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WEG-Eigentümer gehört Nachbargrundstück – Auswirkungen bei Rechtsstreit

WEG-Eigentümer und Nachbargrundstück: Konflikte und rechtliche Implikationen

Die rechtliche Auseinandersetzung zwischen einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und einem ihrer Mitglieder, welches auch Eigentümer eines benachbarten Grundstücks ist, hat in jüngster Zeit für Aufsehen gesorgt. Im Kern des Streits steht die Frage, ob die WEG das Recht hat, Sicherungsmaßnahmen auf dem Nachbargrundstück durchzuführen, um ein potenziell einsturzgefährdetes Parkhaus zu schützen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 102 AR 21/23 >>>

Das Dilemma um das Parkhaus

Die Verfügungsklägerin, also die WEG, argumentiert, dass das Parkhaus, welches sich auf ihrem Gemeinschaftsgrundstück befindet, akut einsturzgefährdet sei. Es besteht die Befürchtung, dass Teile des Gebäudes auf einen Heizungskeller und eine Gas-Hochdruckleitung fallen könnten, was zu einer Gasexplosion führen könnte. Die WEG behauptet, dass Sicherungsmaßnahmen am Parkhaus selbst, wie das Anbringen von Netzen oder das Einsetzen von Stützen, entweder zu riskant oder zu teuer seien. Daher möchte die WEG Sicherungsmaßnahmen auf dem Nachbargrundstück der Verfügungsbeklagten durchführen.

Die Sicht der Verfügungsbeklagten

Die Verfügungsbeklagte, die sowohl Miteigentümerin des Gemeinschaftsgrundstücks als auch Eigentümerin des Nachbargrundstücks ist, widerspricht der Darstellung der WEG. Sie ist der Meinung, dass das Parkhaus nicht akut einsturzgefährdet ist und saniert werden kann. Sie vermutet, dass die WEG tatsächlich das Parkhaus abreißen möchte und die Sicherungsmaßnahmen nur ein Vorwand sind. Zudem plant die Verfügungsbeklagte, ihr Grundstück als Parkplatz zu nutzen, was die WEG ihrer Meinung nach verhindern möchte.

Rechtliche Einwände und das Urteil des Amtsgerichts Augsburg

Die Verfügungsbeklagte argumentiert, dass sie nicht zur Duldung der Sicherungsmaßnahmen auf ihrem Grundstück verpflichtet sei. Sie behauptet, dassdie WEG durch jahrelange Vernachlässigung selbst für den Zustand des Parkhauses verantwortlich sei. Zudem sei der Antrag der WEG unzulässig und zu unbestimmt. Das Amtsgericht Augsburg hat dem zugestimmt und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es argumentierte, dass die geplanten Maßnahmen die Hauptsache vorwegnehmen würden und sowohl die Einsturzgefährdung des Parkhauses als auch die Möglichkeit von Sicherungsmaßnahmen am Parkhaus selbst strittig seien.

Schlussgedanken

Dieser Fall zeigt die Komplexität von rechtlichen Auseinandersetzungen im Kontext von Wohnungseigentümergemeinschaften und benachbarten Grundstücken. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation weiterentwickelt und ob eine für beide Parteien zufriedenstellende Lösung gefunden werden kann.


Das vorliegende Urteil

BayObLG – Az.: 102 AR 21/23 – Beschluss vom 14.06.2023

Funktionell zuständig für das Berufungsverfahren ist das Landgericht Augsburg.

Gründe:

I.

Die Verfügungsklägerin begehrt, die Verfügungsbeklagte durch einstweilige Verfügung zu verpflichten, die Nutzung von in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken zu dulden und den Zutritt zu diesen zu gewähren.

Das im Miteigentum der Mitglieder der Verfügungsklägerin stehende Grundstück Gemarkung X, Flurstück …, ist mit einem Parkhaus bebaut, dessen Ebenen in Sondereigentum stehen. Die Verfügungsbeklagte hält einen Miteigentumsanteil an dem Gemeinschaftsgrundstück verbunden mit dem Sondereigentum an den Ebenen 1 bis 3, dem sogenannten Hotelparkhaus. Mehrheitseigentümer mit insgesamt 75% der Miteigentumsanteile an dem Grundstück sind die B.-P. GmbH & Co. KG und die B.-B. GmbH & Co. KG. Die Verfügungsbeklagte ist zudem Eigentümerin der südwestlich des Parkhauses gelegenen Nachbargrundstücke. Auf einem dieser Grundstücke befindet sich ein Heizungskeller, der dem nordöstlich des Parkhauses befindlichen Hotelturm dient und zu dem eine Gas-Hochdruckleitung führt.

In einer Eigentümerversammlung der Verfügungsklägerin wurde am 13. September 2022 mit den Stimmen der Mehrheitseigentümer der Beschluss gefasst, das Parkhaus abzureißen und Sicherungsmaßnahmen für den Heizungskeller durchzuführen. Auf Antrag der Verfügungsbeklagten wurde der Vollzug dieses Beschlusses durch einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Augsburg, Az. 30 C 2868/22 WEG eV, in Bezug auf den Abriss untersagt. Die Stadt Augsburg untersagte mit Bescheid vom 20. September 2022 die Nutzung des Parkhauses, mit Bescheid vom 16. Oktober 2022 zudem das Betreten des Parkhauses inklusive Heizungskeller. In einer außerordentlichen Eigentümerversammlung am 24. November 2022 beantragte die Verfügungsbeklagte einen Beschluss, dass ein Sachverständiger mit der Ermittlung von möglichen Maßnahmen zu Sicherung der Standsicherheit des Parkhauses und zur Erstellung eines Sanierungsplans für das Parkhaus beauftragt werden solle. Die Anträge der Verfügungsbeklagten wurden durch die Mehrheitseigentümer abgelehnt.

Die Verfügungsklägerin behauptet, das Parkhaus sei akut einsturzgefährdet. Es bestehe die Gefahr, dass Bauteile auf den Heizungskeller und die im Bereich des Heizungskellers dorthin führende Gas-Hochdruckleitung stürzten. Wenn die Leitung durchschlagen werde, drohe eine Gasexplosion, die auch das Parkhaus zerstöre. Sicherungsmaßnahmen am Parkhaus selbst seien aufgrund des Betretungsverbots, aber auch aus technischen Gründen nicht möglich. Das Anbringen von Netzen könne zu einer Erschütterung des Gebäudes und letztlich zum Einsturz führen. Zusätzliche Stützen im Parkhaus seien zudem unverhältnismäßig teuer. Die Grundstücke der Verfügungsbeklagten seien lediglich eine verwilderte, brachliegende Fläche. Als Sicherungsmaßnahme sei beabsichtigt, zunächst die private Gasleitung vom Übergabeschacht bis zum Eintritt in den Heizungskeller freizulegen, um den genauen Verlauf der Gasleitung erkennen und eine versehentliche Beschädigung vermeiden zu können. Sodann solle die Gasleitung mit ausreichend Erde überdeckt werden. Anschließend sollten ca. 60 große Betonsteine rings um den Heizungskeller gesetzt werden. Auf diese sollten Doppel-T-Stahlträger mit einer Länge von 10 m und einer Breite von 35 cm und darauf Schichtplatten verlegt werden. Die Verfügungsbeklagte sei zur Duldung dieser Maßnahmen auf ihren Grundstücken aus dem Hammerschlags- und Leiterrecht nach Art. 46b BayAGBGB in zumindest analoger Anwendung sowie aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis verpflichtet. Ferner bestehe die Pflicht der Verfügungsbeklagten als Miteigentümerin der Verfügungsklägerin aufgrund ihrer Treue- und Rücksichtnahmepflicht. Die Verfügungsklägerin habe die Verkehrssicherungspflicht zu wahren. Die Miteigentümer und damit auch die Verfügungsbeklagte müssten daher die Verfügungsklägerin auf Grund des wohnungseigentumsrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses bei der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht unterstützen und entsprechende Maßnahmen dulden.

Die Verfügungsklägerin hat daher beantragt, im Wege der einstweiligen Verfügung die Verfügungsbeklagte zu verpflichten, die Nutzung der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke zur Ausführung von Sicherungsmaßnahmen für den Heizungsraum und die Gasanschlussleitung südwestlich neben dem Parkhaus zu dulden und den Ausführenden den Zutritt zu gewähren.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt, den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte behauptet, das Parkhaus sei nicht akut einsturzgefährdet und könne saniert werden. Die Mehrheitseigentümer wollten in Wirklichkeit nicht den Heizungskeller sichern, sondern das Parkhaus abreißen. Die Verfügungsbeklagte habe vor, ihre Grundstücke als Parkplatz zu nutzen zum Ausgleich für das gesperrte Parkhaus. Dies wolle die Verfügungsklägerin verhindern, um den Hotelbetreiber und letztlich die Verfügungsbeklagte zu nötigen, dem Abriss des Parkhauses zuzustimmen.

Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, sie sei zur beantragten Duldung und Zutrittsgewährung nicht verpflichtet. Ein Anspruch der Verfügungsklägerin ergebe sich nicht aus Art. 46b BayAGBGB, da die Gefahr vom Grundstück der Verfügungsklägerin ausgehe. Sicherungsmaßnahmen wie etwa ein Umspannen mit Netzen und die Einbringung von Stützen im Parkhaus seien möglich, ohne dass das Nachbargrundstück in Anspruch genommen werden müsse. Die Kosten habe die Verfügungsklägerin durch jahrelanges Nichtstun selbst verschuldet. Ein Anspruch der Verfügungsklägerin ergebe sich auch nicht aus der Stellung der Verfügungsbeklagten als Mitglied der Verfügungsklägerin. Diese nehme die Verfügungsbeklagte als Eigentümerin des Nachbargrundstücks und damit wie eine Dritte in Anspruch. Schließlich sei der Antrag unzulässig, weil zu unbestimmt. Zudem fehle mangels Beschlussfassung der Eigentümerversammlung die Prozessführungsbefugnis der Verfügungsklägerin.

Das Amtsgericht Augsburg hat mit Endurteil vom 14. Dezember 2022, der Verfügungsklägerin zugestellt am selben Tag, den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Der Antrag sei unzulässig, da die beabsichtigten, massiven Maßnahmen unzulässig die Hauptsache vorwegnähmen. Sowohl die Einsturzgefährdung des Parkhauses als auch die Möglichkeit von Sicherungsmaßnahmen am Parkhaus selbst seien streitig. Ferner fehle es, auch wenn es darauf entscheidend nicht ankomme, an der Prozessführungsbefugnis. Zwar sei die Vertretungsmacht des Verwalters Dritten gegenüber unbeschränkt. Da die Verfügungsbeklagte aber Miteigentümerin sei, schlage die Bindung im Innenverhältnis nach außen durch. Eine Beschlussfassung der Eigentümerversammlung fehle. Ein Verfügungsgrund sei ebenfalls nicht gegeben. Ein Anspruch aus Art. 46b BayAGBGB bestehe nicht, da die Norm nicht die dauerhafte kostenfreie Inanspruchnahme und Umgestaltung des Nachbargrundstücks zur Sicherung des eigenen Gebäudes umfasse. Die Verfügungsklägerin könne ihren Anspruch auch nicht aus einer Treuepflicht der Verfügungsbeklagten als Mitglied der Eigentümergemeinschaft ableiten. Eine solche gehe nicht dahin, dass ein Mitglied sein nebenliegendes Grundstück zur Sicherung des Gebäudes der Eigentümergemeinschaft zur Verfügung stellen müsse. Etwaige Duldungspflichten seien auf das Sonder- und das Gemeinschaftseigentum beschränkt. Ein Anspruch aus § 1004 BGB bestehe nicht, da das die eventuelle Gefahr einer Explosion auslösende Moment unstreitig vom Parkhaus ausgehe. Ein Notstand nach § 904 BGB liege nicht vor.

Dagegen hat die Verfügungsklägerin mit Schriftsatz vom 13. Januar 2023, eingegangen am selben Tag, Berufung zum Landgericht München I eingelegt. Das Landgericht München I hat mit Verfügung vom 24. Januar 2023 die Parteien darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Zuständigkeit des Landgerichts München I bestünden. § 72 Abs. 2 GVG, § 43 Abs. 2 WEG erfasse nur Verfahren, welche einen inneren Zusammenhang mit den Rechten und Pflichten als Wohnungseigentümer aufwiesen. Daran fehle es, da Gegenstand des Verfahrens ein nachbarrechtlicher Anspruch sei, bei dem sich die Parteien wie Dritte gegenüberstünden. So habe bereits das Bayerische Oberste Landesgericht in einem Beschluss vom 16. Januar 1990, Az. 1 b Z 41/88 entschieden, dass der bürgerlich-rechtliche Abmarkungsanspruch sich nicht gegen die dortige Antragsgegnerin als Miteigentümerin des Gemeinschaftsgrundstücks, sondern als Eigentümerin eines Nachbargrundstücks richte.

Die Verfügungsklägerin hat in Reaktion auf den Hinweis mit Schriftsatz vom 8. Februar 2023, eingegangen am selben Tag, auch noch Berufung zum Landgericht Augsburg eingelegt. Gegenüber beiden Landgerichten hat die Verfügungsklägerin ausgeführt, § 72 Abs. 2 GVG, § 43 Abs. 2 WEG gelte gerade auch für Rechte und Pflichten, die sich aus dem wohnungseigentumsrechtlichen gesetzlichen Schuldverhältnis ergäben. Der geltend gemachte Anspruch gegen die Verfügungsbeklagte diene der Verkehrssicherungspflicht, die der Verfügungsklägerin obliege. Die Miteigentümer hätten aufgrund der Treue- und Rücksichtnahmepflichten an der Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht mitzuwirken. Insoweit bestehe ein Zusammenhang mit den Rechten und Pflichten der Verfügungsbeklagten als Miteigentümerin. Auf welche konkrete Rechtsgrundlage der Anspruch gestützt werde, sei nicht maßgeblich. Das Bayerische Oberste Landesgericht habe sich in der vom Landgericht München I angeführten Entscheidung nicht mit Mitwirkungspflichten der dortigen Antragsgegnerin als Ausfluss der Treue- und Rücksichtnahmepflichten auseinandergesetzt.

Die Verfügungsbeklagte hat sich der Ansicht des Landgerichts München I angeschlossen.

Das Landgericht München I hat sich mit Beschluss vom 9. Februar 2023, den Parteien formlos übermittelt, für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit „von Amts wegen an das Landgericht Augsburg verwiesen“. Da die Verfügungsklägerin Berufung auch zum Landgericht Augsburg eingelegt habe, sei das Verfahren „ohne Bindungswirkung“ an das zuständige Landgericht Augsburg „abzugeben“. Zur Begründung wiederholt und vertieft das Landgericht München I die Ausführungen aus dem Hinweis vom 24. Januar 2023. Sämtliche denkbaren Ansprüche bezögen sich auf das Nachbarrecht und seien nicht wohnungseigentumsrechtlicher Natur. Zwar berufe sich die Verfügungsklägerin auch auf eine Treuepflicht der Verfügungsbeklagten als Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese stelle aber keine eigene Anspruchsgrundlage zwischen Sondereigentümern dar. Wenn allein die Behauptung eines solchen Zusammenhangs für die Zuständigkeitsbegründung ausreiche, müsse man die Voraussetzungen eines inneren Zusammenhangs mit den Rechten und Pflichten als Wohnungseigentümer im Rahmen des § 43 Abs. 2 WEG aufgeben.

Das Landgericht Augsburg hat mit Beschluss vom 23. Februar 2023 die Parteien darauf hingewiesen, dass es sich nicht für zuständig halte. Es liege eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit vor. Die Verfügungsklägerin stelle unter anderem auf das wohnungseigentumsrechtliche Gemeinschaftsverhältnis und die damit einhergehenden Treuepflichten ab. Zwischen den Wohnungseigentümern bestehe ein gesetzliches Schuldverhältnis, in dem das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme ebenso gelte wie im Nachbarverhältnis von Grundstückeigentümern. Ob eine Verletzung der zwischen den Miteigentümern bestehenden Treue- und Rücksichtnahmepflichten vorliege, sei zu prüfen. Die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 16. Januar 1990 sei nicht übertragbar, da sich die Parteien vorliegend nicht wie Dritte gegenüberstünden.

Die Verfügungsklägerin hat hierauf eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO beantragt.

Mit den Parteien zugestelltem Beschluss vom 7. März 2023 hat sich das Landgericht Augsburg für unzuständig erklärt und das Verfahren dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft das Landgericht die Ausführungen aus dem Hinweisbeschluss vom 23. Februar 2023. Das Berufen der Verfügungsklägerin auf gemeinschaftsrechtliche Pflichten entbehre nicht jeder Rechtsgrundlage. In besonderen Fällen könne sich aus dem Gemeinschaftsverhältnis nach Treu und Glauben auch die Pflicht eines Wohnungseigentümers ergeben, eine Nutzung seines sonstigen Eigentums zuzulassen, soweit dies zur Schadensabwehr möglich und zumutbar sei. Nach § 18 Abs. 3 WEG sei ein Wohnungseigentümer berechtigt, die zur Abwendung unmittelbar drohender Schäden nötigen Maßnahmen zu treffen. Aus Gründen der Treuepflicht könne sich das Notgeschäftsführungsrecht zu einer Pflicht verdichten. Anderes ergebe sich nicht aus der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgericht vom 16. Januar 1990. Insbesondere habe das Gericht für einen möglichen Anspruch nach § 21 Abs. 4 WEG a. F. eine Zuständigkeit des WEG-Gerichts nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG gesehen.

Die Parteien haben mit Verfügung vom 16. März 2023 Gelegenheit erhalten, zur Zuständigkeitsbestimmung Stellung zu nehmen. Die Verfügungsklägerin schließt sich den Ausführungen des Landgerichts Augsburg an und verweist auf ihren bisherigen Vortrag. Die Verfügungsbeklagte betont, die Parteien stünden sich wie Dritte gegenüber, ein innerer Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis bestehe nicht. Im Übrigen nimmt die Verfügungsbeklagte auf den Beschluss des Landgerichts München I und ihre bisherigen Ausführungen Bezug.

II.

Auf die zulässige Vorlage ist die funktionelle Zuständigkeit des Landgerichts Augsburg für das streitgegenständliche Berufungsverfahren auszusprechen.

1. Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 36 Rn. 34 ff. m. w. N.) durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor.

a) Das Landgericht München I hat sich durch Beschluss vom 9. Februar 2023 für unzuständig erklärt und das Verfahren an das Landgericht Augsburg „verwiesen“. Das Landgericht Augsburg hat sich mit Beschluss vom 7. März 2023 ebenfalls für unzuständig erklärt. Beide Beschlüsse sind den Parteien übermittelt worden. Die jeweils beiden Parteien mitgeteilte und ausdrücklich ausgesprochene Leugnung der eigenen Zuständigkeit erfüllt das Tatbestandsmerkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 35, jeweils m. w. N.).

b) Zuständig für die Bestimmungsentscheidung ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht, weil das im konkreten Instanzenzug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht über dem Landgericht München I und dem Landgericht Augsburg als Berufungsgerichte der Bundesgerichtshof als Revisionsgericht ist, § 542 Abs. 1 ZPO, § 133 GVG. Dass beide am Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte im Bezirk des Oberlandesgerichts München liegen, führt vorliegend deshalb nicht zu dessen Zuständigkeit für das Bestimmungsverfahren (vgl. BayObLG, Beschluss vom 15. Dezember 2022, 102 AR 84/22; Beschluss vom 14. Februar 2022, 102 AR 190/21; Beschluss vom 24. September 2019, 1 AR 83/19; Toussaint in BeckOK, ZPO, 48. Ed. Stand 1. März 2023, § 36 Rn. 45 ff.).

c) Die Zuständigkeitsbestimmung ist nicht deshalb entbehrlich, weil die Verfügungsklägerin sowohl beim Landgericht München I als auch beim Landgericht Augsburg Berufung eingelegt hat. Der unterlegenen Partei steht gegen ein erstinstanzliches Urteil ein einziges Rechtsmittel, nämlich die Berufung, zu. Macht die Partei von einem Rechtsmittel mehrfach Gebrauch, bevor über dasselbe in anderer Form schon früher eingelegte Rechtsmittel rechtskräftig entschieden ist, hat das Berufungsgericht über dieses Rechtsmittel einheitlich zu entscheiden, auch wenn es bei unterschiedlichen Gerichten eingelegt wurde. In einem solchen Fall haben die angerufenen Gerichte zunächst ihre Zuständigkeit zu prüfen. Hält sich eines der Gerichte für unzuständig, hat es die Sache an das andere Gericht abzugeben (BGH, Beschluss vom 21. Februar 2023, VIII ZB 75/22, NJW-RR 2023, 585 Rn. 10 f.; Beschluss vom 16. November 2020, V ZB 151/19, NJW 2021, 2121 Rn. 10 f.). Im Falle eines – wie hier – negativen Kompetenzkonflikts bedarf es einer Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (BGH NJW 2021, 2121 Rn. 11).

d) Ob die Prozessvoraussetzungen für die Klage vorliegen, bedarf für die Zuständigkeitsbestimmung keiner Prüfung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2014, ARNot 1/13; Beschluss vom 12. Februar 1987, I ARZ 650/86, NJW-RR 1987, 757; BayObLG, Beschluss vom 19. Dezember 2019, 1 AR 110/19; – jeweils zu § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO; Schultzky in Zöller, ZPO, § 37 Rn. 3). Daher kann dahinstehen, ob der Ansicht des Amtsgerichts Augsburg zu folgen ist, für den Antrag fehle die „Prozessführungsbefugnis“, da keine Beschlussfassung der Eigentümerversammlung und damit keine Vertretungsmacht des Verwalters gegenüber einem Miteigentümer vorliege.

2. Das Landgericht Augsburg ist als das funktionell zuständige Gericht zu bestimmen. Zwar kommt dem „Verweisungsbeschluss“ des Landgerichts München I keine Bindungswirkung zu (dazu unter b]). Darauf kommt es aber letztlich nicht entscheidend an, da das Landgericht Augsburg ohnehin das nach § 72 Abs. 2 GVG, § 43 Abs. 2 Nr. 2 WEG funktionell zuständige Gericht ist (nachfolgend unter c]).

a) Im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist der Kompetenzstreit in der Weise zu entscheiden, dass das für den Rechtsstreit tatsächlich zuständige Gericht bestimmt wird; eine Auswahlmöglichkeit oder ein Ermessen bestehen nicht (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 1970, 2 BvR 48/70, BVerfGE 29, 45; BGH, Beschluss vom 14. Februar 1995, X ARZ 35/95; BayObLG, Beschluss vom 15. Dezember 2022, 102 AR 84/22).

Bei der Entscheidung sind die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften und eingetretene verfahrensrechtliche Bindungswirkungen zu beachten (Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 38; Toussaint in BeckOK ZPO, § 36 Rn. 43 f.; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 36 Rn. 31).

b) Dem Beschluss des Landgerichts München I vom 9. Februar 2023 kommt keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO zu, da es sich schon um keine Verweisung, sondern nur um eine Abgabe handelt. Zwar lautet der Beschluss in Tenor Ziffer 3 „Der Rechtsstreit wird von Amts wegen an das Landgericht Augsburg verwiesen“. Indessen ergibt sich aus den Gründen, dass die Kammer gerade keine (bindende) Verweisung des Rechtsstreits vorgenommen hat. Dort ist ausdrücklich erläutert, aufgrund der Berufungseinlegung auch beim Landgericht Augsburg sei die Zuständigkeit zu prüfen und das Verfahren „ohne Bindungswirkung“ an das Landgericht Augsburg als zuständiges angegangenes Berufungsgericht „abzugeben“. Dabei bezieht sich das Landgericht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. November 2020, V ZB 151/19. In dieser führt der Bundesgerichtshof aus, im Falle einer Berufungseinlegung bei zwei Landgerichten habe das Gericht, das sich für unzuständig halte, die Sache an das andere Gericht abzugeben.

Bindungswirkung komme einer solchen Abgabeentscheidung nicht zu, weil § 281 ZPO nicht die funktionelle Zuständigkeit betreffe und auf Verweisungen unter Rechtsmittelgerichten im Grundsatz nicht anwendbar sei.

c) Tatsächlich ist das Landgericht Augsburg funktionell zuständig. Eine Wohnungseigentumssache nach § 72 Abs. 2 GVG, § 43 Abs. 2 Nr. 2 WEG liegt nicht vor.

aa) Eine Zuständigkeit des für Wohnungseigentumssachen zuständigen Berufungsgerichts – des Landgerichts München I – ergibt sich nicht schon daraus, dass das Amtsgericht Augsburg als Wohnungseigentumsgericht entschieden und dementsprechend auch in der Rechtsbehelfsbelehrungdas Landgericht München I als Berufungsgericht angeführt hat. Ob eine Zuständigkeitskonzentration nach § 72 Abs. 2 GVG eintritt, richtet sich allein danach, ob es sich tatsächlich um eine Streitigkeit nach § 43 Abs. 2 WEG handelt (BGH, Urt. v. 21. Februar 2020, V ZR 17/19, NJW 2020, 1525 Rn. 12; Urt. v. 13. Dezember 2019, V ZR 313/16; Beschluss vom 12. November 2015, V ZB 36/15, NJW-RR 2016, 255 Rn. 10 – je zu § 43 WEG a. F.). Rechtstechnisch bezieht sich die Regelung anders als etwa § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) GVG gerade nicht auf das erstinstanzlich entscheidende Gericht (BGH NJW-RR 2016, 255 Rn. 10). Dementsprechend wird eine Zuständigkeit nach § 72 Abs. 2 GVG nicht schon dadurch begründet, dass der für Wohnungseigentumssachen zuständige Amtsrichter entschieden hat (BGH NJW 2020, 1525 Rn. 12).

bb) Ohne Relevanz ist, ob die von der Verfügungsklägerin geltend gemachten Ansprüche unterschiedliche Streitgegenstände darstellen und gegebenenfalls nur einer davon als Wohnungseigentumssache zu qualifizieren wäre. Wenn im Fall einer objektiven Klagehäufung nur ein Teil der erstinstanzlichen Entscheidung Rechtsstreitigkeiten im Sinne von § 43 Abs. 2 WEG betrifft, ist eine unerwünschte Aufspaltung der Berufungszuständigkeit und eine Trennung der Prozesse in der Berufungsinstanz zu vermeiden sowie dem Gebot der Rechtsmittelklarheit Rechnung zu tragen. Die Zuständigkeit in der Berufungsinstanz richtet sich daher in einem solchen Fall einheitlich nach § 72 Abs. 2 GVG (BGH, NJW 2020, 1525 Rn. 8).

cc) Es handelt sich vorliegend nicht um eine Wohnungseigentumssache nach § 72 Abs. 2 GVG, § 43 Abs. 2 Nr. 2 WEG.

(1) § 43 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 WEG sind weit auszulegen. Für die Normanwendung kommt es nicht entscheidend auf die Rechtsgrundlage an, aus der der Anspruch abgeleitet wird. Maßgeblich ist allein der Umstand, ob das in Anspruch genommene Recht oder die den Wohnungseigentümer treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist (BGH, Urt. v. 13. Dezember 2019, V ZR 313/16; Beschluss vom 17. November 2016, V ZB 73/16, NJW-RR 2017, 525 Rn. 7; Urt. v. 10. Juli 2015, V ZR 194/14, NJW 2015, 2968 Rn. 6; Urt. v. 23. April 1991, VI ZR 222/90, NJW-RR 1991, 907; Göbel in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 15. Aufl. 2023, § 43 Rn. 48). Nimmt etwa ein Wohnungseigentümer einen anderen aus einer unerlaubten Handlung auf Schadensersatz in Anspruch, ist nur erforderlich, dass der Anspruch auf ein Verhalten gestützt wird, das sich als Verletzung seiner aus dem Gemeinschaftsverhältnis ergebenden Pflichten gegenüber dem Schadensersatz verlangenden Berechtigten darstellt (BGH NJW-RR 1991, 907). Hingegen sind § 43 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 WEG nicht einschlägig, wenn der Beklagte zwar zum Kreis der Wohnungseigentümer gehört, aber nicht in dieser Eigenschaft in Anspruch genommen wird, sondern das Klagebegehren sich gegen ihn als Vertragspartner der Kläger und als Eigentümer des Nachbargrundstücks richtet (BGH, Urt. v. 21. Juni 1974, V ZR 164/72, NJW 1974, 1552; Göbel in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, § 43 Rn. 38 und Rn. 52). In einem derartigen Fall geht es nicht um die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander, die sich aus der Gemeinschaft ergeben haben. Auch gesetzliche Ansprüche zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und einem Wohnungseigentümer können außerhalb des Anwendungsbereichs der Norm liegen, etwa wenn einem Wohnungseigentümer das Nachbargrundstück gehört und die Wohnungseigentümergemeinschaft dieses Eigentum stört (Rappin Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, WEG § 43 Rn. 40).

(2) Unter Anwendung dieser Grundsätze fehlt es vorliegend am inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Eigentümer am Parkhaus erwachsen ist. Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte gerade als Eigentümerin der Nachbargrundstücke auf Duldung von Sicherungsmaßnahmen (Freilegung der Gasleitung, Verlegung von Betonsteinen, Stahlträgern und Platten auf diesen) sowie auf Gewährung des Zutritts zu den Grundstücken der Verfügungsbeklagten in Anspruch. Diese Maßnahmen können nur mit Zustimmung der Verfügungsbeklagten als Eigentümerin der Nachbargrundstücke durchgeführt werden. Dabei geht es nicht um die Duldung von Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum oder am Sondereigentum der Verfügungsbeklagten. Vielmehr wird diese wie ein sonstiger dritter Grundstücksnachbar in Anspruch genommen. Es geht um die Duldung von Eingriffen in Rechte der Verfügungsbeklagten, die mit dem Gemeinschaftsverhältnis nichts zu tun haben. Ein innerer Zusammenhang dieser behaupteten Ansprüche mit dem Gemeinschaftsverhältnis ist nicht erkennbar.

(3) Anderes folgt nicht daraus, dass die von der Verfügungsklägerin beabsichtigten Maßnahmen – wie sie behauptet – dazu dienen, der der Eigentümergemeinschaft obliegenden Verkehrssicherungspflicht für das Parkhaus nachzukommen. Die Verfügungsklägerin begehrt nicht von der Verfügungsbeklagten, sich an den Sicherungsmaßnahmen in gleicher Weise wie die anderen Eigentümer des Parkhauses (etwa finanziell) zu beteiligen. Vielmehr will die Verfügungsklägerin eine Rechtsposition der Verfügungsbeklagten in Anspruch nehmen, die nur diese hat (Eigentum an den Nachbargrundgrundstücken) und die in keiner inneren Beziehung zur Eigentümergemeinschaft steht.

Die Tatsache, dass die Verfügungsklägerin der Ansicht ist, der Anspruch auf Duldung und Gewährung von Zutritt zum Grundstück der Verfügungsbeklagten ergebe sich auch aus einer im Gemeinschaftsverhältnis wurzelnden Treue- und Rücksichtnahmepflicht, ändert hieran nichts. Zwar ist im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung vom Vortrag der Klagepartei auszugehen (Schultzky in Zöller, ZPO, § 37 Rn. 3). Indessen stützt die Verfügungsklägerin ihre Ansicht auf keinerlei tatsächliche Grundlagen, die ausnahmsweise Anknüpfungspunkt für eine derart weitgehende Pflicht aus dem Gemeinschaftsverhältnis sein könnten. Vielmehr belässt es die Verfügungsklägerin bei der bloßen Rechtsbehauptung, aus dem Gemeinschaftsverhältnis erwachse per se die Pflicht zur beantragten Duldung und Zutrittsgewährung. Diese Rechtsansicht erscheint indessen fernliegend. Die von der Verfügungsklägerin nach ihrem Vortrag beabsichtigten Sicherungsmaßnahmen stellen einen ganz erheblichen Eingriff in das sonstige Eigentum der Verfügungsbeklagten dar. Die Verlegung von 60 großen Betonsteinen rund um den Heizungskeller samt 10 m langen und 35 cm breiten Stahlträgern und Platten beeinträchtigen die Nutzbarkeit des Grundstücks der Verfügungsbeklagten offensichtlich ganz erheblich. Zudem soll die Verfügungsbeklagte diese Maßnahmen zeitlich unbeschränkt und unentgeltlich dulden. Dass ein Wohnungseigentümer verpflichtet wäre, sein sonstiges Eigentum in einem derartigen Ausmaß der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen, lässt sich ganz offensichtlich nicht aus einer Treue- und Rücksichtnahmepflicht ableiten.

Allein die bloße und offensichtlich unzutreffende Rechtsansicht der Verfügungsklägerin, die Duldungspflicht ergebe sich auch aus dem Gemeinschaftsverhältnis, genügt nicht, um eine Zuständigkeit nach § 43 Abs. 2 Nr. 2 WEG, § 72 Abs. 2 GVG zu begründen. Die angeführten Normen regeln, welches Gericht zuständig ist und damit letztlich die Frage des gesetzlichen Richters. Würde der bloße Vortrag einer Rechtsansicht durch die Klagepartei zur Zuständigkeitsbegründung genügen, hätte es die Eigentümergemeinschaft in der Hand, nach Belieben die Zuständigkeit der Gerichte zu steuern. Die weitere Voraussetzung, dass ein innerer Zusammenhang mit einer aus der Gemeinschaft folgenden Angelegenheit bestehen muss, würde zur Leerformel, wenn stets die Behauptung genügte, der gegen ein Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft eingeklagte Anspruch ergebe sich jedenfalls auch aus der Treue- und Rücksichtnahmepflicht.

(4) Entgegen der Ansicht des Landgerichts Augsburg lässt sich aus den Regeln über die Notgeschäftsführungsbefugnis nach § 18 Abs. 3 WEG nichts anderes ableiten. Auch wenn man davon ausgeht, dass sich dieses Recht unter besonderen Umständen zu einer Pflicht verdichten kann, ergibt sich hieraus nichts für den vorliegenden Fall. Die Notgeschäftsführungsbefugnis und gegebenenfalls Notgeschäftsführungspflicht ist auf objektiv erforderliche Notmaßnahmen zur Erhaltung der Substanz oder des wirtschaftlichen Werts des gemeinschaftlichen Eigentums begrenzt (vgl. ausführlich Bub, ZWE 2009, 245, 247 f.; Hügel/Elzer in Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 3. Aufl. 2021, WEG § 18 Rn. 140). Die längerfristige und unentgeltliche Zurverfügungstellung der im Eigentum der Verfügungsbeklagten stehenden Nachbargrundstücke für Maßnahmen, die die Nutzbarkeit der Grundstücke erheblich beeinträchtigen, ist offensichtlich keine Notgeschäftsführungsmaßnahme für die Eigentümergemeinschaft.

(5) Schließlich lässt sich entgegen der Ansicht des Landgerichts Augsburg nichts anderes aus der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 16. Januar 1990, BReg 1 b Z 41/88 ableiten. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat entschieden (a. a. O. Rn. 53), dass der bürgerlich-rechtliche Abmarkungsanspruch nach § 919 BGB sich gegen die dortigen Antragsgegner nicht als Eigentümer des Gemeinschaftsgrundstücks (Fl. Nr. XX), sondern gegen sie als Eigentümer eines anderen Grundstücks (Fl. Nr. …) richte, das an das gemeinschaftliche Grundstück angrenze, aber nicht zur Wohnanlage gehöre (Rn. 55). Es handle sich daher nicht um eine Streitigkeit der Wohnungseigentümer untereinander über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebenden Rechte und Pflichten. Zwar hat das Bayerische Oberste Landesgericht auch noch ausgeführt (a. a. O. Rn. 56), der Antrag lasse sich dahin auslegen, dass die Antragsgegner als Eigentümer des zur Wohnanlage gehörenden Grundstücks (Fl. Nr. XX) nach § 21 Abs. 4, § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG a. F. verpflichtet werden sollten, einen Antrag auf Abmarkung zu stellen. Der Antrag sei in dieser Auslegung aber unzulässig. Die Antragsteller hätten bislang nicht versucht, die von ihnen gewünschte Einleitung des Abmarkungsverfahrens durch Mehrheitsbeschluss herbeizuführen. Ferner bleibe es den antragstellenden Miteigentümern des Gemeinschaftsgrundstücks (Fl. Nr. XX) unbenommen, selbst einen Abmarkungsantrag zu stellen. Daraus lässt sich aber für den vorliegenden Fall, in dem die Verfügungsklägerin die Duldung der Nutzung des Nachbargrundstücks begehrt, nichts ableiten.

 

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