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Widerspruch gegen Mietvertragsverlängerung vor Ablauf der Kündigungsfrist

AG Hamburg – Az.: 48 C 113/21 – Urteil vom 25.11.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.377,40 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die geräumte Herausgabe einer in seinem Eigentum stehenden Wohnung.

Die Parteien sind seit Erwerb der streitgegenständlichen Wohnung durch den Kläger zu Eigentum nach Maßgabe des vom Beklagten am 21.6.1988 geschlossenen Vertrages mietvertraglich verbunden. In dem Vertrag ist eine Kündigungsfrist von 12 Monaten vereinbart, wenn das Mietverhältnis seit mehr als 10 Jahren andauert.

Widerspruch gegen Mietvertragsverlängerung vor Ablauf der Kündigungsfrist
(Symbolfoto: create jobs 51/Shutterstock.com)

Unter dem 29.8.2018 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten die ordentliche Kündigung des Mietvertrages zum 31.8.2019 und begründete diese mit Eigenbedarf. In diesem Schreiben heißt es auszugsweise: „Ich bitte darum, die Wohnung spätestens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, folglich dem 01.09.2019 zu räumen.“ Zugleich bot er dem Beklagten für den Fall eines früheren Auszugs einen Geldbetrag in Höhe von 200 Euro pro Monat an. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage K3 Bezug genommen.

In der Folgezeit versuchte der Kläger mehrfach, mit dem Beklagten in Kontakt zu treten und ggf. einen früheren als den im Kündigungsschreiben genannten Auszugstermin zu vereinbaren. Auch bis zum 1.9.2019 sowie innerhalb der darauf folgenden zwei Wochen widersprach der Kläger nicht ausdrücklich einer stillschweigenden Fortsetzung des Mietverhältnisses durch fortgesetzten Gebrauch der Mietsache. Der Beklagte wohnte auch nach Ablauf der genannten Frist mit Wissen des Klägers weiter in der Wohnung.

In seiner daraufhin bei Gericht über das besondere elektronische Anwaltspostfach seiner Prozessbevollmächtigten mit qualifizierter elektronischer Signatur eingereichten Klageschrift, die dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 11.5.2021 als Papierausdruck gegen Empfangsbekenntnis per Post zugestellt wurde, ließ der Kläger über seine Prozessbevollmächtigte erneut eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.12.2021 erklären. Das Schreiben erreichte weder den Beklagten noch seinen Prozessbevollmächtigten mit einer Originalunterschrift der Prozessbevollmächtigten des Klägers.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.9.2021 überreichte die Klägervertreterin dem Beklagten ein eigenhändig unterschriebenes Schreiben mit ordentlicher Kündigung wegen Eigenbedarfs zum 30.9.2022.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die im Hause [………]-Straße, 1. OG rechts, [………] H. belegene Wohnung, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Flur, Bad, WC, zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben,

  • hilfsweise den Beklagten zur geräumten Herausgabe der von ihm inne gehaltenen Wohnung in der [………]-Straße, 1. OG rechts, [………] H., zum 01.01.2022 zu verurteilen,
  • hilfsweise den Beklagten zur geräumten Herausgabe der von ihm inne gehaltenen Wohnung in der [………]-Straße, 1. OG rechts, [………] H., zum 01.05.2022 zu verurteilen,
  • hilfsweise den Beklagten zur geräumten Herausgabe der von ihm inne gehaltenen Wohnung in der [………]-Straße, 1. OG rechts, [………] H., zum 01.10.2022 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Gewährung einer angemessenen Räumungsfrist, und stellt einen Antrag nach § 712 ZPO.

Auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrags unbegründet.

Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf geräumte Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nach §§ 546 Abs. 1, 985 BGB besteht zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht.

Der zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag wurde nicht durch die ordentliche Kündigung vom 29.8.2018 beendet, weil sich das Mietverhältnis jedenfalls gem. § 545 BGB stillschweigend auf unbestimmte Zeit über den 1.9.2019 hinaus verlängert hat. Es bedarf daher keiner Entscheidung darüber, ob der Kläger diese Kündigung auf einen Kündigungsgrund stützen konnte.

Der Kläger hat seinen einer stillschweigenden Verlängerung entgegenstehenden Willen nicht fristgemäß gegenüber dem Beklagten erklärt.

Einen ausdrücklichen fristgemäßen Widerspruch innerhalb von zwei Wochen nach möglicher Beendigung des Mietvertrages hat der Kläger nicht vorgetragen.

Allerdings kann der Vermieter seinen Widerspruch auch schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zum Ausdruck bringen. Insbesondere bei der Bewertung vorfristiger Erklärungen kommt es darauf an, dass nach den Gesamtumständen für den Mieter der eindeutige Wille des Vermieters erkennbar wird, dass eine Fortsetzung nicht gewünscht ist (BGH NJW 2010, 2124 Rn. 11). Nach der Rechtsprechung des BGH a.a.O. ist dies im Falle eines im Kündigungsschreiben enthaltenen ausdrücklichen Widerspruchs regelmäßig der Fall.

Ein solcher – ausdrücklicher – Widerspruch ist hier nicht erfolgt.

Im Übrigen hat der BGH a.a.O. offen gelassen, inwiefern die zeitliche Distanz des Vertragsendes für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als ggf. konkludente Widerspruchserklärung relevant ist. In jedem Falle dürfen am mangelnden Fortsetzungswillen keine Zweifel bestehen (BGH, a.a.O.).

Bei zwischen Kündigung und Vertragsbeendigung getätigten Erklärungen des Vermieters sind insoweit hohe Maßstäbe anzusetzen, insbesondere wenn es sich um keine fristlose Kündigung handelt, der Vermieter selbst das Datum des Auszugs zur Disposition gestellt und der Mieter seinen Willen, in der Wohnung zu verbleiben, zum Ausdruck gebracht hat. Eine solche Auslegung gebietet auch das gesteigerte Schutzbedürfnis des Mieters, der mit einer ordentlichen Kündigung konfrontiert ist, ohne dass ihn daran ein Verschulden trifft. Es reicht dann nicht aus, wenn der Vermieter den Mieter um Räumung zum Ablauf der Frist bittet oder wiederholt mit dem Mieter in Kontakt tritt, um einen Übergabetermin abzustimmen. Ist der Vermieter (mehrfach) an den Mieter mit dem Wunsch herangetreten, er begehre eine Vorverlegung des Auszugstermins, ohne zuvor ausdrücklich klargestellt zu haben, dass zum kalendermäßigen Vertragsende eine stillschweigende Fortsetzung nicht gewollt sei, so trifft den Vermieter jedenfalls dann, wenn der Mieter diesem Anliegen nicht näherzutreten vermochte, die Obliegenheit, innerhalb der Frist des § 545 BGB ausdrücklich klarzustellen, dass für ihn der Zeitpunkt des Auszugs unabhängig von einer etwaigen einvernehmlichen Vorverlegung jedenfalls zum kalendermäßigen Vertragsende nicht zur Disposition steht.

Die sonstige hierzu ergangene obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. OLG Brandenburg BeckRS 2011, 02106, OLGR München 1994, 63, OLG Hamburg NJW 2010, 2124) ist auf den hier zu entscheidenden Fall nicht oder nur eingeschränkt übertragbar, da es sich um Gewerbemiete bzw. eine fristlose Kündigung handelt.

2. Der Hilfsantrag, mit dem der Kläger eine Räumung zum 1.1.2022 begehrt, ist unbegründet.

Dies folgt schon daraus, dass die in der Klageschrift enthaltene Kündigungserklärung nicht in einer der Formvorschrift der §§ 568, 126 Abs. 1 BGB genügenden Weise dem Beklagten zugegangen ist. Auch die hier gemäß § 126 Abs. 3 BGB grundsätzlich anwendbare Formvorschrift des § 126a BGB ist nicht eingehalten, da weder dem Beklagten selbst noch seinem Prozessbevollmächtigten ein elektronisches Dokument mit qualifizierter elektronischer Signatur der Klägervertreterin zugegangen ist.

Darüber hinaus steht die vertraglich vereinbarte Jahresfrist für eine Kündigung einer Beendigung zum 1.1.2022 entgegen.

3. Die Hilfsanträge, mit denen der Kläger Räumung zum 1.5.2022 bzw. zu späteren Terminen begehrt, sind unzulässig.

Die Voraussetzungen für die Titulierung einer künftigen Räumung liegen jeweils nicht vor.

Nach § 259 ZPO kann Klage auf künftige Leistung erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass sich der Schuldner der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Eine Besorgnis nicht rechtzeitiger Räumung einer Wohnung durch den beklagten Mieter ist dann nicht gerechtfertigt, wenn schon nach Zugrundelegung des Klägervortrags die Widerspruchsfrist des § 574b Abs. 2 BGB nicht abgelaufen ist und sich der Mieter bislang nicht zur Erhebung eines möglichen Widerspruchs verhalten hat.

So liegt der Fall hier. Im Falle einer Beendigung des Mietverhältnisses zum 1.5.2022 oder zu einem späteren Zeitpunkt wäre die Widerspruchsfrist des Beklagten noch nicht abgelaufen. Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt konnte der Beklagte noch Widerspruch gegen die Kündigung nach § 574 BGB erheben. Er hat eine Entscheidung darüber, ob er einen Widerspruch nach dieser Vorschrift erheben will, bis zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht zum Ausdruck gebracht.

Insoweit ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass sich dem bloßen Vortrag des Mieters, mit dem er auf nachteilige Auswirkungen der Kündigung auf seine Lebenssituation oder seinen Wohnbedarf hinweist oder mit dem er den behaupteten Kündigungsgrund in Abrede stellt, noch keine Entscheidung darüber entnehmen lässt, ob der Mieter damit zugleich sein Widerspruchsrecht nach § 574 BGB geltend macht. Dies stellt vielmehr regelmäßig ein von der Ausübung des Widerspruchsrechts unabhängiges Verteidigungsvorbringen dar.

Sähe man dies anders und erkannte man in jeglichem Vorbringen des Mieters, mit dem dieser der ausgesprochenen Kündigung und ihren Folgen entgegenzutreten sucht, die Ausübung des Widerspruchsrechts, so würde einem vor Ablauf der Widerspruchsfrist mit einer Räumungsklage konfrontierten Mieter das in § 574 Abs. 1 S. 1 BGB ihm überlassene fristgebundene Wahlrecht („kann“) gleichsam automatisch genommen, sobald er sich effektiv gegen die Klage verteidigt, weil dies stets als Widerspruch gegen die Kündigung zu werten wäre. Der Mieter ist indes nicht gezwungen, von einem etwaigen Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen. Es können für ihn vielfältige Gründe dafür sprechen, davon abzusehen.

Eine gerichtliche Entscheidung, die einer diesbezüglichen Äußerung über die Widerspruchsentscheidung zuvorkäme, würde dem Mieter die ihm von Gesetzes wegen zustehende Bedenk- und Entscheidungszeit verkürzen. Der Vermieter hingegen hat in einer Fallkonstellation wie der hiesigen kein berechtigtes Interesse an einer vorzeitigen gerichtlichen Entscheidung. Denn entscheidungserhebliche Einwendungen des Mieters stehen in tatsächlicher Hinsicht noch nicht fest.

Dies betrifft insbesondere auch die Kündigungserklärung zum 30.9.2022, die dem Beklagten anlässlich der mündlichen Verhandlung überreicht wurde.

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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