AG Wedding – Az.: 19b C 98/20 – Beschluss vom 04.08.2022
1. Die den Schuldnern vom Landgericht Berlin mit Beschluss vom 16. März 2022 bewilligte Räumungsfrist wird auf Antrag der Gläubiger verkürzt bis zum 15. August 2022.
2. Die Kosten des Verfahrens über den Räumungsfristverkürzungsantrag haben die Schuldner zu tragen.
3. Der Verfahrenswert wird auf 6.469,50 Euro(6 x 1078,25 Euro) festgesetzt.
Gründe
Die Fortdauer der gewährten Räumungsfrist ist den Gläubigern unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen nicht zumutbar.
Die Schuldner haben die Nutzungsentschädigung seit Dezember 2021 nur teilweise geleistet und für die Monate Juni und Juli 2022 überhaupt keine Zahlung getätigt, sodass sie insgesamt mit einer Nutzungsentschädigung i. H. v. 3.533,07 Euro in Verzug sind.
Jedenfalls die seit April 2022 teilweise bzw. vollständig unterbliebenen Zahlungen (2.868,17 Euro) stellen einen neuen Umstand dar, der erst nach dem Beschluss des Landgerichts vom 16.03.2022 eingetreten ist und daher bei der Entscheidung über den Antrag auf Verkürzung der Räumungsfrist nach § 721 Abs. 3, 4 ZPO zu berücksichtigen ist. Diese Nutzungsentschädigung ist in voller Höhe geschuldet. Zum einen führt eine nach Beendigung des Mietverhältnisses eingetretene Verschlechterung der Mietsache nicht zu einer Herabsetzung des Anspruchs auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung (BGH, Urteil vom 27.5.2015 – XII ZR 66/13). Zum anderen würde ein Heizungsausfall außerhalb der Heizperiode ab Mai 2022 ohnehin keine teilweise bzw. vollständige Mietminderung begründen. Auf die Verfügung des Gerichts vom 26.07.2022 haben die Schuldner nicht mitgeteilt, die für Juli 2022 geschuldete Nutzungsentschädigung bezahlt zu haben, sodass davon auszugehen ist, dass den Gläubigern in den Folgemonaten weitere finanzielle Schäden entstehen werden.
Überdies haben die Beklagten keine hinreichenden Bemühungen im Hinblick auf die Suche nach einem Ersatzwohnraum unternommen. Sie tragen lediglich pauschal vor, bisher nur ein valides Angebot erhalten zu haben. Jedoch haben sie – trotz einer dahingehenden Anfrage des Gerichts – nicht dargelegt, ob und welche konkreten Bemühungen sie angestellt und wie viele Anfragen sie bei welchen Wohnungsunternehmen getätigt haben. Es ist zu berücksichtigen, dass den Beklagten im Räumungsurteil vom 29.04.2021 bereits eine Räumungsfrist bis zum 30.06.2022 gewährt wurde. In dieser gesamten Zeit hatten die Schuldner die Pflicht, sich in jeder ihnen zumutbaren Weise um eine Ersatzwohnung zu bemühen.
Nach alledem war die Räumungsfrist auch unter Berücksichtigung des angespannten Berliner Wohnungsmarktes wie beschlossen zu verkürzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Dass die Räumungsfrist nicht bis zu einem früheren Termin verkürzt wurde, beruht auf der Gewährung rechtlichen Gehörs, sodass die Kosten des Verfahrens insgesamt den Schuldnern aufzuerlegen sind.
Der Verfahrenswert war nach dem Wert der monatlichen Nutzungsentschädigung unter Berücksichtigung der begehrten Verkürzung festzusetzen.
Weiterführende Informationen
Eine Verkürzung der Räumungsfrist kann nur dann gewährt werden, wenn sich die maßgeblichen Umstände seit der Entscheidung des Gerichts geändert haben oder wenn neue Umstände vorliegen, die eine Verkürzung der Frist rechtfertigen. Ansonsten kann die Räumungsfrist auf Antrag verlängert oder verkürzt werden, wobei der Antrag auf Verlängerung spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Frist gestellt werden muss. Die Entscheidung über die Verkürzung oder Verlängerung der Frist liegt im Ermessen des Gerichts, das die Interessen der beteiligten Parteien sorgfältig gegeneinander abwägen muss. In bestimmten Fällen, wie beispielsweise während der Corona-Pandemie, kann das Gericht die Räumungsfrist im Wohnraummietrecht auf Antrag verlängern. Es ist wichtig zu beachten, dass die Verkürzung der Räumungsfrist nur in bestimmten Fällen möglich ist und im Ermessen des Gerichts liegt.