Skip to content
Menü

Mieterhöhungsverlangen – Begründung mit Nettokaltmietspiegel

LG Berlin, Az.: 63 S 146/13

Urteil vom 20.12.2013

Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – das am 21. März 2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg – 107 C 352/12 – abgeändert und neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, der Erhöhung der Bruttokaltmiete für die Wohnung … 67, … Berlin, Vorderhaus, 3. OG rechts, von 589,89 EUR um 102,13 EUR auf monatlich 692,02 EUR ab dem 1. Juni 2012 zuzustimmen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 13 % und die Beklagten 87 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Mieterhöhungsverlangen – Begründung mit Nettokaltmietspiegel
Foto: fizkes/Bigstock

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestands gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

Die Beklagten sind aufgrund der Mieterhöhungserklärung vom 9. März 2012 gemäß § 558 Abs. 1 BGB verpflichtet, einer Erhöhung der Bruttokaltmiete für die von ihnen innegehaltene Wohnung von 589,89 EUR um 102,13 EUR auf monatlich 692,02 EUR ab dem 1. Juni 2012 zuzustimmen. Diese Miete übersteigt die ortsübliche Miete nicht.

Das Mieterhöhungsverlangen ist nicht formell fehlerhaft.

Es entspricht der zwischen den Parteien vereinbarten Mietstruktur. Hierbei handelt es sich um eine Bruttokaltmiete, wie sich aus der Vereinbarung vom 18. Oktober 2011 eindeutig ergibt. Denn in der vom Mieter zu zahlenden Miete sind die laufenden Betriebskosten enthalten. Es ist hierbei im Rahmen der ortsüblichen Miete egal, ob es sich dabei um eine feste Pauschale handelt oder diese ggf. erhöht werden kann. Im Fall einer solchen Miete, welche die Betriebskosten enthält, ist ein Anpassung an die in einem Mietspiegel ausgewiesenen Nettobeträge erforderlich. Hierzu sind die in der Miete enthaltenen Betriebskosten anzugeben. Im Rahmen der formellen Begründetheit, genügt die bloße Angabe der Betriebskosten. Ob diese richtig sind, ist eine Frage der materiellen Begründetheit (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2005 – VIII ZR 41/05, WuM 2006, 39; BGH, Urteil vom 12. Juli 2006 – VIII ZR 215/05, GE 2006, 1162).

Die Vereinbarung vom 18. Oktober 2011, die eine Modernisierungserhöhung gemäß § 559 BGB a. F. zum Gegenstand hat, schließt eine Mieterhöhung nach § 558 BGB nicht aus. Die Parteien haben einen solchen Ausschluss auch nicht gemäß § 557 Abs. 3 BGB vereinbart. Die Mieterhöhungen nach § 559 a. F. BGB und § 558 BGB sind, entgegen der Auffassung der Beklagten, voneinander unabhängig und ggf. auch nebeneinander durchsetzbar (BGH, Urteil vom 9. April 2008 – VIII ZR 287/06, GE 2008, 441; BGH, Urteil vom 24. September 2008 – VIII ZR 275/07, GE 2008, 1485).

Die Wartefrist gemäß § 558 Abs. 1 BGB ist eingehalten. Die Mieterhöhung aufgrund der Vereinbarung der Parteien vom 18. Oktober 2011 beruht auf einer vorangegangenen Modernisierung. Diese setzt keine neue Wartefrist in Gang (BGH, Urteil vom 9. April 2008 – VIII ZR 286/06).

Der vereinbarte Modernisierungszuschlag ist auch zutreffend als Ausgangsmiete zugrunde gelegt worden. Denn es handelt sich bei den nach Auffassung der Beklagten noch fehlenden Restarbeiten am Fußboden um solche, welche die Modernisierung selbst nicht in Frage stellen und ggf. nur Herstellungs- und Gewährleistungsansprüche begründeten.

Das Zustimmungsbegehren der Kläger ist in der Sache teilweise begründet.

Die ortsübliche Miete ist anhand des Berliner Mietspiegels 2011 zu ermitteln, der ein qualifizierter Mietspiegel im Sinne von § 558 d BGB ist. Aufgrund der in § 558 d Abs. 3 BGB enthaltenen gesetzlichen Vermutung ist in Verbindung mit § 292 ZPO davon auszugehen, dass die innerhalb der Spanne liegenden Mietwerte die ortsübliche Miete für die Wohnungen des jeweiligen Mietspiegelfelds widerspiegeln. Einschlägig für die 127,03 m² große Wohnung ist das Rasterfeld J 2, das eine Spanne von 3,95 EUR/m² bis 5,80 EUR/m² und einen Mittelwert von 4,77 EUR/m² ausweist.

Die Bestimmung der konkreten ortsüblichen Miete innerhalb der Spanne kann durch eine Schätzung erfolgen. Die Voraussetzungen gemäß § 287 Abs. 2 ZPO sind gegeben. Bei der Beauftragung eines Sachverständigen fallen Kosten an, die zur Höhe der streitigen Mieterhöhung außer Verhältnis stehen. Diese sind jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn neben dem qualifizierten Mietspiegel eine Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung zur Verfügung steht. Auch wenn dieser die Vermutungswirkung des § 558 d Abs. 3 BGB nicht zukommt, hindert dies ihre Heranziehung als Schätzgrundlage nach § 287 ZPO nicht. Die Orientierungshilfe wird vom umfassenden Sachverstand der an der Mietspiegelerstellung beteiligten Experten getragen werden und berücksichtigt die bisherigen Erkenntnisse der Praxis und der Rechtsprechung. Ihr liegt wie dem Mietspiegel eine umfassende Datenmenge zugrunde, die den Verhältnissen auf dem Berliner Wohnungsmarkt hinreichend Rechnung trägt (BGH, Urteil vom 20. April 2005 – VIII ZR 110/04, GE 2005, 663).

Zu den einzelnen Merkmalen der Orientierungshilfe hat nach den allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast jede Partei die tatsächlichen Voraussetzungen der für sie jeweils günstigen wohnwerterhöhenden bzw. wohnwertmindernden Merkmale vorzutragen und ggf. zu beweisen.

Hinsichtlich der einzelnen Merkmalgruppen gilt hierbei Folgendes:

Gruppe 1 (Bad/WC)

Diese Merkmalgruppe ist negativ. Das kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden.

Gruppe 2 (Küche)

Diese Merkmalgruppe ist neutral. Wohnwertmindernde Merkmale werden von den Beklagten nicht vorgetragen, sodass diese Merkmalgruppe mindestens als neutral einzustufen ist. Ob die zwischen den Parteien streitige Größe der Küche eine insgesamt positive Bewertung dieser Merkmalgruppe begründet, kann dahinstehen. Es kommt im Ergebnis hierauf nicht an.

Gruppe 3 (Wohnung)

Diese Merkmalgruppe ist negativ. Das kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden.

Gruppe 4 (Gebäude)

Diese Merkmalgruppe ist neutral. Wohnwerterhöhend ist eine moderne Heizung aufgrund der im Rahmen der Modernisierung 2011 eingebauten Etagenheizung zu berücksichtigen. Daneben kann die von den Beklagten behauptete Durchfeuchtung des Kellers zu ihren Gunsten als wohnwertmindernd unterstellt werden. Die Merkmalgruppe ist danach jedenfalls als neutral zu bewerten.

Gruppe 5 (Wohnumfeld)

Diese Merkmalgruppe ist negativ. Das kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden.

Danach liegen drei negative, zwei neutrale und keine positive Merkmalgruppe vor, sodass der vom Mietspiegel ausgewiesene Mittelwert um 60 % der Spanne zum Unterwert zu vermindern ist.

Angesichts der von den Parteien vereinbarten Bruttokaltmiete bedurfte es zudem einer Anpassung der vom Berliner Mietspiegel ausgewiesenen Nettomieten. Zur Herstellung einer Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Mietstrukturen ist den Nettobeträgen des Mietspiegels ein Zuschlag in Höhe der im Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens feststellbaren tatsächlichen Betriebskosten hinzuzurechnen, welche auf die streitgegenständliche Wohnung entfallen (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2005 – VIII ZR 41/05, GE 2006, 46). Diese belaufen sich hier auf 1,30 EUR/m². Gegen die von der Klägerin hierzu vorgelegte Aufstellung anhand der Abrechnung für 2011 haben die Beklagten – ggf. nach Einsicht in die entsprechenden Unterlagen bei der Klägerin – keine konkreten Einwände vorgebracht.

Die ortsübliche Bruttokaltmiete gemäß § 558 Abs. 1 BGB berechnet sich danach wie folgt:

Mietspiegel 2011

Rasterfeld J 2 (Mittelwert) 4,77 EUR/m²

abzüglich 60 % der Spanne zum Unterwert (3,95 EUR/m²) -0,49 EUR/m²

Zuschlag für Bruttokaltmiete 1,30 EUR/m² 5,58 EUR/m² × 127,03 m² Wohnungsgröße ortsübliche Bruttokaltmiete 708,83 EUR

Auf der Grundlage dieser vorgenannten ersichtlichen Miete ist das Mieterhöhungsverlangen jedoch nur bis zur Höhe der aufgrund der Kappungsgrenze von 20 % gemäß § 558 Abs. 3 BGB zulässigen Miete begründet. Diese beläuft sich unter Berücksichtigung der am 1. Juni 2009 in Höhe von 510,66 EUR geschuldeten Miete und der zwischenzeitlichen Mieterhöhungen nach §§ 559 bis 560 a. F. BGB in Höhe von insgesamt 79,23 EUR auf 692,02 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!