Mietrecht: AG Spandau bestätigt Kündigung wegen Verweigerung von Rauchwarnmeldern und Warmwasserzählern
Das Urteil des AG Spandau (Az.: 6 C 217/21) bestätigt die Rechtmäßigkeit der Kündigung eines Mietverhältnisses aufgrund erheblicher Pflichtverletzungen der Mieterin. Diese Verletzungen bestanden insbesondere in der wiederholten Verweigerung, den Einbau von Rauchwarnmeldern und den Austausch von Warmwasserzählern in ihrer Wohnung zuzulassen. Trotz mehrfacher Aufforderungen und Ankündigungen durch die Hausverwaltung und den Kläger missachtete die Beklagte ihre Duldungspflichten. Das Gericht gewährte der Beklagten eine Räumungsfrist bis zum 31.03.2023, nachdem die Beklagte aufgrund einer depressiven Störung und Verwahrlosung der Wohnung eine stationäre Behandlung aufgenommen hatte und nicht zum Gerichtstermin erschien.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils bestätigt die Rechtmäßigkeit der Kündigung des Mietverhältnisses.
- Die Pflichtverletzungen betreffen den wiederholten Verstoß gegen die Duldungspflicht für notwendige bauliche Maßnahmen (Rauchwarnmelder und Warmwasserzähler).
- Die Abmahnungen des Vermieters blieben erfolglos, was die Schwere der Pflichtverletzung unterstreicht.
- Die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand aufgrund der Nichtwahrnehmung des Gerichtstermins durch die Beklagte wegen einer stationären Behandlung.
- Die Räumungsfrist bis zum 31.03.2023 berücksichtigt die Interessen beider Parteien angemessen.
- Das Gericht wertet die Verweigerungshaltung der Beklagten als erhebliche und schuldhafte Verletzung mietvertraglicher Pflichten.
- Die gesetzliche Verpflichtung des Vermieters zum Einbau von Rauchwarnmeldern unterstreicht die Notwendigkeit der Duldung durch die Mieterin.
- Trotz der depressiven Störung der Beklagten sieht das Gericht kein ausreichendes Entschuldigungsmoment für das Nichterfüllen der Duldungspflichten.
Übersicht
Mietvertrag: Die Erheblichkeit von Pflichtverletzungen im Fokus
Eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Dazu zählt die schuldhafte Verletzung mietvertraglicher Pflichten durch den Mieter, die nicht unerheblich sein darf. Die Anforderungen an die Erheblichkeit der Pflichtverletzung sind für eine fristgerechte Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB geringer als bei einer fristlosen Kündigung.
Einige Beispiele für erhebliche Pflichtverletzungen sind das beharrliche Leugnen der Pflichtverletzung durch den Mieter, die beharrliche Weigerung, erforderliche Schönheitsreparaturen auszuführen, oder die Störung des Hausfriedens. Der Vermieter kann den Mietvertrag jedoch nur dann ordentlich kündigen, wenn der Mieter die Pflichtverletzung verschuldet hat.
Die Erheblichkeit der Pflichtverletzung wird im Rahmen einer umfassenden Abwägung ermittelt, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Dazu zählen die beanstandungsfreie Dauer des bisherigen Mietverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der dem Mieter zur Last zu legende Grad des Verschuldens.
Ein konkretes Urteil zu diesem Thema kann dabei helfen, die rechtlichen Herausforderungen besser zu verstehen und die Anforderungen an eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zu ermitteln.
Im Herzen Berlins traf das Amtsgericht Spandau eine Entscheidung, die weit über die Grenzen der Hauptstadt Beachtung findet. Im Fall 6 C 217/21 verhandelte das Gericht über die Rechtmäßigkeit einer Kündigung eines Mietverhältnisses aufgrund wiederholter Pflichtverletzungen durch die Mieterin. Kern des Streits waren der ausbleibende Einbau von Rauchwarnmeldern und der Austausch von Warmwasserzählern, trotz mehrfacher Aufforderungen und gesetzter Fristen durch die Hausverwaltung.
Verweigerung als Auslöser rechtlicher Auseinandersetzungen
Die Mieterin, eine langjährige Bewohnerin der Wohnung, deren Mietverhältnis nach dem Tod ihrer Mutter fortgeführt wurde, stand im Zentrum der juristischen Kontroverse. Trotz vorheriger Ankündigungen und Terminsetzungen durch die Hausverwaltung verweigerte sie wiederholt den Zugang zu ihrer Wohnung für notwendige Arbeiten. Diese bestanden aus dem Einbau von Rauchwarnmeldern und dem Austausch der Warmwasserzähler, Maßnahmen, die sowohl der Sicherheit aller Hausbewohner als auch der Instandhaltung der Wohnanlage dienen sollten.
Das rechtliche Problem der Duldungspflicht
Das rechtliche Problem drehte sich um die Duldungspflicht des Mieters gegenüber Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Laut § 555d Abs. 1 BGB ist der Mieter verpflichtet, Modernisierungsmaßnahmen zu dulden, die der nachhaltigen Erhöhung des Gebrauchswerts der Mietsache oder der Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse dienen. Das Nichtöffnen der Tür und die Verweigerung des Zugangs stellten somit eine nicht unerhebliche Verletzung mietvertraglicher Pflichten dar.
Urteil des AG Spandau: Ein Präzedenz für Mietrecht
Das Amtsgericht Spandau entschied, dass die fortgesetzte Verweigerung der Mieterin, den Handwerkern Zugang zu gewähren, eine erhebliche Pflichtverletzung darstellt, die die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigt. Besonders hervorgehoben wurde das wiederholte Ignorieren von Terminankündigungen und Abmahnungen, was die Ernsthaftigkeit der Vertragsverletzung unterstreicht. Die Entscheidung des Gerichts, die Kündigung aufrechtzuerhalten und der Beklagten eine Räumungsfrist bis zum 31. März 2023 zu gewähren, spiegelt die Notwendigkeit wider, sowohl den Schutz der Wohnanlage als auch die Rechte des Vermieters zu wahren.
Die Abwägung zwischen Mieterrechten und Vermieterpflichten
In seiner Urteilsbegründung nahm das Gericht eine umfassende Abwägung vor. Es berücksichtigte die Dauer des Mietverhältnisses, die Schwere der Pflichtverletzung, die Wiederholungsgefahr sowie das Verschulden der Mieterin. Trotz des Verständnisses für die persönlichen Umstände der Mieterin, wie ihre psychische Erkrankung und die Verwahrlosung der Wohnung, betonte das Gericht die Notwendigkeit, dass Mieter die Durchführung von Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen nicht unbegründet verweigern dürfen.
Das Urteil des Amtsgerichts Spandau setzt damit klare Richtlinien für die Auslegung der Duldungspflicht im Mietrecht. Es verdeutlicht die Grenzen der Toleranz gegenüber Pflichtverletzungen und betont die Bedeutung von Kooperation und Kommunikation zwischen Mieter und Vermieter.
Fazit: Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Einhaltung mietvertraglicher Pflichten und dient als Mahnung an Mieter, den Zugang für notwendige Instandhaltungs- und Modernisierungsarbeiten nicht zu verwehren.
✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
Was regelt der Paragraph 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Mietrecht?
Der Paragraph 573 Absatz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) regelt im Mietrecht, dass ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses dann vorliegt, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Mieter wiederholt die Miete nicht oder nicht vollständig zahlt, den Hausfrieden stört oder die Mietsache vertragswidrig nutzt. Eine solche Pflichtverletzung berechtigt den Vermieter dazu, das Mietverhältnis ordentlich zu kündigen, vorausgesetzt, die Kündigung erfolgt unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen und Formvorschriften.
Welche Rolle spielt die Duldungspflicht des Mieters bei Modernisierungsmaßnahmen nach dem BGB?
Die Duldungspflicht des Mieters bei Modernisierungsmaßnahmen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist in § 555d BGB geregelt. Diese Vorschrift verpflichtet den Mieter grundsätzlich dazu, Modernisierungsmaßnahmen zu dulden. Modernisierungsmaßnahmen umfassen dabei solche Arbeiten, die entweder den Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöhen, die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessern, Energie oder Wasser sparen oder den Wohnwert der Mietsache erhöhen.
Duldungspflicht und Ausnahmen
Nach § 555d Abs. 1 BGB muss der Mieter Modernisierungsmaßnahmen grundsätzlich dulden. Es gibt jedoch wichtige Ausnahmen von dieser Regel. Eine Duldungspflicht besteht nicht, wenn die Modernisierungsmaßnahme für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine unzumutbare Härte darstellen würde, die auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Vermieters und anderer Mieter nicht gerechtfertigt ist.
Härtefallregelung
Die Härtefallregelung ist ein zentraler Aspekt der Duldungspflicht. Sie ermöglicht es dem Mieter, sich gegen die Duldung von Modernisierungsmaßnahmen zu wehren, wenn diese eine besondere Härte für ihn, seine Familie oder Haushaltsangehörige bedeuten würden. Zu den Härtegründen zählen beispielsweise gesundheitliche Beeinträchtigungen oder eine erhebliche finanzielle Belastung. Der Mieter muss solche Härtegründe dem Vermieter bis zum Ablauf des Monats, der auf den Zugang der Modernisierungsankündigung folgt, in Textform mitteilen.
Ankündigungspflicht des Vermieters
Der Vermieter ist verpflichtet, eine Modernisierungsmaßnahme mindestens drei Monate vor Beginn schriftlich anzukündigen. Diese Ankündigung muss unter anderem Art, Umfang, Beginn, voraussichtliche Dauer der Maßnahme und die zu erwartende Mieterhöhung umfassen. Nur wenn der Vermieter diese Ankündigungspflicht erfüllt, besteht für den Mieter die Duldungspflicht.
Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung
Verletzt der Vermieter seine Ankündigungspflicht oder beginnt er mit den Modernisierungsmaßnahmen, ohne dass eine Duldungspflicht des Mieters besteht, kann der Mieter rechtliche Schritte einleiten. Dies kann von der Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs bis hin zur Möglichkeit einer Mietminderung reichen, falls die Wohnqualität durch die Maßnahmen beeinträchtigt wird.
Zusammenfassend regelt § 555d BGB die Duldungspflicht des Mieters bei Modernisierungsmaßnahmen und stellt einen Ausgleich zwischen den Modernisierungsinteressen des Vermieters und dem Schutz des Mieters vor unzumutbaren Belastungen dar.
Das vorliegende Urteil
AG Spandau – Az.: 6 C 217/21 – Urteil vom 17.10.2022
1. Das Versäumnisurteil das Amtsgerichts Spandau vom 07.03.2022 wird aufrechterhalten.
2. Die Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Beklagte darf die Vollstreckung aus Ziffer 1) des Versäumnisurteils vom 07.03.2022 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen darf die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 31.03.2023 bewilligt.
Tatbestand:
Die Mutter der Beklagten mietete mit Mietvertrag vom 17.12.1956 die Wohnung …, deren Vermieter der Rechtsvorgänger des Klägers war. Zwischenzeitlich erwarb der Kläger das Objekt zu Eigentum und wurde als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Die Mutter der Beklagten verstarb am … 2015. Die Beklagte wohnte in den letzten 4-5 Jahren vor dem Tod ihrer Mutter gemeinsam mit dieser in der streitgegenständlichen Wohnung. Nach dem Tod der Mutter setzte der Kläger das Mietverhältnis mit der Beklagten als deren Erbin fort.
Die Hausverwaltung des Klägers kündigte mit Schreiben vom 03.04.2020 der Beklagten erstmals die Installation von Rauchwarnmeldern an. Per Plakataushang wurde im Treppenhaus bzw. an der Hauseingangstür ein Termin zum Einbau der Rauchwarnmelder am 27.06.2020 von 8:00-18:00 Uhr angekündigt. Die Beklagte öffnete die Tür nicht. Ihr wurde deshalb per Postkarteneinwurf ein zweiter Termin am 18.07.2020 von 8:30 Uhr-10:30 Uhr angekündigt. Die Beklagte öffnete nicht. Es folgten zwischen Oktober 2020 und Juni 2021 weitere Terminankündigungen zur Installation der Rauchwarnmelder, welche ebenfalls jeweils per Postkarteneinwurf mindestens 10 Tage vor jedem angekündigten Termin mitgeteilt wurden und Zeitfenster zwischen ein und drei Stunden vorsahen. Auf das Schreiben der Firma vom 23.08.2021 (Anlage K13, Blatt 48 d.A.) wird Bezug genommen. Die Beklagte öffnete nicht.
Mit Schreiben vom 14.08.2020 forderte die Hausverwaltung des Klägers die Beklagte auf, die angekündigten Termine der Firma einzuhalten und den Zugang zur Wohnung zu gewähren.
Am 13.10.2020 ließ die Beklagte trotz vorheriger Ankündigung durch Terminsaushang die Mitarbeiter der Firma … nicht in die Wohnung, um die Warmwasserzähler austauschen zu können.
Mit Schreiben vom 15.01.2021 forderte die Hausverwaltung des Klägers die Beklagte erneut auf, der Firma … Zugang zur Wohnung zwecks Installation der Rauchwarnmelder zu gewähren.
Mit Schreiben vom 21.01.2021 drohte die Hausverwaltung des Klägers der Beklagten unter Verweis auf sechs fruchtlos verstrichene Termine eine Abmahnung an, falls der nächste Termin zur Installation der Rauchwarnmelder wieder fruchtlos verstreichen würde.
Am 31.01.2021 ließ die Beklagte trotz eines deutlich sichtbaren Terminaushangs die Mitarbeiter der Firma … nicht in ihre Wohnung zwecks Austausches des Warmwasserzählers.
Mit Schreiben vom 15.02.2021 erteilte die Hausverwaltung des Klägers der Beklagten eine Abmahnung wegen der Verweigerungshaltung im Hinblick auf das Anbringen der Rauchwarnmelder und den Austausch des Warmwasserzählers.
Am 23.03.2021 ließ die Beklagte trotz eines deutlich sichtbaren Terminsaushangs die Mitarbeiter der Firma … nicht in ihre Wohnung.
Mit Schreiben vom 04.03.2021 setzte die Hausverwaltung des Klägers einen Termin auf Samstag, den 20.03.2021 zwischen 14 Uhr 16 Uhr, zur Montage der Rauchwarnmelder in der Wohnung der Beklagten fest. Die Beklagte öffnete die Wohnung nicht.
Mit Schreiben vom 19.05.2021 kündigte die Hausverwaltung des Klägers den Mietvertrag fristlos, hilfsweise fristgemäß wegen Verweigerung des Einbaus der Rauchwarnmelder und des Austausches des Warmwasserzählers. Auf das als Anlage K11 (Blatt 25-27) zur Akte gelangte Kündigungsschreiben wird Bezug genommen.
Im Nachgang ermöglichte die Beklagte zwei weitere von der Firma … angekündigte Termine zum Einbau der Rauchwarnmelder, zuletzt am 01.07.2021, nicht.
Die Beklagte leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung. Ihre Wohnung war verwahrlost. Mithilfe des Sozialpsychiatrischen Dienstes begab sich die Beklagte Anfang 2022 zur stationären Behandlung in eine Klinik. Auf die Stellungnahme des Sozialpsychiatrischen Dienstes vom 15.02.2022 (Blatt 107-108 d.A.) sowie den vorläufigen Arztbrief vom 05.04.2022 (Blatt 115-118 d.A.) wird Bezug genommen.
Die Beklagte ist trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 07.03.2022 erschienen. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die von ihr innegehaltenen Räume im Hause … zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben. Das Gericht hat auf Antrag des Klägers ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil erlassen (Blatt 54-55 d.A.).
Das Versäumnisurteil ist der Beklagten am 15.03.2022 zugestellt worden. Die Beklagte befand sich vom 10.03.2022 bis 13.04.2022 zur stationären Behandlung im Klinikum Spandau. Auf die Aufenthaltsbescheinigung vom 14.04.2022 (Blatt 119 d.A.) wird Bezug genommen. Am 29.03.2022 wurde Frau … zur rechtlichen Betreuerin der Beklagten bestellt, u.a. für den Aufgabenkreis der Wohnungsangelegenheiten. Am 14.04.2022 hat die Betreuerin Kenntnis vom Versäumnisurteil erlangt und noch am selben Tag für die Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt und Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist beantragt.
In der Folgezeit konnten alle Rauchwarnmelder installiert werden mit Ausnahme des Rauchwarnmelders im Schlafzimmer, da die Beklagte keinen Zugang zu diesem Raum gewährte. Es bedürfte zuvor einer Entrümpelung, damit das Schlafzimmer betreten und ein Rauchwarnmelder angebracht werden kann.
Der Kläger beantragt, den Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist zurückzuweisen, hilfsweise das Versäumnisurteil vom 07.03.2022 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt, Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist zu gewähren, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Der Beklagten war antragsgemäß Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist zu gewähren.
Die Beklagte war ohne ihr Verschulden verhindert, die zweiwöchige Notfrist zur Einlegung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil (§ 339 Abs. 1 ZPO) einzuhalten (§ 233 S. 1 ZPO). Die Frist begann mit Zustellung des Versäumnisurteils am 15.03.2022 und endete mit Ablauf des 29.03.2022. Die Beklagte hat durch Vorlage des Arztbriefes und der Aufenthaltsbescheinigung glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 S. 1 ZPO), dass sie vom 10.03.2022 bis 13.04.2022 wegen einer depressiven Störung stationär im Klinikum Spandau behandelt wurde, mithin ohne ihr Verschulden keinen fristgerechten Einspruch einlegen konnte.
Die Beklagte hat am Tag nach der Entlassung aus der Klinik, mithin innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses, vertreten durch ihre gesetzliche Betreuerin (§ 1902 BGB), Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzung beantragt (§ 234 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO).
II.
Infolge des zulässigen Einspruchs wurde der Prozess in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand (§ 342 ZPO). Das Versäumnisurteil war aufrechtzuerhalten, da die Entscheidung, die aufgrund der neuen Verhandlung zu erlassen ist, mit der in dem Versäumnisurteil enthaltenen Entscheidung übereinstimmt, § 343 S. 1 ZPO.
1. Die Klage ist zulässig und begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB zu.
Das mit der Beklagten nach dem Tod ihrer Mutter fortgesetzte Mietverhältnis (§ 563 Abs. 2 S. 1 BGB) wurde durch ordentliche Kündigung des Klägers, vertreten durch den Hausverwalter, vom 19.05.2021 zum 28.02.2022 beendet.
Gemäß § 573 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Vermieter kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der Begriff der vertraglichen Pflichten ist umfassend zu verstehen und umfasst auch vertragliche Nebenpflichten (Schmidt-Futterer/Blank/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, BGB § 573 Rn. 16).
Der Kläger hat seine Kündigung damit begründet (§ 573 Abs. 3 S. 1 BGB), dass die Beklagte weder den Einbau der Rauchwarnmelder noch den Austausch des Warmwasserzählers geduldet hat.
Dieses Verhalten der Beklagten stellt eine Verletzung mietvertraglicher Nebenpflichten dar. Beim Einbau von Rauchwarnmeldern handelt es sich um eine bauliche Maßnahme zur nachhaltigen Erhöhung des Gebrauchswerts der Mietsache sowie zur dauerhaften Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse, mithin um eine Modernisierungsmaßnahme, § 555 b Nr. 4 und 5 BGB (BGH NJW 2015, 2488 Rn. 12, beck-online). Gemäß § 555 d Abs. 1 BGB hat der Mieter eine Modernisierungsmaßnahme zu dulden. Bei dem Austausch des Warmwasserzählers handelt es sich um eine Instandhaltungsmaßnahme, welche ebenfalls gemäß § 555 a Abs. 1 BGB vom Mieter zu dulden ist. Mieter müssen die zwingend nötigen Handlungen vornehmen, die eine Durchführung solcher Arbeiten überhaupt erst ermöglichen, d.h. das Öffnen der Tür und die Gewährung des Zutritts zu den betroffenen Räumlichkeiten (BeckOGK/Schepers, 1.9.2022, BGB § 555 a Rn. 54). Eine die Kündigung rechtfertigende Vertragsverletzung setzt bei einem Verstoß gegen Duldungspflichten nicht voraus, dass sich der Vermieter zuvor einen rechtskräftigen Duldungstitel verschafft hat (BGH NJW 2015, 2417 Rn. 20, beck-online). Mit einem solchen Duldungstitel wäre dem Kläger vorliegend auch nur bedingt geholfen gewesen, da die Beklagte erst nach Zugang der Kündigungserklärung überhaupt damit begonnen hat, ihre Wohnung zu entrümpeln. Bis heute ist das Schlafzimmer nicht entrümpelt und deshalb unzugänglich, eine Anbringung eines Rauchwarnmelders deshalb faktisch nicht möglich.
Der Einbau der Rauchwarnmelder bedurfte keiner Modernisierungsankündigung i.S.d. § 555 c BGB, da es sich lediglich um eine Bagatellmaßnahme handelte, die nur mit einer unerheblichen Einwirkung auf die Mietsache verbunden war und zu keiner Erhöhung der Nettokaltmiete führte (Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, 6. Aufl. 2020, BGB § 555 c Rn. 26). Sowohl Instandsetzungs- als auch Modernisierungsmaßnahmen im hier vorliegenden Umfang sind jedoch dem Mieter so rechtzeitig anzukündigen (vgl. § 555 a Abs. 2 BGB), dass der Mieter rechtzeitig über die auf ihn zukommenden Belastungen informiert wird. Was rechtzeitig ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, der Dringlichkeit und dem Umfang der Maßnahme; der Mieter seinerseits ist nach Treu und Glauben verpflichtet, an einer baldigen Terminsabstimmung mitzuwirken, damit die erforderlichen baulichen Maßnahmen zeitnah durchgeführt werden können (LG Berlin Urt. v. 17.3.2016 – 65 S 289/15, BeckRS 2016, 7968, beck-online).
Der Kläger hat trotz gerichtlichen Hinweises (Blatt 36R d.A.) nicht mitgeteilt, wann die Aushänge der Firma zum Wechsel des Warmwasserzählers erfolgt sind. Die Ankündigungen zum Einbau der Rauchwarnmelder erfolgten jeweils mindestens zehn Tage vor dem Termin. Der Termin am 20.03.2021 wurde der Beklagten 16 Tage vorher mitgeteilt. Diese Ankündigungen waren rechtzeitig, da die Beklagte für die Installation lediglich die Wohnung öffnen, für Zutritt zur Wohnung gewähren und den wenige Minuten dauernden Einsatz von Bohrmaschinen dulden musste und nicht etwa – wie bei umfangreichen Modernisierungsarbeiten – die Wohnung zeitweise räumen musste.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die angekündigten Termine auf Sonn- oder Feiertage fielen, an denen eine Duldungspflicht grundsätzlich nicht besteht (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 15. Aufl. 2021, BGB § 555 a Rn. 23) oder dass die angekündigten Zeitfenster unzumutbar lang gewesen wären.
Die Erheblichkeit der Pflichtverletzung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist im Rahmen einer umfassenden Abwägung zu klären, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Dazu zählen vor allem die beanstandungsfreie Dauer des bisherigen Mietverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der dem Mieter zur Last zu legende Grad des Verschuldens (LG Berlin Hinweisbeschluss v. 20.10.2016 – 67 S 214/16, BeckRS 2016, 108144 Rn. 5, beck-online).
In einer Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalles ist hier eine Erheblichkeit der Pflichtverletzung festzustellen. Zwar ist zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass das Mietverhältnis zwischen ihr und dem Kläger fünf Jahre beanstandungsfrei lief. Zudem handelt es sich vorliegend lediglich um eine Nebenpflichtverletzung. Allerdings ergibt sich eine besondere Schwere des Verhaltens der Beklagten daraus, dass sie über einen Zeitraum von einem Jahr auf mehrfache Terminsankündigungen, Handwerkerbesuche und Aufforderungsschreiben des Klägers gar nicht reagiert hat. Obwohl der Kläger sich wiederholt über Monaten hinweg um Zugang zur Wohnung bemüht hat, hat die Beklagte weder die Tür geöffnet noch Rücksprache mit dem Kläger zwecks Abstimmung eines Termins gehalten. Hinzu kommt, dass sich am Verhalten der Beklagten auch nach der Abmahnung vom 15.02.2021 nichts geändert hat.
Zwar setzt eine ordentliche Kündigung eine vorherige Abmahnung nicht voraus, jedoch kann einer Abmahnung im Einzelfall insofern Bedeutung zukommen, als ihre Missachtung durch den Mieter dessen Pflichtverletzung das erforderliche Gewicht verleiht (Schmidt-Futterer/Blank/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, BGB § 573 Rn. 19).
Eine Wiederholungsgefahr ist bei künftig ggf. notwendig werdenden Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen nicht auszuschließen, zumal bis heute nicht alle Rauchwarnmelder in der Wohnung der Beklagten installiert werden konnten. Dabei kann dahinstehen, ob – wie die Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 26.09.2022 vorgetragen hat – der Kläger der Betreuerin der Beklagten die versprochene Mitteilung für den Termin am 13.09.2022 nicht übersandt hat. Denn es ist unstreitig, dass das Schlafzimmer bis heute nicht entrümpelt wurde und daher schon aus diesem Grunde ein Betreten des Zimmers und eine Anbringung des Rauchwarnmelders unmöglich ist.
Besonderes Gewicht erhält der Vertragsverstoß auch dadurch, dass der Kläger gesetzlich zum Einbau von Rauchwarnmeldern verpflichtet ist (§ 48 Abs. 4 BauO Bln) und dass die Installation der Rauchwarnmelder nicht nur der Beklagten selbst, sondern auch dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit der übrigen Mieter des Hauses dient.
Die Beklagte hat auch fahrlässig gehandelt, da sie bei gebotener Sorgfalt hätte erkennen können, dass sie ihrer Duldungspflicht nicht nachkommt. Für fehlendes Verschulden ist der Mieter entsprechend § 280 Abs. 1 S. 2 BGB darlegungs- und beweispflichtig (Schmidt-Futterer/Blank/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, BGB § 573 Rn. 20). Aus dem Vortrag der Beklagten kann weder auf eine Schuldunfähigkeit (§§ 276 Abs. 1 S. 2, 827 BGB) noch auf eine zumindest erheblich geminderte Schuldfähigkeit im hier relevanten Zeitraum geschlossen werden. Aus der Stellungnahme des Sozialpsychiatrischen Dienstes vom 15.02.2022 geht zwar hervor, dass beim Hausbesuch im Januar 2022 eine „seit langem bestehende Depression mit Antriebslosigkeit, totalem sozialen Rückzug, fehlender Aufmerksamkeit für ihre eigenen Lebensbelange“ festgestellt wurde. Aus dem Arztbrief vom 05.04.2022 gehen zwei depressive Episoden in den Jahren 1986 und 2006 hervor. Es fehlt jedoch ein konkreter Vortrag zum psychischen und körperlichen Zustand der Beklagten für den hier relevanten Zeitraum zwischen Juni 2020 und Mai 2021. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte während eines Zeitraumes von einem Jahr zu keinem einzigen Zeitpunkt in der Lage gewesen sein soll, mit dem Kläger zwecks Terminvereinbarung in Kontakt zu treten oder den Handwerkern ihre Tür zu öffnen, zumal sie zumindest in der Lage gewesen sein muss, sich Lebensmittel zu beschaffen und ihren Briefkasten zu leeren, da ihr ansonsten keine Briefe mehr hätten zugestellt werden können.
Die Kündigung war gemäß § 573 c Abs. 1 BGB zum Ablauf des 28.02.2022 zulässig. Trotz Personenwechsel auf Seiten des Mieters kam hier der Beklagten aufgrund der Identität des Mietverhältnisses die Mietzeit der Vormieterin zugute (Schmidt-Futterer/Blank/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, BGB § 573 c Rn. 10).
Da bereits die Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung vorliegen, kann dahinstehen, ob darüber hinaus auch die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung (§ 543 BGB) gegeben sind.
2. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 7 und 11, 711 ZPO.
III.
Der Beklagten wurde eine Räumungsfrist bis 31.03.2023 gewährt. Eine solche Frist erscheint trotz der Wohnungsknappheit auf dem Berliner Wohnungsmarkt unter Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen als ausreichend, aber auch erforderlich, um der Beklagten eine entsprechende Reaktion zu ermöglichen. Da zu Mietrückständen nichts bekannt geworden ist, ist eine solche Frist auch dem Kläger zuzumuten.