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PKH bei Beschlussanfechtungsklagen über Wohnungseigentümergemeinschaften

AG Stuttgart, Az.: 67 C 3653/17 WEG, Urteil vom 09.02.2018

1. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 2017 zu TOP 3 wird für ungültig erklärt. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 2017 zu TOP 4 wird hinsichtlich der Erhöhung der Instandhaltungsrücklage für ungültig erklärt. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 2017 zu TOP 5 wird hinsichtlich der Verteilung der direkten Kosten für ungültig erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 60 % und die Beklagte zu 40%. Die außergerichtlichen Kosten des Streithelfers trägt die Klägerin zu 60 %, im Übrigen trägt der Streithelfer seine außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Das Urteil ist für beide Parteien gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 4.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 10.030,17 € festgesetzt.

Die Festsetzung resultiert aus § 49a GKG. Für die Anfechtung des TOP 2 wird ein Streitwert von 3.000,00 € festgesetzt. Die Festsetzung für die TOP 4 und 5 ergibt sich – da es sich jeweils um eine Teilanfechtung einzelner Punkte handelt – aus 50 % des Einzelinteresses der Klägerin, die jeweilige Einzelposition betreffend, zuzüglich 25 % des um das Einzelinteresse verminderten Gesamtvolumens dieser Position, sofern das Einzelinteresse nicht höher ist (vgl. Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, 12. Aufl., § 49a GKG, Rdn. 22ff.). Diese Rechnung zugrunde legend ergibt sich für die Anfechtung des Wirtschaftsplans (TOP 4), hinsichtlich der Heizkosten, ein Streitwert von 1.665,71 € und hinsichtlich der Instandhaltungsrücklage ein Streitwert von 1.280,00 €. Hinsichtlich der Jahresabrechnung, bezüglich der Heizkosten und der direkten Kosten, ergibt sich ein Streitwert von insgesamt 2.804,46 € (1.665,71 € für Heizkosten und 1.138,75 € für direkte Kosten). TOP 3, der über die Erhöhung der Instandhaltungsrücklage beschließt, ist nach derselben Berechnungsmethode, mit 1.280,00 € (Einzelinteresse der Klägerin) zu bewerten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit mehrerer Beschlüsse der WEG.

Die Parteien sind Mitglieder der WEG, die aus insgesamt 9 Wohneinheiten besteht und 47 Jahre alt ist. Die Klägerin hat im Jahr 2012 ihre Wohnung von den Eltern geerbt und wohnt seitdem selber dort. Für die Bemessung der Größe der Wohnung der Klägerin wird auf die Anlage B12 Bezug genommen, hiernach ergibt sich eine Größe von 53,3 qm. Die Klägerin erhält Leistungen vom Jobcenter und hat ansonsten keine Einkünfte. Auf der Eigentümerversammlung vom 2017 wurden die von der Klägerin angegriffenen Beschlüsse gefasst. Zum Inhalt der Beschlüsse wird auf das Protokoll der Eigentümerversammlung (Bl. 7 und 8 der Akte) Bezug genommen. Mit ihrer Klage wendet die Klägerin sich gegen die Beschlüsse mit dem Tagesordnungspunkt 2B, C, D, 3, 4 und 5.

PKH bei Beschlussanfechtungsklagen über Wohnungseigentümergemeinschaften
Foto: videowokart/Bigstock

Die Klägerin trägt vor, die Beschlüsse hätten insgesamt so nicht gefasst werden dürfen, da die sofortige Vornahme der Maßnahmen zur Instandsetzung bzw. -haltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht erforderlich gewesen seien. In diesem Fall hätten die übrigen Wohnungseigentümer jedoch die finanziellen Möglichkeiten der Klägerin berücksichtigen müssen, was trotz Aufschiebbarkeit der Maßnahmen nicht erfolgt sei. Die Klägerin könne sich weder an den unter Tagesordnungspunkt 2 beschlossenen Kosten für die Ausschreibung, noch für die daraufhin beauftragten Arbeiten beteiligen. Auch eine weitere Zuführung von Geldern zur Rückstellung der WEG sei nicht erforderlich, da noch rund 70.000 € in der Instandhaltungsrücklage vorhanden seien. Auch der für 2017 beschlossenen Wirtschaftsplan der WEG könne so nicht stimmen, da sich die quartalsweisen Hausgeldvorauszahlungen der Klägerin erheblich erhöht hätten. Auch die Genehmigung der Einzel- und Gesamtabrechnungen für 2016 (TOP 5) müsse die Klägerin anfechten, da sie den beschlossenen Rückstand von 962,33 € nicht tragen könne. Ursächlich für diesen Rückstand seien Heizkosten, die sich für die Klägerin um rund 500 € erhöht hätten, obwohl die Klägerin teilweise ihre Räume gar nicht heize. Insbesondere könne die Abrechnung der Heizkosten für das Jahr 2016 nicht stimmen, da die Klägerin im Schlafzimmer höchstens auf Stufe eins und in der Küche höchstens auf Stufe zwei heize und trotzdem ein hoher Verbrauch in der Abrechnung stehe. Auch die direkten Kosten von rund 911 € wegen einem Verfahren gegen einen Miteigentümer, könne die Klägerin nicht tragen. Diese direkten Kosten seien erst in der Niederschrift über die Versammlung erläutert worden, in den Einzelabrechnungen fehle eine solche Erläuterung jedoch. Zudem seien Kosten eines Beschlussanfechtungsverfahrens nach den Miteigentumsanteilen zu verteilen und nicht wie hier erfolgt nach Kopfteilen. Auch sei die Ladung fehlerhaft, da der Verwalter unter TOP 5 nur angekündigt habe: „Beschlussfassung der Abrechnung“, die direkten Kosten hierin aber nicht erläutert habe.

Mit Schriftsatz vom 02.08.2017, eingegangen am 02.08.2017, beantragt die Klägerin zunächst isoliert Prozesskostenhilfe. Mit Beschluss vom 01.09.2017 wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt. Die Klageeinreichung fand mit Schriftsatz vom 15.09.2017, eingegangen am 15.09.2017, statt.

Hierin beantragt die Klägerin,

1. Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 19.07.2017 zu Tagesordnungspunkt 2B, C, D sowie zu den Tagesordnungspunkten 3-5 werden für ungültig erklärt.

2. Die Beklagten werden zusammen mit dem Verwalter als Gesamtschuldner in die Kosten verurteilt.

Die Beklagte beantragt, Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt vor, bei Vereinbarungen und Beschlüssen einer WEG sei das Interesse der Gesamtheit zu beachten, der Klägerin könne insoweit keine Sonderrolle zukommen. Zudem sei die Sanierung seit Jahren dringend erforderlich, hierzu würden auch Gutachten von Sachverständigen vorliegen (Bl. 73 bis 82 d. A.). Der Verwalter sei auch befugt, sich bei der Ausführung seiner Aufgaben durch Dritte unterstützen zu lassen, wenn er selbst die nötige Fachkompetenz nicht habe. § 27 Abs. 4 WEG spreche nicht dagegen. Die verschiedenen Beschlüsse unter dem Tagesordnungspunkt 2 seien so zu verstehen, dass das Büro unter Tagesordnungspunkt 2D beauftragt wurde, die Tagesordnungspunkte 2A bis C seien lediglich vorbereitende Beschlüsse für diese Beauftragung. Es liege weiterhin im Ermessen der Miteigentümer, die Instandhaltungsrücklage zu erhöhen. Die Erhöhung sei hier notwendig, um genügend Mittel für die anstehenden Sanierungsmaßnahmen zur Verfügung zu haben. Die gestiegenen Hausgeldkosten der Klägerin beruhten insbesondere auf dem höheren Heizkostenverbrauch der Klägerin. Zudem sei eine hohe Nachzahlung für das abgelaufene Jahr von der Klägerin zu entrichten, so dass es nur logisch sei, die monatliche Vorauszahlung zu erhöhen. Auch sei die Aufteilung der direkten Kosten nach Kopfteilen rechtmäßig. Dies könne in einer kleineren WEG auf Grundlage von § 21 Abs. 8 WEG erfolgen. Zudem sei eine Verteilung nach Kopfteilen für die Klägerin kostengünstiger, als eine solche nach Miteigentumsanteilen.

Der Verwalter der WEG ist dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 17.09.2017 (Bl. 60 d. A.) auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Die Güteverhandlung fand am 12.12.2017 vor dem Amtsgericht Stuttgart statt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und insbesondere auf das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 19.07.2017 (Bl. 7/8 d. A.), sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 91- 100 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Stuttgart ist für Beschlussanfechtungsklagen über Wohnungseigentümergemeinschaften im Bezirk des Amtsgerichts Stuttgarts gem. § 43 Nr. 4 WEG ausschließlich zuständig.

II.

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Zwar wahrt der isolierte Prozesskostenhilfe-Antrag der Klägerin die Anfechtungsfrist des § 46 WEG nicht, der Klägerin ist jedoch gem. § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO Wiedereinsetzung in die Anfechtungsfrist von Amts wegen zu gewähren.

Die Frist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG ist durch den separaten PKH-Antrag vom 04.08.2017 nicht gewahrt (Then in Spielbauer/Then, 3. Aufl. § 46 WEG Rdn. 23; Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, 11. Aufl., § 46 WEG, Rdn. 66 m.w.N., Wicke in Palandt, 77. Aufl., § 46 WEG Rdn. 5; Bärmann, WEG, 12. Aufl. § 46 Rdn. 47). Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG wurde klägerseits nicht gestellt und ein Wiedereinsetzungsgrund wurde nicht glaubhaft gemacht. Grundsätzlich behindert das Beharren einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten darauf, dass eine Frist eingehalten ist, die Wiedereinsetzung von Amts wegen gem. § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO (Stackmann in MüKo ZPO, 5. Aufl., § 236 ZPO, Rdn. 18). Vorliegend beharrt der Klägervertreter zwar zunächst auf einer Einhaltung der Frist seinerseits, legt jedoch dar, dass der Klägerin zumindest eine Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gestatten sei (Bl. 115/116 d. A.). Damit hat der Klägervertreter zumindest konkludent zu verstehen gegeben, dass er im Falle einer Fristversäumung, den Rechtsstreit durch Wiedereinsetzung in die entsprechende Frist fortsetzen will. Ein Wiedereinsetzungsgrund ist vorliegend offensichtlich und die Säumnis der gerichtlichen Entscheidung über den PKH-Antrag geschuldet. Der Wiedereinsetzungsgrund ist offensichtlich, da eine Rechtsverfolgung Geld kostet und es einer mittellosen Partei zuzugestehen sein muss, zunächst einen Prozesskostenhilfeantrag zu stellen, bevor sie kostenpflichtig Klage erhebt. Insoweit darf eine mittellose Partei nicht schlechter stehen, als andere. Zudem ging die Klage bereits einen Tag nach Zustellung der PKH-Bewilligung an den Klägervertreter bei Gericht ein. Damit hat die Klägerin die säumige Handlung alsbald nachgeholt. Gem. § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO wird der Klägerin aus diesem Grunde die Wiedereinsetzung in die Anfechtungsfrist ohne Antrag gewährt.

2. Die Beschlussanfechtung ist nur teilweise begründet.

a. Die Beschlussfassung unter TOP 2 verstößt nicht gegen § 27 Abs. 4 WEG, der Beschluss ist nicht für ungültig zu erklären.

Nach Überzeugung des Gerichts, sind die einzelnen unter TOP 2 gefassten Beschlüsse als aufeinander aufbauend zu verstehen. Es wurden einzelne Beschlüsse zur grundsätzlichen Beauftragung von Architektenbüros für drei verschiedene Maßnahmen (Wärmeverbundsystem, Betonsanierung und Holzbrettererneuerung) getroffen und die Beauftragung hinsichtlich der Betonsanierung und der Holzbrettererneuerung anschließend beschlossen. Darauf aufbauend wurde beschlossen, dass für diese beiden Sanierungsmaßnahmen (Betonsanierung und Holzbretter) das Ingenieurbüro zur Unterstützung des Verwalters beauftragt werden soll. Die Überzeugung des Gerichts hinsichtlich dieser Auslegung resultiert aus der glaubhaften Aussage des Hausverwalters, der angibt, dass zunächst beschlossen wurde, welche Maßnahmen überhaupt beauftragt werden sollen und darauf aufbauend beschlossen wurde, welches Büro für diese Maßnahmen zu beauftragen sei.

aa. Die Beauftragung eines Architekturbüro verstößt nicht gegen § 27 Abs. 4 WEG. Gem. § 27 Abs. 4 WEG darf die Geschäftsführungsbefugnis und die Vertretungsmacht des Verwalters nicht beschränkt werden (Wicke in Palandt, 77. Aufl., § 27 WEG, Rdn. 31). Unter TOP 2 wurde am 2017 mehrheitlich beschlossen, dass ein Architekturbüro mit der Ausschreibung für die Betonsanierung und die Erneuerung der Holzbretter beauftragt werden soll und dass dieser Auftrag dem Ingenieurbüro erteilt werden soll. Dieser Beschluss beschränkt die Vertretungsmacht oder Geschäftsführungsbefugnis des Verwalters nicht in unzulässiger Weise. Es ist vielmehr grade zulässig, dass unterstützende Funktionen auf Dritte übertragen werden können. Der Sinn und Zweck des § 27 Abs. 4 WEG liegt darin, dass die WEG nicht die Funktionslosigkeit des Verwalters beschließen und ihn von seinen gesetzlichen Aufgaben befreien können soll. Besitzt der Verwalter hingegen keine ausreichende Fachkompetenz für eine Spezialmaterie ist durch § 27 Abs. 4 WEG nicht gesperrt, dass unterstützend Dritte damit betraut werden können.

Es entspricht vorliegend ordnungsgemäßer Verwaltung, dritte Personen mit weiterem Fachwissen einzuschalten. Die Einschaltung eines fachkompetenten Dritten liegt dabei im Interesse der Gemeinschaft, da gerade Instandhaltungsarbeiten mit dem größtmöglichen fachlichen Wissen ausgeführt werden sollten. Eine ordnungsgemäße Verwaltung liegt vor, wenn Maßnahmen beschlossen werden, die im Interesse aller Wohnungseigentümer auf die Erhaltung, Verbesserung oder dem der Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechenden Gebrauch gerichtet sind (Vandenhouten in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 21 WEG, Rdn. 29). Insoweit ist der vorliegende Fall mit dem Urteil des Amtsgerichts Hannovers (Az.: 483 C 9794/07) nicht vergleichbar. Im Fall, über den das Amtsgericht Hannover zu entscheiden hatte, waren Beschlüsse einer großen WEG streitgegenständlich. Zudem verfügte diese WEG über einen eigenen technischen Dienst. Auch waren die von der Gemeinschaft beschlossen Aufgaben, welche auf einen Dritten (Architekten) übertragen werden sollten, laut Verwaltervertrag originär vom Verwalter geschuldet und mit einer eigenständigen Vergütung versehen, sodass durch die Beauftragung eines Dritten Doppelkosten entstanden sind. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Vielmehr handelt es sich um eine vergleichsweise kleine WEG und eine Fachkompetenz des Verwalters hinsichtlich der Sanierungsmaßnahmen liegt, nach dessen glaubhaften Angaben in der Verhandlung, nicht vor. Auch ist, anders als im Fall von Hannover, keine eigenständige Vergütung des Verwalters für die beauftragten Arbeiten laut Verwaltervertrag geschuldet.

Bei dem Büro handelt es sich zudem um einen fachkompetenten Dritten für die Betonsanierung und die Erneuerung der Holzbretter. Diese Einschätzung steht zur Überzeugung des Gerichts durch die beklagtenseits vorgelegten Unterlagen zum Leistungsspektrum des Büros (Bl. 121 d. A.) fest.

bb. Es liegt kein Verstoß gegen eine ordnungsgemäße Verwaltung vor, weil die Maßnahmen ohne Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse der Klägerin beschlossen wurden. Zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung gehört die Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG). Hierfür steht den Wohnungseigentümern ein Gestaltungsspielraum zu, welcher das Gebot der Wirtschaftlichkeit und den Grundsatz der Leistungsfähigkeit Einzelner einbeziehen muss (BGH, V ZR 9/14). Die Wohnungseigentümer haben – bei nicht zwingend erforderlichen Maßnahmen – nach Abwägung der Nutzen und Kosten gegebenenfalls Maßnahmen zurückzustellen. Lediglich bei unaufschiebbaren Maßnahmen ist das Ermessen der WEG auf Null reduziert, sodass für die Berücksichtigung finanzieller Schwierigkeiten oder anderer Befindlichkeiten einzelner Wohnungseigentümer kein Raum bleibt (BGH aaO). Bei einem Vergleich mit § 22 Abs. 2 WEG ist aber davon auszugehen, dass die Berücksichtigung der finanziellen Interessen Einzelner eine Ausnahme darstellt. Dies folgt aus der Überlegung, dass selbst die Kosten von Modernisierungen gem. § 22 Abs. 2 WEG nur im Ausnahmefall erhebliche Beeinträchtigungen darstellen und damit trotz der gesetzlichen Normierung nur ausnahmsweise Maßnahmen unzulässig sein können. Da eine solche gesetzliche Normierung aber in § 21 Abs. 5 WEG vollständig fehlt, seien die Hürden hier noch höher anzusetzen (BGH aaO). Zudem würde eine zu strenge Einschränkung des Ermessens der WEG hinsichtlich Instandhaltungsmaßnahmen dem Zweck des § 21 Abs. 5, 4 WEG widersprechen, da dieser eine notwendige Erhaltung der Wohnungseigentumsanlage bezwecke. Ein drohender Verlust der eigenen Eigentumswohnung eines Miteigentümers stellt bei aufschiebbaren Maßnahmen einen beachtenswerten Grund dar.

Vorliegend handelt es sich bei der Betonsanierung und dem Anstrich der Holzbretter um unaufschiebbare Maßnahmen. Die Unaufschiebbarkeit der Maßnahmen, bei welcher das Ermessen der beklagten WEG hinsichtlich der Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse Einzelner, auf Null reduziert ist, wurde von der beweisbelasteten Beklagten ausreichend vorgetragen. Insbesondere wurde von der Beklagten ein Gutachten eines Sachverständigen vorgelegt, der angibt, eine Sanierung solle „in punkto Betonsanierung der Balkonteile, sowie Anstrich der Holzteile nicht mehr zu lange hinausgeschoben werden“. Weiter wird durch den Sachverständigen ausgeführt, „bei den Balkonen der Fassade sind abplatzende Betonteile zu sehen, hier muss eine Betonsanierung durchgeführt werden“. Dem Privatgutachten der Beklagtenseite, welches ein substantiiertes Vorbringen darstellt, wird von Klägerseite nicht erheblich entgegengetreten. Vielmehr bestreitet die Klägerseite das vorgelegte Gutachten pauschal und geht nicht auf die Gründe einer Fehlerhaftigkeit ein. Gegen einen substantiierten Vortrag einer Partei genügt das einfache Bestreiten gem. § 138 Abs. 2 ZPO hingegen nicht. Die Klägerseite hätte darlegen müssen, warum eine Dringlichkeit nicht vorliegt und erhebliche Gründe gegen den Vortrag der Beklagtenseite darlegen müssen. Vorliegend wird auch von Seiten der Klägerin eine Dringlichkeit nicht gänzlich bestritten. Die Klägerin gibt hierzu in der mündlichen Verhandlung an, dass eine Balkonsanierung bei einzelnen Eigentumswohnungen (Fam. B.) schon nötig sei und die Holzbretter auch bei ihr erneuerungsbedürftig seien (Bl. 94 d. A.). Da ein qualifiziertes Bestreiten der Klägerin mithin nicht erkennbar ist, kann auch dem Beweisantrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Frage der Dringlichkeit nicht gefolgt werden.

b. Die Höhe der weiteren Einzahlungsforderung zur Instandhaltungsrücklage ist, unabhängig von dem Vorhandensein von rund 70.000 €, wesentlich überhöht, sodass TOP 3 für ungültig zu erklären war.

Die Ansammlung einer angemessenen Instandhaltungsrücklage entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Welche Höhe im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach Alter, Größe, baulicher Besonderheit und Zustand des Hauses (Merle in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 21 Rdn. 144). Gem. § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG wird die Höhe einer Instandhaltungsrücklage mit Stimmmehrheit beschlossen und kann auch, im weiten Ermessen der WEG, jederzeit abgeändert werden. Der Beschluss über die Erhöhung der Rücklage ist nur dann angreifbar, wenn diese wesentlich überhöhte Beträge fordert. Anknüpfungspunkt ist dabei § 28 Abs. 2 II. Berechnungsverordnung (BV), für Instandhaltungskosten von öffentlichen Mietwohnungen (OLG Düsseldorf, I-3 Wx 123/02). § 28 Abs. 2 II. BV orientiert sich an der Quadratmeterfläche der Wohnung, sowie deren Bezugsfähigkeit. Nach den Angaben der Klägerin, welche durch die Vorlage des Wohnungsplanes bestätigt wurden, hat die Wohnung der Klägerin eine Quadratmeterzahl von 53,3. Die Wohnung ist seit 47 Jahren bezugsfähig. Damit ergibt sich ein zulässiger Zahlungsbetrag der Klägerin für die Instandhaltungsrücklage – in Anlehnung an § 28 Abs. 2 Nr. 3 II. BV – von 612,95 € im Jahr. Nach der beschlossenen Abrechnung soll die Klägerin hingegen einen Betrag von 1.280,00 € im Jahr zahlen und damit mehr als das Doppelte des nach § 28 Abs. 2 II. BV zulässigen Betrags. Selbst wenn die Berechnung nach § 28 Abs. 2 II. BV nur Anhaltspunkte geben kann, erscheint eine Zahlung zur Instandhaltungsrücklage, die die hiernach errechneten Beträge um mehr als das Doppelte übersteigt, zur Überzeugung des Gerichts, als nicht mehr angemessen. Der WEG bleibt für Sonderausgaben insoweit jedoch immer die Möglichkeit einer Sonderumlage.

c. Der Wirtschaftsplan (TOP 4) verstößt hinsichtlich der Auflistung der Beiträge zur Rückstellung – wie oben erläutert – gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung und war insoweit für ungültig zu erklären. Ansonsten entspricht der Wirtschaftsplan ordnungsgemäßer Verwaltung. Der gesetzliche Mindestumfang eines Wirtschaftsplans ergibt sich aus § 28 Abs. 1 S. 2 WEG. Hiernach weist der Wirtschaftsplan keine formellen Mängel auf.

Der Wirtschaftsplan wird gem. § 28 Abs. 1 WEG vom Verwalter aufgestellt und gem. § 28 Abs. 5 WEG mit Stimmmehrheit beschlossen. Der Wirtschaftsplan muss ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, er darf mithin weder zu hohe Vorauszahlungen noch zu hohe Nachzahlungen ausweisen. Er muss insoweit dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechen. Der Einzelwirtschaftsplan ist hinsichtlich der Kosten für die Instandhaltungsrücklage überhöht und damit unwirksam (wie unter b dargelegt). Die Unwirksamkeit der Festsetzung der Höhe der Instandhaltungsrücklage tangiert aber gem. § 139 BGB nicht den ganzen Wirtschaftsplan, sondern lediglich diesen Punkt des Plans, sodass der Plan nur hinsichtlich der Beiträge zur Rückstellung für ungültig zu erklären war. Auch weitere Mängel, die zu einer Gesamtnichtigkeit führen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Wirtschaftsplan war auch nicht hinsichtlich der Heizkosten für ungültig zu erklären. Die Heizkosten sind ordnungsgemäß abgerechnet. Gem. § 7 Abs. 1 S. 1 HeizKostV sind die Kosten des Betriebs der Heizanlage mit mindestens 50 % und höchstens 70 % am Verbrauch der einzelnen Nutzer zu messen. Die restlichen Kosten werden gem. § 7 Abs. 1 S. 5 HeizKostV nach dem Wohn- und Nutzraum umgelegt. Vorliegend wird als Anlage zur Abrechnung die Auflistung der von M. gemessenen Kosten vorgelegt (Bl. 21/22 d. A.). Hieraus ergibt sich, dass die Heizkosten zu 70 % nach Verbrauch und zu 30 % nach Nutzfläche abgerechnet werden, was zulässig ist. Der Vortrag der Klägerin, die Abrechnung können nicht stimmen, weil sie im Schlafzimmer auf Stufe 1 und in der Küche lediglich auf Stufe 2 heize, kann dahinstehen. Es liegt eine wirksame Abrechnung der Heizkosten vor, woraus sich ergibt, dass die Klägerin in Schlafzimmer und Küche am wenigsten heizt, da hier auch der geringste Verbrauch zu vermerken ist. Insofern stützt die Aussage der Klägerin die Richtigkeit der Abrechnung. Die Klägerin legt nicht dar, dass die Abrechnungsmethode fehlerhaft ist oder die Funkübertragungsgeräte nicht ordnungsgemäß funktionieren, sondern trägt nur vor, dass sie weniger geheizt habe. Ein solcher Vortrag ist jedoch nicht ausreichend dargelegt und substantiiert. Die Beklagten haben eine ordnungsgemäße Abrechnung vorgelegt, sodass es der Klägerin obliegt, darzulegen, warum diese fehlerhaft ist. Dies ist unterblieben. Auch der Verweis auf die fehlerhafte Erfassung des Heizölbestandes aus dem Vorjahr verfängt nicht. Gibt es einen Restbestand aus dem Vorjahr, sind die Heizkosten in der Einzelabrechnung aufgrund des Verbrauchs des einzelnen Eigentümers zu berechnen (Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, 12. Aufl., § 28 WEG, Rdn. 57). Dies ist vorliegend erfolgt.

d. Der Beschluss unter TOP 5 war nur hinsichtlich der Verteilung der direkten Kosten für ungültig zu erklären.

aa. Entgegen der Ansicht der Klägerin genügt die Angabe „Beschluss über Abrechnung“ der Bezeichnung des Tagesordnungspunkt in der Einladung gem. § 23 Abs. 2 WEG. Gem. § 23 Abs. 2 WEG ist es erforderlich, dass der einzelne Eigentümer über den Beschlussgegenstand informiert ist und sich aufgrund dessen überlegen kann, ob er an der Versammlung der Wohnungseigentümer teilnimmt oder nicht (Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 23 WEG, Rdn. 72). An die Bezeichnung der einzelnen Tagesordnungspunkte dürfen dabei keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Vorliegend war durch die Bezeichnung des Beschlussgegenstandes ersichtlich, dass die Jahresabrechnungen besprochen werden würden. Die einzelnen Eigentümer konnten sich auch ausreichend informieren, da, ausweislich des Protokolls der Versammlung (Bl. 7 f. d. A.), den Eigentümern die Abrechnungen zur Einsichtnahme vorlagen.

bb. Die Abrechnung ist zudem auch materiell größtenteils ordnungsgemäß.

Die Heizkosten sind ordnungsgemäß abgerechnet. Hierzu kann vollumfänglich auf die oben (unter c.) gemachten Ausführungen verwiesen werden.

Die Umlage der Kosten des Beschlussanfechtungsverfahrens aus dem hierzu ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgericht Stuttgart – Az.: 67 C 6139/15 WEG – welcher die übrigen Eigentümer der WEG als Gesamtschuldner zur Kostentragung verpflichtet, ist zulässig. Die Höhe der Kosten wurde klägerseits schlüssig dargelegt: Der Kostenfestsetzungsbeschluss setzt einen Betrag von 3.958,14 € fest, welcher seit dem 25.10.2016 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist. Die übrigen Eigentümer wurden sodann am 16.12.2016 zur Begleichung eines Betrages von 3.981,31 € von der Gegenseite aufgefordert. Hinzu kommen die Kosten von 2.395,71 € des eigenen Anwalts der übrigen Eigentümer. Bei den Kosten des Rechtsstreits handelt es sich gem. § 16 Abs. 8 WEG nicht um Kosten der Verwaltung. Die Kostenverteilung innerhalb der WEG richtet sich nach der gerichtlichen Kostenentscheidung (vgl. Engelhardt in MüKO BGB, 7. Aufl., § 16 WEG, Rdn. 18), § 16 Abs. 2 WEG gilt daher im Grundsatz nicht. Eine Regelung darüber, wie die Kosten unter den unterlegenen Wohnungseigentümern zu verteilen sind, enthält § 16 Abs. 8 WEG nicht. § 16 Abs. 8 WEG steht einer Umlage nach Miteigentumsanteilen entsprechend § 16 Abs. 2 WEG jedoch nicht entgegen (BGH, NJW 2007, 1869). Ein Beschluss der WEG, dass eine andere Verteilung stattfinden soll (§ 10 Abs. 3 WEG) liegt nicht vor, sodass vom Regelfall und damit der Verteilung nach Miteigentumsanteilen auszugehen ist. Damit ist der Verteilungsschlüssel nach Kopfteilen unwirksam.

Trotz des unwirksamen Verteilungsschlüssel hinsichtlich der direkten Kosten, ist die Abrechnung vorliegend gem. § 139 BGB nur insoweit – hinsichtlich der direkten Kosten – für ungültig zu erklären, da es sich um einen klar abtrennbaren Bereich handelt (BGH, NJW 2007, 1869).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 101 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 ZPO.

Eine Kostenauferlegung auf Seiten des Verwalters gem. § 49 Abs. 2 WEG kommt mangels Vorliegen der Voraussetzungen, unabhängig davon, ob den Verwalter ein grobes Verschulden trifft, nicht in Betracht. Eine Kostenauferlegung nach § 49 Abs. 2 WEG ist nur möglich, wenn der Verwalter dem Rechtsstreit nicht beigetreten ist (Engelhardt in MüKo BGB, 7. Aufl., § 49 WEG, Rdn. 4). Vorliegend ist der Verwalter dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten und damit Streithelfer geworden, sodass ihm Kosten schon nach den allgemeinen Regeln auferlegt werden können.

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