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Mietvertragskündigung wegen Hinderung an angemessener wirtschaftlicher Verwertung

LG Berlin, Az.: 63 S 148/15, Urteil vom 15.12.2015

Die Berufung der Klägerin gegen das am 10. März 2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg – 10 C 24/14 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags zuzüglich 10 % leisten.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt aufgrund der Kündigung vom 9. April 2014 Räumung und Herausgabe der von den Beklagten innegehaltenen Wohnung.

Sie macht zunächst geltend, dass die Kündigung aufgrund der im Vertrag von 1986 vereinbarten Befristung nebst Verlängerungsregelung überhaupt keiner Begründung bedurfte. Im Übrigen beruft sie sich auf die Hinderung einer wirtschaftlichen Verwertung durch das mit den Beklagten bestehende Mietverhältnis. Die derzeitigen Mieteinnahmen deckten nicht die Finanzierungskosten aufgrund ihres Erwerbs im Jahr 2013. Sie beabsichtige deshalb, das Gebäude zu sanieren und zu erweitern und sodann mit Gewinn zu veräußern. Aufgrund des Umfangs der geplanten Sanierungsarbeiten könne das Mietverhältnis mit den Beklagten nicht aufrechterhalten werden.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Verlängerungsregelung in § 565 a Abs. 1 BGB a.F. schließe nicht die Anwendung von Kündigungsschutzvorschriften aus, sodass die Kündigung der Klägerin ein berechtigtes Interesse voraussetze. Dieses liege nicht vor. Die von der Klägerin angeführten Gründen lassen auf ein Spekulationsgeschäft schließen. Eine höchstmögliche Gewinnoptimierung stelle keine angemessene Verwertung dar.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten zu verurteilen, die Wohnung W. straße …, Berlin, 3. Obergeschoss rechts, bestehend aus vier Zimmern, einer Küche, zwei Dielen, einer Toilette mit Bad einem Balkon und dem dazugehörigen Kellerabteil zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen,

Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Die Beklagten sind nicht gemäß § 546 Abs. 1 BGB zur Räumung Herausgabe der von ihnen innegehaltenen Wohnung verpflichtet. Denn das Mietverhältnis der Parteien ist nicht beendet.

Die Kündigung der Klägerin vom 9. April 2014 ist nicht begründet.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Kündigung nicht bereits ohne jede Begründung wirksam. Vielmehr kann auf eine Begründung der Kündigung gemäß § 573 Abs. 3 BGB nicht verzichtet werden. Das Amtsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Wohnung der Beklagten dem Kündigungsschutz für Wohnraummietverhältnisse unterfalle und für die Kündigung ein berechtigtes Interesse der Klägerin erforderlich sei. Die Kammer nimmt hierauf Bezug.

Aus der Verlängerungsregelung um jeweils ein Jahr in § 2 Nr. 1 b) des Mietvertrags der Parteien ergibt sich nichts Anderes. Die nach § 565 a BGB a.F. bei Abschluss des Mietvertrags zulässige Verlängerungsregelung gilt gemäß Art. 229 § 3 Abs. 3 EGBGB auch nach der Mietrechtsreform fort (BGH, Urteil vom 20. Juni 2007 – VIII ZR 257/06, GE 2007, 1182). Die Bezugnahme auf § 565 BGB a.F. betrifft dem Wortlaut nach nur die Kündigungsfristen. Daraus ergibt sich aber nicht ohne weiteres, dass nur die Kündigungsfristen anzuwenden sein sollten. Sinn und Zweck der Regelung war vielmehr, den Kündigungsschutz auch auf befristete Mietverhältnisses zu erstrecken (Palandt-Weidenkaff, BGB, 60. Aufl., § 565 a BGB, Rn 1). Denn Ziel war es, die auch die Beendigung eines befristeten Mietverhältnisses von einer Kündigung und damit auch von Voraussetzungen einer Kündigung, d.h. vom Vorliegen eines berechtigten Interesses abhängig zu machen. Es wurde vor 2001 weder in Rechtsprechung noch in Literaturmeinungen maßgeblich vertreten, dass befristetes Wohnraummietverhältnis mit Verlängerungsklausel ohne Vorliegen eines Kündigungsgrunds ohne weiteres gekündigt werden konnte.

Entgegen der Ansicht der Klägerin sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für ein berechtigtes Interesse an einer Kündigung aufgrund der Hinderung an einer angemessenen Verwertung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht erfüllt.

Zwar ist er anerkannt, dass bei einem entsprechenden baulichen Zustand eines Hauses sogar dessen Abriss und Neubau sowie auch dessen Verkauf eine angemessene wirtschaftliche Verwertung sein können, wenn diese auf vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen beruht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2009 – VIII ZR 8/08, GE 2009, 381; BVerfG, Beschluss vom 12. November 2003 – 1 BvR 1424/02, GE 2001, 174). Hierauf kommt es im vorliegenden Fall indes nicht maßgeblich nicht an.

Denn selbst wenn man unterstellte, dass die Mieteinnahmen aus dem Haus zurzeit die Kosten nicht decken und beim derzeitigen Zustand des Hauses auch solche nicht zu erzielen sind, begründet dies nicht die Annahme, dass deshalb das Mietverhältnis mit den Beklagten gekündigt werden muss und sich dann die finanzielle Situation der Klägerin bessert. Denn die Klägerin plant weder den Abriss noch den unmittelbaren Verkauf des Hauses.

Das Vorhaben der Klägerin beruht vielmehr maßgeblich auf den von ihr beabsichtigten Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten. Hierzu will sie noch erhebliche weitere Beträge (ca. 5.000.000,– EUR) investieren und erst dann das sanierte Haus mit Gewinn verkaufen. Das Mietverhältnis mit den Beklagten stört in diesem Zusammenhang nur insoweit, als das Haus während der Sanierung – nach den Plänen der Klägerin – nicht bewohnt wäre und insoweit uneingeschränkte Baufreiheit bestünde. Das mag die für sie optimale Variante darstellen. Diese ist allein aber nicht ohne weiteres maßgeblich. Wird das Mietobjekt durch die Arbeiten vorübergehend unbewohnbar, erweist sich das Mietverhältnis zwar als Hindernis. Es bedarf indes einer Abwägung im Einzelfall, ob die damit verbundenen Nachteile für den Vermieter als erheblich anzusehen sind (MüKo-Häublein, 6. Aufl. 2012, § 573 BGB, Rn 86) und die beabsichtigte Verwertung unter Berücksichtigung des grundsätzlichen Bestandsinteresses des Mieters als angemessen zu beurteilen ist.

Es lässt sich nach dem Vorbringen der Klägerin eben nicht nachvollziehen, dass das Mietverhältnis während der Sanierung nicht aufrechtzuerhalten ist. In Betracht kommt etwa eine geänderte Bauplanung unter Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses mit den Beklagten, die vielleicht schwieriger, teurer und länger und damit auch mit Nachteilen für die Klägerin verbunden ist. Dass diese Nachteile nicht zum höchstmöglichen Gewinn führen, kann unterstellt werden. Es ist aber nicht erkennbar, dass damit eine noch angemessene Verwertung nicht zu erzielen ist. Im Übrigen kommt auch die Stellung einer Umsetzwohnung für die Beklagten in Betracht. Soweit für die Klägerin damit Kosten anfallen, gilt obiges entsprechend. Hinzu kommt, dass sie in diesem Fall von den Beklagten auch Mieteinnahmen erzielte.

Dass unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen auch umfangreiche Sanierungen in jedenfalls teilbewohnten Häusern stattfinden, ist der Kammer aus mehreren Verfahren bekannt. Auch dort wurden Maßnahmen durchgeführt, die mit denen der Klägerin durchaus vergleichbar sind.

Ein berechtigtes Interesse der Klägerin ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt gegeben, dass die streitgegenständliche Wohnung durch die geplanten Arbeiten wegfällt (vgl. BayObLG, Rechtsentscheid vom 17. November 1983, GE 1984, 77 – dort Wegfall der Wohnung durch Grundrissänderungen infolge des Einbaus von Bädern). Denn eine derartige Fallgestaltung, wonach streitgegenständliche Wohnung in ihrem Bestand wegfällt, lässt sich dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen.

Nach allem ist die Beendigung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses aus der Sicht der Klägerin für die von ihr beabsichtigten Maßnahmen zwar die beste Lösung. Jedoch hat die Klägerin nicht nachvollziehbar dargetan, dass die Beendigung des Mietverhältnisses als Voraussetzung für eine angemessene wirtschaftliche Verwertung – das ist nicht die optimale – unabdingbare Voraussetzung ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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