - insgesamt Euro 1.237,70 zu wenig an die Klägerin überwiesen. In Höhe von Euro 364,04 ist dieser Anspruch jedoch bereits vor Erhebung der Klage gem. § 389 BGB erloschen, sodass die Klage lediglich in Höhe von Euro 873,66 begründet war. Denn der Beklage hat mit anwaltlichem Schreiben vom 27.08.2018 (Anlage K 2 = Bl. 31 d.A.) mitgeteilt, dass er eine Minderung ab Mai 2018 geltend mache und das so errechnete Guthaben je zur Hälfte von der für die Monate September und Oktober 2018 geschuldeten Miete in Abzug bringe. Damit hat er - konkludent - die Aufrechnung gem. § 388 BGB erklärt.

II. Die in Höhe von Euro 873,66 begründete Klage ist durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis unbegründet geworden. Denn die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.03.2021 erklärt, ein Betriebskostenguthaben des Beklagten für das Jahr 2018 sowie eine Zahlung des Beklagten ohne Tilgungsbestimmung (und unter Vorbehalt der richterlichen Entscheidung) vom 13.05.2020 auf die eingeklagte Mietforderung verrechnet zu haben (= Bl. 478 ff. d.A.).

Bereits die Aufrechnung gegen die Forderung des Beklagten aus der Betriebskostenabrechnung vom 02.12.2019 (= Bl. 489 d.A.) i.H.v. Euro 1.050,73 hat die klägerische Forderung gem. § 389 BGB vollständig zum Erlöschen gebracht.

III. Aus den vorgenannten Gründen ist auch der klägerische Hilfsantrag unbegründet. Zwar ist die Zahlung des Beklagten vom 13.05.2020 in Höhe von Euro 822,- unter einem qualifizierten Vorbehalt und damit ohne Erfüllungswirkung erfolgt, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat. Die Klägerin kann von dem Beklagten indes nicht mit Erfolg die Vorbehaltloserklärung dieser Zahlung verlangen, weil ihr kein entsprechender Zahlungsanspruch zusteht (s.o.).

B.

Die Widerklage ist zulässig und in Höhe von Euro 1.092,18 begründet.

I. Die Widerklage ist zulässig. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts betreffend die Zulässigkeit der Widerklage verwiesen werden. Selbst wenn der Beklagte in einem Parallelverfahren (auch) für den hier streitgegenständlichen Zeitraum die Feststellung der Mietminderung begehren sollte, würde dies der Zulässigkeit der hiesigen Leistungswiderklage nicht gem. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegenstehen. Denn die Zahlungsklage recht weiter als die Feststellungsklage und betrifft daher einen anderen Streitgegenstand (vgl. BGH, NJW 2002, 751, beck-online).

II. Die Widerklage ist in Höhe von Euro 1.092,18 begründet. Denn nach den vorstehenden Ausführungen steht dem Beklagten ein Anspruch gegen die Klägerin aus der Abrechnungsabrede betreffend die Betriebskosten für das Jahr 2017 in Höhe von Euro 93,11 und für das Jahr 2018 in Höhe von (noch) Euro 177,07 zu. Überdies kann der Beklagte mit Erfolg die Rückzahlung der unter qualifiziertem Vorbehalt gezahlten Euro 822,- gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB von der Klägerin verlangen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 97, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Die relevanten grundsätzlichen Rechtsfragen sind bereits durch den Bundesgerichtshof in drei Urteilen (NJW 2015, 2177; NZM 2020, 598; NZM 2022, 178) beantwortet und konturiert worden. Die Entscheidung der Kammer erschöpft sich in der Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Einzelfall.

III.

Die Befugnis zur Abänderung des erstinstanzlichen Streitwerts durch das Rechtsmittelgericht folgt aus § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Der Streitwert in erster Instanz ist gem. § 45 Abs. 1 S. 1 GKG auf Euro 3.109,63 festzusetzen.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts betreffen Klage und Widerklage hier nicht in vollem Umfang denselben Gegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG. Ein Gegenstand liegt vor, wenn die beiderseitigen Ansprüche sich dergestalt ausschließen, dass die Zuerkennung des einen die Aberkennung des anderen notwendigerweise bedingt (BDZ/Dörndorfer, 5. Aufl. 2021, GKG § 45 Rn. 4). Danach besteht zwischen Klage und Widerklage nur in Höhe von Euro 822,- Identität. Denn die Klägerin hat die Zahlung restlicher Miete für die Monate Juli-Oktober 2018 geltend gemacht, während der Beklagte widerklagend u. a. die für diesen Zeitraum unter dem Vorbehalt der richterlichen Entscheidung gezahlten Euro 822,- zurückfordert. Insoweit bedingt die Zuerkennung des einen die Aberkennung des anderen Anspruchs. Soweit der Beklagte indes mit der Widerklage die Auszahlung der Betriebskostenguthaben für 2017 (Euro 93,11) und 2018 (Euro 1.050,73) verlangt, besteht keine Identität im vorbezeichneten Sinne, weshalb diese Beträge der mit der Klage zunächst geltend gemachten Summer von Euro 1.965,79 hinzuzurechnen sind. Denn es war jedenfalls nicht per se ausgeschlossen, dass dem Beklagten der Nachweis der - von ihm geltend gemachten - noch höhere Minderungsquote gelingt und in diesem Fall hätte die Zuerkennung der Widerklage in keinem Zusammenhang mit der Abweisung der Klage gestanden.

Die Festsetzung des Streitwerts für die zweite Instanz setzt sich zusammen aus der Höhe, in der die Klägerin die Abweisung der Widerklage begehrt (Euro 1.351,24) sowie den in der ersten Instanz für den erledigten Teil entstandenen - durch Differenzrechnung zu ermittelnden - Kosten (vgl. BGH, NJW-RR 1996, 1210, beck-online). In erster Instanz sind nach einem Streitwert von Euro 3.109,63 Kosten in Höhe von Euro 1.928,- angefallen. Ohne die für erledigt erklärte Klage wären nach einem Streitwert von Euro 1.965,84 Kosten in Höhe von Euro 1.329,30 angefallen. Die Differenz in Höhe von Euro 598,70 ist dem nicht erledigten und mit der Berufung angegriffenen Teil hinzuzurechnen (= Euro 1.949,94).
Komplexer Fall von Mietminderung aufgrund von Baustellenlärm endet mit teilweiser Widerklage. Das Urteil verdeutlicht die Wichtigkeit der Darlegungslast bei externen Beeinträchtigungen (Symbolfoto: Lisa-S /Shutterstock.com)

Die Klägerin hatte die Klage einseitig für erledigt erklärt, sodass das Gericht feststellte, dass sich der Rechtsstreit in Höhe von 873,66 Euro erledigt hatte. Die Widerklage des Beklagten war teilweise erfolgreich, und die Klägerin wurde verurteilt, ihm 1.092,18 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Die restliche Widerklage wurde abgewiesen.

Kostenverteilung und Streitwert

Bezüglich der Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz wurde eine Aufteilung vorgenommen. In der ersten Instanz trug die Klägerin 44% und der Beklagte 56% der Kosten. In der zweiten Instanz waren es 80% für die Klägerin und 20% für den Beklagten. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde auf 1.949,94 Euro festgesetzt.

Mietminderung wegen Baustellenimmissionen

Das Gericht stellte fest, dass die Wohnung des Beklagten im Zeitraum von Mai bis Oktober 2018 durch die benachbarte Baustelle erheblichen Immissionen in Form von Lärm und Staub ausgesetzt war. Diese Immissionen beeinträchtigten die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache erheblich und rechtfertigten daher eine Mietminderung. Der Mieter hatte seine Darlegungslast erfüllt, indem er die Art der Beeinträchtigung und deren Auswirkungen ausreichend beschrieben hatte.

Keine Revision zugelassen

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und eine Revision wurde nicht zugelassen. Damit bleibt die Entscheidung des Landgerichts Hamburg in diesem komplexen Fall von Mietminderung und Baustellenimmissionen bestehen.

Dieses Urteil zeigt, wie komplex die Rechtslage bei Mietminderungen sein kann, insbesondere wenn externe Faktoren wie Baustellenlärm und -staub eine Rolle spielen. Es verdeutlicht auch die Bedeutung der Darlegungslast für Mieter, die eine Mietminderung geltend machen möchten.

Leiden Sie unter Baustellenlärm und -schmutz? Ihr Mietmangel kann rechtliche Folgen haben!

Das Urteil des LG Hamburg (Az.: 311 S 5/22) vom 13.01.2023 bestätigt, dass Lärm- und Schmutzimmissionen von einer Baustelle auf einem Nachbargrundstück als Mietmangel gelten können. Wenn auch Sie von solchen Beeinträchtigungen betroffen sind, haben Sie möglicherweise Anspruch auf Mietminderung oder andere rechtliche Abhilfen. Ich biete Ihnen eine fundierte Ersteinschätzung Ihrer Situation und stehe für eine umfassende Beratung zur Verfügung. Gemeinsam können wir die besten Schritte für Ihr Anliegen ermitteln. Zögern Sie nicht, Kontakt aufzunehmen.

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Das vorliegende Urteil

LG Hamburg – Az.: 311 S 5/22 – Urteil vom 13.01.2023

1. Es wird festgestellt, dass sich die Klage in der Hauptsache in Höhe von Euro 873,66 erledigt hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten Euro 1.092,18 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2021 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin 44% und der Beklagte 56% zu tragen. Von den Kosten der Nebenintervention in erster Instanz hat der Beklagte 56% zu tragen. Im Übrigen hat die Nebenintervenientin ihre Kosten in erster Instanz selbst zu tragen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz haben die Klägerin 80% und der Beklagte 20% zu tragen. Von den Kosten der Nebenintervention in zweiter Instanz hat der Beklagte 20% zu tragen. Im Übrigen hat die Nebenintervenientin ihre Kosten in zweiter Instanz selbst zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 09.12.2021 wird der Streitwert für die erste Instanz auf Euro 3.109,63 festgesetzt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf Euro1.949,94 festgesetzt.

Gründe

I.

Von der Abfassung eines Tatbestands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige – insbesondere gem. §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete – Berufung der Klägerin und der Nebenintervenientin hat in der Sache nur teilweise Erfolg.

A.

Nachdem die Klägerin die Klage einseitig für erledigt erklärt hat, war festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in Höhe von Euro 873,66 erledigt hat. Denn (nur) in dieser Höhe war die ursprünglich auf Zahlung von Euro 1.965,79 gerichtete Klage zulässig und begründet und ist durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis unbegründet geworden.

I. Die auf Zahlung restlicher Miete für die Zeit von Juli bis Oktober 2018 gerichtete Klage war lediglich in Höhe von Euro 873,66 gem. § 535 Abs. 2 BGB begründet. Im Übrigen war die Klage dagegen unbegründet, weil die von dem Beklagten im vorgenannten Zeitraum geschuldete Miete gem. § 536 Abs. 1 S. 2 BGB gemindert war.

1. In der Zeit von Mai bis Oktober 2018 lag ein Mangel vor, welche die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch erheblich gemindert hat.

Ein Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB ist gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand nachteilig abweicht. Mangels – konkludent – getroffener Beschaffenheitsvereinbarung der Mietvertragsparteien (vgl. BGH, NZM 2020, 598 Rn. 56 ff., beck-online) ist der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung zu bestimmen. Sofern die Parteien bei Vertragsschluss die Bautätigkeit der Nebenintervenientin auf dem angrenzenden Grundstück und die daraus resultierenden Geräuschimmissionen bedacht hätten, so würden sie sich darauf verständigt haben, dass die Störung durch Geräuschimmissionen Dritter nur dann als Mangel der Mietwohnung anzusehen ist, wenn die Klägerin selbst diese Immissionen gem. § 906 BGB nicht oder jedenfalls nicht entschädigungslos dulden müsste. Insoweit nimmt der Wohnungsmieter an der Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks teil. Im Falle einer Duldungspflicht gegen Entschädigung wäre diese Verständigung dahin gegangen, dass sich ein dann gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB bestehender Ausgleichsanspruch in einer adäquaten Minderung der vereinbarten Miete hätte niederschlagen müssen (vgl. BGH, NJW 2015, 2177 Rn. 23 ff.; 42, beck-online; NZM 2020, 598 Rn. 24 ff., beck-online; NZM 2022, 178 Rn. 27 ff., beck-online).

Die Darlegungs- und Beweislast verteilt sich nach den im Wohnraummietrecht geltenden Grundsätzen nach Verantwortungsbereichen. Deshalb hat der Mieter darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass die von ihm angemietete Wohnung aufgrund der benachbarten Baustelle Geräusch- und Schmutzimmissionen ausgesetzt ist, welche die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung unmittelbar (erheblich) beeinträchtigen, und dass es sich dabei um eine wesentliche Beeinträchtigung i.S.d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB handelt (BGH, NZM 2020, 598 Rn. 64 ff., beck-online; NZM 2022, 178 Rn. 40, beck-online). Insoweit ist es weder erforderlich, dass der Mieter Lärmprotokolle führt noch, dass er das Ergebnis einer Messung des von den Bauarbeiten ausgehenden Schalldruckpegels in Dezibel (dB) vorlegt. Der Mieter genügt seiner Darlegungslast vielmehr bereits mit einer Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigung es geht und zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten, soweit sich daraus der Rückschluss auf eine i.S.d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB wesentliche Beeinträchtigung ergibt. Ausreichend ist die Beschreibung dieser Beeinträchtigungen nach den für das streitgegenständliche Bauvorhaben üblichen Bauphasen (BGH, NZM 2020, 598, Rn. 83-85, beck-online; NZM 2022, 178 Rn. 41/42, beck-online).

a) Die Wohnung des Beklagten war in der streitgegenständlichen Zeit Immissionen ausgesetzt, welche die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache nicht nur unerheblich beeinträchtigt haben.

aa) Das Amtsgericht hat festgestellt, dass die Wohnung des Beklagten im Zeitraum von Mai 2018 bis Oktober 2018 aufgrund der benachbarten Baustelle Immissionen in Form von Staub und Lärm ausgesetzt war.

Hieran ist das Berufungsgericht gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Zweifel i.S.d. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen etwa schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, NJW-RR 2019, 1343 Rn. 11, beck-online).

In diesem Sinne liegen keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der durch das Amtsgericht getroffenen vorgenannten Feststellung vor. Insbesondere steht diese in Übereinstimmung mit den protokollierten Zeugenaussagen und dem Ergebnis der persönlichen Anhörung des Beklagten. Denn der Beklagte hat in seiner persönlichen Anhörung insbesondere angegeben, dass die Abrissarbeiten ab Mai 2018 häufig schon um 07:00 Uhr begonnen hätten, weshalb er aufgrund des damit verbundenen Lärms nicht mehr habe schlafen können. Der Beklagte hat weiter detailliert die einzelnen Baumaßnahmen beschrieben und erklärt, dass er aufgrund der damit verbundenen Lärmbelästigung die Fenster habe geschlossen halten müssen, wobei die Geräusche selbst bei geschlossenem Fenster störend wahrnehmbar gewesen seien und etwa das Hören von Musik, bzw. das Schauen von Fernsehen beeinträchtigt hätten. Überdies sei der Balkon trotz guten Wetters nicht nutzbar gewesen und dieser habe regelmäßig abgestaubt werden müssen. Gestützt werden diese Angaben insbesondere durch die Aussage des Zeugen M., der ein Lärmprotokoll für den hier streitgegenständlichen Zeitraum (= Bl. 180 ff. d.A.) geführt und bestätigt hat, dass Baugeräusche sowie Erschütterungen in seiner Wohnung wahrnehmbar gewesen seien, weshalb er z.T. Kopfschmerzen bekommen und den Fernseher habe ausschalten müssen. Auf dem Balkon habe sich regelmäßig Staub angesammelt und dieser sei den ganzen Sommer über – außer Sonntags – nicht nutzbar gewesen. Die Aussagen der auf Antrag der Klägerin vernommenen Zeugen G., T. und B., die auf der Baustelle in unterschiedlicher Funktion tätig waren, stehen bereits nicht in Widerspruch zu den Angaben des Beklagten und der Aussage des Zeugen M.. Vielmehr hat insbesondere der Zeuge G. bekundet, dass im auch August zunächst noch Abbrucharbeiten stattgefunden hätten, die durchaus zu Erschütterungen geführt haben könnten. Auch seien Geräusche von den eingesetzten Maschinen sowie den Kettensägen ausgegangen. Der Zeuge B. hat im Wesentlichen bekundet, dass er ab Mai 2018 Abbrucharbeiten mit einem Bagger mit Betonschere ausgeführt habe und dabei der Staub durchgängig mit Wasser reduziert worden sei. Das schließt aber die von dem Zeugen M. bekundete Staubbelastung seines Balkons nicht aus. Der Zeuge T. war erst ab September 2018 auf der Baustelle tätig und hat die Arbeitszeiten von 07:00 Uhr bis 17:00 Uhr bestätigt. Dass er auch bekundet hat, keine Erschütterungen und kein „Dröhnen“ wahrgenommen zu haben, begründet keine – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit, dass die erstinstanzliche Feststellung im Fall der Wiederholung der Beweisaufnahme keinen Bestand hat.

Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführer ist die Beweiswürdigung des Amtsgerichts nicht etwa deshalb mangelhaft, weil die Zeugen sich nicht konkret zu den Verhältnissen in der Wohnung des Beklagten äußern konnten. Denn insoweit beruhen die getroffenen Feststellungen maßgeblich auf der persönlichen Anhörung des Beklagten, die gestützt werden durch die Aussage des Zeugen M.. Die Aussage des Zeugen M. erlaubt auch den Rückschluss auf die Beeinträchtigungen in der im 4. Stockwerk belegenen und unmittelbar an die Baustelle angrenzenden Wohnung des Beklagten, weil dessen im 5. Stockwerk belegene Wohnung ebenfalls an die Baustelle grenzt. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Beeinträchtigungen durch Lärm, Staub und Erschütterungen vergleichbar waren.

bb) Bei den festgestellten Immissionen (vgl. A. I. a) aa)) handelt es sich aufgrund von deren Dauer und Intensität auch ersichtlich um eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des vertraglich geschuldeten Mietgebrauchs.

b) Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat auch bewiesen, dass die Klägerin die von der Baustelle ausgehenden Immissionen nicht entschädigungslos dulden musste, weil ihr Grundstück nicht nur unwesentlich beeinträchtigt war (§ 906 Abs. 1 S. 1 BGB).

Maßgeblich bei der Frage nach der Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung i.S.d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB ist das Ausmaß, in dem die Benutzung nach der tatsächlichen Zweckbestimmung des Grundstücks gestört wird, wobei auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abzustellen und eine wertende Würdigung privater und öffentlicher Belange vorzunehmen ist (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2018 – V ZR 143/17; OLG Hamm, Urteil vom 1. Dezember 2008 – 5 U 161/08; Staudinger/Roth (2020) BGB § 906, Rn. 177).

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs stellen die – gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend – festgestellten Lärm- und Schmutzimmissionen auch keine nur unwesentliche Beeinträchtigung i.S.d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB dar, wie auch das Amtsgericht schon ausgeführt hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die zutreffenden und umfassend begründeten Erwägungen des Amtsgerichts verwiesen werden.

Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführer setzt die Beurteilung von Immissionen als nicht unwesentlich i.S.d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB keinesfalls zwingend voraus, dass der Mieter stets die Überschreitung von Grenzwerten darlegt und beweist. Bei § 906 Abs. 1 S. 2 u. 3 BGB handelt es sich lediglich um eine Regelvermutung, die besagt, dass bei Einhaltung von Grenz- oder Richtwerten regelmäßig eine unwesentliche Beeinträchtigung vorliegt. Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich festgehalten, dass der Mieter nicht das Ergebnis einer Messung des von den Bauarbeiten ausgehenden Schalldruckpegels in Dezibel (dB) vorlegen muss, sondern dass dieser seiner Darlegungslast mit einer Beschreibung genügt, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigung es geht und zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten, soweit sich daraus der Rückschluss auf eine i.S.d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB wesentliche Beeinträchtigung ergibt (BGH, NZM 2020, 598, Rn. 83-85, beck-online; NZM 2022, 178 Rn. 41/42, beck-online). Maßgeblich ist – wie bereits ausgeführt – eine wertende Beurteilung des konkreten Einzelfalles.

Die Klägerin und die Nebenintervenientin rügen in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, dass eine Gesundheitsbeeinträchtigung des Beklagten nicht hinreichend von diesem vorgetragen und bewiesen sei. Denn eine Gesundheitsgefährdung ist für die Bejahung der Wesentlichkeitsschwelle bei Lärmimmissionen nicht erforderlich (vgl. Staudinger/Roth (2020) BGB § 906, Rn. 191 m.w.N.).

Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass es sich um „körperliches Unbehagen“ hervorrufende Immissionen und nicht um bloß sozialadäquate Belästigungen gehandelt habe. Körperliches Unbehagen ist nicht stets mit einer Gesundheitsbeeinträchtigung verbunden. Vielmehr bringt diese Formulierung lediglich die sich aus den Zeugenaussagen und der Schilderung des Beklagten nachvollziehbar ergebende Schwere der Beeinträchtigungen zum Ausdruck, die eben körperlich – negativ – wahrnehmbar waren.

Zu Unrecht meinen die Rechtsmittelführer überdies, dass die Sozialadäquanz des Wohnungsbaus hier zu einer Bewertung der damit verbundenen Immissionen als unwesentliche Beeinträchtigung zwingen würde. Der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NZM 2020, 598, Rn. 83-85, beck-online; NZM 2022, 178 Rn. 41/42, beck-online) lässt sich nichts dergleichen entnehmen. Vielmehr hat der BGH konkrete Tatsachenfeststellungen zu den geltend gemachten Beeinträchtigungen gefordert, was nicht notwendig wäre, wenn die mit dem Wohnungsbau verbundenen Immissionen stets als unwesentlich zu beurteilen wären. Fernliegend ist in diesem Zusammengang die mit der Berufungsbegründung geäußerte Auffassung, der Beklagte habe rechtlich gegen die Baugenehmigung vorgehen müssen.

c) Da der Beklagte hier seiner Darlegungs- und Beweislast nach den genannten Grundsätzen nachgekommen ist, hat die Klägerin ihrerseits darzulegen und zu beweisen, dass sie die von der Baustelle herrührenden Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten nach § 906 BGB gegen die Nebenintervenientin hinnehmen musste. Dabei muss die Klägerin diejenigen, dem Verhältnis zwischen ihr und der Nebenintervenientin – und damit ihrem Verantwortungsbereich – entstammenden personen- oder grundstücksbezogenen Tatsachen vorbringen und ggfs. beweisen, die in Anbetracht des bis dahin festgestellten Sachverhalts dazu führen, dass weder Abwehr- noch Entschädigungsansprüche bestehen (vgl. BGH, NZM 2020, 598, Rn. 91, beck-online; NZM 2022, 178 Rn. 46/47, beck-online).

Diesen Anforderungen ist die Klägerin nicht nachgekommen, was mit der Berufung auch nicht geltend gemacht wird.

2. Infolge der geminderten Gebrauchstauglichkeit des Mietgegenstands war die Miete in der gesamten streitgegenständlichen Zeit um 15% herabgesetzt.

Sofern die Parteien bei Vertragsschluss die Bautätigkeit der Nebenintervenientin auf dem angrenzenden Grundstück und die daraus resultierenden Geräuschimmissionen bedacht hätten, so würden sie sich darauf verständigt haben, dass sich ein bestehender Ausgleichsanspruch gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB in einer adäquaten Minderung der vereinbarten Miete niederschlagen muss. Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführer ist das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit i.S.d. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB nicht nur bei besonders großen Bauvorhaben erfüllt. Im hier zu beurteilenden konkreten Einzelfall ist die Unzumutbarkeit mit Blick auf die konkret festgestellten Beeinträchtigungen durch die Baustelle jedenfalls überschritten. Auch die – nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung vorzunehmende – Bemessung des Ausgleichs für die Beeinträchtigung der Nutzung eines vom Eigentümer selbst bewohnten Hauses würde sich überdies an der hypothetischen Minderung des monatlichen Mietzinses orientieren (vgl. BGH, NJW 2009, 762, beck-online), weshalb insoweit kein abweichender Maßstab zur Anwendung kommt.

Das Berufungsgericht kann die Höhe der angemessenen Mietminderung i.S.d. § 536 Abs. 1 S. 2 BGB selber schätzen. Danach erachtet die Kammer eine Minderung um 15% für den gesamten hier relevanten Zeitraum mit Blick auf die nicht unerhebliche Beeinträchtigung der Mietwohnung des Beklagten durch Staub, Lärm und Erschütterungen für angemessen, aber auch ausreichend (vgl. LG München I, Urteil vom 14. Januar 2016 – 31 S 20691/14; LG Berlin, Urteil vom 9. Januar 2020 – 67 S 230/19).

3. Gegenstand der Klage waren offene Mietforderungen für die Monate Juli/August 2018 in Höhe von Euro 364,- sowie in Höhe von Euro 1.601,74 für die Monate September/Oktober 2018 (gesamt: Euro 1.965,74). Begründet war die Klage lediglich in Höhe von Euro 873,66.

Die monatliche Bruttomiete (Euro 1.213,50) war unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen um jeweils Euro 182,02 gemindert. Von dem Beklagten geschuldet war mithin eine monatliche Zahlung in Höhe von Euro 1.031,48.

In den Monaten Juli und August 2018 hat der Beklagte jeweils Euro 1.031,50 bezahlt, sodass der von der Klägerin mit der Klage ursprünglich darüber hinausgehende Betrag von Euro 364,- nicht geschuldet war und die Klage insoweit keinen Erfolg gehabt hätte.

Für die Monate September und Oktober 2018 hat der Beklagte jeweils Euro 412,63 und damit – unter Berücksichtigung der Minderung – insgesamt Euro 1.237,70 zu wenig an die Klägerin überwiesen. In Höhe von Euro 364,04 ist dieser Anspruch jedoch bereits vor Erhebung der Klage gem. § 389 BGB erloschen, sodass die Klage lediglich in Höhe von Euro 873,66 begründet war. Denn der Beklage hat mit anwaltlichem Schreiben vom 27.08.2018 (Anlage K 2 = Bl. 31 d.A.) mitgeteilt, dass er eine Minderung ab Mai 2018 geltend mache und das so errechnete Guthaben je zur Hälfte von der für die Monate September und Oktober 2018 geschuldeten Miete in Abzug bringe. Damit hat er – konkludent – die Aufrechnung gem. § 388 BGB erklärt.

II. Die in Höhe von Euro 873,66 begründete Klage ist durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis unbegründet geworden. Denn die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.03.2021 erklärt, ein Betriebskostenguthaben des Beklagten für das Jahr 2018 sowie eine Zahlung des Beklagten ohne Tilgungsbestimmung (und unter Vorbehalt der richterlichen Entscheidung) vom 13.05.2020 auf die eingeklagte Mietforderung verrechnet zu haben (= Bl. 478 ff. d.A.).

Bereits die Aufrechnung gegen die Forderung des Beklagten aus der Betriebskostenabrechnung vom 02.12.2019 (= Bl. 489 d.A.) i.H.v. Euro 1.050,73 hat die klägerische Forderung gem. § 389 BGB vollständig zum Erlöschen gebracht.

III. Aus den vorgenannten Gründen ist auch der klägerische Hilfsantrag unbegründet. Zwar ist die Zahlung des Beklagten vom 13.05.2020 in Höhe von Euro 822,- unter einem qualifizierten Vorbehalt und damit ohne Erfüllungswirkung erfolgt, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat. Die Klägerin kann von dem Beklagten indes nicht mit Erfolg die Vorbehaltloserklärung dieser Zahlung verlangen, weil ihr kein entsprechender Zahlungsanspruch zusteht (s.o.).

B.

Die Widerklage ist zulässig und in Höhe von Euro 1.092,18 begründet.

I. Die Widerklage ist zulässig. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts betreffend die Zulässigkeit der Widerklage verwiesen werden. Selbst wenn der Beklagte in einem Parallelverfahren (auch) für den hier streitgegenständlichen Zeitraum die Feststellung der Mietminderung begehren sollte, würde dies der Zulässigkeit der hiesigen Leistungswiderklage nicht gem. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegenstehen. Denn die Zahlungsklage recht weiter als die Feststellungsklage und betrifft daher einen anderen Streitgegenstand (vgl. BGH, NJW 2002, 751, beck-online).

II. Die Widerklage ist in Höhe von Euro 1.092,18 begründet. Denn nach den vorstehenden Ausführungen steht dem Beklagten ein Anspruch gegen die Klägerin aus der Abrechnungsabrede betreffend die Betriebskosten für das Jahr 2017 in Höhe von Euro 93,11 und für das Jahr 2018 in Höhe von (noch) Euro 177,07 zu. Überdies kann der Beklagte mit Erfolg die Rückzahlung der unter qualifiziertem Vorbehalt gezahlten Euro 822,- gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB von der Klägerin verlangen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 97, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Die relevanten grundsätzlichen Rechtsfragen sind bereits durch den Bundesgerichtshof in drei Urteilen (NJW 2015, 2177; NZM 2020, 598; NZM 2022, 178) beantwortet und konturiert worden. Die Entscheidung der Kammer erschöpft sich in der Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Einzelfall.

III.

Die Befugnis zur Abänderung des erstinstanzlichen Streitwerts durch das Rechtsmittelgericht folgt aus § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Der Streitwert in erster Instanz ist gem. § 45 Abs. 1 S. 1 GKG auf Euro 3.109,63 festzusetzen.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts betreffen Klage und Widerklage hier nicht in vollem Umfang denselben Gegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG. Ein Gegenstand liegt vor, wenn die beiderseitigen Ansprüche sich dergestalt ausschließen, dass die Zuerkennung des einen die Aberkennung des anderen notwendigerweise bedingt (BDZ/Dörndorfer, 5. Aufl. 2021, GKG § 45 Rn. 4). Danach besteht zwischen Klage und Widerklage nur in Höhe von Euro 822,- Identität. Denn die Klägerin hat die Zahlung restlicher Miete für die Monate Juli-Oktober 2018 geltend gemacht, während der Beklagte widerklagend u. a. die für diesen Zeitraum unter dem Vorbehalt der richterlichen Entscheidung gezahlten Euro 822,- zurückfordert. Insoweit bedingt die Zuerkennung des einen die Aberkennung des anderen Anspruchs. Soweit der Beklagte indes mit der Widerklage die Auszahlung der Betriebskostenguthaben für 2017 (Euro 93,11) und 2018 (Euro 1.050,73) verlangt, besteht keine Identität im vorbezeichneten Sinne, weshalb diese Beträge der mit der Klage zunächst geltend gemachten Summer von Euro 1.965,79 hinzuzurechnen sind. Denn es war jedenfalls nicht per se ausgeschlossen, dass dem Beklagten der Nachweis der – von ihm geltend gemachten – noch höhere Minderungsquote gelingt und in diesem Fall hätte die Zuerkennung der Widerklage in keinem Zusammenhang mit der Abweisung der Klage gestanden.

Die Festsetzung des Streitwerts für die zweite Instanz setzt sich zusammen aus der Höhe, in der die Klägerin die Abweisung der Widerklage begehrt (Euro 1.351,24) sowie den in der ersten Instanz für den erledigten Teil entstandenen – durch Differenzrechnung zu ermittelnden – Kosten (vgl. BGH, NJW-RR 1996, 1210, beck-online). In erster Instanz sind nach einem Streitwert von Euro 3.109,63 Kosten in Höhe von Euro 1.928,- angefallen. Ohne die für erledigt erklärte Klage wären nach einem Streitwert von Euro 1.965,84 Kosten in Höhe von Euro 1.329,30 angefallen. Die Differenz in Höhe von Euro 598,70 ist dem nicht erledigten und mit der Berufung angegriffenen Teil hinzuzurechnen (= Euro 1.949,94).

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