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Mietvertragskündigung wegen ausstehender Betriebskostennachzahlungen

Kündigung eines Mietverhältnisses: Betriebskostennachzahlungen als Kündigungsgrund

Das Amtsgericht Mannheim hat in einem Fall, der am 18. Juli 2023 entschieden wurde, ein Urteil gefällt, das die Kündigung eines Mietverhältnisses wegen ausstehender Betriebskostennachzahlungen behandelt. Der Mieter hatte die Zahlung der Betriebskostennachzahlungen verweigert, da er behauptete, die Abrechnungen nicht erhalten zu haben. Der Vermieter wiederum argumentierte, dass die Abrechnungen dem Mieter ordnungsgemäß zugestellt wurden. Das Hauptproblem in diesem Fall war, ob die Kündigung des Mietverhältnisses aufgrund der ausstehenden Betriebskostennachzahlungen rechtens ist.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 C 3319/22 >>>

Beweisführung durch den Vermieter

Mietvertragskündigung wegen ausstehender Betriebskostennachzahlungen
Kündigung wegen Betriebskostennachzahlungen: Gericht betont Wichtigkeit fristgerechter Einwendungen und glaubhafter Beweisführung. (Symbolfoto: Tikhonova Yana /Shutterstock.com)

Der Vermieter konnte glaubhaft machen, dass die Betriebskostenabrechnungen dem Mieter zugestellt wurden. Dies geschah durch die Aussage des Sohnes des Vermieters, der als Zeuge auftrat. Der Zeuge gab an, die Abrechnungen persönlich in den Briefkasten des Mieters eingeworfen zu haben. Das Gericht fand die Aussage des Zeugen glaubwürdig, obwohl er ein mittelbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hatte.

Rolle der Pauschalvereinbarung

Ein weiterer strittiger Punkt war die Vereinbarung einer Pauschale für die Betriebskosten im Mietvertrag. Das Gericht stellte fest, dass auch wenn eine Pauschale vereinbart wurde, der Mieter innerhalb einer bestimmten Frist Einwendungen gegen die Abrechnung erheben muss. Da der Mieter dies nicht getan hatte, war die Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter rechtens.

Materielle Unzutreffendheit der Abrechnungen

Das Gericht stellte auch klar, dass die materielle Unzutreffendheit der Abrechnungen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führt, solange der Mieter keine rechtzeitigen Einwendungen erhebt. Der Mieter konnte nicht beweisen, dass der Vermieter die Abrechnungen in Kenntnis der Pauschalabrede erstellt hatte.

Keine besondere Härte für den Mieter

Der Mieter konnte nicht darlegen, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn und seine Familie eine besondere Härte darstellen würde. Er hatte auch keine Anstrengungen unternommen, um Ersatzwohnraum zu finden, was seine Position weiter schwächte.

Schlussbemerkungen

Das Urteil des Amtsgerichts Mannheim verdeutlicht, dass die Kündigung eines Mietverhältnisses wegen ausstehender Betriebskostennachzahlungen unter bestimmten Bedingungen rechtens sein kann. Es betont die Bedeutung der fristgerechten Einwendungen des Mieters gegen Betriebskostenabrechnungen und die Notwendigkeit einer glaubhaften Beweisführung durch den Vermieter.

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Das vorliegende Urteil

AG Mannheim – Az.: 5 C 3319/22 – Urteil vom 18.07.2023

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Mannheim am 18.07.2023 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2023 für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, die von ihm innegehaltene Wohnung in ### in 68159 Mannheim, gelegen im 3. OG Mitte, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Flur, einem Bad sowie einem Keller, geräumt an den Kläger herauszugeben.

2. Dem Beklagten wird von Amts wegen keine Räumungsfrist gewährt.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.436,41 Euro zuzüglich Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins aus 278,09 Euro seit 31.07.2020, aus 682,18 Euro seit 22.12.2020 und aus 476,14 Euro seit 04.09.2021 zu zahlen.

4. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die außergerichtliche Rechtsverfolgung 800,39 Euro zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszins seit 23.08.2022 zu zahlen.

5. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

6. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer 3 – 5 für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich des Räumungsausspruchs ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000 Euro für den Kläger vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Räumung einer an den Beklagten vermieteten Wohnung und Zahlung von Nachforderungen aus rückständigen Nebenkostenabrechnungen.

Mit Mietvertrag vom 29.08.2016 (Anlage K 1) vermietete der Kläger an den Beklagten eine Wohnung in ### in 68159 Mannheim mit Mietbeginn zum 01.09.2016. Die Parteien vereinbarten eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 600 Euro. Gemäß § 2 des Mietvertrages beträgt die monatliche Nettokaltmiete 500 Euro. § 3 Abs. 1 des Mietvertrages enthält eine Aufzählung der Betriebskosten.

§ 3 des Mietvertrages enthält folgende weitere Regelungen:

“ (2) Auf die unter Nr. (1) genannten Positionen ist eine monatliche Pauschale von 50 EUR zu zahlen.

(…)

(4) Auf die Heiz- und Warmwasserkosten ist eine monatliche Vorauszahlung von derzeit 50 EUR zu zahlen. (…)“

Die Hausverwaltung erstellte am 28.05.2019 eine Betriebskostenabrechnung für den Zeitraum vom 01.06.2017 bis 31.05.2018 (Anlage K 2), welche mit einer Nachforderung in Höhe von 564,09 Euro endete. Mit Schreiben vom 02.07.2020 mahnte der Kläger die Nachforderung unter Fristsetzung zum 30.07.2020 an.

Die Betriebskostenabrechnung für die Abrechnungsperiode 01.06.2018 bis 31.05.2019 (Anlage K 3) wurde am 17.02.2020 durch die Hausverwaltung erstellt und endete mit einer Nachzahlung in Höhe von 682,18 Euro.

Mit Schreiben vom 20.11.2020 mahnte der Kläger die Nachforderung unter Fristsetzung zum 21.12.2020 an.

Mit Schreiben des Mietervereins Mannheim vom 05.08.2020 (Anlage zum Protokoll) wandte der Beklagte ein, die Position Heizkosten sei in der Abrechnung für 2018/19 formell unwirksam, da eine gesonderte Heizkostenabrechnung der Nebenkostenabrechnung nicht beigefügt gewesen sei.

Die Betriebskostenabrechnung für die Abrechnungsperiode vom 01.06.2019 bis zum 31.05.2020 wurde am 28.05.2021 durch die Hausverwaltung erstellt (Anlage K 4). Sie endet mit einer Nachforderung in Höhe von 478,14 Euro. Mit Schreiben vom 03.08.2021 mahnte der Kläger die Rückstände an und drohte die Kündigung des Mietverhältnisses an. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten rügte mit Schreiben vom 01.07.2022 (Anlage B 2), dass der Abrechnung 2019/2020 keine Heizkostenabrechnung beigefügt gewesen sei, verlangte Belegeinsicht und machte ein Zurückbehaltungsrecht geltend.

Mit Schreiben vom 18.11.2021 (Anlage K 5) erklärte der Kläger die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen zwei offener Betriebskostennachforderungen und sprach am 01.06.2022 (Anlage K 6) hilfsweise eine fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 S. 2 BGB aus.

Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten wies die Kündigung vom 01.06.2022 mit Schreiben vom 01.07.2022 (Anlage B 2) mangels Vorlage einer Originalvollmacht zurück und widersprach der Kündigung.

Am 01.03.2022 zahlte der Beklagte unter Angabe des Verwendungszwecks „Nebenkosten 2017/2018“ einen Betrag in Höhe von 268 Euro.

Der Kläger begehrt Räumung, Zahlung der offenen Betriebskostennachforderungen sowie Ersatz der vorgerichtlich durch Ausspruch der Kündigung entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 800,39 Euro.

Der Kläger trägt vor, die ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB habe das Mietverhältnis wirksam beendet. Man habe Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 100 Euro monatlich vereinbart.

Der Kläger behauptet, da der Beklagte schon seit Jahren die Zahlung der Betriebskostennachzahlungen mit dem Argument verweigere, diese nicht erhalten zu haben, seien die streitgegenständlichen Abrechnungen dem Beklagten vom Sohn des Klägers in den Briefkasten des Beklagten eingeworfen worden. Innerhalb der Einwendungsfrist seien keine Einwendungen – auch nicht hinsichtlich der Vereinbarung einer Pauschale – erhoben worden. Die Abrechnungen würden in diesem Fall unwiderlegbar als inhaltlich richtig gelten. Nach Ablauf der Einwendungsfrist sei eine Belegeinsicht sinnlos.

Er trägt weiter vor, die Zurückweisung der Kündigung wegen angeblich fehlender Vollmacht sei nicht unverzüglich erfolgt.

Der Kläger beantragt,

1. Der Beklagte wird verurteilt, die von ihm innegehaltene Wohnung in ### in 68159 Mannheim, gelegen im 3. OG Mitte, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Flur, einem Bad sowie einem Keller, geräumt an den Kläger herauszugeben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.436,41 Euro zuzüglich Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins aus 278,09 Euro seit 31.07.2020, aus 682,18 Euro seit 22.12.2020 und aus 476,14 Euro seit 04.09.2021 zu zahlen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die außergerichtliche Rechtsverfolgung 800,39 Euro zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, die Parteien hätten im Mietvertrag für die Betriebskosten im Sinne des § 2 BetrVO eine Pauschale vereinbart. Dies könne auch nach Ablauf der Einwendungsfrist vorgebracht werden. Enthalte die Abrechnung nämlich Kostenpositionen, deren Umlage nicht zu den Betriebskosten im Sinne der BetrKV zählen, könne sich der Mieter dagegen auch noch nach Ablauf der Einwendungsfrist wenden. Zudem sei den streitgegenständlichen Abrechnungen eine Heizkostenabrechnung nicht beigefügt gewesen. Ein möglicher Rückstand des Beklagten betrage maximal 219,14 Euro und berechtige nicht zur Kündigung. Der Kläger verhalte sich rechtsmissbräuchlich, indem er Nebenkostennachzahlungen fordere, die er ausdrücklich mit Mietvertrag ausgeschlossen habe.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ### und ###. Diesbezüglich wird auf das Protokoll vom 04.04.2023 beziehungsweise vom 27.06.2023 Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2022, 28.02.2023, 04.04.2023 und 27.06.2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung der streitgegenständlichen Wohnung aus §§ 535 Abs. 2, 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 18.11.2021 gemäß § 573c Abs. 1 BGB zum 31.05.2021 wirksam beendet worden.

Der Kläger war berechtigt das Mietverhältnis gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu kündigen. Der Beklagte hat seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt, indem er die Nachzahlungsforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen vom 29.05.2019 und vom 17.02.2020 nicht beglichen hat.

1. Es liegt ein vom Beklagten verschuldeter Zahlungsrückstand vor, der den Kläger zur Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB berechtigt. Für eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB genügt ein Zahlungsrückstand von mehr als einer Monatsmiete und einer Verzugsdauer von mindestens einem Monat (BGH, NJW 2013, 159; Blank/Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 573, Rn. 29, 32). Dies ist jedoch als Untergrenze für den kündigungserheblichen Mietrückstand anzusehen, sodass bei einem Mietrückstand von weniger als zwei aber mehr als einer Monatsgesamtmiete und einer Verzugsdauer von mindestens einem Monat noch tatrichterlicher Beurteilungsspielraum verbleibt (Hinz, WuM 2019, 673, 679). Dabei ist unerheblich, dass der Zahlungsrückstand vorliegend nicht den Mietzins, sondern Nachforderungen aus Betriebs- und Heizkostenabrechnungen betrifft. Denn § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB umfasst auch Mietrückstände, die aus nicht periodisch wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen herrühren.

Dies gilt insbesondere für den Nachzahlungsanspruch des Vermieters aus einer Betriebskostenabrechnung (LG Karlsruhe, NZM 2004, 137; LG Berlin, GE 2018, 1462; Blank/Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 573, Rn. 31).

2. Im Zeitpunkt des Zugangs der ordentlichen Kündigung betrug der Zahlungsrückstand 1.724,41 Euro und damit deutlich mehr als zwei Monatsmieten. Der Anspruch aus einer Betriebskostenabrechnung wird erst dann fällig, wenn dem Mieter eine ordnungsgemäß begründete und nachprüfbare Abrechnung zugegangen.

Eine Frist zur Prüfung der Abrechnung steht dem Mieter nach Ansicht des BGH nicht zu (BGH, NJW 2006, 1419, Rn. 20; Blank/Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 573, Rn. 32).

Bei Zugang der Kündigung standen aus der Betriebskostenabrechnung vom 29.05.2019 564,09 Euro, aus der Betriebskostenabrechnung vom 17.02.2020 682,18 Euro und aus der Abrechnung vom 28.05.2021 noch 478,14 Euro zur Zahlung offen.

a) Der Beklagte hat innerhalb der Jahresfrist nach § 556 Abs. 3 S. 5 BGB keine Einwendungen gegen die jeweilige Betriebskostenabrechnung geltend gemacht und kann diese folglich gemäß § 556 Abs. 3 S. 6 BGB nicht mehr geltend machen. Die Fiktionswirkung des § 556 Abs. 3 S. 6 BGB hat zur Folge, dass die in der Abrechnung ausgewiesene Forderung des Vermieters verbindlich ist (Lehmann-Richter in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 556, Rn. 453).

Der Beklagte konnte – mit Ausnahme des Einwands der fehlenden Heizkostenabrechnung 2018/19 – nicht beweisen, fristgemäß Einwendungen gegen die jeweilige Abrechnung erhoben zu haben. So bestätigte der Zeuge ###, dass er im Namen des Mietervereins nur das Schreiben vom 05.08.2020 verfasst und darin lediglich das Fehlen der Heizkostenabrechnung gerügt habe.

Die Betriebskostenabrechnungen vom 28.05.2019 (Anlage K 2), vom 17.02.2020 (Anlage K 3) und vom 28.05.2021 (Anlage K 4) sind dem Beklagten jeweils am folgenden Tag vollständig inklusive eines Anschreibens und der Heizkostenabrechnung zugegangen. Das Gericht ist nach der erfolgten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Beklagte die jeweiligen Abrechnungen nur wenige Tage, nachdem diese von der Hausverwaltung erstellt wurden, in vollständiger Form erhalten hat. Diese Überzeugung hat sich das Gericht auf Grund der glaubhaften Aussage des Zeugen ### gebildet. Bei der Würdigung der Aussage hat das Gericht auch bedacht, dass es sich bei dem Zeugen um den Sohn des Klägers handelt, dieser also ein mittelbares eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat. Gleichwohl ist das Gericht von der Richtigkeit der gemachten Angaben überzeugt. Der Zeuge schilderte in persönlich glaubhafter Weise mit Zeichen/Gesten emotionalen Mit- und Wiedererlebens einen plastisch nachvollziehbaren Lebenssachverhalt. Er versuchte insbesondere nicht, Erinnerungs- oder Wahrnehmungslücken zu kaschieren, deren Vorliegen aufgrund des langen Zeitablaufs nachvollziehbarer Weise bestanden, weshalb das Gericht die Überzeugung gewonnen hat, dass der Zeuge neutral tatsächlich Erlebtes geschildert hat. Dass der Zeuge sich bei seiner Aussage, um seine Erinnerung aufzufrischen, auf von ihm zum damaligen Zeitpunkt erstellte Unterlagen stützte, stellt seine Glaubwürdigkeit keineswegs in Frage. Dass er sich an konkrete Daten ohne Sichtung von Unterlagen nicht erinnern kann, liegt vielmehr nahe. Das Gericht hat den Eindruck eines ordentlichen und äußerst strukturiert und sortiert arbeitenden Zeugen gewonnen. So erklärte der Zeuge, dass er die Nebenkostenabrechnungen jeweils einen Tag, nachdem er diese von der Hausverwaltung erhalten habe, vollständig kopiert und mit einem von ihm erstellten Anschreiben an den Beklagten versehen habe und alle Unterlagen persönlich in den Briefkasten des Beklagten eingeworfen habe.

Vor dem Hintergrund, dass der Beklagte auch in der Vergangenheit gegen Betriebskostennachforderungen eingewandt hatte, die Abrechnungen nicht oder nur unvollständig erhalten zu haben, ist das Vorgehen des Zeugen absolut plausibel und nachvollziehbar.

b) Soweit der Beklagte mit Schreiben des Mietervereins Mannheim vom 05.08.2020 im Hinblick auf die Abrechnung 2018/2019 rügte, dass der Abrechnung keine Heizkostenabrechnung beigefügt gewesen sei, führt dies nicht zu einer verminderten Zahlungsverpflichtung.

Das Gericht ist nach der erfolgten Beweisaufnahme vielmehr davon überzeugt, dass jeder der drei streitgegenständlichen Abrechnungen – so auch der Abrechnung für den Zeitraum 2018/2019 – die jeweilige Heizkostenabrechnung beigefügt war und diese dem Beklagten auch zugegangen ist. Davon ist das Gericht aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen ### überzeugt. Wie bereits ausgeführt legte der Zeuge zur Überzeugung des Gerichts dar, dass er der Abrechnung 2018/2019 auch die Heizkostenabrechnung beigefügt hatte. So war sich der Zeuge trotz des Zeitablaufs sicher, das Schreiben für die Betriebskostenabrechnung am 18.02.2020 in den Briefkasten des Beklagten eingeworfen zu haben. Daran, dass auch die Heizkostenabrechnung beigefügt war konnte sich der Beklagte nach Sichtung der entsprechenden Unterlagen deshalb so genau erinnern, weil er zuvor alle Unterlagen – und so auch die Heizkostenabrechnung – als Beleg für sich selbst kopiert hatte.

Vor dem Hintergrund der Aussage des Zeugen ###, dass es beim Telefonat mit dem Beklagten erhebliche sprachliche Verständigungsprobleme gegeben habe und dieser insbesondere versucht habe herauszufinden, ob der Beklagte dem Mieterverein all jene Unterlagen, die er selbst erhalten habe, übermittelt hatte, scheint es daher naheliegend, dass der Beklagte dem Mieterverein die Heizkostenabrechnung nicht weitergereicht hatte.

c) Auch der Umstand, dass die Parteien in § 3 des Mietvertrages für die Betriebskosten eine Pauschale vereinbart haben und daher grundsätzlich keine Betriebskostennachzahlungen geschuldet werden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch wenn eine Pauschale für Betriebskosten vereinbart wird und der Vermieter dennoch abrechnet, muss dies innerhalb der Frist des § 556 Abs. 3 S. 5 BGB gerügt werden. Der Mieter muss dem Vermieter innerhalb von zwölf Monaten seit Erhalt der Betriebskostenabrechnung mitteilen, dass einzelne Betriebskosten mit Rücksicht auf eine hierfür vereinbarte Pauschale nicht abzurechnen sind (BGH, NJW 2011, 850). Die aufeinander abgestimmten Ausschlussfristen für die Abrechnung des Vermieters (§ 556 Abs. 3 S. 3 BGB) und die Einwendungen des Mieters (§ 556 Abs. 3 S. 5 BGB) verfolgen den Zweck, dass innerhalb einer absehbaren Zeit nach Ablauf des Abrechnungszeitraums eine Abrechnung erteilt und Klarheit über die wechselseitig geltend gemachten Ansprüche erzielt wird. Die damit beabsichtigte Befriedungsfunktion wäre nicht gewährleistet, wenn nach Ablauf der Frist noch Streitigkeiten darüber möglich wären, ob bestimmte Betriebskosten mit Rücksicht auf eine insoweit vereinbarte Pauschale zu Unrecht angesetzt worden sind (BGH, NJW 2011, 850). Dies gilt auch für den Fall, dass nicht lediglich für einzelne Betriebskostenpositionen eine Pauschalabrede getroffen wurde, sondern für alle Betriebskosten mit Ausnahme der Heiz- und Warmwasserkosten.

Denn es macht im Ergebnis keinen Unterschied, ob die Parteien nur für einzelne, oder für sämtliche Betriebskosten das Pauschalmodell vereinbart haben (Lehmann-Richter, Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 556, Rn. 430; BGH, BeckRS 2014, 7495).

Der Beklagte hat diese Rüge jedoch erstmals im Rahmen der Klageerwiderung vom 19.10.2022 durch seinen Prozessbevollmächtigten und damit nach Ablauf der Jahresfrist erhoben und ist mit seinen Einwendungen daher ausgeschlossen.

3. Der Beklagte hat nicht dargelegt und bewiesen, dass ihn am Zahlungsverzug kein Verschulden trifft. Gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB wird das Verschulden nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB vermutet.

Auch der Umstand, dass die Nebenkostenabrechnungen materiell unzutreffend sind und daher bei entsprechenden rechtzeitigen Einwendungen des Beklagten ein deutlich geringerer Rückstand bestanden hätte, welcher für den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung nicht ausgereicht hätte, führt nicht dazu, dass dies die ordentliche Kündigung des Vermieters unwirksam werden lässt.

Zwar muss grundsätzlich eine materiell zutreffende Betriebskostenabrechnung vorliegen (Hinz, WuM 2019, 673, 680). Eine Betriebskostenabrechnung gilt auch dann als inhaltlich zutreffend, wenn der Mieter die Einwendungsfrist des § 556 Abs. 2 S. 5 BGB versäumt. Die Fiktionswirkung des § 556 Abs. 3 S. 6 BGB führt dazu, dass die fehlerhafte Abrechnung dieselben Rechtsfolgen hat wie eine korrekte Abrechnung (Lehmann-Richter in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 556 Rn. 453). Die in der Abrechnung ausgewiesene Forderung des Vermieters ist verbindlich.

Der Vermieter kann also eine Nachforderung aus einer nicht beanstandeten Betriebskostenabrechnung gegenüber dem Mieter mit allen entsprechenden Konsequenzen geltend machen. Dazu gehört, dass er die Forderung bei Nichtzahlung gerichtlich geltend machen kann, aber auch, dass er wegen des Rückstands eine Kündigung des Mietverhältnisses aussprechen kann.

Der Eintritt der Fiktionswirkung ist auch nicht gemäß § 242 BGB ausgeschlossen. Ein Ausschluss kommt nur dann in Betracht, wenn der Vermieter den Mangel der Abrechnung kannte oder hätte kennen müssen. Dabei reicht mittlere oder leichte Fahrlässigkeit mit Blick auf die durch die Vorschrift angestrebte Rechtssicherheit nicht aus, da Mängel der Abrechnung typischerweise auf Fahrlässigkeit des Vermieters beruhen (Lehmann-Richter in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 556 Rn. 457). Der Beklagte konnte nicht beweisen, dass der Kläger die streitgegenständlichen Abrechnungen in positiver Kenntnis der Pauschalabrede fertigte.

Die Tatsache, dass auch der Beklagte und der Mieterverein diesen Umstand in der Vergangenheit nicht gerügt haben und es sich um einen Formularmietvertrag handelt, lässt darauf schließen, dass sich keiner der Parteien dieses Umstands bewusst war.

4. Das Kündigungsschreiben entspricht den Formvorschriften des § 568 BGB und enthält die nach § 573 Abs. 3 BGB erforderliche Begründung.

Dabei ist unerheblich, dass der Kläger im Rahmen des Kündigungsschreibens vom 18.11.2021 zwar ausdrücklich eine fristgemäße Kündigung ausspricht, gleichzeitig aber fälschlicherweise die für die außerordentliche fristlose Kündigung einschlägige Norm § 543 Abs. 1 S. 2 BGB zitiert. Aus den Gesamtumständen wie der Datumsangabe (31.05.2022) und des Hinweises auf die Möglichkeit eines Widerspruchs nach § 574 BGB ergibt sich eindeutig, dass keine fristlose, sondern die ordentliche Kündigung erklärt werden sollte.

5. Der Beklagte kann trotz seines Widerspruchs vom 01.07.2022 nicht die Fortsetzung des Mietverhältnisses vom Kläger verlangen.

Der Beklagte hat nicht näher dargelegt, aus welchem Grund die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn und seine Familie eine besondere Härte darstellen würde und auch – trotz entsprechendem gerichtlichen Hinweis – keine Ausführungen dazu gemacht, welche Anstrengungen er bislang unternommen hat, um Ersatzwohnraum zu finden. Der Mieter ist beweisbelastet für das Vorliegen der Härtegründe und die Erfüllung der Ersatzraumbeschaffungspflicht (Hartmann in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 574, Rn. 65).

Es kann somit dahinstehen, ob die Vorschrift im Hinblick auf § 574 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegend überhaupt anwendbar ist oder der Kläger auch zur außerordentlichen fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB berechtigt gewesen wäre.

6. Aufgrund der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 18.11.2021 kann dahinstehen, ob auch die fristlose Kündigung vom 01.06.2022 wirksam erfolgte.

II.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 1.438,41 Euro aus § 535 Abs. 2 BGB i.V.m. § 556 Abs. 3 S. 3 BGB.

Wie bereits ausgeführt bestand aus den Abrechnungen vom 29.05.2019, 17.02.2020 und 28.05.2021 insgesamt eine Forderung des Klägers in Höhe von 1.724,41 Euro, welche sich durch die Zahlung des Beklagten vom 01.03.2022 in Höhe von 268 Euro auf 1.438,41 Euro verringert hat, § 556 Abs. 3 S. 6 BGB.

Es besteht kein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten. Grundsätzlich besteht ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters, wenn der Vermieter zwar die Abrechnung erteilt, aber die damit verbundene Belegeinsicht nicht gewährt (Lehmann-Richter in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 556, Rn. 125). Das Zurückbehaltungsrecht endet jedoch mit Ablauf der Einwendungsfrist gemäß § 556 Abs. 3 S. 5 BGB (Lehmann-Richter in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 556, Rn. 434). Denn macht der Mieter keine Einwendungen innerhalb der Frist geltend, so wird der Anspruch gemäß § 556 Abs. 3 S. 6 BGB als materiell ordnungsgemäß fingiert und weitere Einwendungen sind ausgeschlossen. Das Recht auf Belegeinsicht ist dann obsolet.

III.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 800,39 Euro aus §§ 280, 286 BGB.

IV.

Der Anspruch auf die Nebenforderungen besteht aus §§ 280, 286, 288 BGB.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Bei Festsetzung der Abwendungsbefugnis hinsichtlich des Räumungsantrags ist das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers maßgeblich. Die Sicherheitsleistung muss insbesondere Verzögerungsschäden kompensieren, die aufgrund einer späteren Möglichkeit zur Vollstreckung entstehen. Maßgeblicher Zeitraum ist dabei die Dauer eines eventuellen Berufungsverfahrens (Windau, NZM 2020, 303).

VI.

Von Amts wegen war dem Beklagten keine Räumungsfrist nach § 721 ZPO zu gewähren. Der Beklagte hat keinen entsprechenden Antrag gemäß § 721 Abs. 1 ZPO gestellt. Nach § 721 Abs. 1 ZPO kann das Gericht auch von Amts wegen eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewähren. Bei der Entscheidung hat das Gericht die Interessen beider Parteien gegeneinander abzuwägen. Es besteht bei § 721 ZPO kein allgemeiner Grundsatz, wonach das befristete Bestandsinteresse des Mieters generell höher zu bewerten ist, als dass Erlangungsinteresse des Vermieters. § 721 ZPO soll den Schuldner davor schützen, durch die Räumung obdachlos zu werden oder unzumutbaren Ersatzraum beziehen zu müssen (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Auflage zu § 721 Rz. 19).

Der Beklagte hat vorliegend bereits nicht zur ausreichend dargelegt, dass ihm kein zumutbarer Ersatzwohnraum zur Verfügung stehe. Das Fehlen zumutbaren Ersatzwohnraums muss der Schuldner darlegen und beweisen. Darauf hat das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung hingewiesen.

Hierfür ist es erforderlich, dass der Schuldner nachweist, dass er sich hinreichend um Ersatzwohnraum bemüht hat. Er muss gegebenenfalls Aufzeichnungen über Art und Umfang der Ersatzwohnraumsuche machen, aus denen ersichtlich ist, welche konkreten Wohnungsangebote er zur Kenntnis genommen, auf welche Weise er darauf reagiert hat und warum die Anmietung gescheitert ist (Lehmann-Richter in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2022, § 721, Rn. 21).

Gegen die Bewilligung einer Räumungsfrist spricht zudem der enorme Zeitablauf seit Ablauf der Räumungsfrist zum 31.05.2021.

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