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Verzicht auf Eigenbedarfskündigung durch Vermieter wirksam?

AG Charlottenburg – Az.: 211 C 85/18 – Urteil vom 10.09.2018

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4) Der Streitwert wird auf 4.445,52 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt als Eigentümer der Wohnung im 3. Obergeschoss des Hauses …, … Berlin von der Beklagten als Mieterin der Wohnung Räumung und Herausgabe der Wohnräume. Er begründet den Räumungsanspruch mit Eigenbedarf.

Die Beklagte ist spätestens aufgrund des Mietvertrages vom 26.10.1993 Mieterin der streitgegenständlichen Wohnung. Sie lebte dort auch schon zuvor mit ihren mittlerweile verstorbenen Eltern. Der Kläger ist in das von der Beklagten ursprünglich mit der … begründete Mietverhältnis durch Eintragung in das Wohnungsgrundbuch unter dem 11.11.2016 auf der Vermieterseite eingetreten.

Vor dem Erwerb durch den Kläger ist die von der Beklagten innegehaltene Wohnung mehrfach veräußert worden. Wegen der Hintergründe der Veräußerung der landeseigenen Immobilien des Landes Berlin an private Investoren wird auf die zur Akte gereichte Drucksache 14/1026 des Abgeordnetenhauses von Berlin (Anlage B1, Bl. 52-58 d.A.) verwiesen.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 08.10.2004, Urkundenrolle Nr. 1122/2004 des Notars … (nachfolgend 1. Kaufvertrag) (Anlage B2, Bl. 59-80 d.A.) wurde die streitgegenständliche Wohnung unter der Wohnungsnummer 7 vom Land Berlin, genauer der … Aktiengesellschaft Berlin, an die … Vermögensverwaltung GmbH veräußert.

Da heißt es in § 7 (1) Abs. 4 Satz 1: „Bezüglich der vermieteten Wohnungen und bestehenden Mietverhältnissen verwiesen die Erschienenen auf die dieser Urkunde als Anlage 3 zu Beweiszwecken 6-seitige Liste, welche ihnen vom amtierenden Notar zur Durchsicht vorgelegt sowie von ihnen genehmigt und unterschrieben wurde“. Weiter heißt es in § 7 (2) Abs. 1: „Für die Dauer der bestehenden Mietverhältnisse verzichtet der Käufer a) Mietverhältnisse unter Berufung auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 II Nr. 2 und Nr. 3 BGB zu kündigen.“ Weiter in § 7 (2) Abs. 2: „Der Verzicht ist bis zur Beendigung des jeweils abgeschlossenen Mietvertrags rechtsverbindlich und wirkt zugunsten der jeweiligen Mieter, die einen unmittelbaren Anspruch aus dieser Vereinbarung erwerben. Der Verkäufer ist berechtigt, diesen Verzicht den Mietern mitzuteilen. Für den Fall, dass es hierüber zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien kommen sollte, sind Mieter des Kaufgegenstands berechtigt, beim amtierenden Notar jeweils auf eigene Kosten eine diese Regelung enthaltene Teilausfertigung dieses Vertrags anzufordern.“ Ferner in § 7 (2) Abs. 3: „Für den Fall des Weiterverkaufs einer, mehrerer oder aller Wohnungen des Kaufgegenstands verpflichtet sich der Käufer die unter lit. A) und b) getroffenen Verzichtsvereinbarungen dem bzw. den neuen Käufern ebenfalls aufzuerlegen.“ In der Anlage 3 Mieterliste auf Seite 1 (Bl. 76R d.A.) steht unter Wohnungen: „lfd. Nr. 6, GB-Bl.-Nr. 7373, ETW-Nr. 7, MEA 71,81, Wohngeld 177,00, Straße … H-Nr. 61, Mietbeginn 1.10.1993, Mieter 1 …, Mieter 2 -, qm 61,48, … 62,33, HZ/WW 23,52, KW 22,01, Grundmiete 266,56, €/m² 4,34“.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 24.02.2005, Urkundenrolle Nr. 389/2005 des Notars … (nachfolgend 2. Kaufvertrag) (Anlage B3, Bl. 81-95 d.A.) wurde die streitgegenständliche Wohnung Nr. 7 sodann von der … Vermögensverwaltung GmbH an die Streitverkündeten zu 1. und 2. veräußert.

Da heißt es unter § 6 Abs. 4: „Der Käufer verzichtet zugunsten des Mieters der Wohnung Nr. 7, das Mietverhältnis unter Berufung auf berechtigte Interessen im Sinne von § 573 Abs. (2) Nr. 2 und Nr. 3 BGB zu kündigen, wobei der Verzicht sich auf solche Kündigungsgründe erstreckt, welche sich aus späteren Gesetzesänderungen oder Rechtsnormen ergeben“. Danach folgen weitere Vorschriften, welche inhaltlich denen des 1. Kaufvertrags entsprechen.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 25.11.2015, Urkundenrolle Nr. 1203/2015 des Notars … (nachfolgend 3. Kaufvertrag) (Anlage B4, Bl. 96-103 d.A.) wurde die streitgegenständliche Wohnung Nr. 7 dann von denn Streitverkündeten zu 1. und 2. an die … GmbH veräußert.

Zuletzt wurde die streitgegenständliche Wohnung schließlich mit notariellem Kaufvertrag vom 08.11.2016, Urkundenrolle Nr. 771/2016 des Notars … (nachfolgend 4. Kaufvertrag) (Anlage B 5, Bl. 104-113 d.A.) von der … GmbH an den Kläger veräußert. Da heißt es unter § 9 (5): „Der Verkäufer hat den Käufer darüber informiert, dass die Voreigentümer im damaligen notariellen Vertrag vom 28.02.2005 mit unmittelbarer Drittwirkung zu Gunsten des jeweiligen Mieters der Wohnung Nr. 7 auf das Recht zur ordentlichen Kündigung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BGB sowie auf etwaige künftige Kündigungsgründe, die sich aus späteren Gesetzesänderungen oder Rechtsnormen ergeben, sowie auf die Durchführung von sog. Luxusmodernisierungen, die den üblichen Standard einer Mietwohnung eines Arbeitnehmers im Bezirk des Kaufgegenstands mit durchschnittlichem Einkommen übersteigen, verzichtet haben.“

Mit Schreiben vom 04.07.2017 (Anlage K4, Bl. 24 d.A.) kündigte der Kläger gegenüber der Beklagten das Mietverhältnis unter Verweis auf Eigenbedarf. Die Beklagte machte von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die vorzitierten Regelungen der verschiedenen notariellen Kaufverträge nicht zu einem wirksamen Ausschluss der Eigenbedarfskündigung geführt haben. Ein einseitiger dauerhafter Verzicht des Vermieters gegenüber dem Mieter bedürfe der Schriftform nach § 550 BGB und diese sei vorliegend nicht eingehalten.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die von ihr innegehaltene Wohnung im 3. Obergeschoss links des Hauses … Berlin, gelegene Wohnung, bestehend aus 2 ½ Zimmern, Abstellkammer, Flur sowie Bad/WC zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet den vorgetragenen Eigenbedarf. Sie ist der Ansicht, der Mieterschutz sei wirksam. Dieser ergebe sich bereits aus der Urkunde des Notars … Nr. 1122/2204. Dieser sei ein Vertrag zugunsten Dritter und der Verzicht wirke unmittelbar auf das jeweilige Mietverhältnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Parteischriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger kann von der Beklagten nicht Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung verlangen. Das Mietverhältnis ist nicht wirksam durch die sog. Eigenbedarfskündigung vom 04.07.2017 beendet worden.

Die sog. Eigenbedarfskündigung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist vorliegend nämlich durch den zugunsten der Klägerin vereinbarten Verzicht aus dem 1. Kaufvertrag aus dem Jahr 2004 wirksam ausgeschlossen. Zutreffend geht der Kläger davon aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein einseitiger dauerhafter Verzicht des Vermieters gegenüber dem Mieter auf die Geltendmachung einer Eigenbedarfskündigung der Schriftform nach § 550 BGB unterliegt (BGH, Urteil vom 04.04.2007 – VIII ZR 223/06). Anders als der Kläger meint, sind aber genau diese Anforderungen vorliegend eingehalten, genauer wurden durch den notariellen 1. Kaufvertrag aus dem Jahr 2004 die Rechte und Pflichten der Mietvertragsparteien – hier des jeweiligen Vermieters der streitgegenständlichen Wohnung Nr. 7 – dahingehend geändert, dass ein Verzicht auf die Eigenbedarfskündigung vereinbart wurde. Die Anforderungen des § 550 BGB bzw. der Rechtsprechung an den Umfang der Schriftform i.S.d. § 126 BGB sind vorliegend auch eingehalten. Der 1. Kaufvertrag wurde notariell beurkundet und nimmt in seinen Vereinbarungen und seiner anliegenden und mit dem Kaufvertrag fest verbundenen Anlage 3 unmittelbar und konkret Bezug auf das vorliegende Mietverhältnis. Eine ausreichende Konkretisierung bzw. Erkennbarkeit der Rechte und Pflichten der Mietvertragsparteien wie sie § 550 BGB fordert ist damit gewährleistet. In der Anlage 3 sind nicht nur der Name der Mieterin, sondern auch der Mietvertragsbeginn, die Wohnungsgröße, der Mietzins inkl. genauer Angaben der Nebenkosten sowie die genaue Bezeichnung der Adresse der Wohnung aufgeführt. Dass die Mieterin, hier die Klägerin, unmittelbar eigene Rechte aus dem Vertrag erwirbt bzw. erwerben sollte, ergibt sich auch schon aus dem Umstand, dass der jeweilige Mieter berechtigt werden sollte, eine Teilausfertigung des Vertrags anzufordern und diese dann im Streitfall dem Vermieter entgegen zu halten. Zudem spricht auch die Formulierung im 1. Kaufvertrag „der Verzicht ist […] verbindlich und wirkt zugunsten der jeweiligen Mieter“ eindeutig für einen echten Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB.

Durch diesen 1. Kaufvertrag wurde der Mietvertrag aus dem Jahr 1993 zugunsten der Mieterin im Sinne des § 328 BGB konkret und unmittelbar geändert. Dieser geänderte Mietvertrag, genauer dessen geänderte Rechte und Pflichten, sind sodann infolge der nachfolgenden notariellen Kaufverträge gem. § 566 BGB auf den jeweiligen Erwerber und zuletzt auf den Kläger übergegangen. Diese Vereinbarung über besondere Kündigungsmöglichkeiten bzw. deren Beschränkung bindet auch den Erwerber (vgl. dazu Streyl, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl., § 566, Rn. 124). So war es im Übrigen auch schon in dem 4. Kaufvertrag mit dem Kläger formuliert: „mit unmittelbarer Drittwirkung zu Gunsten des jeweiligen Mieters der Wohnung Nr. 7“. Die Mieterin der Wohnung Nr. 7 ist immer noch die Beklagte und genau auf diese Mieterin bzw. ihren Mietvertrag und dessen essentialia negotii nimmt der 1. Kaufvertrag aus dem Jahr 2004 Bezug. Für den Kläger war die Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten bekannt bzw. wenigstens erkennbar, so dass auch den Interessen bzw. dem Zweck der Schriftform i.S.d. § 550 ausreichend Genüge getan ist.

Auf die Wirksamkeit bzw. Weiterübertragung der Verpflichtung auf den jeweiligen neuen Erwerber durch die nachfolgenden Kaufverträge bzw. eine etwaige Unterbrechung der Weiterverpflichtung kommt es nach hiesiger Auffassung mithin nicht an.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 91 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitverkündeten sind dem Rechtsstreit nicht beigetreten. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 41 Abs. 2 GKG.

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