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Ruhestörung: Voraussetzungen für fristlosee bzw. ordentlichen Mieterkündigung

AG Altötting – Az.: 2 C 590/19 – Urteil vom 19.03.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird auf 5.820,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Räumung einer Mietwohnung aufgrund der Kündigungen vom 16.09.2019, 04.10.2019, 29.11.2019 und 16.01.2020.

Mit Mietvertrag vom 26.09.2018 mietete der Beklagte von der Klägerin die Wohnung in dem Haus …, …, 3. Obergeschoss links mit einer Größe von zirka 54 qm. Es wurde eine Miete von 440,00 Euro zuzüglich einer monatlichen Vorauszahlung auf die Nebenkosten von 140,00 Euro und einer Stellplatz / Garagenmiete von 45,00 Euro vereinbart. Die Gesamtmiete beträgt somit monatlich 625,00 Euro.

Auf den schriftlichen Mietvertrag (Anlage K 1) wird verwiesen.

In dem Mietshaus gibt es insgesamt 12 Wohnungen auf 4 Etagen.

Das Mietverhältnis begann am 01.12.2018 zu laufen. Der Beklagte hatte die Wohnung unrenoviert übernommen und führte bereits vor dem 01.12.2018 Renovierungsarbeiten in der Wohnung aus.

Die Klägerin als Vermieterin wird vollumfänglich von der Hausverwaltung … GmbH, Altötting, vertreten.

Nach dem Einzug des Beklagten gab es gegenüber der Hausverwaltung wiederholt massive Beschwerden durch einen weiteren Mieter, den Zeugen A B, welcher seit zirka 20 Jahren die Mietwohnung im 2. Stock des Anwesens bewohnt, die direkt unter der Wohnung des Beklagten liegt.

Die Beschwerden richteten sich gegen Lärmbelästigung und Ruhestörung aus der Wohnung des Beklagten. Vorgetragen wurden seitens des Mieters B insbesondere Ruhestörungen zur Nachtzeit.

Mit Schreiben vom 08.07.2019 sprach die … GmbH wegen der Beschwerden wegen Ruhestörung eine Abmahnung gegen den Beklagten aus ( Anlage K 3).

Nachdem sich die Beschwerden auch nach Zugang der Abmahnung fortsetzten, erklärten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegenüber dem Beklagten mit Einschreiben vom 16.09.2019 die Kündigung, die fristlos ausgesprochen wurde, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt (Anlage K 2).

Weitere Kündigungen erklärten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der Klageschrift vom 04.10.2019 sowie den weiteren Schriftsätzen im Verfahren vom 29.11.2019 und 16.01.2020 und 03.02.2020.

Die Klägerin trägt vor, der Beklagte habe die Ruhezeiten nicht eingehalten. Es sei immer wieder lautes Stampfen, Zuwerfen der Wohnungstüre, Klopfen, Gepolter, Rücken von Möbeln und lautes Schneppern aus der Wohnung des Beklagten und vom Balkonbereich des Beklagten gerade nachts zu vernehmen gewesen.

Hinsichtlich der erhobenen Vorwürfe wird verwiesen auf den Vortrag in den Klägerschriftsätzen und insbesondere auf die Dokumentationen des Zeugen B. Diese wurden zum Teil in die Klägerschriftsätze eingearbeitet und zum Teil beigefügt. Verwiesen wird insbesondere auf die erhobenen Vorwürfe in der Räumungsklage vom 04.10.2019 (dort Seiten 3 und 4), auf die Dokumentation des Zeugen B, die in dem Schriftsatz vom 29.11.2019 eingearbeitet wurde (Bl. 21/24 der Akten) sowie die in den Schriftsatz vom 16.01.2020 eingearbeiteten Protokolle (Bl. 42/46) und die als Anlage zu diesem Schriftsatz vorgelegten handschriftlichen Ausführungen des Zeugen. Weiter wird verwiesen auf die eingearbeiteten Dokumentationen des Zeugen B im Klägerschriftsatz vom 03.02.2020 (Bl. 56/57).

Nach den Dokumentationen des Zeugen B erfolgten die nächtlichen Ruhestörungen des Beklagten ab Juni 2019 und zogen sich hin bis zuletzt. Die letzten dokumentierten Vorfälle stammen vom 22.01.2020 (Bl. 57).

Die Klägerin hat folgende Anträge gestellt:

1.

Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung Nr. 110 im Hause …, 84489 …, 3. OG links, bestehend aus 2 Zimmern, 1 Küche, 1 Bad mit WC, 1 Diele/Flur, 1 Balkon sowie 1 zugehörigen Kelleranteil, sofort zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

2.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Nebenforderung außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 655,69 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.09.2019 zu bezahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Der Beklagte hat die regelmäßig gemeldeten Ruhestörungen bestritten. Er sei ein ruhiger Mieter, bereits vollkommen eingeschüchtert von den zahllosen Abmahnungen und Beschwerdeschreiben und bewohne die Wohnung allein mit seinen beiden Katzen, deren Haltung ihm von der Hausverwaltung mit Schreiben vom 09.01.2019 ausdrücklich genehmigt worden sei. Er lade nahezu niemand zu sich ein, insbesondere feiere er keine nächtlichen Partys und tätige, seit er seinen Einzug in die Wohnung vollkommen abgeschlossen habe, auch keinerlei Schreinerarbeiten. Er stelle und verrücke keine Möbel und trampele oder poltere nicht in der Wohnung herum, weder am Tag noch in der Nacht. Von seiner Wohnung und seiner Person würden die in einem Mehrfamilienhaus ausschließlich sozial üblichen und von allen Mitgliedern der Hausgemeinschaft hinzunehmenden Geräusche ausgehen. Er sei nicht bereit, sich aus der Wohnung vertreiben zu lassen. Auch er, der Beklagte, stelle fest, dass er im Haus nicht alleine sei, natürlich bringe das Wohnen in einem Mehrfamilienhaus mit mehreren Mietparteien verschiedene Geräusche mit sich. Auch der Beklagte habe schon Party-Geräusche gehört. Von ihm allerdings seien sie nicht ausgegangen. Es liege nahe, dass der Zeuge B das Mietverhältnis beendet wissen wolle, indem er die Hausverwaltung mit E.Mails bombardiere. Die unrenovierte Wohnung sei vor seinem Einzug in einem Zustand gewesen, den man als „ziemlich verwüstet“ beschreiben könne. Er habe aufgrund der Tatsache, dass alle Wände in dunklen Farben gestrichen gewesen seien, insgesamt 7 mal gestrichen und die Wohnung befinde sich nunmehr in einem Top-Zustand.

Wegen der Beschwerden habe er ein persönliches Gespräch mit der Hausverwaltung geführt, außerdem habe er an all seinen beweglichen Möbeln, dem Couchtisch usw. Filzgleiter angebracht.

Hinsichtlich des weiteren Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den überreichten Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat mündlich verhandelt am 12.12.2019. In dem Termin wurde der Beklagte ausgiebig persönlich angehört. Desweiteren wurde der Zeuge A B uneidlich einvernommen. Auf das Sitzungsprotokoll  (Bl. 36/38) wird verwiesen.

Das Gericht hat am 21.02.2020 einen Ortsaugenschein durchgeführt, bei dem sowohl die Wohnung des Beklagten als auch die Wohnung des Zeugen B betreten und besichtigt wurden. Im Rahmen des Termins wurde der Zeuge B erneut uneidlich einvernommen und es wurde auch weiter mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 59/60) wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage erwies sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme als unbegründet.

Der Beweis, dass der Beklagte seit Juni 2019 aufgrund nachhaltiger Ruhestörungen den Hausfrieden massiv stört, ist aus Sicht des Gerichts nicht geführt.

Zwar hat der Zeuge A B, ein 57-jähriger Versicherungsmakler, der die Wohnung unter der Wohnung des Beklagten bewohnt, im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme im Termin vom 12.12.2019 bestätigt, dass die von ihm dokumentierten Ruhestörungen tatsächlich stattgefunden hätten. So hat er unter anderem angegeben, wegen der Ruhestörungen des Beklagten sei es im Zeitraum August und September 2019 zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen, in der Nacht durchzuschlafen. Er hat weiter angegeben, Musikgeräusche oder Geräusche des Fernsehers würden aus der Wohnung des Beklagten nicht kommen. Es sei so, dass da die ganze Zeit etwas über den Boden gerollt werde in der Wohnung, was dann entsprechend Geräusche mache. Der Zeuge hat angegeben, es gäbe Nächte, in denen er nur ein bis zwei Stunden geschlafen habe, weil eben ständig Lärm von der Wohnung des Beklagten ausgegangen sei. Es sei auch öfters Lärm ausgegangen vom Balkon der Wohnung des Beklagten, der ja direkt über seinem Balkon liege. Wenn er in seinem Schlafzimmer im Bett liege und in der Wohnung über ihm die Toilettenspülung bestätigt werde, dann sei das extrem laut. Der Mitbewohner auf seinem Stock, Herr P, habe ihm schon bestätigt, dass er das auch hört von oben.

Das Gericht hat dann am 21.02.2020 noch einen Ortstermin durchgeführt, in dem der Zeuge B erneut einvernommen wurde, und zwar in seiner Wohnung im 2. Stock des Anwesens. Er gab an, die Lärmbelästigung sei bis zuletzt unverändert geblieben.

Aus Sicht des Gerichts reichen die Angaben des Zeugen B nicht aus, um eine nachhaltige Störung des Hausfriedens durch den Beklagten, welche eine außerordentliche oder eine ordentliche Kündigung des Beklagten rechtfertigen würde, zu belegen. Es fällt auf, dass es keinerlei schriftliche Beschwerden anderer Mietparteien in dem Haus gegen den Beklagten gibt. Nachdem in dem Mietshaus zwölf Mietparteien wohnen, wäre zu erwarten, dass bei den behaupteten nachhaltigen Ruhestörungen des Beklagten bei der Hausverwaltung auch Beschwerden weiterer Mieter eingehen, was nicht der Fall gewesen zu sein scheint.

Aus Sicht des Gerichts war auch auffällig, dass der Zeuge B angegeben hat, Musikgeräusche oder Geräusche des Fernsehers würden aus der Wohnung des Beklagten nicht kommen. Das Gericht kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Beklagte, der allein in der Wohnung mit seinen Katzen lebt, nächtens ständig Gegenstände über den Boden rollt oder Möbel verrückt. Wenn sich der Zeuge B am nächtlichen Betätigen der Toilettenspülung stört, so handelt es sich insoweit schlicht um hinzunehmende Geräusche.

In den Aufzeichnungen des Zeugen B über die Ruhestörungen erscheint auch das Wort „Schneppern“. Wie der Zeuge B angab, meint er damit, dass da ein metallischer Gegenstand bewegt oder zurückgefedert wird, was in seiner Wohnung deutlich hörbar sei. Auch hat der Zeuge B ein Schlagen gegen das Balkongeländer zu Ruhezeiten moniert. In dem Ortstermin vom 21.02.2020 hat der Zeuge auch eine Aufzeichnung vorgespielt, auf der in zeitlichen Abständen ein metallenes Geräusch wahrnehmbar ist.

Der Beklagte gab hierzu an, er wisse nicht, was das sei, was man da gerade gehört habe.

Letztlich ist aus Sicht des Gerichts auch im Hinblick auf die monierten metallenen Geräusche nicht verifizierbar, dass solche tatsächlich durch den Beklagten verursacht wurden oder werden. Das Gericht kann sich beim besten Willen auch nicht vorstellen, dass der Beklagte ständig mit einem Gegenstand gegen das metallene Balkongeländer schlägt.

Zusammengefasst kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die vom Zeugen B behaupteten Ruhestörungshandlungen des Beklagten nicht hinreichend sicher belegt sind, nachdem Monierungen weiterer Bewohner in dem 12-Parteien-Haus nicht bekannt sind. Allein auf die Aussage des Zeugen B kann deshalb vorliegend weder eine außerordentliche Kündigung des Beklagten wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens noch eine ordentliche Kündigung wegen schuldhafter Verletzung seiner vertraglichen Mieterpflichten gestützt werden, weshalb die Klage abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziffer 11, 711 ZPO.

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