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Mieterhöhungsverlangen – Anspruch des Vermieters auf schriftliche Zustimmung

AG Schöneberg – Az.: 6 C 152/12 – Urteil vom 18.08.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darauf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckungssicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Der Beklagte ist aufgrund eines am 28. April 1998 mit der damaligen Eigentümerin abgeschlossenen Mietvertrages Mieter einer Wohnung im Haus W.straße in B., Seitenflügel links, erstes Obergeschoss links. Die Klägerin erwarb das Objekt und ist seit dem 30. November 2005 im Grundbuch eingetragene Eigentümerin.

Die Wohnung war bis 1918 bezugsfertig und hat eine Wohnfläche von 80 m². Sie ist mit Bad, WC und Sammelheizung ausgestattet. Die Bruttokaltmiete beträgt 485,60 € und ist seit mehr als 15 Monaten unverändert.

Mieterhöhungsverlangen - Anspruch des Vermieters auf schriftliche Zustimmung
Symbolfoto: Von giggsy25/Shutterstock.com

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2011, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 25-28 sowie 51-52 d.A. verwiesen wird, begehrte die Klägerin von dem Beklagten die Zustimmung zu einer Erhöhung der Bruttokaltmiete um 22,79 € auf monatlich 508,39 € ab dem 1. März 2012. Zur Begründung berief sie sich auf das Mietspiegelfeld I 2, teilte den in der Miete enthaltenen Betriebskostenanteil mit 1,32 € je Quadratmeter mit und fügte eine Aufstellung der Betriebskosten für das Jahr 2010 bei.

Der Beklagte zahlte Ende März 2012 den Erhöhungsbetrag für März in Höhe von 22,79 € nach und entrichtet seit April 2012 die erhöhte Miete.

Mit der am 16. April 2012 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zustimmung zur Mieterhöhung. Die Klage ist dem Beklagten am 9. Mai 2012 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 14. Mai 2012 hat der Beklagte die Klageforderung anerkannt und beantragt, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf schriftliche Zustimmung.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, für die von ihm innegehaltene Wohnung im Hause W.straße in B., linker Seitenflügel, 1. OG links, einer Erhöhung der monatlichen Bruttokaltmiete von 485,60 € um 22,79 € auf 508,39 € ab dem 1.3.2012 zuzustimmen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, er habe der Mieterhöhung durch Zahlung der erhöhten Miete bereits schlüssig zugestimmt. Der Klägerin habe von Beginn an das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlage ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zustimmung zu einer Erhöhung der monatlichen Bruttokaltmiete auf 508,39 EUR ab dem 01. März 2012 aus § 558 Abs. 1 BGB nicht zu.

Die Klage ist unzulässig, denn der Klägerin hat schon bei Einreichung der Klage das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gefehlt. Der Beklagte hatte bereits schlüssig der begehrten Mieterhöhung zugestimmt, in dem er für zwei aufeinander folgende Monate die erhöhte Miete vorbehaltlos an die Klägerin entrichtet hat.

Für Mieterhöhungsvereinbarungen gelten die allgemeinen Regeln über Willenserklärungen und Verträge, so dass sie auch konkludent getroffen werden können (BGH NJW 1998, 445 unter II. 1. c) cc); BGH GE 2005, 983, 984). Ob ein Vermieter mit einem Mieter konkludent eine Vereinbarung über die Erhöhung der Miete getroffen hat, ist eine Frage der Auslegung. Hierbei sind gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze sowie der Grundsatz der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung zu berücksichtigen.

Vorliegend liegt die konkludente Zustimmung des Beklagten zur begehrten Mieterhöhung in der seit dem 01. März 2012 vorbehaltlosen Zahlung der erhöhten Miete. Durch die gesonderte Überweisung des Erhöhungsbetrages für März 2012 in Höhe von 22,79 EUR vom 30.03.2012 und der Zahlung der erhöhten Miete ab April 2012 hat der Beklagte der Klägerin deutlich erkennbar zu verstehen gegeben, dass er der begehrten Mieterhöhung zustimmt, denn aus der Zahlung der erhöhten Miete kann der Vermieter nur den Schluss ziehen, der Mieter wolle damit die verlangte Zustimmungserklärung abgeben. Denn die stärkste Form konkludenten Verhaltens ist die Zahlung. Für eine konkludente Zustimmung genügt auch die zweimalige, vorbehaltlose Zahlung (Amtsgericht Schöneberg, Urteil vom 21.05.2008, 6 C 158/08; Münch-Komm-Artz, BGB, 4. Aufl., § 558 b, Rdnr. 4). Die konkludente Zustimmung hat aber zur Folge, dass der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage von Beginn an fehlte, denn mit der Klage kann sie nicht mehr erreichen, als sie bereits erhalten hat.

Wenn man das nicht genügen lassen würde, ist die Klage aber zumindest unbegründet. Der Anspruch der Klägerin ist durch Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen, denn der Beklagte hat der Erhöhung zugestimmt. Der Beklagte hat in seinem Schriftsatz vom 14. Mai 2012 unmissverständlich erklärt, dass er der begehrten Mieterhöhung zugestimmt  und hat spätestens damit die von der Klägerin begehrte Willenserklärung abgegeben, so dass der Erlass des von der Klägerin begehrten Anerkenntnisurteils nicht mehr in Betracht kam. Durch das von der Klägerin begehrte Urteil würde die Willenserklärung des Beklagten ersetzt werden. Hierfür ist aber dann kein Raum mehr, wenn die Willenserklärung abgegeben worden ist, was hier – folgte man der Klägerin – spätestens mit Schriftsatz vom 14. Mai 2012 in Verbindung mit den seit März 2012 erfolgten Zahlungen erfolgt ist. Die Klägerin hätte vielmehr ihr prozessuales Verhalten der neuen Situation anpassen und unter Berücksichtigung ihrer Rechtansicht den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären müssen.

Der Beklagte ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht verpflichtet, die Zustimmung schriftlich zu erteilen. Einen Anspruch auf eine schriftliche Zustimmung zur Mieterhöhung hat die Klägerin nicht. Er ergibt sich weder aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag noch aus dem Gesetz.

Für die Zustimmung des Mieters gemäß § 558 b BGB ist gesetzlich eine besondere Form nicht vorgeschrieben. Das Gesetz verlangt Schriftform nicht einmal für das Mieterhöhungsverlangen des Vermieters, sondern lässt hierfür die Textform ausreichen. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Schriftformabrede in § 21 des Mietvertrages berufen. Diese ist zum einen unwirksam (vgl. zuletzt Brandenburgisches ObLG, Urteil vom 4.7.2012 zu 7.U.204/11), zum anderen stellt das einseitige Mieterhöhungsverlangen des Vermieters keine Vertragsänderung oder -ergänzung dar.

Zudem handelt es sich bei § 21 des Mietvertrages um eine sog. doppelte Schriftformklausel, die gemäß §§ 305 b, 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist. Schriftformklauseln, die für Vertragsänderungen konstitutiv die Einhaltung der Schriftform fordern, verstoßen gegen § 305 b BGB (BGH NJW 1991, 1751; 1995, 1488; 2001, 292; LG Berlin GE 2005, 1432, 1433, MM 2008, 334). Bei dem Beklagten entsteht der Eindruck, dass trotz entgegen stehender Gesetzeslage, die für die Zustimmung des Mieters gemäß § 559 b BGB eine besondere Form gerade nicht vorschreibt, die Zustimmung zur Mieterhöhung der Schriftform unterliegt. Sie stellt sich daher aus Sicht des Mieters als bindende Regelung dar, deren Nichteinhaltung zwangsläufig zur Unwirksamkeit anderer, auch mündlicher Änderungsvereinbarungen führen würde. Dadurch wird der Beklagte unangemessen benachteiligt. Außerdem handelt es sich vorliegend um eine sog. doppelte Schriftformklausel, die nicht nur für Vertragsänderungen die Schriftform vorschreibt, sondern auch Änderungen der Schriftformklausel ihrerseits der Schriftform unterstellt (sog. doppelte Schriftformklausel) erweckt den Eindruck, als könnte sie nicht durch eine die Schriftform nicht wahrende Vereinbarung abbedungen werden. Sie käme dann einer konstitutiven Schriftformklausel gleich, weil bei einer solchen Klausel Änderungen und Ergänzungen des Vertrags ohne Beachtung der Schriftform unwirksam wären. Dies widerspräche dem in § 305 b BGB niedergelegten Grundsatz des Vorrangs der Individualvereinbarung. Unwirksam ist deshalb eine Schriftformklausel, wenn sie dazu dient, nach Vertragsschluss getroffene Individualvereinbarungen zu unterlaufen, indem sie beim anderen Vertragsteil den Eindruck erweckt, eine mündliche Abrede sei entgegen § 305 b BGB unwirksam. Solche Klauseln sind geeignet, den Vertragspartner von der Durchsetzung der ihm zustehenden Rechte abzuhalten. Die Bedeutung der Schriftformklausel liegt in einer stets unzutreffenden Belehrung über die Rechtslage. Diese Irreführung des Vertragspartners benachteiligt ihn unangemessen i.S. von § 307 Abs. 1 BGB, weil sie intransparent ist. Der Klauselgegner wird davon abgehalten, sich auf die Rechte zu berufen, die ihm auf Grund einer wirksamen mündlichen Vereinbarung zustehen (BAG NJW 2009, 316 m.w.N.). Das gilt auch für sog. doppelte Schriftformklausel wie hier § 21 des Mietvertrages. Sieht man es im Hinblick auf § 307 Abs. 1 BGB bereits als unzulässig an, Klauseln in Formularverträgen aufzunehmen, durch die ein genereller Formzwang für individuelle Vertragsänderungen begründet werden soll, so kann erst recht eine Verwendung von Klauseln nicht zulässig sein, durch die einem solchen Formzwang ein erhöhter Bestandsschutz verliehen werden soll (OLG Rostock GE 2009, 1492 f.).

Darüber hinaus stellt das einseitige Mieterhöhungsverlangen des Vermieters keine Vertragsänderung oder -ergänzung dar. Zu einer solchen kann es erst durch die Zustimmung des Mieters zu einer bestimmten Mieterhöhung kommen (BGH GE 2011, 121).

Das Gesetz schreibt für die Zustimmungserklärung des Mieters aber nicht einmal die Textform vor. Seine Willenserklärung kann grundsätzlich formfrei erfolgen, also sowohl schriftlich, mündlich, telefonisch, per Telefax, auf den Anrufbeantworter gesprochen, per E-mail oder in jeder sonst denkbaren Form (vgl. Börstinghaus, jurisPR-MietR 10/2007, Anm. 2), also auch durch mehrmalige vorbehaltlose Zahlung. Der Gesetzgeber hat der Zustimmung durch vorbehaltlose Zahlung sogar dadurch Rechnung getragen, dass er mit Einführung des Mietrechtsmodernisierungsgesetzes zum 1. September 2001 die Klagefrist von zwei auf drei Monate verlängert hat, weil in der Rechtsprechung erst die mehrmalige Zahlung der erhöhten Miete als konkludente Zustimmung gewertet worden war und die Vermieter nicht gezwungen sein sollten, verfrüht Klage zu erheben.

Bei auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietverträgen besteht im Hinblick auf § 550 BGB ein Anspruch des Vermieters auf eine schriftlich erteilte Zustimmung ebenfalls nicht. Zum einen geht das Mieterhöhungsverfahren gemäß §§ 558 ff. BGB als lex specialis dem § 550 BGB vor. Auch der Schutz des Erwerbers des Mietobjekts, dem § 550 BGB dient, erfordert keine schriftliche Erklärung des Mieters. Zum einen können die bisherigen Zahlungen leicht festgestellt werden, zum anderen ist eine Mieterhöhung für den künftigen Vermieter nur von Vorteil. Schließlich müsste, um der Schriftform eines Änderungsvertrages zu genügen, auch eine einheitliche Urkunde hergestellt werden (Dr. Schmid, Anspruch auf schriftliche Zustimmung zur Mieterhöhung, ZMR 2007, 514, 515). Den Parteien bleibt es unbenommen, gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 BGB nachträglich eine dem § 126 BGB entsprechende Beurkundung zu verlangen (BGH GE 2011, 121).

Auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben kann die Klägerin eine gesonderte schriftliche Zustimmungserklärung nicht verlangen. Beweisschwierigkeiten gibt es nicht. Der Beklagte zahlt die Mieten bargeldlos, so dass die Klägerin anhand von Kontoauszügen die Zahlungen beweisen kann. Zwar wäre die Klägerin gegebenenfalls daran gehindert, in der Zukunft nicht gezahlte Mieten im Urkundsprozess geltend zu machen, weil ihr eine schriftliche Zustimmungserklärung fehlt. Dies gibt für sich allein dem Vermieter aber noch keinen Anspruch gegen den Mieter auf Ausstellen einer solchen Urkunde, zumal auch hier die Klägerin Kontoauszüge über die Miethöhe vorlegen könnte (Börstinghaus aaO.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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