KG Berlin – Az.: 8 U 104/17 – Beschluss vom 02.12.2019
Die Berufung der Beklagten gegen das am 29.06.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin – 12 O 411/16 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu 1. des Landgerichtsurteils (nach Teilrücknahme der Klage im Zinspunkt) wie folgt lautet:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.07.2016 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 19.248,04 EUR festgesetzt.
Gründe
A.
Eine Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen erfolgt nach § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO nicht, da der vorliegende Beschluss gemäß § 522 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 544 ZPO und § 26 Nr. 8 EGZPO nicht anfechtbar ist. Die Beschwer der Beklagten beträgt nicht mehr als 20.000,00 EUR, sondern 19.248,04 EUR. Der Senat entscheidet in rechtskraftfähiger Weise über die (unstreitige) Klageforderung von 8.400,00 EUR und im Übrigen in Höhe von 19.248,04 EUR ./. 8.400,00 EUR über die insoweit hilfsweise (in der Klageerwiderung) zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten von 808,13 EUR bleiben bei der Ermittlung der Beschwer unberücksichtigt, da sie nur als von der Klageforderung abhängige Nebenforderungen i.S. von § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO Gegenstand des Prozesses sind (s. BGH GE 2019, 456 – bei juris Rn 6; NJW 2015, 3173 Rn 4; NJW 2014, 3100 Rn 5).
B.
Die Berufung ist – nachdem die Klägerin die Klage wegen eines über fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz hinausgehenden Zinsanspruchs mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat – durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
I. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 13.06.2019, der folgenden Inhalt hat:
„1) Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die von der Beklagten in der Klageerwiderung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch erklärte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen von zusammen 19.248,04 EUR nach §§ 390, 214 BGB unwirksam ist, weil die Voraussetzungen der §§ 215, 387 BGB – eine Aufrechnungslage vor Eintritt der Verjährung der Schadensersatzansprüche – nicht vorliegen.
Die von der Beklagten behaupteten Schadensersatzansprüche wegen Rückgabe der Mietsache in beschädigtem oder sonst nicht vertragsgemäßem Zustand sind ohne Rücksicht auf ihre nähere rechtliche Einordnung nach § 548 BGB mit Ablauf des 15.06.2016 verjährt. Dies hat das Landgericht zutreffend zugrunde gelegt und wird von der Beklagten mit der Berufung im Übrigen auch ausdrücklich nicht angegriffen.
Weiterhin hat das Landgericht zutreffend erkannt und wird von der Berufung nicht in Frage gestellt, dass die Anwendung von § 215 BGB voraussetzt, dass vor Eintritt der Verjährung ein Zahlungsanspruch der Beklagten bestand, weil es anderenfalls an der Gleichartigkeit der beiderseitigen Forderungen und damit an einer Aufrechnungslage in unverjährter Zeit i.S. der §§ 387, 215 BGB fehlt (s.a. OLG Düsseldorf ZMR 2002, 658 – bei juris Tz 4 f.; Palandt/Weidenkaff, BGB, 78. Aufl., vor § 535 Rn 123).
Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass der Beklagten ein Zahlungsanspruch bis zum 15.06.2016 nicht zustand.
Die Beklagte macht mit der Berufung (unter Bezugnahme auf Fervers WuM 2017, 429) geltend, dass die Klägerin durch bauliche Veränderungen und Eingriffe, die ohne Zustimmung der Beklagten erfolgt seien, deren Eigentum geschädigt habe und wegen Verletzung ihres Integritätsinteresses ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB bestehe, der – auch nach Beendigung des Mietverhältnisses – entgegen der Ansicht des Landgerichts keiner Fristsetzung nach § 281 BGB bedürfe. Sie macht somit keinen vertraglichen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Mieträume geltend, sondern einen Schadensersatzanspruch wegen ihrer Beschädigung während der Mietzeit.
Zutreffend ist, dass ein solcher Anspruch nach der höchstrichterlichen Klärung, welche mit Urteilen des BGH vom 28.02.2018 und 27.06.2018 und damit nach Erlass des Landgerichtsurteils erfolgt ist, nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 und § 823 Abs. 1 BGB keiner Fristsetzung bedarf und sich an dieser Rechtslage durch die Beendigung des Mietverhältnisses nichts ändert. Ein solcher Anspruch des Vermieters wegen Verletzung seines Integritätsinteresses durch Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs des Mieters ist von einem zunächst auf Erfüllung gerichteten und nur nach § 281 BGB in einen Zahlungsanspruch übergehenden Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands bei vertragsgemäßem Gebrauch abzugrenzen (s. BGH, Urt. v. 28.02.2018 – VIII ZR 157/17, NJW 2018, 1746 Tz 19 ff; Urt. v. 27.06.2018 – XII ZR 79/17, NJW-RR 2018, 1103 Tz 17 ff).
Aus der danach von der Beklagten zu Recht geltend gemachten Nichtanwendbarkeit des § 281 BGB folgt jedoch nicht, dass das Landgericht vorliegend unrichtig entschieden hätte. Denn es fehlt auch für einen Anspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 oder § 823 Abs. 1 BGB an einer Aufrechnungslage in unverjährter Zeit.
Der Schadensersatzanspruch ist nach § 249 Abs. 1 BGB zunächst nicht auf Zahlung, sondern auf Wiederherstellung des Zustands vor dem Eingriff durch den Schädiger gerichtet. Zwischen diesem Anspruch auf Naturalrestitution und dem Anspruch auf Rückzahlung der Kaution fehlt es an der Gleichartigkeit i.S. von § 387 BGB.
Zwar kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 BGB „statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen“. Hierbei handelt es sich jedoch um einen Fall der sog. Ersetzungsbefugnis des Gläubigers, die einer Ausübung bedarf (s. BGH NJW 2018, 1746 Tz 26 f.). Anders als bei einer Wahlschuld (§ 262 BGB) bestehen nicht von vornherein zwei Ansprüche (somit auf Herstellung und auf Zahlung), die lediglich einer Konkretisierung durch Wahlausübung bedürfen, sondern zunächst lediglich der Herstellungsanspruch. Erst mit dem Zahlungsverlangen übt der Geschädigte sein Recht aus, „an Stelle der einen geschuldeten Leistung eine andere mit der Folge zu setzen, dass fortan nur diese letztere Erfüllung ist“ (s. BGHZ 5, 105 = NJW 1952, 619, 620). Erst mit Ausübung der Ersetzungsbefugnis, die somit eine Gestaltungserklärung ist, tritt eine Änderung des Schuldverhältnisses ein (s. jurisPK-BGB/Toussaint, 8. Aufl., § 262 Rn 15, 17; Larenz, Schuldrecht AT, Band I, 14. Aufl., § 11 III; MüKo/Krüger, BGB, 8. Aufl., § 263 Rn 10: „keine Rückwirkung“; Staudinger/Bittner, BGB, Neub. 2014, § 262 Rn 11: „akzessorisches einseitiges Gestaltungsrecht“).
Die Beklagte hat bis zum Ablauf der Verjährung am 15.06.2016 keine Ansprüche geltend gemacht und folglich auch ihre Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs. 2 BGB durch Verlangen der Zahlung von Schadensersatz nicht ausgeübt. Ein etwa bestehender Anspruch war jedenfalls bis zur Aufrechnungserklärung der Beklagten vom 19.06.2016 (K 5) auf Naturalherstellung gerichtet, so dass vor Verjährungseintritt keine Aufrechnungslage bestand.
2) Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Kosten von 808,13 EUR ist nach §§ 286, 280 BGB begründet und wird von der Berufung auch nicht gesondert angegriffen. Die Beklagte befand sich aufgrund der Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 16.06.2016 mit Fristsetzung zum 01.07.2016 (K 4) mit der Rückzahlung der Kaution in Verzug, bevor die zweckdienliche vorgerichtliche anwaltliche Zahlungsaufforderung vom 28.06.2016 (K 6) erfolgte.“
Ferner nimmt der Senat Bezug auf seinen weiteren Hinweisbeschluss vom 12.09.2019, in dem er im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 07.08.2019 folgendes ausgeführt hat:
„Der Senat hält auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten im Schriftsatz vom 07.08.2019 daran fest, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
1) Die Beklagte hat die Ersetzungsbefugnis i.S. von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nicht innerhalb der am 15.06.2016 abgelaufenen Verjährungsfrist (§ 548 BGB) ausgeübt.
a) Die Räumungsvollstreckung hat insoweit keinen Erklärungswert. Zwar handelt es sich um ein Gestaltungsrecht, das – z.B. durch ein Zahlungsbegehren – auch konkludent ausgeübt werden kann (s. BGH, Urt. v. 29.01.2019 – VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn 21). Die Ausübung ist für den Gläubiger bindend (BGHZ 121, 22 = NJW 1993, 727, 728). Der bloße Umstand, dass der Vermieter die Räume herausverlangt, macht jedoch nicht hinreichend deutlich, dass er sein Gestaltungsrecht ausüben will. Dies gilt erst recht für Schäden, die ihm in diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht bekannt sind.
b) Die Aufrechnung vom 08.12.2013 (B 7) kann ungeachtet dessen, dass sie nicht gegen die hier streitgegenständliche Kaution, sondern gegen einen nicht näher dargelegten Darlehensrückzahlungsanspruch erklärt wurde (und unklar ist, ob dies bei Wirksamkeit zum Verbrauch der Aufrechnungsforderung geführt haben könnte, oder ob sie gegen die Kautionsforderung wirkte), den konkludenten Willen zur Ausübung der Ersetzungsbefugnis zum Ausdruck bringen, jedoch nicht für dort nicht angesprochene (und ggf. noch nicht entstandene, jedenfalls der Beklagten überhaupt noch nicht bekannte) Ansprüche.
c) Der Umstand, dass die Klägerin Schadensersatzansprüche leugnet, macht eine Ausübung der Ersetzungsbefugnis nicht entbehrlich und führt daher nicht dazu, dass nach § 242 BGB ein Zahlungsanspruch ohne Beachtung der Voraussetzungen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzunehmen wäre.
d) Ob die Beklagte durch die Aufrechnung vom 08.12.2013 die Ersetzungsbefugnis betreffend einen Schadensersatzanspruch auf „Wiederherstellung des Dachgeschosses“ ausgeübt hätte, kann dahinstehen.
Denn der Beklagten steht ein solcher Anspruch nicht zu.
Ein schädigender Eingriff in die Dachkonstruktion des Nebengebäudes ist bereits in objektiver Hinsicht nicht vorgetragen. Die Klägerin hat unwiderlegt dargetan, dass sie lediglich die Windböcke „1 zu 1“ ausgetauscht hat (s. Schriftsätze vom 11.01.2017, S. 11 und vom 17.02.2017, S. 6), was angesichts des Gesamtzustands des Daches naheliegend als eine Wertverbesserung anzusehen ist. Die gutachterliche Stellungnahme des Dipl.-Ing. L. zeigt keine konkreten Bedenken gegen die Statik auf, sondern verweist nur darauf, dass solche „nicht auszuschließen“ seien (s. Schriftsatz der Beklagten vom 17.02.2017, S. 6).
Zudem ist die Aufrechnung insoweit auch deshalb unschlüssig, weil die Kosten einer Neueindeckung des Daches (8.330 EUR gemäß Rechnung vom 21.09.2016, B 5) geltend gemacht werden (Schriftsatz vom 23.11.2016, letzte Seite). Ein Zusammenhang zwischen Austausch der Windböcke und der Neueindeckung ist nicht schlüssig dargelegt und für den Senat auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr hatte die Klägerin eine Dachundichtigkeit (und eine Durchfeuchtung des Dachstuhls mit der Folge unzureichender Tragfähigkeit für einen Büroausbau) bereits mit Schreiben vom 22.07.2013, 30.07.2013 und 02.08.2013 gerügt (s. Anlagen B 4, 6 und 7 im Vorprozess 8 U 62/15).
2) In Bezug auf die zur Aufrechnung gestellten Kosten der Stellungnahme des Dipl-Ing. L. (844,90 EUR gemäß Rechnung vom 12.09.2013, B 4) besteht kein Ersatzanspruch, da es nach dem Gesagten bereits an einer objektiven Schädigung fehlt.“
II. Das Vorbringen der Beklagten in den Schriftsätzen vom 07. und 31.10.2019 führt nicht dazu, dass die Berufung nicht mehr offensichtlich ohne Erfolgsaussicht ist.
1) Soweit es um die erstinstanzlich gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch zur Aufrechnung gestellten Forderungen mit Ausnahme der „Kosten der Wiederherstellung des von der Klägerin unzulässigerweise vorgenommenen Eingriffs in den Dachstuhl“ (s. Klageerwiderung, letzte Seite) von 8.330,00 EUR und der Kosten für den Sachverständigen L. von 844,90 EUR geht, scheitert die Aufrechnung – aus den in den Hinweisbeschlüssen dargelegten Gründen – (jedenfalls) daran, dass die Gegenforderungen verjährt sind und mangels Ausübung der Ersetzungsbefugnis (§ 249 Abs. 2 BGB) vor Eintritt der Verjährung kein Zahlungsanspruch und damit keine Aufrechnungslage nach §§ 215, 387 BGB bestand.
Das Schreiben der Beklagten vom 08.12.2013 (Anl. B 7, Bl. II/112 d.A.) kann die Ausübung einer Ersetzungsbefugnis bezüglich etwaige Ansprüche auf Rückbau (angeblich) schädigender baulicher Veränderungen der Klägerin in den Mieträumen und auf Behebung eines Schadens an Alarmanlage und Elektrik im Keller schon deshalb nicht beinhalten, weil derartige Beschädigungen in diesem Schreiben nicht einmal ansatzweise genannt sind.
Der Senat folgt auch nicht der Ansicht der Beklagten, dass sich die Klägerin nach § 242 BGB nicht auf Verjährung berufen könne, weil sie einer Aufforderung zur Naturalherstellung ohnehin nicht nachgekommen wäre. Die Ausübung der Ersetzungsbefugnis ist objektive Voraussetzung eines Zahlungsanspruchs und muss damit ungeachtet dessen, ob die Beschädigung streitig ist oder nicht, erfolgen, um diesen zur Entstehung zu bringen.
2) Die Berufung hat auch keine Erfolgsaussicht, soweit eine Forderung wegen Eingriffs am Dachstuhl des Nebengebäudes in Frage steht.
a) Dahin stehen kann weiterhin, ob die bloße Angabe „Wiederherstellungskosten DG“ (ohne Angabe, welche Art von Maßnahme darunter fallen soll, und ohne Bezifferung) ausreicht, um von einer Ausübung der Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs. 2 BGB auszugehen.
b) Der Vortrag der Beklagten ist insoweit nämlich bereits unschlüssig, so dass es auf die Frage der Verjährung nicht mehr ankommt.
Die Beklagte hat erstinstanzlich in der Klageerwiderung – unter Bezugnahme auf die Akte des Vorprozesses LG Berlin 25 O 396/13 – KG 8 U 62/15 – vorgetragen, dass die Klägerin nicht genehmigte Eingriffe in die Statik des Dachgeschosses vorgenommen habe und die Kosten der „Wiederherstellung“ sich nach einem „Kostenvoranschlag“ der Fa. H. (B 5) auf 8.330,00 EUR beliefen. Nachdem die Klägerin im Schriftsatz vom 11.01.2017, S. 11/12 darauf hingewiesen hatte, dass Anlage B 4 eine Rechnung für eine Neueindeckung mit Ziegelblech enthalte und dies „in keinem Zusammenhang mit dem monierten Mangel“ (eines Eingriffs in den Dachstuhl) stehe, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 17.02.2017, S. 6 lediglich ihren Vortrag wiederholt, dass der ungenehmigte Austausch von sog. Windböcken im Dachstuhl einen „Eingriff“ dargestellt habe, nach dem nach Einschätzung von Dipl.-Ing. L. eine Beeinträchtigung der Statik „nicht auszuschließen“ sei.
Die Beklagte hat somit erstinstanzlich einen Anspruch auf Neueindeckung des Daches nicht schlüssig dargelegt, da es an Vortrag fehlte, der eine Erforderlichkeit dieser Maßnahme als Folge des Austausches von Dachhölzern ergab.
Erstmals mit Schriftsatz vom 26.04.2018, S. 2 in zweiter Instanz hat die Beklagte vorgetragen: „Bei diesem Rückbau wurde derart in die Statik eingegriffen, dass es zu Rissbildungen in der Dachhaut gekommen ist. Diese wiederum machen vor allem die Herstellung einer neuen Dacheindeckung erforderlich.“ Mit Schriftsatz vom 07.10.2019, S. 11 ergänzt sie den Vortrag dahin, dass der Zeuge Z. bekunden könne, dass sich „in der Folgezeit“ nach dem Eingriff der Klägerin „dann Risse im Dach gebildet“ hätten, und um den Beweisantritt eines Sachverständigengutachtens. Die Klägerin hat den Vortrag bestritten (Schriftsatz vom 30.10.2019).
Abgesehen davon, dass der neue Vortrag zur Unterlegung der Erforderlichkeit der Maßnahme der Neueindeckung und damit zur Begründung einer Zahlungsforderung entsprechend Rechnung B 5 wegen nachlässigen Unterlassens des Vortrags in erster Instanz (eines gerichtlichen Hinweises bedurfte es nach dem Schriftsatz der Klägerin vom 11.01.2017 nicht) nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zurückzuweisen wäre, ist er bereits nicht schlüssig. Die Beklagte hat sich selbst auf die Feststellungen des Sachverständigen L. berufen. Dieser hat nach Ortstermin am 08.08.2013 in seiner „Gutachterlichen Stellungnahme“ vom 15.08.2013 (s. etwa B 8) ausgeführt, dass „sichtbare Schäden an der Dacheindeckung .. infolge des Rückbaus der aussteifenden Holzstützen und Balken nicht zu erkennen“ seien. Der Vortrag, dass sich „in der Folgezeit“ Risse gebildet hätten, ist daher widersprüchlich und zudem auch unsubstantiiert. Ebenso ist es ein – nicht erheblicher – Vortrag ins Blaue hinein, dass es erst nach den Arbeiten der Klägerin am Dach zu Dachundichtigkeit gekommen sei und Ursache hierfür ein Austausch der Stützen gewesen sei. Dieser Vortrag steht in Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen, die dadurch geprägt sind, dass die Klägerin bereits am 22.07.2013 eine Undichtigkeit angezeigt (jedenfalls behauptet) hatte (Klage der hiesigen Beklagten vom 29.08.2013, S. 3 im Vorprozess), die hiesige Beklagte im Vorprozess mit Schriftsatz vom 10.01.2014, S. 3 jedenfalls alte „Durchlaufspuren“ einräumte und es sich unstreitig um eine „alte Dachhaut“ handelt (s. Schriftsatz der hiesigen Beklagten vom 19.03.2014 im Vorprozess und etwa Foto im Gutachten L.). Dass ein altes Pappschindel-Dach auch ohne äußere Einwirkungen undicht wird und zweckdienlich mit einem Blechdach zu überdecken ist, entspricht der Lebenserfahrung, so dass auch ein Anscheinsbeweis zugunsten der Beklagten nicht in Betracht kommt. Ihre Behauptung einer Ursächlichkeit durfte sie daher unter den gegebenen Umständen objektiv nicht für wahrscheinlich halten, so dass ein Fall der Behauptung ins Blaue vorliegt.
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine etwaige Schadensersatzforderung im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO jedenfalls auch ganz erheblich wegen Vorteilsanrechnung „neu für alt“ zu kürzen wäre. Nach Ablauf der üblichen Lebenszeit eines Bitumen-Schindeldaches würde ein Anspruch aus diesem Grund gänzlich ausscheiden.
c) Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 31.10.2019 noch Kosten „für die Wiederherstellung des Dachgeschosses“ gemäß Angebot der Fa. D. über 12.652,40 EUR netto (Anl. B 10) (konkludent) zur Aufrechnung stellt, ist dies bereits aus prozessualen Gründen nicht beachtlich. Zum einen ist die Aufrechnung nach § 533 Nr. 2 ZPO unzulässig, da sie nicht auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Vielmehr handelt es sich um neuen Vortrag, der bereits in erster Instanz hätte vorgebracht werden können, und der nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht berücksichtigt werden kann. Zum anderen verlieren zweitinstanzliche Änderungen und Erweiterungen des Streitstoffs – und zu diesen gehört auch eine neue Aufrechnung – entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO mit der Beschlusszurückweisung der Berufung ihre Wirkung (s. Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 522 Rn 37 m.N.).
3) Bezüglich der Kosten für die Gutachterliche Stellungname des Dipl-Ing L. von 844,90 EUR vermag der Senat nicht zu erkennen, dass es sich um notwendige Kosten zur Schadensfeststellung nach einer rechtswidrigen und schuldhaften Schädigung durch die Klägerin handelt. Es verbleibt dabei, dass der Austausch von Hölzern im Dachstuhl angesichts des – von der Beklagten nicht substantiiert bestrittenen, insbesondere schon von der hiesigen Klägerin im Vorprozess eingehend dargelegten – schlechten Zustands des Dachstuhls keine schädigende Handlung, sondern im Grundsatz eine Verbesserung darstellte. Zudem musste sich die Beklagte nicht zur Einholung eines Gutachtens herausgefordert sehen. Auch der Sachverständige L. hat eine nachteilige Veränderung der Statik nicht festgestellt, sondern lediglich nicht mit Sicherheit ausgeschlossen, da er zur Frage, ob die „neu eingebauten Holzquerschnitte die statisch erforderlichen Abmessungen haben“, keine Aussage treffen konnte. Dass eine Abweichung (und kein Austausch „1 zu 1“) vorliegt, hat die Beklagte nicht (substantiiert) behauptet. Der Senat hat auch bereits in seinem Urteil im Vorprozess vom 23.06.2016 (8 U 62/15), UA S. 9 darauf hingewiesen, dass der Einbau von Hölzern mit zu kleinem Querschnitt als Vortrag ins Blaue erscheine, zumal die (hiesige) Beklagte als Eigentümerin die Bauzeichnungen auswerten könne.
III. Nach Überzeugung des Senates ist hier eine mündliche Verhandlung nicht geboten im Sinne von § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO, auch wenn die Begründung des Senats für die Zurückweisung der Berufung mit der Argumentation des Landgerichts nicht gänzlich übereinstimmt. Abweichend von dem, was der Begründung in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (Bundestags-Drucksache 17/6406) zu entnehmen sein könnte, erfordert ein Wechsel der Begründung nicht in jedem Fall eine mündliche Berufungsverhandlung. Nach der Funktion des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO ist eine erneute mündliche Verhandlung vielmehr nur dann geboten, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts auf eine umfassend neue rechtliche Würdigung gestützt wird und diese mit den Parteivertretern im schriftlichen Verfahren nicht sachgerecht erörtert werden kann (ebenso OLG Hamm, Beschl. v. 02.03.2012 – 20 U 228/11, VersR 2013, 604; OLG Koblenz, Beschl. v. 16.02.2012 -10 U 817/11, VersR 2013, 708 – bei juris Rn 28; OLG Braunschweig, Beschl. v. 21.11.2018 – 10 U 90/18, juris Rn 217 f.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.11.2013 – 18 U 1/13, BeckRS 2013, 22588; Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 522 Rn. 40; Saenger/Wöstmann, ZPO, 8. Aufl., § 522 Rn 12.1). Das ist hier nach Überzeugung des Senats nicht der Fall. Dass die Prozessbeteiligten in erster Instanz im Rahmen der Frage der Aufrechenbarkeit mit den verjährten Gegenforderungen das Erfordernis einer Fristsetzung nach § 281 BGB vor Ablauf der Verjährung behandelt haben, während der Senat – für die Mehrzahl der Gegenforderungen – dem Landgericht im Ergebnis wegen Fehlens einer Ersetzungserklärung nach § 249 Abs. 2 BGB beitritt, beinhaltet keine „umfassende“ neue rechtliche Bewertung. Gleiches gilt für die Abweichung in der Begründung dahin, dass wegen eines Anspruchs auf Ersatz von Dacheindeckungskosten zwar eine Ersetzungsbefugnis im Schreiben vom 08.12.2013 ausgeübt worden sein mag, es insoweit jedoch an einem schlüssig dargelegten Anspruch fehlt. Letzteres war auch bereits Gegenstand einer Einwendung der Klägerin in erster Instanz. In beiden Punkten der abweichenden Begründung konnte die Sach- und Rechtslage auch sachgerecht mit den Parteien im schriftlichen Verfahren erörtert werden.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO und die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
Die Wertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO und § 45 Abs. 3 GKG.